JANUAR 2010
7. Nun sind die Feiertage vorbei und ich werde mich wieder vermehrt meiner Homepage widmen.
Ich weiss gar nicht wie ich anfangen soll. Ich könnte vielleicht mit einer Bestandesaufnahme meines Gesundheitszustandes beginnen. Also, was kann ich alles noch.
Ich kann stehen und mit Hilfe 3-4 Schritte gehen. Wenn meine Arme beim Sitzen auf den Oberschenkeln liegen, kann ich den linken Arm etwa 20 cm hochnehmen. Mit dem rechten angewinkelten Arm erreiche ich knapp das Gesicht. Mit der Hand kann ich mich sogar stuckweit am Kopf kratzen. Ansonsten reibe ich meinen Kopf an der Kopfstütze. Ich komme mir manchmal vor wie eine Kuh, die sich an der “Kuhbürste“ reibt.
Der kleine Finger, der Ringfinger und der Mittelfinder der linken Hand, sind zu einer Faust eingekrümmt. Der Daumen hängt kraftlos an der Seite. Bei der rechten Hand ist der kleine Finger ganz und der Ringfinger zur Hälfte eingekrümmt. Der Daumen und der Zeigefinger sind kraftlos. Ich habe noch genau 3 Finger, mit denen ich arbeiten kann. Ihr fragt euch sicher, wie ich so den PC bedienen kann. Ich benutze eine Bildschirmtastatur. Die Buchstaben werden mittels Mauszeiger ausgewählt und mit der linken Maustaste per Klick geschrieben. Die Maus schiebe ich mit der rechten Hand hin und her. Die rechte Maustaste wird durch den Ringfinger und der Scroller mit dem Mittelfinger bedient. Der rechte Zeigefinger liegt kraftlos auf der linken Maustaste. Darum kommt ihm der linke Zeigefinger zu Hilfe und drückt für ihn die linke Maustaste. Sind diese Drei nicht ein tolles Team? Dem sagt man glaube ich Teamwork. Kompliziert? Versucht es mal.
Meine Rumpfmuskulatur ist noch gut erhalten. Ich habe zwar kein Sixpack, eher ein Schwimmpack. Mit der Rumpfmuskulatur kann ich mithelfen, wenn die Pflegenden mich aufsetzen wollen. Auch für die Balance sind diese wichtig.
Den Kopf kann ich immer noch gut halten. Er fällt weder nach vorne, hinten, noch seitwärts.
Meine Stimme ist leiser und langsamer geworden. Auch versteht man mich nicht immer gleichgut. Zwischen Wörtern und Sätzen muss ich manchmal Pause machen, um Luft zu holen und um mich zu erholen. Das hält mich trotzdem nicht ab, an Diskussionen teilzunehmen. Damit ich auch in Zukunft kommunikationsfähig sein kann, haben wir letztes Jahr ein Kommunikation- und Umfeldkontrollgerät bestellt. Mal schauen, wann es kommt.
Essen und Schlucken geht mit einigen Vorsichtsmassnamen recht gut. Nicht umsonst habe ich Gewichtsmässig so zugelegt. Gell, Franz H.
Meine Atmung ist soweit in Ordnung, sodass ich noch kein Atemunterstützungsgerät benötige. Weder in der Nacht noch am Tag. Mit dem Schlafen funktioniert es bestens. Manchmal ist am Morgen das Kissen feucht. Das bedeutet, dass Speichel vermehrt aus dem Mund, anstatt die Kehle hinunterläuft.
Die anderen Organe funktionieren alle normal.
Mit meiner Psyche bin ich sehr zufrieden. Nicht, dass ich nie schlecht gelaunt bin. Ich bin von Natur aus sehr ungeduldig und wenn mir etwas nicht passt, kann auch ich herumzicken. Das hat aber nicht die Krankheit hervorgebracht. Nein, so war ich schon immer. Wenigstens etwas ist gleichgeblieben.
Nun hoffe ich, dass es die Krankheit auch dieses Jahr gut mit mir meint.
8. Bei der morgendlichen Pflege erzählt mir die Spitexmitarbeiterin, eine ihrer zwei Katzen sei nicht mehr nach Hause gekommen. Sie habe überall gesucht, aber ohne Erfolg. Letztes Jahr musste schon bei einer der beiden Katzen der Schwanz abgenommen werden, weil sie in der Nacht verletzt wurde. Ich hoffe, dass die Katze doch noch nach Hause findet. Sie hängt nämlich sehr an ihren Katzen.
Am Morgen unterbricht Luzia das Bügeln und wir trinken einen Kaffee zusammen. Bei dem einen Kaffee wird es heute nicht bleiben. Den Nachmittag verbringe ich mit meinen Eltern. Sie warten ebenfalls auf wärmere Tage, um wieder nach draussen gehen zu können. Vorerst wärmen wir uns am Urnerkaffee. Am späteren Nachmittag kommt meine Schwester Doris mit ihrem Mann Kurt (Reiskocher-Fahrer) vorbei. Miär hends chogä luschdig. Ich sitze einfach gerne mit lieben Personen zusammen.
9. Heute Samstag findet wieder ein ALS-Selbsthilfegruppentreffen in Zürich statt. Das Treffen wird von der SGMK organisiert. Piet und ich nehmen ebenfalls teil. Alles persönliche was wir in der Gruppe diskutiert wird, sollte nicht nach aussen getragen werden. Damit ihr trotzdem einen Einblick in so ein Treffen bekommt berichte ich, natürlich ohne Namen zu nennen, von diesem Treffen.
Wir, die Betroffene, Angehörige und Freunde setzen sich um einen grossen Tisch. Die Gruppenleiterin beginnt mit der Vorstellrunde. Jeder stellt sich kurz vor. Viele kennen sich natürlich. Dieses Mal ist wieder ein neu Betroffener mit seiner Freundin zu uns gestossen. Er ist noch jung für diese Krankheit. Er hat die Diagnose letzte Woche bekommen. Die beiden haben natürlich viele Fragen. Sie stehen am Anfang eines gewaltigen Prozesses. Wir geben so gut wie wir können Auskunft. Wir erzählen ihnen wie wir den Alltag organisieren. Wir weisen darauf hin, was sie als nächstes angehen müssen. Aber wir wissen auch, dass sie sich zuallererst selbst mit der Krankheit auseinandersetzen müssen. Die Hilfsmittelanschaffungen streifen wir nur kurz. Es wäre zu viel aufs mal. Positiv ist sicher der Bericht einer Teilnehmerin, deren Mann schon seit 30 Jahren mit der ALS lebt. Beeindruckend ist ebenfalls der selbständig Erwerbende der seit 16 Jahren mit der ALS lebt. Er kann sein Glas kaum noch allein zum Mund führen. Trotzdem meistert er sein Leben immer noch allein.
Leider gibt es auch trauriges zu berichten. Die Kerze in der Mitte wird angezündet. Die Gruppenleiterin berichtet uns, dass wieder 3 von uns seit dem letzten Treffen gehen mussten/durften. Ein Witwer und eine Witwe sind am Treffen anwesend. Sie berichten uns über die letzten Stunden ihrer Partner. Es ist eine sehr emotionale Atmosphäre. Wir können in der Gruppe auch offen weinen. Ihr fragt euch sicher, warum tun wir uns das an. Bei diesen Treffen werden wir zu Freunden. Wir lernen so viel voneinander. Zum Beispiel weiss ich nun auch, dass ich nicht Exit beitreten muss. Ein Palliativmediziner kann mir auch helfen, sanft hinüberzugleiten. Und erst noch zu Hause.
Ich hoffe, ihr habt einen kleinen Einblick bekommen.
12. Zuallererst möchte ich mich mal für all die lieben E-Mails, Besuche und Grüsse bedanken. Ich habe lange überlegt, ob es gut ist, mein Leben mittels einer Homepage einem breiteren Publikum zu öffnen. Es birgt gewisse Gefahren. Ich befinde mich stets auf einer Gradwanderung. Wie viel und was gebe ich von meinem Leben bekannt. Was darf ich aus meinem privaten Umfeld preisgeben. Sollte ich jemals einen Beitrag oder ein Bild von jemandem veröffentlichen der das nicht möchte, dann melde dich bitte bei mir. Ich werde es sofort aus der Homepage entfernen.
Sicher habt ihr gemerkt, dass ich im Neuen Jahr die Tagebucheinträge von Unten nach Oben schreibe. Die neuesten Einträge sind also zuoberst. Dadurch seht ihr sofort, ob ich einen neuen Beitrag geschrieben habe. Ich bin immer noch am Gestalten / Umgestalten der HP. Ich lerne immer mehr dazu. Dem sagt man: Learning by doing.
Ich freue mich, wenn euch meine Beiträge weiterhin erfreuen.
13. Mir scheint, meine ganze Umgebung ist erkältet. Einige Husten, den andern läuft die Nase und wieder andere haben Schweissfüsse. Kann mir mal jemand sagen, warum die Nase läuft und die Füsse riechen. Sollte das nicht umgekehrt sein? (Habe den Text geklaut). Ist aber gut, oder?
Nach dem Mittagessen bringt mich Piet zum Coiffeur. Da man in diesem Salon leider keine Termine abmachen kann, versucht man es auf gut Glück. Heute muss ich 50 Minuten warten, bis ich drankomme. Macht nichts, ich habe massenhaft Zeit. Da ich in keinen Zeitschriften blättern kann, konzentriere ich mich halt auf mein Gesicht im Spiegel. Was sehe ich da? Mein Gesicht ist runder geworden. Meine Lieder sagen den Augen auch bald gute Nacht. Meine Hamsterbacken sind reichlich gefüllt. Bald habe ich drei Kinn. (Mehrzahl von Kinn?) Obwohl ich sehr viel lache, hängen meine Mundwinkel ganz schön nach unten. Mein Halslappen wackelt verdächtig. Es sieht aus, wie bei einem Chamäleon. Ich glaube, ich muss mal einen Service machen.
Nun kommen aber zuerst mal meine Haare dran. Ich erzähle der Coiffeuse, dass ich es geniesse, wenn mir jemand den Kopf massiert. Ihr glaubt es nicht. Von nun an werde ich von der Coiffeurin verwöhnt. Ich bekomme das volle Programm. Mehrmaliges Haarewaschen, Kopfmassage, Einmassieren von Pflegeprodukten und so weiter. Sie hat sich den ganzen Nachmittag nur mir gewidmet. Für das Geschäft war ich sicher nicht kostendeckend. Es gibt immer noch Menschen, denen das wohl ergehen Anderer vor dem eigenen Profit stehen. Ich habe das so genossen.
15. Vor einigen Minuten habe ich, wie an den meisten anderen Tagen, die Sendung Küchenschlacht auf ZDF geschaut. Ihr müsst euch die Sendung mal anschauen. Da kochen jeweils 6 Amateurköche gegeneinander. Jeden Tag scheidet einer aus. Geleitet wird das Kochen von jeweils einem Profikoch. Der Juror ist ebenfalls ein Profikoch. Je nach Zusammenstellung der Teilnehmer, kann eine unterhaltsame Runde entstehen. Wenn der Profikoch noch Hensler heisst, wird es besonders spassig. Ich habe mich heute wieder köstlich amüsiert. Beim Zuschauen kann es vorkommen, dass man Gluscht auf etwas zu Essen bekommt. So auch bei mir. Da steht doch prompt eine Glasschale auf unserem Salontisch. Diese ist mit lauter verschiedenen Weihnachtsschogälädäli gefüllt. Sehnsüchtig schiele ich auf die Schale. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Nützt alles nichts. Diese Süssigkeiten zu erreiche ist für mich nun mal ein Ding der Unmöglichkeit. Macht nichts, hab sowieso zu viel Hüftspeck. Gell, Franz H. Nehme trotzdem am Abend zwei.
Der Morgen fing heute schon spassig an. Die Spitexmitarbeiterin und ich machten nämlich da weiter, wo wir Gestern aufgehört haben. Wir haben uns Gestern gegenseitig aufgezogen wegen diesem und jenem. Als sie Heute schwarz gekleidet und mit einem knallgrünen Pullover erscheint, da fällt mir natürlich nichts Schläueres ein als Giftzwerg. Die Strafe folgt sogleich. Ich werde mit eiskalten Händen angefasst. Das Geplänkel geht wieder von vorne los. Wir einigen uns, dass ihre schwarzen Kleider den Winter und somit die Kälte symbolisieren. Der hellgrüne Pullover jedoch für den aufkeimenden Frühling und somit für die wärmere Zeit steht. Es ist so schön Spass zu machen.
16. Heute Nacht um 3.30 Uhr werden wir durch den Telefonanruf unseres Sohnes aus dem Schlaf gerissen. Er informiert uns, dass er das Nasenbluten nicht mehr stoppen könne. Peter ist schon die ganze Woche erkältet. Am Mittwoch musste er sogar am Mittag die Schule abbrechen. Als er am Freitagmittag erzählt, dass er am Morgen wegen Nasenbluten von der Sanität versorgt werden musste, riet ich ihm beim Hausarzt einen Termin zu verlangen. Am Nachmittag blutete die Nase wieder. Beim späteren Arztbesuch erhält er blutstillende Watte. Es sei wahrscheinlich vom vielen Schnäuzen ein Äderli geplatzt. Mit dem Blut sei alles in Ordnung. Gefährlich sei so etwas nicht. Am Abend hat er wieder Nasenbluten. Er kann es mit der Watte in Zaun halten. In der Nacht jedoch kann er es nicht mehr stoppen. Piet telefoniert mit dem Pikettarzt. Der schickt die beiden in die Notaufnahme des Spitals. Dort stellt man fest, dass sich der Blutaustritt weit hinten liegt. Nun werden ihm unter leichter Narkose, in beide Nasenlöcher, eine Tamponage gesteckt. Die müssen nun bis Dienstag drinbleiben. Gleichzeitig muss er Antibiotika schlucken, um den Infekt zu bekämpfen. Es ist nicht gefährlich, aber unangenehm. Piet hat heute den ganzen Tag Krankenschwester gespielt. Nun hoffen wir, dass diese Nacht ruhiger verläuft.
18. Peter kann endlich wieder durch ein Nasenloch atmen. Vor einer Stunde wurde ihm wegen Schmerzen wenigstens eine Tamponage entfernt. Die andere wird Morgen entfernt. Wir hoffen, dass es dann endlich abheilt. In den vergangenen 3 Tagen konnte er kaum etwas essen und trinken. Die Nase tropfte andauernd und die Speichelproduktion lief auf Hochtouren. Er konnte schlecht schlafen. Und das alles wegen Nasenbluten, wahrscheinlich ausgelöst durch starkes Schnäuzen.
Morgen kocht Piet jedenfalls ein saftiges Steak.
Zum Glück haben wir so einen fürsorglichen Betreuer.
19. Judihui! Die Nasentamponaden sind draussen. Nach dem Veröden von Äderchen, sollte die Nase nun halten. Peter darf noch 3 Tage nicht arbeiten. Die sportlichen Aktivitäten darf er ebenfalls nur langsam angehen. Das Ganze hat auch etwas Gutes. Ich verbringe gemütliche Nachmittage mit meinem Sohn.
Am späteren Nachmittag klingt Lachen aus unserer Küche. Myrtha, eine treue Freundin, ist zu Besuch. Der Schalk sitzt ihr buchstäblich im Nacken. Mit ihr hat man immer etwas zu lachen. Sie ist nicht grad grossgewachsen. Mit ihren Hexenschühchen (High Heel mit vorne zulaufender Spitze) erreicht sie jedoch eine stattliche Grösse. Myrtha, wie war das noch mal? Mehr arbeiten, weniger flirten oder mehr flirten, weniger arbeiten. Oder kannst du ämänd beides zusammen?
21. Irgendwie hat diese Woche Spuren hinterlassen. Ich bin den ganzen Tag müde. Muss glaube wieder vermehrt ein Mittagsschläfchen einlegen.
Diese Woche schrieb ich ein Mail an den Chef vom Tiefbauamt Uri. Ich will von ihm wissen, an wen ich mich wenden kann, wenn sich auf Strassen mit Langsamverkehr Probleme für Rollstuhlfahrer ergeben. Ich habe ihm dabei gleich auf ein bestehendes Problem aufmerksam gemacht. Bin gespannt, ob ich eine Antwort bekomme.
In der Migros Zeitung von dieser Woche ist ein interessanter Bericht eines ALS-Betroffenen. Wir kämpfen an vielen Fronten, um das Verständnis für ALS zu fördern. Es kann nämlich jeden treffen. Egal, wie gesund man lebt.
22. Ich bin gemütlich am Fernsehguggä, da erscheint meine jüngste Schwester Doris. Ich merke sofort, sie hat etwas auf dem Herzen. Sie hat die Tagebucheinträge dieser Woche gelesen. Nun fragt sie mich, wie sie Piet entlasten kann. Sogleich engagiere ich sie für einige Arbeiten, welche wir nächstens erledigen möchten. Bei uns gibt es immer etwas zu tun. Solche spontane Hilfe schätzen wir sehr. Danke!
Doris hat noch alte Fotos von uns dabei. Sie hilft mir, diese Einzuscannen. Wollt ihr eines sehen.
25. Heute erhielt ich Antwort vom Tiefbauamt Betreff meiner Anfrage vom 19.01.10
Der Inhalt lautet;
«Im Auftrag von ….. Kantonsingenieur bestätige ich Ihnen den Eingang ihres E-Mails. Herr ….. hat ihre Nachricht und ihre Homepage gelesen und möchte Ihnen zur Gestaltung und den Inhalt gratulieren.
In den nächsten Tagen wird Herr ….. mit Ihnen telefonisch Kontakt aufnehmen, um mit Ihnen das weitere Vorgehen zu besprechen.»
Ich hätte nicht gedacht, dass auf mein Anliegen eingegangen wird. Ich weiss zwar noch nicht was dabei herauskommt. Ich finde einfach, man darf nicht einfach die Faust im Sack machen. Wenn man etwas verändern will, muss man auch reagieren.
26. Am Dienstagnachmittag schauen Erika und ich gemeinsam einen Film im Fernsehen über ALS-Betroffenen. Ich staune selbst immer wieder über den Lebenswillen, welche einige Betroffene besitzen. Nur überleben zu können dank Maschinen, Hilfsmitteln und ständiger Betreuung, Ich weiss nicht, ob ich es so weit kommen lassen werde. Hut ab für euren eisernen Willen.
27. Eine Nachbarin kommt mich besuchen. Sie darf dieses Jahr ihren 80 Geburtstag feiern. Diese Frau hat meine Bewunderung. Sie organisiert und verrichtet ihren Alltag völlig selbstständig. Ich kenne wenige Personen, die dem Neuen so aufgeschlossen sind wie sie. Ich muss ihr zeigen, wie ich mittels PC, Zeitungen lesen kann. Beim gemütlichen Zusammensitzen erzählt sie mir ausserdem von Früher. Besonders interessant sind für mich Geschichten aus unserem Quartier. Es ist ein gemütlicher, informativer Nachmittag.
28. Äs isch so scheen. Alles isch wies. D’Schneeflockä danzit vom Himü. Am liebschdä wed ich jetzt midem Rollstüel üsä ga und gah umäfahrä. Zu miem Rolli gäbs sogar Chedänä. Friäner han ich immer mit dä Chind einä bis zwee Schneemannä/Freuwä ufum Rasä gmacht. Aber bi derä Chäldi liengdi mich dr Piet sowieso nid früsä (nach draussen). Wenn ich nämlich einisch Durägfrorä bi, de chamä mich chüm meh üfwermä. Ja nu, lüeg ich haut zum Fenschder üsä. Sicht wird zwar vo grossä, farbigä Komfedi igschränkt. Mini Schwägeri Luzia chunt ja immer am Donschdigmorget cho gleddä. Ich weiss nid, wo sie diä Energie härnimt. Zerscht het sie iserä Parkplatz und dr Igang friegschüflet. Nachhär hed sie d’Wesch gledet und nu ziet gfundä, um ieseri Fänster fasnächtlich z’dekorierä. Ich cha nur sägä, Pauer Freui.
Dr’Piet het hitt scho friä usem Hüs miessä. Schneeschüflä isch agseit. Äs wird ä langä Arbeitsdag.Eui dr Junior müess hit länger schaffa.
Vor iserem Hüs tirmt sich dr Schnee. Wer mag ächt hit nu schüflä? Ihär gläubets nit. Wo diä zwee Mannä heichämet, sind Parkplätz und dr Igang frii gschüflet. Miär hend kei Ahnig, wer das gmacht het. Faufäu, vielä, vielä Dank.
Dr Piet isch ä so mied gsie, mier sind am Nini scho im Bett gsi. Scheen isch dr Schnee aber trotzdäm.
Morä schrieb ich de wieder Hochdietsch.
FEBRUAR
6. Halli, Hallo, ich bin wieder da. Ich habe lange nichts mehr geschrieben. Die Wetterkapriolen haben meinem Kopf ganz schön zugesetzt. Seit Sonntagabend findet in meinem Kopf ein Kampf statt. Die Kämpfer: Auf der linken Gehirnhälfte befindet sich Kämpfer Schmerz. Auf der rechten Seite sein Gegner Schmerzfrei. Sie liefern sich einen erbitternden Kampf. Wenn der Schmerzkämpfer den Vorschlaghammer einsetzt bin ich für nichts zu gebrauchen. Dann liege ich nur noch rum. Sobald aber der Schmerzfreikämpfer seine Medizin einsetzt, kann ich mich wieder ein wenig meiner Arbeit widmen. Einmal gewinnt der Eine, mal der Andere. Der Kampf zieht sich nun schon über 4 Tage hin. Endlich, heute Donnerstagabend geht es in die entscheidende Runde. Der Schmerzkämpfer greift an, schmerzfrei wird in die hinterste Ecke gedrängt. Im letzten Moment greift schmerzfrei zum Mittel Föhn. Der Föhn bläst den Schmerzkämpfer aus dem Ring und somit aus meinem Hirn. Das Gute hat wieder mal gewonnen.
Während dieser Zeit war ich aber nicht ganz untätig.
Ich habe Termine vereinbart, Abklärungen gemacht, natürlich via E-Mail.
Abklärung Rollstuhlgerechter Eingang Drogerie Baumann
https://mail.google.com/mail/?hl=de&shva=1#label/Belege/1268e3b308fd9cbf
Terminvereinbarung: Am 10.02. bekomme ich endlich mein Kommunikationsgerät mit integrierter Umweltkontrolle. Werde euch dann berichten.
Das absolute Highlight der Woche war der Besuch von zwei Herren vom Tiefbauamt Uri. Ich habe ja schon geschrieben, dass ich betr. Rollstuhlhindernisse auf Urner Strassen mit ihnen Kontakt aufgenommen habe. Ich wurde von Ihnen über ihren Zuständigkeitsbereich informiert. Sie haben meine Anliegen und Anregungen aufgenommen und mir gesagt, dass sie alles prüfen würden. Sie haben ebenfalls erwähnt, dass Sie wieder vermehrt ein Augenmerk auf hindernisfreies Bauen legen werden. Ich muss euch sagen, ich fühlte mich ernst genommen. Meine Herren, danke vielmal.
Wisst ihr was mich auch noch beeindruckt hat? Bevor sie gingen, wurde ich gefragt ob sie für mich noch etwas machen könnten. Ein Glas Wasser holen oder sonst etwas. Es ist eine Kleinigkeit, aber gerade diese Kleinigkeiten, bereichern unser Leben. Man, ist das Leben schön.
Wir wurden auch diese Woche wieder mit Süssem verwöhnt. Ich stürzte mich auf die Urnerpastete und Piet auf die feinen Muffins mit Ananasstückchen. Danke den Bäckerinnen.
7. Hab heute den Frühling gesehen. Wir waren kurz im Tessin. In Airolo liegt zwar noch viel Schnee. Dank dem Nordföhn kletterte das Quecksilber aber in Faido auf ca.14°. Die Sonne hat schon gewaltig Kraft. In der Nähe von Locarno haben wir folgendes Bild geschossen. Tessinerpalmen und schneebedeckte Bergspitzen.
9. Heute beginnt in meiner Gemeinde die Fassnacht. Am Abend ist Eintrommeln. Die Katzenmusik zieht ums Dorf. Darum habe ich mir für Heute etwas vorgenommen. Ich will die Spitex verarschen. Als am Morgen Luzia von der Spitex in mein Zimmer kommt und nach meinem Befinden fragt, sag ich ihr ich müsse ihr etwas sagen. „Wenn du nun meine Decke hochhebst darfst du nicht erschrecken. Gestern ist etwas mit meinen Händen passiert. Sie sehen nicht so gut aus. Also erschrick nicht.“ Vorsichtig hebt Luzia die Decke um diese gleich wieder lachend fallen zu lassen. An beiden Händen trage ich riesengrosse Gummifinger a la Frankenstein. Piet hat sie mir am Morgen angezogen. Strafe muss sein. Luzia von der Spidi hat nämlich von heute an Fassnachtsferien. Und ausserdem, ein bisschen Spass soll erlaubt sein.
Früher war ich in der Katzenmusikgesellschaft und hab selbst mitgetrommelt. Ich war gerne ein Maskerad. Die meisten Kostüme habe ich damals selbst geschneidert. Ich finde, einmal im Jahr darf man ruhig spinnen. Ausserdem habe ich mich an der Fassnacht vor 32 Jahren am FEMU-Ball in meinen Mann verliebt.
Nun hoffe ich, Väterchen Frost ist ein wenig gnädig mit den Fassnächtlern.
15. Hallo meine lieben Freunde. Ich bin wieder einigermassen auf dem Damm. Nun hole ich den Valentinstag nach und sage Euch vielmals danke für die Mails, Gästebucheinträge, die Grüsse und lieben Worte, für die schönen Gesten und für euer Lächeln, das ihr mir das ganze Jahr zukommen lasst. Ich danke euch vielmal.
Soeben ist unser Kinderfasnachtsumzug in der Nähe unseres Hauses vorbeimarschiert. Ich würde gerne teilnehmen. Aber obwohl die Sonne wunderschön vom Himmel lächelt darf ich nicht ins Freie. Die Erkältung, die mich am Mittwochabend beim Ytrummeln in Altdorf eingefangen hat, lässt mich immer noch nicht ganz los. Dabei füttere ich sie wacker mit Nasenspray, Vicks, Tee und Wärme. Ich glaube langsam, der Erkältung gefällt es bei mir. Muss mir wohl noch was überlegen.
Früher hat uns unsere Mutter immer für den Kinderumzug Gwändli (Kostüme) genäht. Nach dem Umzug erhielten alle teilnehmenden Kinder ein Säckli. Darin befand sich eine Orange, ein Mutschli (Brötchen) und ein Cervelat. Danach fand im Restaurant Krone der Kinderball statt. Am Abend durften dann auch die Erwachsenen das Tanzbein schwingen. Aus Platzgründen findet dieser Anlass inzwischen in der Mehrzweckhalle statt. Dieses Jahr findet zusätzlich ein Scheesälirännä (originell gestaltete Kinderwagen) statt. Wäre sicher lustig. Freue ich mich halt aufs nächste Jahr.
16. Kalt und dunkel ist es Draussen
Leiser Wind durch Lüfte wandelt
Tönen nun von Ferne her
Schwere Schritte immer mehr
Trommelwirbel in den Gassen
Schwarze Männer, grimmige Masken
Schweres auf ihren Schultern lastet
Schreiten sie dem Galgen zu
Aufgeknüpft am Seile hangend
Er dann gleich auch Feuer fange
Trommelwirbel immer schneller
Lichterloh er nun auch brenne
Heller Schein und ein Geknalle
Explodiert am Fasnachtsgalgen
Trommelwirbel nun verstumme
Fort nun sei der Lumpenhund
17. Am Morgen ist meine Nase immer noch verstopft. Beim anschliessenden Nasenputzen kommt so viel Ware runter, dass ich mich fragen muss, wo das Alles herkommt. Ich kann nur hoffen, dass keine Hirnmasse dabei ist. Das wäre gar nicht gut. Mein Hirn ist nämlich eines der Wenigen Dinge, die bei mir noch normal funktionieren. Da meine Lunge nur noch etwa 50 % ihrer früheren Kapazität besitzt, muss versucht werden meine Atemwege möglichst freizuhalten. Darum werde ich von der Spitex reichlich mit Vicks an Rücken, Brust und Hals eingerieben. Am Mittagstisch erzähle ich Piet von meinen Befürchtungen apropos Hirn. Er meinte dann nur gelassen. Bei dickflüssiger Masse könne es nicht Hirnmasse sein. Bei mir würde in diesem Fall lediglich Wasser kommen. Was soll ich da noch sagen?
Meine Eltern besuchen mich am Nachmittag. Wir diskutieren über die Olympiade. Mein Vater beschreibt uns die Gegend von Vancouver und Umgebung. Er war vor Jahren mit meiner Schwester Doris in Kanada unterwegs. Später schaut noch meine Schwester Bernadette vorbei. Wir haben es recht gemütlich bis ein Kuchenbrosmen (krümel) bei mir einen Hustenanfall auslöst. Für mich bedeutet das; Erhöhte Speichelbildung, Brechreiz und somit Atemnot. Für meine Besucher bedeutet das; Erschrecken, Hilflosigkeit und Unsicherheit was zu tun ist. Für Jemanden der das zum ersten Mal miterlebt ist es sicher nicht angenehm, mit anzusehen wie ich versuche meine Atemwege freizubekommen. Ich huste dann, es läuft Speichel aus dem Mund, manchmal fängt die Nase an zu laufen, die Augen tränen und manchmal muss ich brechen. Der Spuck dauert meistens nicht lange. Piet hat mir einmal gesagt, ich schaue ihn jeweils mit grossen flehenden Augen an mir zu helfen. Ich habe auch nie Angst vor dem nächsten Mal. Ich sage mir, es reicht Angst zu haben, wenn es wieder soweit ist. Schwesterchen du hast es Super gemacht.
Sorry Piet, dass ich dir den Schnupfen angesteckt habe.
20. Mit Nasenspray in allen 4 Nasenlöchern, mit einem Liter Tee und mit der von Peter gemachten Anken suppe machen Piet und ich uns für den Abend fit. Jeder von uns hat heute Abend etwas vor. Im Muotathal spielt die Rockband Rhino Booket. Piet wurde von einem Freund zu diesem Konzert eingeladen. Und ich habe für heute Abend ein Schwesterntreffen organisiert. Zuerst treffen wir uns bei mir zu Hause zum Apero. Danach gehen wir in die Burg zum Nachtessen. Als wir den Treppenlift betätigen wollen, funktioniert er nicht. Nicht verzagen, Leute fragen. Mit vereinten Kräften werde ich die Treppen hinaufgezogen. Endlich können wir an unserem Tisch platznehmen. Nun beginnt der gemütliche Teil. Was ist, wenn 5 Frauen die Arme weit von sich strecken, um die Speisekarte lesen zu können. Sind sie etwa zu eitel ihre Lesebrillen aufzusetzen. Wenn man aber trotz Brille nichts auf dem Handydisplay erkennen kann, muss es nicht unbedingt an den Augen liegen. Vielleicht sollte man das Handy einfach zuerst einschalten, gell Hedy. Plötzlich liegen Lippenstifte, Kugelschreiber und Pillendöschen auf dem Tisch. Nun werden Schminktipps ausgetauscht, Farben analysiert, Kugelschreiber getestet und über die Einnahme von Medikamenten gefachsimpelt. Zwischendurch wird die Vorspeise, der Hauptgang und obwohl wir eigentlich satt sind, ein Dessert serviert. Obwohl wir keinen Schluck Alkohol trinken, erzählt Hedi plötzlich von Pflanzen die angeblich die Blauzungenkrankheit haben. War etwa im Coup-Burg doch Alk drin? Oder hat dich der rosa-, braune-, violette-, Lippenstift so verwirrt? Zum Kaffee gehen wir wieder zu mir nach Hause. Weil der Lift immer noch nicht funktioniert, muss halt der Burg-Hansi helfen mich runter zu tragen. Zuhause fallen wir über unsere Kindheit her. Lachen mussten wir, als wir uns bildlich vorstellten, wie Bernadette und Marie-Theres aussahen, als sich direkt an der Stirn die Fransen schnitten. Doris beklagt sich bei Hedy, sie habe ihr die Stirnfranseln zum ersten Schultag so furchtbar geschnitten, dass sie sich geschämt habe. Aber du hast das damals sicher mit deinen süssen Bäckchen wettgemacht, gell Mügerli. Ich muss noch zwei Suchmeldungen durchgeben. Vermisst wird eine Puppe ca. 40 cm gross, mit langen, blonden Zöpfen und ein offener, rosafarbiger Puppenwagen mit fehlendem Rad. Zum Glück habe ich mein Teddybär, frühzeitig zu meinem Eigentum erklärt und ihn so vor fremdem Zugriff gesichert. Ich habe diesen ihn heute noch. Ich finde es schön mit meinen Schwestern über unsere Kindheit, unsere Leben zu berichten. Wir werden in keinen Geschichtsbüchern vorkommen. Und trotzdem werden wir Geschichte schreiben. Es ist nämlich unsere Geschichte. Es ist meine Geschichte.
Danke, es war ein schöner Abend.
Später kommt Piet nach Hause. Er ist heiser und sein Gehör hat ein wenig gelitten. Auch für ihn war sein Abend ein voller Erfolg.
19. Gestern habe ich den ganzen Nachmittag geschlafen. Die Putzfrau hat um mich herum geputzt, ich habe nichts mitbekommen. Ich liebe ja alle Jahreszeiten, aber Heuer scheint mir der Winter gar artig lang zu sein. Sollte der nächste Winter wieder so lange dauern, werde ich mir eine Höhle suchen, um einen Winterschlaf abzuhalten. Hamsterbacken besitze ich nämlich schon.
Obwohl Piet auch erkältet ist, liess er es sich nicht nehmen, die Swiss Performance (Töffausstellung) in Zürich zu besuchen. Mein Mann liebäugelt nämlich mit einer schnelleren Maschine. Grrrr….
Heute muss Peter für mich sorgen. Für Piet ist es sicher eine Entlastung, zu wissen, dass ich gut versorgt werde. Somit kann er sich auch mal einen Tag gönnen.
Ich habe noch etwas Wunderschönes zu berichten. Eine meiner Nichten hat meine Eltern zum ersten Mal zu Urgrosseltern gemacht. Herzlich willkommen in unser Familie Kleine Giulia.
23. Etwas Warmes kitzelt mich an der Nase. Nein, es ist keine Hundeschnauze. Es ist ein Sonnenstrahl der vorwitzig durch eine Vorhanglitze blinzelt, um mir guten Morgen zu sagen. Liebe Sonne, wie habe ich deine warmen Arme vermisst. Ich freue mich so, wenn du bald Alle ausstreckst, um mich damit zu umschliessen. Bald werde ich wieder mit dir Ausflüge unternehmen. Ich weiss du wirst für mich die Blumen zum Blühen bringen. Ich habe heute von unserem Küchenfenster aus, bereits zwei gelbe Blümchen entdeckt. Für uns ALS’ler ist es nämlich nicht selbstverständlich, dass wir den Winter unbeschadet überstehen. Manchmal frage ich mich schon, ob ich wohl im nächsten Jahr auch wieder alle Jahreszeiten miterleben darf. Wahrscheinlich wurde meine Naturverbunden dadurch noch verstärkt, weil ich am eigenen Körper miterlebe, wie vergänglich alles ist. Flora und Fauna sind zu meinen besten Seelentröstern geworden. Sie geben mir Frieden und Kraft. Darum freue ich mich so, sie wieder begrüssen zu können. Das Leben ist so wunderschön.
Der Winterling ist mit dem Schneeglöckchen zusammen die erste Frühlingsblume, deren Blüten oft schon im Januar zu beobachten sind.
21. Piet und ich liegen um 4.00 Uhr noch wach. Wahrscheinlich sind wir noch zu sehr aufgedreht. Nächstes Mal sollten wir es wie meine Eltern machen. Nämlich aufstehen und zusammen ein Gläschen Schampus trinken. Muss mir das hinter die Ohren schreiben.
Dank dem Föhn ist heute ein wunderschöner Tag. Die Sonne scheint und die Temperaturen klettern auf +10°.
24. Am Nachmittag erhalte ich noch mal Besuch von der Firma activcomunication. Wie ich euch schon mitgeteilt habe, muss ich mir ein Kommunikatins-,Umfeldkontrollgerät zu legen. Ich habe mich für das Tobii C8 entschieden. Dies soll meine Kommunikation mittels Sprachausgabe unterstützen. Auch kann ich alle Geräte die mittels einer Infrarotbedienung (TV, Hifi usw.) zu bedienen sind, mit dem Gerät ansteuern. Ich kann SMS verschicken und kann damit sogar telefonieren. Ich werde das Gerät vorwiegend mit einer Kopfmaus bedienen. Das heisst, ich trage auf der Stirn einen reflektieren Punkt. Der Punkt wird mittels Kamera, die am Gerät befestigt ist, aufgefangen und umgewandelt. Heute werden noch Anpassungen gemacht und Halterungen am Rollstuhl befestigt. Ich hoffe, ich kann das Gerät bald auch im Freien testen. Bin gespannt, wie die Leute reagieren, wenn Sie von einer Computerstimme angesprochen werden. Ich hoffe nur eins, dass das Gerät meine Offroad-Touren mitmacht. Ich möchte euch allen danken, denn durch eure Hilfe, kann mir die IV dieses Gerät zur Verfügung stellen. Somit bin ich weniger auf Fremdhilfe angewiesen.
25. Ich schlafe noch gemütlich. Plötzlich höre ich wie zwei-, dreimal mein Name gerufen wird. Träume ich? Nun sagt eine Stimme vor meiner Zimmertür. Rita, die Maler sind da. Können wir in den anderen Zimmern anfangen die Fensterbrüstungen zu streichen. Ich antworte ganz verschlafen mit einem Ja. Nun warte ich auf die Spitex. Hoffentlich kommt sie bald. Ich möchte nämlich nicht unbedingt, dass mir ein Maler ins Zimmer platzt. Die Morgentoilette fällte Heute sehr kurz aus. Als wir nämlich ins Bad wollen, steht vor dem Fenster ein Maler auf der Leiter. Also verziehen wir uns in das untere WC. Leider ist dort die Toilettenschüssel tiefer. Die Spitex schafft es nicht, mich wieder hoch zu hieven. Zum Glück ist meine Bügelfrau zur Stelle. Mit vereinten Kräften schaffen sie es, mich aufzustellen. Bin ich froh. Wäre schön peinlich gewesen, die Maler um Hilfe zu bitten. Spass hatten wir aber trotzdem dabei. Kurz vor dem Mittag kommt mein Hausarzt für den Quick vorbei. Seid der Lungenembolie wird mein Blut verdünnt und muss darum jeden Monat kontrolliert werden. Durch diese Besuche hält er sich auch auf dem laufendem, wie es um meine Gesundheit steht. Finde ich gut. Mein Hausarzt ist ursprünglich ein Bündner. Als wir so über die Olympiade fachsimpeln meint er, dass wieder ein Bündner die Kohlen für die Schweiz aus dem Feuer holen musste. Ich finde, da muss er aufpassen. Waren es nicht die Bündner, die anfänglich zu Uri gehören wollten. Weil wir sie aber nicht hier haben wollten, mussten sie sich eine andere Gegend suchen. Sie liessen sich ähnä (nach) am Oberalp nieder. Als die Rehe die Menschen kommen sahen, seien diese so erschrocken, dass ihnen riesengrosse Hörner wuchsen. (by piet)
Ich finde unsere Sportler machen ihre Sache gut.
26. Gestern Abend ging ich früh zu Bett. Ein leichtes Kopfweh machte sich bemerkbar. Ist ja logisch. Der Föhn ist wieder mal im Anmarsch. Ich liege also im Bett und schaue TV. Plötzlich wird der Föhn stärker. Er bläst durch mein halb geöffnetes Fenster. Vor meiner Zimmertür tobt und heult es. Die Türe rüttelt, als wolle jemand hineinkommen. Ein Luftzug zieht unter meinem Bett durch und wackelt an meinem Bett. Ich komme mir vor wie in einem Geisterfilm. Früher habe ich viele Romane gelesen, in denen Burgen, Schlösser mit Verliesen und Geheimgängen vorkamen. Meistens war da auch von einem Schlossgeist die Rede. Ich fühle mich mitten in solch einer Geschichte. Es ist ein wenig beängstigend und trotzdem irgendwie belustigend. Was alte Häuser so im Petto haben. Irgendwann beginnt es zu regnen und der Föhn lässt nach.
Am Morgen müssen wir wieder pressieren. Ich kann den Treppenlift nur bis 10.30 Uhr benutzen. Heute wird der Liftservice gemacht. Da sieht man wieder, wie ich auf den Lift angewiesen bin. Zum Glück hat er mich noch nie im Stich gelassen. Sonst müsste ich wohl auf dem Treppengeländer hinunter sausen, wie das kleine Hippi-Gespenstli von Peter Reber.
27. Eigentlich möchte ich noch schlafen. Als Piet erwähnt, dass draussen die Sonne scheint, gibt es für mich kein Halten mehr. Ich bin schnell angezogen. In der Küche wartet ein Macchiato und frische Gipfeli auf mich. Wer hat’s gemacht? Nein, nicht die Schweizer. Es war der Piet. Danach werde ich in den Aussenrollstuhl verfrachtet und es geht nach draussen. Oh, endlich wieder in der freien Natur. Ich beäuge meine Umgebung. Ich treffe auf Winterlinge, Schneeglöckchen, Geissenblümchen und einzelne Krokusse. Am Himmel zieht ein Milan seine Kreise. Ein Spatzenweibchen baut in unserer Hecke bereits ein Nest. Die Bergdohlen sitzen auf den Hausgiebeln und hoch oben auf unserem Weidenstrauch singen Zilpzalp aus voller Kehle. Ich fühle mich wunderbar. So müssen sich Tiere fühlen, nach ihrem Winterschlaf. He, Frühling, wir sind da.
Am Nachmittag mache ich in Begleitung von Piet meinen ersten Rolliausflug im Jahr 2010. Der erste Ausflug führte uns über den Hochweg. Die Strecke ist in gutem Zustand. Es war so schön. Welt du hast mich wieder.
28. Äs pifft und ridlet undrum Dach
Dr Feen isch innä ghit dr Nacht
Äs isch keis schlafe i derä Nacht
Är ischs, wo is so gschdurä macht
Äs Fenster schletzt, ä Balkä kracht
Und Ziägu riglets abbum Dach
Jetzt liggäts dunnä ufum Rasä
und är düed eifach wietter blasä
Herr ändlich üf, ies so feschts z’plagä
Miär hend jetzt gnüeg, dü chasch jetzt gah
Jetzt ändlich lad är sich la gah
Sini gwaldi Kraft hed ihn verlah
MÄRZ
3. Ich hatte mir vorgenommen, heute Nachmittag nach draussen zu gehen. Darum hat mir die Spitex am Morgen wärmere Kleider angezogen. Ich muss jeweils bereits am Morgen entscheiden, ob ich im Haus bleibe oder nach draussen gehe. Besonders in der Übergangszeit ist es wichtig, die richtige Kleiderwahl zu treffen. Piet hat in der Mittagspause nicht noch Zeit, mich umzuziehen. In solch einem Fall wünschte ich mir manchmal, ich könnte eine Person anstellen, die mir hilft, meine Bedürfnisse umzusetzen. Aber dafür ist der Gesetzgeber noch nicht ganz bereit.
Leider hat sich die Sonne am Mittag verzogen und somit ist es für mich draussen zu kalt. Also habe ich Zeit, meine HP ein klein wenig aufzumotzen.
6. Ich sitze im Büro am Fenster. Die Schneeflocken fallen wie Wattebausche vom Himmel. Ich sehe, wie sich einige vorwitzig auf die Fensterbrüstung setzen. Habt ihr schon mal eine Schneeflocke genau betrachtet. Für mich sehen sie wie Bergkristallspitzen aus, die sich zu einer Formation zusammengefunden haben. So rein und unschuldig. Ein Bergkristall braucht viele, viele tausend Jahre zum Entstehen und strahlt dafür für immer. Eine Schneeflocke kann von einer Minute zur Anderen entstehen. Ebenso schnell kann sie wieder vergehen. Kurz vor ihrem verschwinden wird sie so klar wie ein Bergkristall. Wunderschön.
Nun kommt ein Blizzard auf. Eine Möwe versucht gegen den Wind zu fliegen und eine Ente nutzt den Wind für ihre Richtung. Anscheinend macht es ihr Spass. Sie schnattert aus voller Kehle.
Nun kommen die Segler. 20 - 30 Bergdohlen lassen sich vom Wind durch die Luft tragen. Bergdohlen trifft man glaube ich nie einzeln an. Sind das eventuell Herdentiere? Sie können schön laut werden, wenn sie einander das Fressen abjagen. Eigentlich hätte ich gerne wieder Futter hinausgetan. Doch mein Mann meinte kürzlich, die Amseln seien so dick, ihn würde es nicht verwundern, wenn diese vom Himmel fallen würden.
Ich habe mich so auf den Frühling gefreut. Aber wenn alles weiss ist, sieht es halt schon auch schön aus. Schade ist es halt, dass es gar so kalt sein muss. Die Natur braucht aber diese Kälte, um das Ungeziefer auf natürliche Weise zu reduzieren.
Mein Mann war früher ein begeisterter Skifahrer. Seid er aber Abwart ist und er für die Schneeräumung verantwortlich ist, ist ihm die Lust auf Schnee abhandengekommen.
Heute ist er wieder den ganzen Tag im Einsatz.
Peter kam gerade vorbei, um mir etwas zu Essen zu geben. Er darf nur kurz bei mir sein. Sein Magen-Darmgrippe ist zwar am Abklingen, aber Vorsicht ist trotzdem geboten. Ich kann mir ausmalen, wie es sein würde, wenn ich diese Grippe bekommen sollte. Da ich nicht mehr zu den Schnellläufern gehöre, würde ich mich glaube, während dieser Zeit auf der Toilette einrichten.
Nun habe ich gerade die Herrenabfahrt geschaut. Unser Cuche war wieder super in Form. Liegt sicher an seinem Ovomaltinen-Helm.
Jetzt hat gerade die Sonne hereingeschaut und es hat aufgehört zu schneien. Nun trauen sich auch die Meisen und die Spatzen wieder herumzufliegen.
Jeah, Piet kommt nach Hause. Es gibt s’Zabig. (Zwischenmahlzeit am Nachmittag).
Als nächstes gehe ich das Fernsehprogramm strapazieren.
7. Heute kann ich lange ausschlafen. Piet ist wieder am Schnee schaufeln. Da ich am Wochenende keine Spitex habe, warte ich im Bett bis er nach Hause kommt.
Am Abend werde ich von 3 Freundinnen abgeholt. Wir gehen dick Essen. Die Fischknusperli sind ein Genuss. He, und das Dessert erst. Apfelküchlein mit Zimtglace und frischem Rahm. Meine Schulkameradin, die das Restaurant führt, kann eben kochen. Dieses Mal werde ich von Myrtha gefüttert. Für das, dass sie keine Kinder hat, macht sie dies sehr gut. Wir gehen beizeiten wieder nach Hause. Ich muss nämlich am Montagnachmittag zum Routineuntersuch nach St.Gallen.
Also, ab ins Bett.
8. Während ich von der Spitex für den Tag gestylt werde, ist Piet bereits mit der Harley unterwegs. In Altdorf finden diese Woche Gospelkonzerte im Tellspielhaus statt. Für diesen Event wurde Piet angefragt, ob er seine Harley zur Verfügung stellen würde. Wohlverstanden, es liegt Schnee auf der Strasse. Aber was macht man nicht alles bei minus Graden für gute Freunde. Weil eine Harley nicht für das Befahren von Treppen konzipiert ist, wird sie kurzerhand zum Fliegen gebracht. Da hat es Gessler mit seinen PS unter dem Gesäss einfacher.
Am Mittag brechen wir nach St.Gallen zu meinem Routineuntersuch auf. Für diese Strecke benötigen wir 2 Stunden. Bei der Untersuchung wird die Verschlechterung meiner Sprache festgehalten. Da meine Spastik (Steifigkeit) zugenommen hat, versuchen wir es mit einer Dosiserhöhung eines meiner Medikamente. Es ist wichtig die Dosis genau auf mich abzustimmen. Wenn ich zu viel nehme, werden meine Beine zu Elastisch und ich kann nicht mehr stehen. Nehme ich zu wenig, werde ich zu einem Brett, welches keinen Fuss mehr hochheben kann. Während der Dosisanpassung kann es vorkommen, dass ich am Tage vermehrt müde bin und somit nicht immer Besuche empfangen kann. Aber nur bis ich die richtige Dosis gefunden habe. Ansonsten sind sie in St.Gallen sehr zufrieden mit mir.
Ich auch. Bei dem Nachhauseweg dürfen Piet und ich einen wunderschönen Sonnenuntergang miterleben. So was sehen wir wegen unseren schönen Bergen halt nicht. Ich finde es aber gut so, schliesslich sollen Alle vom Schönen etwas abhaben
9. Ich habe seit längerem nach einer neuen Physiotherapeutin gesucht. Es ist gar nicht so einfach Jemand passenden zu finden. Idealerweise ist die Krankheit ALS für sie ein Begriff. Im Weiteren sollte sie Hausbesuche machen. Sie sollte ein gutes Einfühlungsvermögen besitzen. Flexibel sein, um sich bei Fortschreiten der Krankheit anpassen zu können. Ich glaube, ich könnte diese Therapeutin gefunden haben. Heute Morgen hat sie zuerst eine Bestandesaufnahme von mir gemacht. Dann wurde durchbewegt, Atemübungen gemacht und die von St.Gallen angeregte Lymphdrainage an Armen und Händen durchgeführt. Es hat mir so gutgetan, zu spüren, dass da noch einige Muskeln vorhanden sind. Ich freue mich schon aufs nächste Mal.
Ich habe vorgehabt, am Nachmittag am PC zu arbeiten. Daraus wurde aber nichts. Ich war so müde, ich habe den ganzen Nachmittag verschlafen. Verschiebe ich es halt auf Morgen.
12. So, nun bin ich ausgeschlafen und kann wieder an meiner HP herumbasteln. Ich bin immer noch am Ausprobieren. Es funktioniert noch nicht Alles so, wie ich es mir vorstelle. Bevor ich aber weiterschreibe, muss ich zuerst das Internet-Radio einschalten. Moment…So, jetzt schreibt sich’s doch leichter. Im Momentan läuft „Tush“ von ZZ-Top.
Also, schon seit längerem versuche ich einen Film, von meinem Ausflug über den Hochweg, ins Netz zu stellen. Irgendetwas mache ich falsch, nur was? Mein Homepage-Tool könnte einiges. Nur, ich weiss bei einigen Anwendungen nicht für was sie bestimmt sind und wie sie angewendet werden. Nun habe ich angefangen über Internetbegriffe nachzulesen. Uijui das ist happig. Pearl, Joomla, FTP, PHP5 und, und, und. Ich hatte eigentlich nicht vor selbst zu programmieren. Überlege mir, ob ich nicht noch einen Kurs besuchen soll. Wäre wieder mal Zeit, etwas zu lernen. Sonst rostet mein Hirn noch ein. Mal schauen.
Was habe ich diese Woche noch gemacht, ausser dass ein Mitarbeiter einer Rollstuhlfirma wegen mir einen Rüffel bekommen hat. Ich werde mich bei ihm noch persönlich endschuldigen. Wie kam es dazu?
Übrigens nun höre ich gerade „Cross-Eyed Mary“ von Jethro Tell.
Ich musste neue Batterien für meinen Rollstuhl haben. Die Privatkunden dürfen nicht selbst bei der Herstellerfirma in Deutschland bestellen. Wir bestellen die Batterien also bei der Import Firma in der Schweiz. Diese verweisst uns wiederum an einen Fachhändler. Die Rechnung erstellt aber die Import Firma. Als dann die Batterien endlich nach einer Woche bei mir eintreffen und wir feststellen, dass es nicht die gleichen sind, platzt mir der Kragen. Ich schreibe ein Mail an den Hersteller und bringe meinen Unmut zum Ausdruck. Postwendend ging mein Mail vom Hersteller zum Importeur, dann zum Fachhändler und zu guter Letzt bekam wieder mal der Büezer alles ab. Das wollte ich so nicht. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass es eine neue Ausführung ist. Ich weiss, manchmal bin ich einfach zu ungeduldig und werde angriffig. Eben ein richtiger Skorpion. Man sollte sie einfach nicht reizen. Aber sonst ist es doch ein ganz schönes Tier, oder?
Natürlich habe ich Heute die super Fahrt von unserem Iceman Janka mitverfolgt. He, der ist momentan wirklich der Beste. Hoffe, unser Simi macht es ihm Heute nach. Flieg Simi, flieg.
13. Ihr glaubt nicht, wie schwierig es ist, einen Film in eine homepagekompatible Datei umzuwandeln. Dank mithilfe von Peter habe ich es geschafft, wenigstens ein kleines Filmchen hochzuladen. Will aber noch weiter tüfteln. Irgendwann wird’s schon funktionieren.
Am Samstagnachmittag fahren Piet und ich nach Zürich zum ALS-Selbsthilfegruppentreffen.
Es tut so gut sich, mit anderen Betroffenen auszutauschen. Jeder weiss mehr oder weniger von was der Andere spricht. Auch die Angehörigen kommen nicht zu kurz. Sie können sich über die Hilfsmittelbeschaffung, um Behördengänge usw. austauschen. Sie können von den Erfahrungen der Anderen profitieren. Bei dieser Krankheit ist eben nicht nur der „Patient“ betroffen, sondern auch der Partner, die Familie und das nähere Umfeld. Wir dürfen bei den Treffen auch miteinander Weinen und natürlich ebenso Lachen. Jeder kann einmal auf seine eigenen Grenzen stossen. Es tut gut zu wissen, dass das auch Andern passieren kann. Niemand kann ins Innere einer anderen Person blicken. Als Selbstbetroffener kann man wahrscheinlich eher ahnen, was im Andern vorgeht.
Ich freue mich jedes Mal, wenn ich wieder alle sehen kann und niemand uns verlassen hat.
Diesmal stiessen wieder zwei Betroffene zu unserer Gruppe. Soll man das nun gut finden?
Jeder Verein wäre erfreut über Neuzugänge. Bei uns hat dies leider einen bitteren Beigeschmack. Die Krankheit hat sich weitere Personen gekrallt. Aber weißt du liebe ALS, irgendwann wirst du keine Macht mehr über uns haben. Wir sind nämlich das Gute und du das Schlechte. Du müsstest doch wissen, dass das Gute über kurz oder lang siegen wird. Also, verpiss dich.
Ich habe mich sehr gefreut, dass dieses Mal auch eine liebe Bekannte, ebenfalls ALS-Betroffene, an dem Treffen teilnimmt. Sie hat ihren Hilfshund Brasil dabei. Er unterstützt sie im Alltag. Es ist ein blonder Golden Retriever, welcher von Le Cobain ausgebildet wurde.
Ausser Kaffee und Leitungswasser zu Trinken gibt es heute nichts. Etwas zu knabbern, gibt’s leider nicht. Da kommt meine liebe Freundin auf die Idee, Piet könnte doch nächstes Mal, selbst gemachte Güetzli mitbringen. Sie hat das Güetzlifoto auf meiner HP gesehen. Was habe ich Piet nur wieder eingebrockt. Hanfgüetzli gibt es aber sicher keine. Gell du!!
14. Manchmal verfalle ich in Tagträume. Dann lebe ich auf einem Heimetli. Viele Tierrassen finden bei mir ein Zuhause. Es ist so schön, sich den ganzen Tag mit ihnen zu beschäftigen. Die Geissen gumbet umänand (hüpfen herum). Die Schafe fressen die saftigen Gräser und ein Lämmlein liegt im hohen Gras. Die Gänse machen einen Radau ums Haus und die Laufenten suchen im Garten nach fetten Schnecken. Ein Schmatzen dringt an mein Ohr, es sind die Ferkel, die an Mutters Zitzen saugen. Ein Esel wälzt sich auf dem Boden und die Hühner scharren Löcher in die Erde. Eine Häsin baut mit ihren Haaren ein Nestchen für den Nachwuchs. Ein Mäuschen schaut verschmitzt aus einem Futtersack. Ob es wohl weiss, dass ich vor ihm Respekt habe? Unter dem Dach kleistern Schwalben ihre Nester an die Wand und im Gras stochert eine Amsel nach Würmern für ihre Jungen. Ein feiner Duft weht um meine Nase. Die Schmetterlinge werden ebenfalls von ihm angelockt. Der Flieder wird vom Admiral, Tagpfauenauge und vom Weissling umgarnt. Ist das nicht wunderschön.
Leider hören solche Träume irgendwann auf und man findet sich in der Realität wieder. Aber das Gute an den Tagträumen ist, ich kann das Thema und den Ausgang selber bestimmen. Bei den Schlafträumen kann ich nur begrenzt Einfluss nehmen. Versuch es einmal selbst. Du kannst dir damit unmögliches, möglich machen. Ich liebe meine Tagträume.
Am Sonntagnachmittag kommt mein Bruder, der Bauer in unserer Familie, mit seiner Frau zu Besuch. Er kann dieses Jahr ein bisschen mehr Land pachten. Dort ist es allerdings fast zu stotzig zum Heuen. Auf dem Land steht noch ein kleiner, verlassener Schopf. Meint ihr nicht auch das wäre doch ideal, um ein Teil meiner Tagträume in die Tat umzusetzen. Ein-Zwei Ziegen würde ich sponsern.
16. In meine Stube ist der Frühling eingezogen. Krokusse, Primeln, Traubenhyazinthen und Stiefmütterchen blühen um die Wette. Ein Schneckenhäuschen wartet auf dem Efeu auf einen neuen Bewohner. Es würde mich nicht wundern, wenn plötzlich Schmetterlinge in meiner Stube herumfliegen würden. Gaby, eine meiner Schwägerinnen, hat dies für mich möglich gemacht. Ihr Besuch tut mir gut. Sie erzählt mir Geschichten von ihrer Familie. Ich kann lachen und amüsiere mich köstlich. He, Brüderchen, hast es ganz schön schwer in deinem Dreimädel-Haushalt. Nur, wer wäre nicht auch gerne der Hahn im Korb.
Am Abend schaue ich noch die Paralympic im Fernsehen. Es ist bewundernswert, was diese Athleten leisten. Besonders die Kategorie der Sehbehinderten ist eine Augenweide. Wie sie durch die Slalomstangen kurven, ist unglaublich. Ihr müsst euch das mal anschauen. Da staunst du nur noch.
17. Leute, die Sonne scheint und die Vöglein pfeifen. Ich gehe Ausfahren! Mit meiner Schwester Bernadette fahre ich auf Erkundungstour. Wir kommen nicht weit, da stossen wir schon auf das erste Hindernis. Wisst ihr noch, ich hatte vor etwa 2 Monaten Kontakt mit dem Tiefbauamt Uri. Ich informierte sie über Hindernisse auf der Strasse, welche für Rollstuhlfahrer gefährlich sind. Mir wurde damals versprochen, sich darum zu kümmern. Als ich heute genau an eine dieser erwähnten Stelle vorbeikomme, ist alles beim Alten. Ich komme an diese Kreuzung, überquere die stark befahrene Strasse auf dem Fussgängerstreiffen und nun stehe ich vor einem Trottoir, das nicht abgesenkt ist. Also, drehen und auf der Strasse weiterfahren. Ich fühle mich verarscht.
Zum Glück bin ich in Frühlingsstimmung. Diesen Tag will ich geniessen. Wir gehen lädelä. Kaufen Stoff für eine Beindecke für mich. Dann besorgen wir noch ein Geschenk für unseren Vater. Er wird am Freitag 84 Jahre alt. Natürlich müssen wir Zwischendurch auch den Durst löschen. Für Galaţi ist es doch noch ein wenig zu kalt. Freue mich schon auf die nächste Tour. Dir Temperaturen sollen ja steigen. Endlich!
19. Wir haben ein verlängertes Wochenende. Denn Heute ist Seppitag (Josefstag). In der Innerschweiz ist das ein Feiertag. Darum schlafen wir Heute auch länger. Plötzlich werden meine Backen immer wärmer. Ich will die Augen aufmachen, doch ich werde geblendet. Die Sonne schaut zum Fenster rein. Ich glaube, sie will mir sagen, stehe auf und schau mich an. Also stehe ich auf und fahre Frühstücken. Danach geniesse ich auf dem Balkon die Sonnenstrahlen. Die Vögel sind ganz aus dem Häuschen. Manchmal sind 40 / 50 Tiere in der Luft. Und jeder will lauter krähen und pfeifen als der Andere.
So, nun setz ich mich in meinen Aussenrolli und Piet steigt auf seine Harley. Wir sind on Tour. Er nimmt seine Heimstrecke (umä Rigi) und ich meine (a See abbä). Endlich sehe ich meine Wasservögel wieder. Ich kann sogar ein Teichhuhn näher betrachten. Mit seinem zweifarbigen Schnabel und den auf und ab bewegenden Schwanzfedern, ist es eine Augenweide ihm zuzuschauen. Es watet mit seinen hellgelben Beinen und den langen Zehen, im Schilf umher. Sein Anthrazit, Schwarz, Weissen Federn glänzen in der Sonne.
Nun muss ich aber weiter, denn ein Nasentröpflein macht sich bemerkbar. Direkt am See ist die Luft doch noch ein wenig Kühl. Ich kann nicht riskieren das mir die Nase läuft. Ich könnte sie nämlich nicht selbst putzen. Also mach ich mich auf den Heimweg. Aber nicht ohne Zwischenhalt bei meinen Eltern. Schliesslich hat mein Vater Heute Geburtstag. Gestärkt mit einem Urnerkaffee nehme ich den Rest der Strecke unter die Räder.
22. Dieser Tage habe ich auf einer Ausfahrt eine Mutter mit ihren Kindern getroffen. Eines der Kinder sitzt im Rollstuhl. Bei unserem Gespräch kamen wir unter anderem auf die Hilfsmittel für Behinderte zu sprechen. Sie erzählt mir, dass es immer schwieriger werde, bestimmte Hilfsmittel zugesprochen zu bekommen. Das macht mich nachdenklich. Die Angehörigen von Menschen mit einer Behinderung investieren so viel Zeit und Kraft in dessen Betreuung. Wenn nun aber um jedes Hilfsmittel gekämpft werden muss, die den Alltag erleichtern könnten, wer ist dann noch bereit, eine solche Last auf sich zu nehmen? Warum müssen in einer Krise immer zuerst die Schwächsten darunter leiden. Was ist eigentlich mit unserer Gesellschaft los? Auch die Alten Leute müssen darunter leiden. Solange jemand im Berufsleben steht, sieht es mit den Hilfsmitteln einigermassen gut aus. Wehe aber, du bist Pensionist und bist auf Hilfsmittel angewiesen. Ein Elektro-Rollstuhl z.b kannst du dir gleich abschminken. Den „Luxus“ musst du dir dann selbst finanzieren. Schau mal bei der Hilfsmittelliste der AHV nach. Darüber sind die wenigsten informiert. Wenn unsere Sozialwerke das Geld hätten, welches unsere Banken verzockt haben, würde doch das eine oder andere Hilfsmittel eher drin Liegen. Aber, wen interessiert das schon.
23. Ich bin geputzt und gestriegelt (gekämmt). Das Joghurt ist gegessen und der Kaffee ist getrunken. Die Physio kann kommen. Bei den Übungen spüre ich meine übrig gebliebenen Muskeln. So wenig sind das gar nicht. Meine Rumpfmuskeln machen schön mit. Die Oberschenkelmuskeln leisten auch ihren Teil. Nun melden sich die Bauchmuskeln, die Oberarm- und Schultermuskeln stossen ebenfalls zur Gruppe. Nur, versteckt sich denn am unteren Ende des Bettes? Aha, es sind wieder mal die beiden Spitzfüsse. Nach einigen Dehnübungen sehen sie die Welt auch wieder aus einer anderen Perspektive. Das Ganze wird mit einer Lymphdrainage abgeschlossen. Noch ein wenig ausruhen, dann kann der Tag beginnen.
Am Nachmittag mache ich eine Ausfahrt. Unterwegs zieht mich ein Blumengeschäft magisch an. Diese Vielzahl an Farben und Sorten. Ich kann nicht widerstehen. Eine Verkäuferin ist mir behilflich. Eigentlich wollte ich Piet nach der Arbeit aufbieten, um die Blumen abzuholen. Da anerbietet mir eine Bekannte, die ebenfalls am Blumen kaufen ist, mir das ganze nach Hause zu liefern. Bei so viel Hilfsbereitschaft kann es mir doch nur gut gehen. Da mache ich doch glatt noch eine Zusatzrunde mit dem Rolli.
24. Heute sitze ich lange am See. Die Wellen plätschern leise ans Ufer. Der Föhn spielt mit meinen Haaren Zwischendurch steigt mir der Duft von Fisch in die Nase. Wahrscheinlich liegt in der Nähe ein Toter Fisch. Das erinnert mich an Ferien in Italien. Der Wasserstand in Ufernähe ist leicht zurückgegangen. Zwischen angeschwemmtem Holz und Morast, schlängelt sich ein Rinnsal von Wasser, Richtung See. Das Wasser des Rinnsals ist glasklar. Es lässt sich von dem Schlamm nicht stoppen. Vielleicht hat das kleine, schwache Rinnsal die Aufgabe gefasst, mitzuhelfen den Morast und den Schlamm wieder zu reinigen. Sicher ist es nicht einfach, immer wieder mithelfen zu müssen, unnötige Verschmutzungen zu reinigen. Es muss immer aufpassen, nicht selbst verschmutzt zu werden. Es würde sein kurzes Leben sicher lieber in Ruhe dahin plätschern lassen. Über Steine hüpfen, einem Blümchen einen Tropfen zuwerfen oder mit den Fischen um die Wette schwimmen, das wäre doch sicherlich schöner. Aber das kleine Rinnsal wird weiter machen müssen, bis es endgültig keine Kraft mehr hat. Ich habe mal irgendwo gelesen, das Wasser ein Gedächtnis hat. Es könne etwas weitergeben. Vielleicht verwandelt sich der Schlamm auch mal in viele kleine, klare Rinnsale.
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
25. Hei, bin ich heute müde. Habe kaum geschlafen letzte Nacht. Warum, das weiss der Gugger (Eule). Weißt du, es ist zum Haare ausreissen. Zum Glück reichen meine Hände nicht mehr so weit nach oben. Hätte sonst mittlerweile sicher eine Glatze. Ich muss stundenlang wach im Bett liegen. Kann mich ja nicht hin und her wälzen. Piet will ich nicht wecken. Er braucht seinen Schlaf.
Bin ich froh, dass endlich der Wecker klingelt. Nun kann ich wenigstens den Fernseher einschalten. Vielleicht hilft mir ja dies einzuschlafen. Denkste, das Sandmännchen kommt nicht vorbei. Verschiebe ich es halt auf den Nachmittag.
Nach dem Mittagessen kuschele ich mich in den Fernsehsessel. Augen zu und, ich warte und warte, aber der Schlaf will nicht kommen. Mittlerweile verspüre ich leichte Schmerzen in meinen Beinen und Pobacken. Könnte es ein Muskelkater sein? Ich glaube eher, ich merke den Wetterumschlag. Ich sage euch nur eins, packt euch warm ein. Ich jedenfalls, mach es mir im Bett bequem. Schlaf, ich wäre bereit.
26. Ich habe bis 10.00 Uhr durchgeschlafen. Mensch, habe ich das gebraucht. Die Muskelschmerzen sind wie weggeblasen. Dank dem Föhn ist es immer noch recht warm. Ich sehe aber die Wolken vom Norden heraufziehen. Es dauert nicht lange, da klöpfeln Tröpfchen an mein Fenster. Es wird immer dunkler Draussen. Ich sehe nichts mehr vom blauen Himmel. Die Berge sind immer mehr von Wolken eingedeckt. Es trommelt immer heftiger an mein Fenster. Schwere, dunkle Wolken entladen sich. Es ist interessant, den dicken, platzenden Tropfen zuzusehen. Lange bleibt es Draussen düster. Ein Auto fährt vorbei. Ich traue meinen Augen nicht. Auf dem Autodach sind mindestens 10 cm Schnee. Woher der wohl kommt. Endlich hebt sich die Wolkendecke und ich weiss jetzt woher. Die Sonne blinzelt ganz scheu durch die Wolken. Also, du bist mir schon Eine. Zuerst zängelst du mich mit dem Frühling und was bringst du mir jetzt. Die Sonne strahlt nun die Berge an, als wollte sie mir sagen, schaue doch mal. Bis weit in die Täler ist Schnee gefallen. Auf den Bergen hat er unschuldig platzgenommen. Ja, ich muss ja zugeben, es sieht schön aus. Na gut, ein wenig kannst du hier Ausruhen. Aber danach musst du weiterziehen. Weißt du, manche Vögel sitzen schon auf ihren Nestern. Sie brauchen die Wärme. Also Sonne, schick bald wieder eine warme Therme, denn auch die Zugvögel wollen bei uns einziehen.
Was ist denn da Draussen los. Andauerndes Rotorengeräusch dringt in mein Schlafzimmer. Ich bin eigentlich an Helikopter gewöhnt. Zwei Basen befinden sich in der Nähe. Täglich werden wir von der Rega oder der Heli Gotthard überflogen. Aber dieses Mal entfernt sich das Geräusch kaum von der Stelle. Mein erster Gedanke, es wird wohl ein Unfall auf der A2 gegeben haben. Piet geht nachschauen. Ein Helikopter fliegt Holz aus dem nahen Wald, also nichts Schlimmes.
Nun ist nicht mehr an Schlaf zu denken, also aus den Federn.
Später höre ich wieder einen Helikopter. Der fliegt jetzt aber an der Autobahn entlang. Nun sehe ich die Autos auf der Autobahn stehen. Ein Feuerwehrauto ist ebenfalls mit Blaulicht unterwegs. Später erfahren wir, dass es zwei unterschiedliche Unfälle auf der A2 gegeben hat. Auf Uris Strassen geht nicht mehr viel. Wundern tut mich das eigentlich nicht. Seid die Neat gebaut wird, haben wir so ein Strassenchaos. Uris Strassen sind nicht mehr sicher. Es gibt so viele Baustellen, man verliert bald den Überblick. Mich bedauern die Autofahrer, die stundenlang in der prallen Sonne ausharren müssen. Hoffentlich ist den Verantwortlichen in den Sinn gekommen, diese mit Wasser zu versorgen. Wenigstens können sich die Mobillisten, dank dem schönen Wetter die Beine vertreten.
He, denkt daran, diese Nacht wird noch kürzer, die Zeit wird umgestellt.
Habe gerade die Info erhalten, dass Wasser verteilt wurde. Habt ihr gut gemacht.
Ich wünsche allen Beteiligten und Verletzten alles Gute. Behaltet meinen Kanton trotzdem in guter Erinnerung.
28. Ich habe Gestern eine Karte aus Amerika erhalten. Der Grand Canyon leuchtet darauf rötlich-braun in der Abendsonne. Es gibt so viel Schönes auf unserem Planeten. Ich finde es schade, dass das Leben so kurz ist. Wir haben viel zu wenig Zeit, um all das Schöne in uns aufzunehmen. Wir haben auch zu wenig Zeit, um Erfahrungen zu sammeln und Neues auszuprobieren. Schon als junger Mensch wird man in eine vorgegebene Schiene gedrängt. Schnell muss man produktiv sein. Es bleibt kaum Zeit, um Dinge auszuprobieren, zu erkunden. Es bleibt wenig Zeit seine Stärken und Schwächen kennen zu lernen. Alles ist Hecktisch geworden. Immer weniger Menschen sehen das Schöne, welches uns die Natur gratis zur Verfügung stellt. Einige denken jetzt sicher an die verheerenden Naturkatastrophen. Ja, diese sind nicht schön. Viele könnten jedoch verhindert werden, wenn wir wieder mehr zu unserem Planeten schauen würden. Ich wünsche mir so sehr, dass die nachfolgenden Generationen wieder lernen zu sehen, zu spüren und zu fühlen was die Natur braucht und somit auch wir Menschen. Ich freue mich auf viele Aussteiger. Wäre gerne dabei.
29. Ich muss zwar den Menüplan und die Einkaufsliste für diese Woche erstellen. Zuerst muss ich euch aber etwas erzählen.
Ich besteige mit vielen jungen Frauen ein riesengrosses Kreuzfahrtschiff. An der Rezeption erhalten wir die Schlüssel für die vierer Kabinen. Beim Auspacken der Koffer kommt es bereits zu Zickereien. Mir wird vorgeworfen, ich nehme zu viel Platz ein. Kein Problem, rücke ich meine Sachen näher zusammen. Nun können wir endlich an Deck. Wir fahren an schönen Gegenden vorbei. Plötzlich ruft Jemand New York. Alle kramen den Fotoapparat hervor. Ich drücke ab, mein Apparat fängt an retour zu spulen. Der Film ist voll. Typisch, einen neuen habe ich nicht. Später sitzen wir beim Essen und uns wird erklärt was von uns erwartet wird. Am Nachmittag würden wir auf dem Laufsteg erwartet. Merkt ihr es jetzt. Ich nehme am Casting von Germanys Next Topmodel teil. Also, nix wie los in die Kabinen zum Umstylen. Beim Umziehen schaut eine Kandidatin abschätzig auf mein Bäuchlein. Ich schäme mich und bin verunsichert. Das Schiff legt an und uns wird mitgeteilt in welchem Hotel unser Auftritt stattfinden wird. Also machen wir uns auf den Weg dorthin. Plötzlich stehe ich allein auf der Strasse. Wo ist bloss das Hotel. Ich laufe stundenlang die Strassen auf und ab, aber niemand ist zu sehen. Weit und breit kein Hotel. Inzwischen kommen mir Zweifel, ob es richtig war, am Casting teilzunehmen. Peyman bemerkt sicher, dass ich vergessen habe die Beine zu Rasieren. Und wenn die noch mein Bäuchlein sehen… Nein, ich will nur noch eins, das versch.. Hotel finden und ihnen mitteilen, dass ich aussteige.
Schweissgebadet wache ich auf. Dieser Traum hat mich so beschäftigt, mein Nachthemd und das Fixleintuch sind durchgeschwitzt. Ich glaube, ich muss mein Programmgeschmack umstellen. Oder habt ihr schon mal ein Topmodel mit Buddhabauch und haarigen Beinen gesehen?
APRIL 10
2. Obwohl die Sonne scheint, ist es zu kalt, um mit dem Rolli auszufahren. Also entschliessen wir uns kurzerhand, eine Ausfahrt mit dem Auto zu machen. Wir fahren Richtung Brünig. Wir kommen beim Lungerersee vorbei. In dem See habe ich schwimmen gelernt. Ich weiss noch, wie ich aus dem Ruderboot klettern musste um hinter dem Boot her zu schwimmen. Ich wusste, meine Firmgotte ist eine gute Schwimmerin und würde mich nicht ertrinken lassen. Heute hätte ich mit Sicherheit nicht ertrinken können, eher im Schlamm versinken. Anscheinend haben sie den See abgelassen und übrig geblieben ist eine kleine Pfütze. Wo sind wohl all die Fische hingekommen? Im See hat es normalerweise. Das weiss ich von Früher. Mmmh, waren die fein. Wir fahren nun an der Totenkapelle vorbei. In meinen Ferien durfte ich jeweils die Glocken läuten. Meine Ferienmutter war damals Sigristin (Sakristanin). Sie schaute, dass ich dies mit erfurcht tat. Aber, könntest du ernst bleiben, wenn du den Boden unter den Füssen verlierst, weil dich die Seile der Glocken in die Höhe ziehen. Da kannst nicht ernst bleiben.
Auf der Weiterfahrt Richtung Schallenberg treffen wir auf viel Sehenswertes. Schottische Hochlandrinder die sich am kurzen Gras gütlich tun. Schafe, Gämsen, Geissen, Kühe, Hühner, Gänse und diverse Vögel bereichern unseren Tag. An manchen Orten ist die Vegetation weiter als bei uns. D’Siwblüemä (der Löwenzahn), streckt ihre gelben Strubbelköpfchen der Sonne entgegen. Auch die verschiedenen Frühlingssträucher blühen um die Wette.
Angekommen beim Dream Valley können wir eine ganz spezielle Tierherde beobachten. Diese Bisons sind schon imposante Tiere. Ich möchte nicht unter deren Hufe gelangen.
Wir haben einige Fotos vom Ausflug gemacht. Ihr könnt diese im Fotoalbum unter Ausflüge anschauen.
3. Ich wünsche euch Allen, wunderschöne Ostertage
8. Diese Woche bin ich mit Terminen eingedeckt. Das sieht folgendermassen aus. Am Dienstag kommt zuerst die Spitex für ca. 11/2 Std. Dann habe ich eine Stunde Physio. Kurz vor dem Mittag kommt mein Hausarzt vorbei und macht die 3 Monatsspritze (gegen die Mens). Am späteren Nachmittag kommen mich zwei ehemalige Arbeitskolleginnen besuchen.
Am Mittwoch wieder die Spitex. Am Nachmittag wage ich eine Ausfahrt mit dem Rolli. Es ist so herrlich. Einige Schmetterlinge kreuzen meinen Weg. Wenn ich sie sehe, denke ich an meine Kollegen, die bereits gehen mussten. Ich stelle mir vor, dass sie mich bei meinen Ausfahrten begleiten. Ich fühle mich mit ihnen stark verbunden. An diesem Nachmittag habe ich mir doch tatsächlich an den Händen und im Gesicht einen Sonnenbrand eingefangen. Ich sehe einer Eule wieder verdächtig ähnlich. Unsere Natur ist so wunderschön. Ich kann nicht verstehen, warum manche dies nicht sehen. Unzufriedenheit und Streitigkeiten machen manche blind für die Schönheiten in unserem Leben.
Am Abend hat uns Leo besucht. Er versucht unser Haus von Störungen zu befreien. Wir sind gemeinsam gespannt, ob sich etwas bei uns verändert. Werde hin und wieder darüber berichten.
Am Donnerstag ist wieder die Spitex zu besuch. Ein Stock tiefer bügelt Luzia unsere Wäsche. Um halb Zwölf kommt noch mal der Hausarzt vorbei. Das Quick-Instrument hat am Dienstag versagt. Am Nachmittag mache ich ein Schläfchen vor dem Fernseher, während meine Putzfee unser Haus auf Vordermann bringt.
Habe mich soeben fürchterlich Aufgeregt. Folgendes: Eine Person fragt oder erzählt mir etwas. Ich kann mich sehr gut mit ihr verständigen. Trotzdem erzählt sie das gleiche nochmals meinem Mann. Das ist jetzt schon des Öfteren vorgekommen, dass sich diese Person so verhält. Ich weiss schon, sie meint es nur gut. Leider fällt ihr nicht auf, dass sie mich damit verletzt. Ich empfinde so, als würde etwas mit meinem Oberstübli nicht stimmen. Das nächste Mal komm ich nicht herum, sie darauf anzusprechen und ihr zu erklären, wie sich das für mich anfühlt. Der Rollstuhl setzt da manchmal falsche Zeichen. Einige denken immer noch, dass einer im Rolli automatisch auch eine geistige Behinderung haben muss. Steht mir wohl noch viel Arbeit bevor dem entgegenzuwirken.
Ihr wisst vielleicht, dass ich gerne diskutiere. Mein Vater hat mir einmal gesagt: „Mit deinem grossen Mund kommst du in deinem Leben nicht weit“. Ja, Ja, ich hab dich auch lieb. In letzter Zeit fehlt mir immer mehr die Luft, lange Gespräche zu führen. Wie gerne würde ich weiterhin wortreich argumentieren. Inzwischen verkümmern meine Diskussionen zu einfachen Sätzen. Dabei stünden mir so viele treffende, umschmeichelnde Wörter zur Verfügung. Weil ich meine Mitteilungen eher kurzhalten muss, kann es halt manchmal auch zu Missverständnissen kommen. Aber dafür kann ich mich wortreich in schriftlicher Form ausdrücken. Letztlich hat mich mein Bruder als Märchenprinz bezeichnet. Wennschon heisst es Märchentante, mein Bruderherz. He, übrigens lässt du deine Hände immer noch im Hosensack? Hihi.
Später schaut Leo noch schnell vorbei.
Nun darf ich Essen gehen. Junior hat gekocht.
10. Mein Mann Piet hat soeben seine Harley angelassen. Der Ton einer Harley ist einfach unverwechselbar. Er ist nicht einfach zu beschreiben. Es ist ein erdiger, tiefer, donnernder Ton. Vergleichbar mit den Lauten eines Elefanten. Wie hab ich es genossen, auf der Harley zu sitzen und mit Piet durch die Alpen zu fahren. Die Saggoschen waren gefüllt mit Speck, Käse und natürlich mit Ürnerschwarzem (spezielle Urner Kaffeezubereitung). Ist euch auch schon aufgefallen, dass Lebensmittel im Freien besser schmecken. Vielleicht tut gewissen Lebensmitteln ein wenig Wärme gut und sie können ihr Aroma besser entwickeln. Jedenfalls sagt man dies bei Rotwein und Käse. Probiert mal einen Emmentaler aus dem Kühlschrank und einer der 2-3 Stunden ausserhalb aufbewahrt wurde. Welcher hat nun den intensiveren Geschmack?
Ich weiss schon, unsere Ausflüge sind nicht gerade umweltfreundlich. Wir versuchen dafür der Natur etwas zurückzugeben. Wir verwenden schon seit Jahrzehnten kein Schneckengift im Garten. In unserem Rasen dürfen sich Wildblumen (andere sagen dem Unkraut) breitmachen. Auf unserem Grundstück fühlen sich Obstbäume und Beerensträucher wohl. Natürlich dürfen die Blütensträucher für die Schmetterlinge, Bienen usw. nicht fehlen. Haben gerade Gestern wieder zwei Neue gesetzt. Eine Sommerzierkirsche und eine Winterzierkirsche (diese blüht zweimal im Jahr). Wespen, Hornissen und Holzwürmer dürfen an altem Holz knabbern. Auf unseren hohen Bäumen trillern Vögel ihre Lieder. Unter dem Hausdach wird der Nachwuchs aufgezogen. In unserem Rasen finden sie genug Nahrung. Zum Glück stehen Würmer und Engerlinge auf ihrem Speiseplan. Diese sind jetzt nicht gerade meine Lieblingstiere. Wir sind nicht Grün, wie jetzt vielleicht einige denken. Dazu müssten wir noch vieles ändern. Aber wir versuchen der Natur etwas zurückzugeben, was wir ihr nehmen.
Die Route 66 ist eine beliebte Harley-Strecke in Amerika. Leider haben wir es noch nie dorthin geschafft. Letztlich hat eine Freundin von mir dort halt gemacht. Nun kann ich auch mitreden. Sie hat mir ein T-Shirt mitgebracht. Ich glaube, ich werde es nicht waschen. Ist sicher ein wenig Staub von dort am Stoff haften geblieben.
So, nun gehe ich auf den Balkon die Sonne geniessen.
13. Endlich habe ich es geschafft die ganze Nacht auf dem Rücken zu schlafen. Das beflügelt mich zu weiteren positiven Taten. Also weiter mit der Krankengymnastik. Beine anziehen, Beine strecken, Arme nach Oben und wieder nach Unten. Die Übungen fallen mir Heute besonders leicht. Die Spitex staunt nicht schlecht. Ich sage ihr: Du musst dich nicht erschrecken, wenn ich dir eines Morgens die Türe öffne. Vielleicht hab ich bis dann keine Zähne mehr und meine Haare sind schneeweiss. Aber spielt das eine Rolle. Habe ja noch ein wenig Zeit dafür.
Spass bei Seite. Ich bin der geborene Seitenschläfer. Ich lege mich auf die Seite, ziehe meine Beine an und lege die Hände neben den Kopf. So schlafe ich schon seid Jahrzehnten. Nun muss ich mich langsam umgewöhnen. Wenn ich auf dem Rücken liege und den Kopfteil leicht anstelle, kann ich besser atmen. Sollte ich später eine Atemmaske benötigen, so ist es von Vorteil, wenn ich bereits an die Rückenlage gewöhnt bin. Auch für die Bedienung meines Kommunikations- und Umweltkontrollgerätes ist Rückenlage von Vorteil. Dieses Gerät bediene ich mittels Kopfsteuerung. Zwischen dem reflektierenden Punkt auf meiner Stirn und der Kamera am Gerät muss ein Kontakt stattfinden. Das würde in Seitenlage mehr schlecht als recht funktionieren. Bei dieser Krankheit muss man versuchen, ihr immer einen Schritt voraus zu sein und sich möglichst lang nicht überholen zu lassen. Eigentlich gehören wir in die Sparte der Spitzensportler. Durch die uns immer weniger zur Verfügung stehende Atemluft, betreiben wir täglich Marathons.
17. War gerade auf der Terrasse. Habe Kaffee getrunken und das Frühlingstreiben beobachtet. Ein Amselpaar (Männchen mit schwarzem Gefieder und gelbem Schnabel, Weibchen mit braunem Gefieder und braunem Schnabel) hat sein Nest in unserer Thujahecke. Habt ihr die Amseln schon einmal bei der Futtersuche beobachtet? Sie stehen auf dem Rasen, legen den Kopf zur Seite als würden sie lauschen. Plötzlich wird ein Sprint hingelegt, um sogleich an einer bestimmten Stelle im Rasen zu stochern. Der arme Wurm. Es wird gezogen und gerupft bis er im Schnabel der Amsel verschwindet. Unser Weibchen will seinen Nistplatz geheim halten. Also fliegt es zuerst auf Nachbars Terrassengeländer, läuft darauf einige Schritte, fliegt danach auf unseren Gartenhag, schaut hin und her bevor es auf das Kellerdach fliegt. Kurz darauf verschwindet sie in der 4 Meter entfernten Hecke. Nein, mein liebes Amselweibchen, dich hat bestimmt niemand entdeckt. Ein Bläuling – Schmetterling dreht seine Runden über der Hecke. Leider kann ich nicht erkennen, was für einer es ist. In Europa gibt es ca. 141 Arten/Unterarten von Bläulingen. Er ist früh unterwegs. Meistens sieht man sie erst im Mai. Im Garten blühen der Pflaumen-, Kirschen-, Birn-, und die Apfelbäume. Diese Woche habe ich zusammen mit meinem Junior unsere Säulenapfelbäume in Form geschnitten. Normalerweise müsste man diese nicht schneiden. Ich glaube, unsere Äste lieben es einfach auszubrechen. Es hat mir wehgetan, die Blüten abzuschneiden. Dafür werden sie im nächsten Frühling um die Wette blühen. Auch die Hummeln, es gibt ca. 70 Arten in Europa, haben ihren Nektar entdeckt. Sie werden von den roten Blüten des Zierjohannesstrauches angezogen. Dieser Flugverkehr. Werde bald Fluglotse spielen müssen.
Ich hoffe die Vulkanasche setzt uns und der Natur nicht zu sehr zu. Aber eben, dass ist Natur.
Nun hoffe ich, dass mein Bruder und meine Nichte nicht zu lange in Ägypten festsitzen. Wie lange würde es wohl mit einem Kamel dauern?
22. Hallo Leute, ich bin wieder da. Piet und ich waren für ein paar Tage in Meran im Südtirol. Ich habe uns vorige Woche übers Internet ein Zimmer gebucht. Am Sonntag in der früh fahren wir also los. Da der Flüelapass noch Wintersperre hat, verladen wir das Auto und fahren mit dem Zug durch den Verainatunnel. Am andern Ende angelangt, sehen wir als Erstes, wie zwei Gämsen in einer Waldlichtung grasen. Weiter geht es Richtung Ofenpass. Mal schauen, ob die Murmeli schon aus ihrem Winterschlaf erwacht sind. Wahrscheinlich ist es ihnen zu Nass. Es hat zu regnen begonnen. Im Auto müssen wir die Heizung einschalten. Es wird immer kälter und ob ihr es nun glaubt oder nicht, es fängt an zu schneien. Zum Glück haben wir gute Pneus am Bus. Piet will ein Foto vom Wetter machen. Ob das was wird, bezweifle ich. Oder was meinst du? Da steht einer mit Kurzärmeln und Sommerhose im grössten Gugs (Schneetreiben) und versucht vor Kälte klappernd ein Foto zu schiessen.
Wieder im Auto meint Piet; hättest mich darauf hinweisen können, statt der Badehose die Skier einzupacken.
Im verlaufe des Tages wird das Wetter immer besser. Als wir durchs Vinschgau fahren, fängt sogar die Sonne an zu lächeln. Sie kitzelt an den Apfelblüten und ermuntert sie, sich zu öffnen. Wo man hinschaut, lauter Apfelplantaschen. Wer isst nur alle diese Äpfel.
Je näher wir Meran kommen, desto weiter fortgeschritten ist die Vegetation. Blütensträucher zeigen ihre schönsten Farben. Wie in einer anderen Welt.
Am späteren Nachmittag erreichen wir unser Hotel. Rings ums Hotel hat es viel Grün mit Blumenbepflanzungen. Es gibt einen Aussen- und Innenpool, Solarium, Fitnessraum, Massageraum usw. Wir werden mit Handschlag willkommen geheissen. Das Zimmer und der Balkon sind schön gross. Leider erweisst sich das Badezimmer nicht ganz Behinderten tauglich. Das Hotel unternimmt aber alles, um es uns so angenehm wie möglich zu machen. So wird ein schmälerer Rollstuhl und ein Duschsitz organisiert. So geht es einigermassen. Es wäre schade, wenn wir in ein anderes Hotel wechseln müssten. So viel Herzlichkeit, Hilfsbereitschaft und Aufmerksamkeit durften wir noch Nirgendwo erleben. Ich musste z.B. nur beim ersten Getränk einen Trinkhalm verlangen, danach wurde er jedes Mal unaufgefordert mitgeliefert. Da Piet mir das Nachtessen eingeben muss, bitten wir, dass der erste Gang zuerst Piet bekommt und ich Meinen danach. Obwohl Piet und ich nicht immer das gleiche Gericht pro Gang ausgewählt haben, hat es mit der Reihenfolge immer geklappt. Und das bei einem Sechs-Gänger. Also, wenn du nicht gerade in einem Rollstuhl sitzt, kann ich dir dieses Hotel wärmstens empfehlen. Es ist in Familienbesitz und ist ca. 20 Gehminuten vom Zentrum entfernt.
In der Meraner Altstadt stöbern wir in den vielen kleinen Geschäften und auf dem Markt decken wir uns mit Tirolerspeck ein. Wir flanieren die Promenade entlang, bewundern die Blumenrabatten und durchstreifen die vielen grossen und kleinen Parks. Zwischendurch stärken wir uns mit einem feinen Cappuccino.
Für die Besichtigung des Botanischen Gartens von Schloss Trautmannsdorf benötigen wir ca. 4.5 Stunden. Diese Gärten muss man gesehen haben. Wo ich hinschaue, Bäume, Sträucher, Blumen, Kakteen, Wasser, kunstvoll angelegte Wege und Terrassen. Diese Pflanzenvielfalt. Ich wünschte mir, meine Eltern könnten dies alles sehen. Piet, das Schleckmaul muss natürlich zum Abschluss des Tages unbedingt noch einen Sissi-Coup versuchen. Es scheint ihm zu schmecken.
Am letzten Tag wandern wir auf einem der vielen Sissi-Wegen. Die meisten Routen sind rollstuhltauglich. Es ist unbeschreiblich schön. Jede noch so kleine Nische oder Bödeli (kleine Fläche) ist mit Blumen bepflanzt. Viele der Pflanzen sind mit Täfelchen beschriftet. Wundervolle Düfte umspielen unsere Nasen und spielen mit unseren Gefühlen. Ich kann euch sagen, ich kann mir nicht vorstellen, dass das Paradies schöner sein kann. Meran, wir kommen wieder.
24. Piet ist mit seiner Harley unterwegs und Peter ist am Biken. Ich nehme ebenfalls meine vier Räder unter die Füsse und fahre meine Eltern besuchen. Mein Bruder Franz, der mit seiner Frau Luzia den Hof bewirtschaftet, ist gerade dabei den Kalberstand auszumisten. He, das stinkt nicht schlecht. Die Jungmannschaft muss auch mithelfen. Nur, da fehlt doch einer. So, so, der Ralf flickt lieber am Töffli herum. Ich weiss nicht, ob Sven und Franc dies so toll finden. Beim Kaffeetrinken berichte ich von unseren Ferien.
Nun muss ich aber weiter. Habe versprochen, Brot nach Hause zu bringen. Ich fahre also schnell in die Migros. Es lachen mich zwei Körnerbrote an. Genau diese will ich für meine Lieben zu Hause kaufen. Ich selber darf solche Brote wegen dem Verschlucken nicht mehr essen. Ich lese am Gestell den Namen des Brotes. Nun bitte ich eine Verkäuferin mir die wie Brote zu geben. Sie greift nach dem falschen Brot und sagt, es hat nur noch eines. Ich sage ihr, dass ich nicht das Brot meine. Sie wiederum, sie wollten doch dieses Brot. Ich versuche nochmals, so deutlich ich eben kann, den Brotnamen auszusprechen. Zeigen kann ich es eben auch nicht. Die Verkäuferin hat mich schon verstanden und erwidert; das ist das Brot, aber wir haben nur noch eins. Ich schüttle den Kopf, darauf kommt eine andere Verkäuferin. Diese fragt mich laut und langsam welches Brot ich denn möchte. Bin ich halt schwerhörig und habe eine reduzierte Aufnahmefähigkeit. Hauptsache ich komme endlich zu meinen Broten. Nach langem Hin und Her klappt es dann doch noch. Das alles wäre nicht passiert, wenn das Brottäfelchen an der richtigen Stelle gewesen wäre. Das zeigt mir aber auch, dass Aussenstehende mich kaum noch verstehen. Werde mein Kommunikationsgerät in Zukunft, ob ich nun will oder nicht, mitführen müssen. Gefrustet fahre ich nach Hause.
Der heutige Tag hat trotzdem viel Gutes. Ich bekomme meinen heissgeliebten Cervelat vom Grill. Hmm, heiss!!!
25. So ein Tag, so wunderschön wie heute, der sollte nie Vergehen. Ich mach es mir in der Sonne bequem. Piet ist mit dem Töff unterwegs und der Junior klemmpert an einem seiner Bikes herum. Er war letzte Woche auch in den Ferien. In Finale IT konnte er wieder mal so richtig „downhillen“.
Ich sitze da und plötzlich sehe ich, wie ein eigenartiger Käfer aus einem Erdloch im Rasen krabbelt. Er verweilt so lange vor dem Loch, bis ihn jemand stört. Blitzschnell verzieht er sich wieder, um gleich wiederaufzutauchen.
Werde unterdessen ein wenig mit meinem neuen Huederl die Sonne bezirzen. Sieht das net schee aus.
Nachtrag: Meine Schwester Bernadette hat herausgefunden, dass mein Käfer eine Grille ist.
28. Heute ist es endlich mal wieder schön und warm. Also nichts wie raus. Meine Schwester Bernadette kommt mit auf die Rolliausfahrt. Wir fahren auf dem Reussdamm Richtung See. Wir begegnen einigen Wasservögeln. Ein Schwan brütet gerade auf einer der Badeinseln und eine Ente macht ein Nickerchen im warmen Sand. Nun trauen wir unseren Augen kaum. Da steigen doch tatsächlich schon Kinder ins Wasser. Brrr.. wäre nichts für mich.
Nun besuchen wir die neu angelegten Biotope im Bodenwald. Plötzlich ruft meine Schwester, eine Schlange. Iiiih…. Die Schlangen gehören nicht gerade zu unseren Lieblingstieren. Da wir beide von Natur aus neugierig sind, können wir es nicht lassen, die Schlange zu beobachten. Ich bin überzeugt, wäre die Schlange aus dem Wasser gekommen, hätten wir einen Schrei abgelassen und wären so schnell wie möglich abgehauen. So aber kann meine Schwester ein paar gute Fotos schiessen. In einem anderen Tümpel schwimmen viele Kaulquappen und ein Frosch hüpft mit einem weiten Sprung ins Wasser.
Den Kaffee gibt es bei unseren Eltern zu Hause. Unsere Schwester Hedy ist auch gerade zu Besuch. Soeben führt Bruder Franz den ersten Grasschnitt von diesem Jahr in den Stall. Mit dem Vörderband wird das Gras ins Silo befördert. Unser Vater hilft immer noch dabei. Es riecht wieder super nach frisch Gemähtem.
So, nun nach Hause bevor der Schatten kommt.
MAI
8. Mai.. Mai..? Mai, meine Migräne ist weg! War das eine Woche.
Am Montag spürte ich leichte Schmerzen in einer Gesässhälfte. Das entsteht, wenn ein Muskel sich verklebt oder verhärtet und auf den Ischiasnerv drückt. Die Physio versuchte am Dienstagmorgen den Muskel zu entspannen. Ich glaube, wir haben es zu gut gemeint. Am Abend musste ich dann doch ein Muskelentspannendes Medi nehmen. Das hilft sehr gut. Nachteil bei mir. Meine anderen Muskeln entspannen sich ebenfalls und fangen an, einen wilden Tanz aufzuführen. Einmal zuckt ein Muskel im einten Oberarm, dann im Oberschenkel, dann im kleinen Finger usw. In der Fachsprache nennt man dies Faszikulationen. Aber lassen wir sie tanzen, solange sie noch können. Leider greift mir dieses Medi gern den Magen an. Am Mittwoch wache ich prompt mit leichter Magenverstimmung auf. Trotzdem fahre ich am Nachmittag zum Coiffeur. Wenn man im Rolli sitzt, sieht das Fussvolk einem direkt auf den Kopf. Und wo sieht man die grauen Haare zuerst? Eben oben, und darum musste ich zum Coiffeur. Eitel, trotz dieser Krankheit? Ich gebe es zu, ja!
Später kommt zur Magenverstimmung noch die Migräne dazu. Nun ging es mit der Neu gestylten Frise gleich zu Bett. Dort hielt ich mich bis Freitagnachmittag mit kurzen Unterbrüchen auf.
Da am Sonntag Muttertag ist, fahre ich mit meinem Mann am Abend Blumen kaufen. Das war vielleicht eine Story. Ich kann es kaum schreiben vor Lachen. Zum Glück kommt Piet gerade ins Zimmer und putzt mir die Lachtränen von den Backen. Also folgendes: Zuerst kaufe ich einen Holzbehälter. Danach suche ich nach einer passenden Blume. Mir sticht ein Kaktus in die Augen. Ich werde von meinem Mann belehrt. Im Radio hätten sie gesagt, man dürfe alle Blumen schenken, mit einer Ausnahme, ein Kaktus. Also geht die Suche weiter. Es hat viele schöne Blumen, aber entweder ist mein Holzbehälter zu gross oder zu klein. Man kauft normalerweise zuerst die Blume und danach den passenden Übertopf und nicht umgekehrt. Jetzt weiss ich welche. Ich nehme einen Lavendelstock. Da werde ich von Piet gefragt, wo denn die Blüten seien. Ich: Die kommen erst noch. Er: Du kannst sicher nicht so einen grünen Besen schenken. Nun nimmt er die Sache selbst in die Hand. Kurz danach machen wir uns mit einem Rosenstöckchen auf den Heimweg. Natürlich ist der Stock gut vertaut. Zu Hause angekommen löst Piet meine Rollstuhlverankerung. Plötzlich löst sich ein Schletzgummi und köpft den Rosenstock. Die Rosenblätter fliegen herum, wie gerupfte Federn. Ich konnte nicht mehr vor Lachen. Da hast du nun deinen grünen Besen. Zum Glück sind einige Knospen heil geblieben. Ich sehe schon wieder dieses Bild vor Augen. Und weil meine Tränen schon wieder über meine Backen laufen, muss ich jetzt aufhören zu schreiben.
9. Gestern mussten wir unseren Garten in Ordnung bringen. Der Rasen wurde gemäht, Sträucher zurückgeschnitten und die Rabatten von Unkraut befreit. Aber Moment Mal. Was zählt eigentlich zum Unkraut? Vielleicht die/der Siuwblüemä (Löwenzahn), welche/r ganze Felder zum Leuchten bringt. Oder das Vergissmeinnicht, welches mit scheuem Blau auf sich aufmerksam macht. Habt ihr schon mal das glänzende Gelb vom Ankäbliemli (Butterblume) bewundert. Oder wer hat ein kleines, gelbes Gesichtchen, trägt ein weisses Kräglein und steht auf einem dünnen Beinchen? Es ist das Geissäbliemli (Gänseblümchen). Und all Dies soll Unkraut sein? Würden diese Blumen als neue Züchtungen in Gärtnereien angeboten, wären die Regale schnell leer. Denn, welche Blumen kommen ohne Dünger und ohne Schneckenkörner aus? Müssen nicht jedes Jahr neu gekauft werden und blühen jedes Jahr von Neuem? Es sind die Gänseblümchen und Co. Es macht mich manchmal schon nachdenklich, wie sich Überlieferungen im Hirn festsetzen können. Vielleicht muss ich vermehrt, gewisse Dinge, neu betrachten. Auf alle Fälle sieht es ums Haus wieder schön aus. Und auch die gekauften Blumen, haben ihren Platz gefunden. Jetzt fehlt nur noch die Sonne.
25. Jetzt klöpfelt es schon wieder an mein Fenster. Ich finde es ja schön, dass der Regen mich besucht. Müsste aber ein Besucher nicht selbst merken, wenn es Zeit wird zu gehen? Ich glaube, ich schicke den Regen nach Hause. Vielleicht trifft er auf dem Heimweg auf die Sonne und wir werden einen wunderschönen Regenbogen sehen. Warten wir es ab.
Obwohl ich bei diesem Wetter nicht nach Draussen kann, nehme ich passiv am Dorfleben teil. Vom Bürofenster aus, kann ich auf eine lebhafte Strassenkreuzung sehen. Ich sehe Leute die Einkaufstaschen tragen. Mütter und Väter die ihre Kinder in die Spielgruppe bringen. Mädchen und Jungs die in die Schule eilen. Einwohner welche ein Schwätzchen halten. Die Nachbarin die ihre Hunde gassi führt. Arbeiter die nach Hause kommen. Es ist eine interessante Kreuzung. Mein PC steht direkt neben diesem Fenster. Darum kann ich immer wieder Einen Blick nach Draussen werfen. Das kann ich aber erst, seid wir meine Räume neugestaltet haben. Ich kann vom Bett aus die Berge, den Himmel und Bäume sehen. Meine Räume sind viel heller geworden. Auf einer mindfarbenen Wand fliegen weisse Schmetterlinge. An einer anderen Wand lockt eine riesengrosse Margarite die Schmetterlinge an. Ich fühle mich so leicht und frei in den neuen Räumen. Wer hat mir dieses Geschenk gemacht? Natürlich, mein geliebter Allrounder.
Einen Beitrag an mein Wohlbefinden hat mit Sicherheit auch Leo Häfliger geleistet. Er hat vor 1 Monat unser Haus geerdet. Hier könnt ihr genaueres Erfahren. Seither haben sich bei mir leichte Verbesserungen gezeigt. Ich kann wieder flacher liegen, ohne gleich Atembeschwerden zu bekommen. Meine Füsse sind nicht mehr so kalt und weniger aufgeschwollen. Bin gespannt, wie sich die Füsse im Sommer verhalten.
Meine neue Physioterapeutin tut mir ebenfalls sehr gut. Mit Lymphdrainagen, Fussreflexzonenmassagen und Gymnastik animiert sie meinen Körper nicht aufzugeben.
Die professionelle Betreuung durch die Spitex trägt ebenfalls zu meinem Wohlbefinden bei.
Ich bin überzeugt, dass ein gut funktionierendes Netzwerk beiträgt, diese Krankheit gut zu meistern.
15. Was soll man da noch schreiben. Es regnet und regnet und es ist wieder kühler geworden. Draussen macht sich zum Glück ein sattes Grün breit und bringt etwas Farbe in den grauen Alltag. Schade ist, dass wir uns nur kurz, an den Frühlingsblumen erfreuen konnten. Ich bin aber überzeugt, dass irgendjemand seine helle Freude an diesem Wetter hat. Hhm, schmatz, schmatz, was gibt es Leckereres als junge, knackige Salatblätter und erst noch gewaschen. Eine Delikatesse für jede Schnecke. Ja, ihr habt richtig gelesen, schmatz, schmatz. Man kann eine Schnecke wirklich hören, wenn sie frisst. Ich durfte dies selbst erleben.
Es ist ziemlich am Anfang meiner Krankheit. Ich sitze unter dem Haus auf einem Bänkchen. Es ist sehr ruhig. Plötzlich bewegt sich etwas im Rasen. Die Löwenzahnblätter teilen sich. Und nun sehe ich es. Eine Häuschenschnecke kriecht hervor. Ihre Fühler sind gestreckt. Nun fängt sie an, an einem Löwenzahnblatt zu knabbern. Ich beobachte sie und verhalte mich ganz ruhig. Wenn sie vom Blatt abbeisst, sieht sie aus, wie die Miniaturausgabe einer Schildkröte. Oder jemand der keine Zähne mehr hat. Es ist nicht ein Abbeissen, eher ein Abdrücken. Und da passiert es. Ich höre, wie die Schnecke frisst. Dies werde ich nie mehr vergessen.
Ich habe diesmal meinen Geschwistern erzählt. Die wenigsten konnten Glauben, dass man dies hören kann. Ein Bruder zieht mich heute noch deswegen auf. Wisst ihr, es ist der, der seine Hände nicht aus den Hosensäcken kriegt. Ich bin sehr glücklich, dass ich dies Erleben durfte. Der Regen hat doch auch seine guten Seiten.
16. Bevor die Woche um ist, möchte ich noch von einem Besuch erzählen, der mich sehr gefreut hat. Sonja, sie ist ebenfalls eine ALS-Betroffene, kommt am Donnerstag spontan zu Besuch. Begleitet wird sie von ihrer Familie. Es ist ein schöner, unterhaltsamer Nachmittag. Die Männer fachsimpeln über Sounds und Multimediageräte und ein hübsches Persönchen sitzt vor dem Fernseher. Sonja und ich verziehen uns in die Küche. Es sind zu viele Geräusche in einem Raum, das strengt uns zu sehr an beim Sprechen. Wir sind beide Quasselstrippen und wir wollen das noch ausnutzen, solange wir unsere Sprache noch haben. Später beim Kaffeetrinken diskutieren wir über ALS. Es ist interessant zu erfahren, wie andere über bestimmte Dinge denken. Ich glaube aus solchen Gesprächen, kann jeder etwas für sich mitnehmen. Auf alle Fälle war es für mich ein schöner Nachmittag. Nur etwas hat mich gefuchst: Sonja hat das Rollstuhlrennen überlegen gewonnen. Ich will eine Revanche!
17. Ich habe fast die ganze Nacht wachgelegen. Diesmal hat das mit dem Rückenschlafen nicht so recht geklappt. Nun könnte ich endlich schlafen, aber nein, die Spitex rüttelt mich wach. Seht ihr, auch wir können nicht einfach den Tag verschlafen. Wir müssen wie alle anderen auch, Zeiten einhalten. Ich freue mich auf diese Woche. Ich genehmige mir, mit der Spitex zusammen, eine Beaute-Woche. Das heisst alle Nägel schneiden und Lackieren. Alle Haare entfernen, die nicht nötig sind. Mit was starten wir wohl in die Woche? Mit dem! Hu hu. Wisst ihr, ich will bereit sein, wenn es endlich wieder Frühling werden sollte.
Jetzt ist es 20 Uhr und die Sonne scheint ganz leicht durch die Wolken. Das ist doch ein gutes Omen.
19. Diesen Eintrag widme ich Simon. Morgen beginnt seine Lehrabschlussprüfung. Da ich ihm die Daumen nicht drücken kann, bin ich Gedanklich bei ihm.
Simon. ich bin stolz, deine Gotte zu sein.
Du bist als Blondschopf auf die Welt gekommen. Ein Sonnenschein mit blauen Augen. Ich durfte 6 Jahre lang deine Tagesmutter sein. Während all dieser Jahre, habe ich sehr viel Schönes mit dir erlebt. Besonders das Heuen bei den Grosseltern haben wir Beide genossen. Ich kenne kein anderes Kind, das so eine Ausdauer beim Nachrechen gezeigt hat wie du.
Was ich an dir bewundere ist deine Kraft. Immer wieder aufzustehen, obwohl du schon zum Xten mal auf dem Boden liegst. Du hast es in all deinen Schuljahren nicht einfach gehabt. Du wurdest oft gehänselt und ausgeschlossen. Durch dein Leben mit Gott waren dir die Hände gebunden, um zurückzuschlagen. Du hast dies alles tapfer ertragen. Simon, ich wünsche dir alles, alles Gute für die nächsten 3 Tage. Ich hoffe, dass viele Menschen an dich denken.
Für dich soll jeden Tag eine Kerze brennen.
22. So, nun sind die 3 LAP-Tage von Simon durch. Nun können wir nur abwarten und auf ein positives Ergebnis hoffen. Ich danke allen, die Simon in irgendeiner Weise unterstützt haben.
Habt ihr Heute ebenfalls das warme Wetter genossen. Hei, war das schön. Natürlich habe ich Heute meine heissgeliebte Servelat vom Grill bekommen. Die besten Servelat gibt es übrigens in der Ostschweiz. Also liebe Verwandtschaft, statt Blumen könntet ihr mir beim nächsten Besuch auch einen Stumpen oder Chlöpfer mitbringen.
Wir haben Heute wieder die Umgebung auf Vordermann gebracht. Also, wenn ich ehrlich bin, hat dies mein Mann getan. Ich war aber auch nicht ganz untätig. Ich musste nach meinen Sorgenkindern schauen. Als ich nämlich das letzte Mal draussen war, sah ich, dass der Yasminstrauch voller Blattläuse war. Damit ich diesen auf natürliche Art zu Leibe rücken kann, habe ich gerade Gestern noch Marienkäferlarven bestellt. Aber was sehen meine freudigen Augen. Die Läuse sind zwar immer noch da, aber auch noch Andere. Schaut mal. Ich glaube, man muss der Natur einfach mehr vertrauen. Vieles kann sie selber ins Loht bringen. Wir sollten ihr einfach mehr Zeit lassen.
Unser Rhabarber ist ganz schön gewachsen. Für einige Käfer sind die grossen Blätter ein Schutz. Andere kümmert das nicht. Was ist denn Heute nur los? Spüren wohl endlich alle den Frühling. Ich geniesse ihn ebenfalls. Schliesslich habe ich Heute Namenstag.
27. Das waren schöne Pfingsttage. Die Sonne hat vom Himmel herunter gelacht. Vielleicht hat sie sich ob der vielen Firmlinge gefreut. Dieses Jahr nahm ich an der Firmungsfeier teil. Ich bin Mitglied der Römisch-Katholischen Kirche. Trotzdem trifft man mich selten in der Kirche an. Ich glaube nicht alles, was in der Bibel geschrieben steht. Bin aber froh, dass ich in diesem Glauben aufwachsen durfte. Es steht sehr viel Weises in der Bibel. Ich interpretiere gewisse Ereignisse einfach anders. Eigentlich wäre Glauben so einfach. Ich müsste nur gut zur Natur und ihren Bewohner sein. So einfach wäre dies und doch unerreichbar. Vielleicht muss ich mehr nach den Gesetzen des Herzens leben. Ich versuche es immer wieder aufs Neue.
So, nun bin ich ein wenig abgeschweift. Jedenfalls hat mir die Messe gefallen. Der Höhepunkt war, als mein Mann mit unserem Neffen Sven vor den Altar trat. Dort legte Piet seine rechte Hand auf die rechte Schulter von Sven und nun wurde er gefirmt. Später haben die Firmlinge den Canon Laudato Si gesungen. Ich habe so Hühnerhaut bekommen.
Später wurde auf dem Bauernhof unter dem Nussbaum das Essen eingenommen. Zum Dessert erschien dann auch die Heuer-Mannschaft. Dieses Wochenende konnte endlich Heu und Silo eingefahren werden. Man hätte meinen können, es gäbe nur noch Traktoren auf dieser Welt. Ich möchte wissen, wie viele Tonnen Heu dieses Wochenende in die Obergaden verschwunden sind und wie viele Siloballen gepresst wurden. Ich hätte gerne mitgeholfen. Wenn ich den Duft vom Heu rieche, geht mein Herz auf. Ich glaube, das hat etwas mit Heimat zu tun. Es gibt aber auch andere Düfte. Da geht mein Herz nicht auf, dafür die Nase zu. Kaum ist das Heu im Trockenen, fangen die Bauern an zu Güllnen. Mit was könnte man wohl die Gülle in einen besseren Duft umwandeln. Ein Veilchenduft wäre nicht ohne.
Es war ein sehr schönes Wochenende.
Habe noch einen schönen Irischen Segensgruss entdeckt.
31. Was ist nur mit dem Wetter los. Es wäre doch gewiss Zeit für den Frühling. Ich sitze mit kalten Füssen am PC und lasse die letzten Tage Revue passieren.
Am Samstag hatten wir Besuch aus der Ostschweiz. Monika, die Schwester von Piet kam mit ihrer Familie vorbei. Wir hätten gerne den Grill angemacht und die St.Galler Bratwürste und die Stümpen verzehrt. Aber nein, es musste immer wieder spritzlä (tröpfeln). Ja nun, die Lasagne alla Piet war auch nicht ohne. Sobald sich aber die Sonne zeigt, sind die Stümpen dran. Da kenne ich dann keine Gnade.
Ich muss euch mal was fragen. Einige kennen uns ja persönlich, andere nur übers Internet. Jetzt aber mal ganz ehrlich. Hattet ihr mal für euch gedacht, dass ich/wir manchmal einen Vogel haben. Ja? Dann kann ich euch nun beruhigen. Unser Besuch hat uns Dreien nämlich wunderschöne Vögelhäuschen gezimmert. Jetzt können wir unseren Vögeln ein anderes Zuhause bieten. Hin und wieder werden sie uns sicher wieder besuchen. Ist doch in Ordnung, oder?
Vogel müsste man sein.
Am Sonntag wurde es uns zu Bund mit dem Wetter. Ich brauchte Sonne. Also fuhren wir über den Gotthardpass ins Tessin. Endlich Sonne und 23 Grad. So schön. Wenn ich nicht so auf Hilfe angewiesen wäre, bliebe ich gleich Unten. Aber eben, wenn das Wörtchen, wenn nicht wäre, wäre ich schon lange Millionär.
Wer weiss, man kann nie wissen.
JUNI
3. Ich sitze da an meinem Bach und sehe dem fliessenden Wasser zu. Wie es sich windet und schlängelt, um über die Steine zu kommen. Hin und wieder tanzt ein kleiner Wassertropfen aus der Reihe. Er springt vom Stein hoch und wird beim herunter fallen sogleich vom Strom wieder aufgefangen. Manchmal geht das aber auch schief. Wenn so ein kleiner, glasklarer Hüpfer sein Ziel verfehlt und auf einem trockenen Stein landet, kommt er nicht mehr runter und er bleibt allein zurück. Die Anderen können nicht warten, sie müssen weiter fliessen. Nun kann der Kleine nur noch warten, bis andere Tropfen zu ihm stossen, um gemeinsam mit ihnen die Reise fortzusetzen. An so einem Tag wie Heute, hätte ein einzelner Tropfen keine Chance gehabt. Die Sonne hätte ihn unbarmherzig zum Frühstück verspeist. Aber nun plätschert der kleine Wassertropfen beschwingt den Anderen hinterher.
7. Heute ist es mir endlich gelungen einen Flash-Film zu erstellen. Ich bin mächtig stolz auf mich.
9. Ich kann heute leider nicht nach draussen. Der älteste Urner ist mal wieder zu Besuch. Er rüttelt an den Dächern als wolle er ins Haus. Bäume und Sträucher beugen sich unter seiner wucht. Blätter wirbeln durch die Luft. Es wird immer wärmer und schwüler. Der Föhn treibt das Thermometer auf 28 Grad. Wir dürfen aber jetzt nicht jammern. Wir wollten schliesslich Sommer.
Gestern hab ich wieder eine Rolliausfahrt in Bildern festgehalten. Das Wetter war traumhaft. Hab mir doch prompt wieder die Knie verbrannt. Es hat sich aber gelohnt. Mit meiner Schwester zusammen, konnte ich wieder schöne Pflanzen bewundern und Tiere bei ihrem Treiben beobachten. Ich weiss, es gibt einige Leute, die können mit Biotopen nichts anfangen. Für sie ist es nur ein Mückenproduzierender Tümpel. Dabei müssten sie nur genauer hinschauen. Sie würden dann entdecken, was für wunderschöne Lebewesen sich dort tummeln.
11. Kaum bin ich eingeschlafen, werde ich durch das Einschalten den Fernseher geweckt. Ich versuche mich ein wenig zu drehen, um zu sehen, was da los ist. Es klickt wieder und der Fernseher schaltet wieder aus. Wird wohl der Föhn gewesen sein. Ich schlafe wieder ein. Irgendwann erwache ich wieder und bemerke, im Nebenzimmer ist das Licht eingeschaltet. Was geht da vor sich. Vielleicht gab es wegen dem Föhn einen Stromunterbruch und die Elektrik hat nun ein Durcheinander. Also schlaf ich wieder ein. Später werde ich noch mal wach. Es hat angefangen zu regnen und der Föhn bläst nur noch leicht. Im Nebenzimmer ist es stockdunkel. Soll ich jetzt an Gespenster glauben? Nein, lieber nicht. Augen zu und eingeschlafen.
Wenn ihr meint, das sei’s jetzt gewesen, da täuscht ihr euch.
Ich habe die Morgentoilette hinter mir. Das Joghurt ist gegessen. Nun sitze ich frisch gestylt vor dem PC und warte auf den Kaffee. Platsch, da hab ich meinen Kaffee. Auf meinem neuen, frühlings-grünen T-Shirt ist er gelandet. Was soll’s, noch mal von vorne.
Am Nachmittag fahre ich auf dem Weg der Schweiz nach Bauen. Ich fahre von der Strasse in den Fussgängertunnel ein. Ein kleiner Absatz wird mir fast zum Verhängnis. Uf, geschafft. Ich fahre weiter in den Tunnel. Es liegt frischer Kies auf dem Weg. Plötzlich fangen meine Räder an zu schwimmen. Ich stecke im Kies fest. Durch vorwärts und rückwärts Fahren versuche ich mich herauszumanövrieren. Ohne Erfolg. Die Räder versinken immer weiter im Kies. Also warte ich, bis jemand vorbeikommt. Ich warte und warte. Es sind sicher schon 15 Minuten vergangen und noch Niemand ist in Sicht. Ich warte und warte und nach weiteren 15 Minuten nähert sich ein Velofahrer. Ich rufe ihm mit meiner noch vorhandenen Stimme zu. Er grüsst mich und fährt in rasantem Tempo an mir vorbei. Ich warte und warte und endlich nähert sich ein Rollstuhlfahrer mit drei Fussgängern. Kurzerhand werde ich aus dem Kies geschoben. Nun kann ich meine Fahrt endlich fortsetzen.
Aber nicht für lange. Am Tunnel-Ende ist ein Gefälle. Letztes Jahr hätte ich mich noch getraut hinunterzufahren. Ich finde, ich hab Heute genug Action gehabt. Also rechts umkehrt und zurück. Ich versuche bei der nächsten Tunnelausfahrt auf das Strassentrottoir zu fahren. Aber denkste. Das Trottoir hat so einen hohen Absatz, ich komm nicht rauf. Also wieder in den Tunnel und die nächste Ausfahrt ansteuern. Nei, Nei, schon wieder so ein Absatz. Ich versuche es zuerst vorwärts, dann rückwärts, zuerst mit einem Rad, aber nichts geht. Der Tunnel will mich einfach nicht fahren lassen. So, nun hab ich die Nase voll. Ich rufe Piet an, er soll mich befreien kommen. Eine halbe Stunde später befinde ich mich gutgelaunt auf dem Heimweg.
Für Heute habe ich genug erlebt. Ich setz mich nur noch vor den Fernseher.
17. Könnt ihr euch noch erinnern, wie es war, als die Sonne eine Woche lang schien. Am Abend konnte man mit kurzen Hosen Draussen sitzen, eine Wurst grillieren und gemütlich beisammensitzen. Es kommt noch so weit, dass Grosseltern ihren Enkelkinder erzählen: Es war einmal Sommer..…
Übrigens, mein Mann Piet hat diese Woche Ferien. Darum bin ich nicht so viel am PC.
21. Am Samstag vor unseren Ferien habe ich wieder am ALS-Selbsthilfegruppentreffen teilgenommen. Wir treffen uns so viermal im Jahr. Unsere Gruppe hat erneut Zuwachs bekommen. Wir versuchen, so gut es eben geht, den Neu-Betroffenen Geborgenheit und Halt zu geben. Am Anfang einer solchen Diagnose hat man so viele Fragen. Man will nicht begreifen, dass man nichts, aber auch gar nichts gegen diese Krankheit machen kann. Es braucht Zeit, um mit so einer Diagnose fertig zu werden. Wir beantworten ihre offenen Fragen so gut es geht. Was mir diesmal Freude bereitet, wir müssen diesmal von niemandem Abschied nehmen. Auch das Bild mit der Sonne, den Blumen und dem Schmetterling, welches mir Sonjas Tochter gemalt hat, freut mich sehr. Es hängt nun in meinem Büro, wo ich es immer anschauen kann. Danke vielmal, kleine Lea.
Es ist Dienstagabend und ich nehme zum erstenmal an einem ALS-Chat teil. Hui, geht das hin und her. Ich, mit meiner Bildschirmtastatur komme kaum mehr mit. Lese ich eben mehr, als das ich schreibe. Und das was ich lese ist sehr amüsant. Da wird nicht etwa Trübsal geblasen. Nein, Nein, trotz dieser Krankheit ist es eine humorvolle Achtergruppe. Werde bestimmt wieder mal teilnehmen.
Nichts wie weg. Wir fahren auf der Autobahn Richtung Süden. Stau vor dem Gotthardtunnel. Wie könnte es auch anders sein. Also ausscheren und über den Pass. Ist sowieso schöner als Siebzehn Minuten im Tunnel zu fahren. Wir müssen weit ins Tessin runterfahren, um die Sonne zu sehen. Endlich, die Sonne zeigt sich. Ich geniesse jeden Sonnenstrahl. Das habe ich gebraucht, auch wenn es nur ein Kurztrip war.
So, nun ist unsere verregnete Ferienwoche vorüber und es regnet immer noch. Und das am längsten Tag im Jahr.
29. Fast eine Woche lang habe ich nichts mehr geschrieben. Könnt ihr euch vorstellen warum? Ja genau. Ich hab die Sonne so richtig genossen. Aber nun nehme ich mir eine Auszeit von der Sonne und werde im 26 Grad warmen PC-Zimmer ein paar Zeilen über die vergangenen Tage schreiben.
Wie ihr sicher bemerkt habt, hat meine Homepage einen neuen Anstrich bekommen. Ich liess mich von der Sonne inspirieren und lasse nun Blumen auf meiner HP blühen. Ausserdem arbeite ich nun mit Windows 7 und mit Office 10. Muss mich noch mit den zusätzlichen Features bekannt machen. Nächstens bekomme ich auch eine stabilere Internetverbindung. Hoffe der PC wird dadurch ein wenig schneller. Ansonsten muss ich mir einen neuen Rechner zulegen. Ich habe gar viel Bildmaterial hochgeladen. Und wer mich kennt, weiss wie ungeduldig ich sein kann. Bei mir kann man nämlich nicht mit dem Spruch kommen; du hast alle Zeit der Welt. Ist mir grad so in den Sinn gekommen. Cheibä güät, gäu.
Ich bin eigentlich nicht Fussball interessiert. Trotzdem habe ich am Fernseher die Schweizer bei der WM unterstützt. Bei den Spielen ist mir aufgefallen, wie wehleidig diese Tschüdeler (Fussballer) sind. Egal für welches Land sie spielen. Bei geringstem Körperkontakt fallen sie um, oder tun so als ob ihnen gar übel wehgetan wurde. Und das nur, um auf unfaire Weise den Ball zu erhaschen. Zum Glück könnte ich neben dem Spiel schauen noch anderes erledigen. Ihr wisst doch, Frauen können mehrere Dinge gleichzeitig machen, auch wenn eine neuere Studie dies widerlegt. War sicher ein Mann am Werk.
Diese Woche war ich viel mit dem Rolli unterwegs. An manchen Abenden habe ich wieder ausgesehen wie eine To… nein, nennen wir es diesmal Radiesli.
Eben hat mir Piet einen Milchkaffee gebracht. Wisst ihr was er zu mir gesagt hat. Ich würde so viel trinken wie ein Amyschiff. Warte mal, da kommt mir was in den Sinn. Müssen Autos nicht ab und zu in den Service? Oje, das könnte teuer werden. Dellen spachteln, neue Farbe auftragen, Öl ablassen, Stossstangen austauschen, neue Reifen aufziehen, waschen, wachsen und polieren. Ach, ist das schön ein Amyschiff zu sein. Ich freu mich auf den nächsten Service.
Am Sonntag machten Piet und ich mit dem Auto, Rolli, Velo und dem Schiff eine Rundreise. Es war ein traumhafter Tag. Das Schiffspersonal war sehr hilfsbereit.
JUNI
1. Wie könnte ich diesen Monat besser beginnen als mit einer Freuden-Botschaft. Gestern Abend so um 21.30 Uhr, checke ich noch schnell meine SMS. Und was lese ich da. Simon, mein „Göttikind“ teilt mir mit, er habe endlich die LAP bestanden. Könnt ihr euch vorstellen, wie ich mich freue. Simon, dein Durchhaltewille ist bewundernswert. Ich danke allen die für Simon eine Kerze angezündet haben, oder ihn sonst auf irgendeine Art unterstützt haben. Und lieber Gott, wenn es dich gibt, danke schön.
Ich konnte es natürlich nicht lassen und habe gleich X SMS verschickt. Das weiteste ging nach Canada. Meine Schwester Bernadette macht momentan mit einem Camper die Gegend unsicher. Sie hat sich riesig über die Mitteilung gefreut. Übrigens, es geht ihr sehr gut und schickt liebe Grüsse an Alle.
6. Jetzt ist es wirklich Sommer. Die Kleider gehen eine Verbindung mit dem Körper ein. Meine nackten Arme und Beine kleben am Rollstuhl fest. Die Hände geben sich alle Mühe, nicht von der Maus zu rutschen. Meine Füsse sind aufgedunsen. Das finde ich etwa gar nicht schön. Dabei wollte ich mir diesen Sommer High Heels zulegen. Wisst ihr, die mit den ganz hohen Haken. Muss ja im Rolli nicht laufen können. Muss nur gut aussehen. Nur, mit meinen dicken Füssen komm ich nicht rein. Damit die Füsse zwischendurch entstaut werden, ziehe ich die hohen Stützschuhe an. Aber nur im Haus. Könnt ihr euch vorstellen, wie das aussieht? Ich, in kurzen Hosen und mit Springerstiefeln an den Füssen, schrecklich. Aber es hilft doch ein wenig.
Es ist schön, dass es zwischendurch einen Regenschauer gibt und es ein wenig abkühlt. Beklagen mag ich mich aber nicht. So schnell ist der Sommer wieder vorbei. Also, geniessen, geniessen.
Am Wochenende fand in meiner Gemeinde das Innerschweizer Schwing- und Älpler Fest statt. Schwingen ist eine Sportart die ausschliesslich in der Schweiz ausgeübt wird. Am Sonntag fuhr ich mit dem Rolli auf den Festplatz. Eintritt müsste ich keinen bezahlen. Beim Eingang wurde mir gleich ein Gratis Billie umgehängt. Das war aber noch nicht alles. Für die Rollstuhlfahrer hat man extra ein Podest gebaut, damit auch wir eine gute Sicht haben. Das ist nicht selbstverständlich, schliesslich wurden an die 6000 Besucher erwartet. Es war ein stimmungsvoller Anlass. Zwischendurch gab es Alphornklänge und es gab volkstümliche Vorträge. Ein Jodelchörli hat mir sehr gut gefallen. Den Liedtext muss ich unbedingt in Erfahrung bringen. Am Schluss wurde dem Sieger des Schwingwettkampfes ein prächtiger Stier überreicht.
Langsam werde ich müde. Hatte heute Morgen Frühschicht. 7.00 Uhr Spitex, 8.30 Uhr Physio, 9.30 Uhr Fussreflexzonenmassage, 11.15 Uhr Mittagessen, 13.00 Uhr Einkaufen fahren, 18.00 Uhr Tagebucheintrag schreiben, 20.00 Uhr Milchkaffe trinken (Amyschiff braucht Benzin) und jetzt fahre ich Fussball gucken.
8. Manchmal werde ich schon traurig, wenn ich von den Schicksalen von Andern ALS-Betroffenen höre. Der Krankheitsverlauf ist verschieden. Er kann wenige Monate betragen, oder wie bei mir, mehrere Jahre. Wir wissen aber Alle, dass uns am Schluss die Luft wegbleibt. Einige von uns stehen in engem Internet-Kontakt. Mitzuerleben wie Jeder immer schwächer wird. Wie die Familien jeden Tag ihre ganze Kraft mobilisieren, um für die Betroffenen da zu sein. Ihre eigenen Interessen und ihr eigenes Leben müssen sie hintenanstellen. Klar, man könnte uns in ein Heim geben. Weg von den Kindern, weg vom Partner oder weg von der vertrauten Umgebung. Wenn man aber das Geld, was so ein Heim kostet, für die Betreuung Zuhause einsetzen könnte, würden die Angehörigen entlastet und es würden weniger Kosten entstehen. Ein Heimplatz kann bei Intensivpatienten bis zu Fr. 1000.— betragen. Es kann ja nicht sein, dass ein 40-jähriger ALS-Betroffener in ein Heim abgeschoben wird, nur weil die Pflege zu Hause von den Betroffenen nicht finanziert werden kann. Zum Glück hat der Ständerat dies nun zum Teil begriffen und einer Änderung zugestimmt. Ich hoffe sehr, dass der Assistenzbeitrag für meine lieben Freunde, die gerade in diesem Dilemma stecken, schon früher angewendet werden kann.
9. Sommer, Sonne, Sonnenschein, so muss es sein. Bei solchem Wetter hält mich nichts im Haus. Am Mittwoch habe ich wieder eine kleine Schifffahrt unternommen. Kurz bevor das Dampfschiff abfährt, brause ich mit dem Rolli heran. Über eine Rampe gelange ich auf das Schiff. Das Billie lösen ist für mich etwas umständlich. Der Schalter ist zu hoch. Es dauert seine Zeit, bis ich dem Matrosen erklärt habe, wohin ich will, wo ich mein Geld habe, dass er das Geld selber herausnehmen muss und er mir das Billie fest in die Hand legen muss. Aber irgendwie geht’s immer. So, nun aber ab an die Reling. Es ist so herrlich den Fahrtwind auf meiner Haut zu spüren. Den Wellen zuzusehen die vom Schiff ausgelöst werden. Es ist einiges los auf dem Wasser. Surfer spielen mit dem Wind. Segelboote haben ihre Segel gesetzt und Yachten kreuzen unsere Fahrt. Nun kommt ein Matrose und scheucht uns vom Platz weg. Wir legen an. Leute steigen aus, andere ein. Die Fahrt geht weiter. Inzwischen habe ich einen Platz gefunden, an dem ich niemandem im Weg sitze. Eine Familie sitzt in meiner Nähe. Ihre beiden Jungs, ca. 5- und 6-Jährig, sind völlig begeistert von dieser Schifffahrt. Sie laufen hin und her und schauen alles genau an. Plötzlich ertönt das Schiffshorn. Je, ihr glaubt es nicht. Die beiden Jungs halten die Ohren zu. Sie haben sich so erschrocken. Das zeigt mir, wie feinfühlig diese Jungs sind. Als dann später noch ihre Mutter zu mir kommt und mich fragt, ob ich allein Unterwegs sei und ob sie mir etwas zu trinken holen kann, da weiss ich, diese Jungs dürfen in einem gesunden Umfeld aufwachsen. In Liebe und Geborgenheit.
Ach, jetzt kommt wieder der Matrose zu mir und sagt, ich müsse in Brunnen aussteigen. Ich sage ihm: Ja ich weiss. Als er dann noch sagt, also kommen sie, fühle ich mich wie ein kleines Kind. Er meint es ja nur gut. Ihm fehlen einfach das Verständnis und das Feingefühl. Aber ich lasse mir den Ausflug nicht verderben und mache mich über die Axenstrasse und über den Weg der Schweiz auf die Rückreise. Ich geniesse den Fahrtwind in meinen Haaren und die Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Kurz vor 17.00 Uhr ertönt mein Telefon. Wann kommst du, fragt mein Mann. Wir warten mit der Torte auf dich. Oh, jetzt muss ich aber Gas geben. Mein Sohn hat nämlich Geburtstag.
Das war wieder mal ein schöner Tag.
17. Mit einem Milchkaffe mache ich es mir auf dem Balkon gemütlich. Es ist wieder so ein sonniger Tag. Die Sonne hat sich in den letzten beiden Wochen von ihrer besten Seite gezeigt. Das es Sommer und somit Ferienzeit ist, sieht man auf der Autobahn, welche nach Süden führt. Sie ist völlig verstopft. Momentan beträgt die Wartezeit vor dem Gotthardstrassentunnel 4 Std. Von meinem Balkon aus sehe ich auf diese Autobahn. Ich sehe, wie sich die zweispurige Autokollonne Richtung Süden schlängelt. Vollgepackte PKWs, Wohnmobile, Motorräder und Reisebusse stehen Stossstange an Stossstange. Zwischendrin Lastenzüge mit neuen Autos auf der Lade Brugg und weiter hinten ein Benzin- Öltankwagen. An so einem Wochenende sollte die Autobahn für Lastwagen einfach gesperrt werden. Ich bin froh, muss ich nicht in dieser Kolonne stehen. Ich schaue lieber den Vögeln zu, die am Himmel ihre Kreise ziehen.
18. Der Rollstuhl im Kofferraum verstaut. Das Picknick mit dem Urner Kaffee eingeladen. Die Caps auf dem Kopf. Die Sonnenbrille auf der Nase. So, jetzt kann es losgehen mit der Pässe Fahrt. Zuerst fahren wir Richtung Oberalppass. Es ist reger Verkehr auf der Passstrasse. Uns fallen vor allem die vielen Harleys auf. Viele sind in Gruppen unterwegs. Da muss wohl irgendwo ein HOG - Treffen gewesen sein. Viele tragen ein Chapter-Emblem auf ihren Westen. Früher, als ich noch auf die Harley steigen konnte, nahmen wir auch an Treffen teil. Manchmal macht es schon weh, wenn ich an die schöne Zeit denke, als mein Mann und ich gemeinsam mit der Harley unterwegs waren. Ich bin so gerne mitgeritten. Aber was solls. Ich durfte es wenigstens selbst erleben.
Kurze Zeit später suchen wir uns einen Picknickplatz. Der Kaffee tut gut und der warme Käse hat sein volles Aroma entwickelt. Mmmh, schmeckt im Freien einfach besser.
Weiter geht es nun Richtung San Bernardinopass. Die Landschaft ist atemberaubend. Die Wildblumen blühen um die Wette. Diese Luft, diese Freiheit. Dieses Gefühl ist die beste Medizin für mich. Auf den Alpenpässen kann ich meine Seele auftanken.
Der 3. Pass den wir erkunden ist der Nufenen. Jeder Pass hat seine Schönheit. Das Gestein ist von der Farbe und der Zusammensetzung anders. Die Blumen können sich durch Sorten unterscheiden. Auch das Gehölz ist nicht auf jedem Pass gleich. Damit ich mich noch lange an diesen Ausflug erinnern kann, pflückt mir mein Mann noch zwei, drei Alpenrosen.
20. Es ist so ein herrlicher Sommerabend. Ich höre die Grillen zirpen und die Vögel pfeifen. Der Lindenblütenbaum vom Nachbar verströmt einen betörenden Duft. Das weckt Erinnerungen an Früher.
Es ist ein heisser Sommertag und wir Kinder müssen beim Heuen helfen. Zwischendurch plagt uns der Durst. Wenn ihr meint, wir können einfach eine Cola- oder Oranginaflasche öffnen, da irrt ihr euch. Pläterliwasser gabs damals bei uns noch nicht. Wir dürfen hingegen vom gekühlten, herrlich schmeckenden Lindenblütentee trinken, so viel wir mögen. Der Tee schmeckt so gut.
Unser Vater holt jeweils Lindenblütenäste vom Wald und wir pflücken die Blüten davon. Diese werden ausgelegt und getrocknet. Später wird der Vorrat in Leinensäcke abgefühlt und auf den Estrich gehängt.
Meine Mutter gibt beim Teekochen jeweils noch Zitronenschale dazu und süsst mit Brustzucker (Kandiszucker). Schnell sind flicke Hände da und versuchen ein kleines Stückchen Brustzucker zu erhaschen, um es schnell in den Mund zu befördern.
Am Abend rennen wir auf dem kurzgeschnittenen Land herum oder spielen darauf Ball. Wir müssen das ausnützen. Sobald das Gras wieder ein bisschen höher ist, dürfen wir es nicht mehr betreten. Mein Vater bemerkt sehr schnell, wenn jemand im hohen Gras umägleitscht (herumgelaufen) ist. Wir sind dann jeweils froh, wenn keines der Geschwister den anderen verrätscht (verrät).
So, nun geniesse ich noch ein wenig den Abend.
21. Heute Nachmittag bin ich zu Besuch bei meinen Eltern. Es ist so gemütlich unter dem Nussbaum zu sitzen der uns gleichzeitig noch Schatten spendet. Da schmeckt das Kaffee und der frisch gebackene Kuchen doppelt so gut. Da ertönt das Telefon in der Küche. Meine Mutter und mein Vater hören nicht mehr so gut. Also sag ich, das Telefon läutet. Meine Mutter springt auf und läuft so schnell sie eben noch kann, die Treppen hinauf. Oben angelangt muss sie feststellen, dass der Anrufer schon aufgelegt hat. Also rechts umkehrt und wieder hinunter. Kurze Zeit später sage ich wieder, das Telefon schellt. Meine Mutter springt wieder auf und mein Vater und ich feuern sie an. Aber leider wieder nicht geschafft. So wiederholt sich dies sicher vier, fünfmal. Bei einem Anrufer hat sie’s dann doch geschafft. Es ist ein Verwandter, der ihr zum Geburtstag gratuliert. Meine Mutter ist heute nämlich 81 Jahre geworden. Ich muss sagen, meine Eltern sind eigentlich noch recht fit. Nur mit den neumodischen, schnurlosen Telefonen und Handys haben sie ihre liebe Müh.
Langsam trudeln immer mehr Gratulanten ein. Es wird immer geselliger. Es kommen wieder Geschichten von Früher auf den Tisch. Warum eine Narbe den Oberschenkel einer meiner Schwestern ziert, erzähl ich euch ein andermal. Ich würde gerne noch länger bleiben, aber ein Gewitter ist im Anmarsch.
Uf, hab’s gerade noch nach Hause geschafft. Nun entladen sich die Wolken. Blitze schiessen vom Himmel und der Donner grollt durch die Luft. Langsam wird es kühler. Jetzt kann mal wieder richtig durchgelüftet werden.
22. Bin soeben von meiner Reise in Canada zurück. Die Gegend dort ist traumhaft. Es hat Berge wie bei uns. Manche haben Schnee oder Gletscher auf dem Kamm. Viele Seen und Flüsse prägen die Landschaft. Die Nadelbäume tragen ein sattes Grün. Manchmal entdecke ich ein Hirschkalb im Unterholz oder einen Bären, der nach Beute sucht. Die flinken Erdhörnchen sind sehr zutraulich. Grosse Rapsfelder verleihen der Landschaft einen gelben Tatsch und auf den grossen Farmen leben viele Kühe. Es ist einfach alles viel grösser als bei uns.
Nur schade, aber jede Reise geht einmal zu Ende. Meine Schwester schliesst das Fotoalbum von Canada und ich kehre nach zwei Stunden in die Realität zurück. Die schönen Bilder bleiben aber in meinem Gedächtnis.
23. Leise ziehen feine Regentropfen Muster auf meine Fensterscheiben. Der Regen sieht so, klar und sauber aus. Er fällt so unschuldig vom Himmel, als könnte er kein Wässerchen trüben. Er kann auch anders. Gestern hat er sich an einigen Orten so richtig ausgetoppt. Er hat seine Tropfen in Eis verwandelt und liess Hagelkörner regnen. Er verwandelte kleine, unschuldige Bächlein zu reissenden, schmutzigen Strömen.
Unsere Gemeinde wurde diesmal verschont. Es war auch schon ganz anders. Ich kann mich gut an die drei grossen Unwetter erinnern, die meine Gemeinde und den Kanton heimsuchten. Eines war für meine Familie besonders schlimm. Die Reuss (Fluss) trat über die Ufer. Überflutete grosse Teile von Wohnquartieren und Landwirtschaftsbetriebe. Ich hatte grosse Angst um meine Eltern, Brüder und Schwester. Das Wasser kam so schnell. Mein Vater und mein Bruder konnten die Kühe noch schnell aus dem Stall treiben, bevor sie sich in letzter Minute in die oberen Stockwerke in Sicherheit bringen konnten. Das alles in der Nacht bei Stromausfall. Zum Glück konnten später alle Personen mit Booten gerettet werden. Leider mussten aber viele Tiere ihr Leben lassen. Die Aufräumarbeiten haben etliche Zeit in Anspruch genommen. Aber die Solidarität war grossartig. Solche Erlebnisse wird man wohl nie vergessen. Ich werde trotz meiner Liebe zur Natur auch nie vergessen, wie unberechenbar und brutal sie sein kann.
Momentan zeigt sich die Natur von ihrer sanften Seite.
26. Am Samstag klingelt der Wecker schon um 6 Uhr. Heute haben wir eine lange Autofahrt vor uns. Wir fahren ins Wallis. Nach 3 Stunden erreichen wir Champéry. Dort findet ein Mountainbike-Weltcup statt. Die Downhill-Strecke gilt als steilste im ganzen Weltcup. Das will sich mein Junior natürlich nicht entgehen lassen. Also spielen wir Taxi.
Während der Wettkampf stattfindet, machen Piet und ich eine Rundreise mit Abstecher nach Frankreich. Wir fahren an vielen Weinbergen vorbei. Kleine Dörfer fallen durch eine vielfältige Blumenpracht auf. Und die Holzhäuser strahlen Wärme und Gemütlichkeit aus. Die Wolken haben sich für einen Moment gelichtet und geben die Sicht auf den Mont Blanc frei. Zum Schluss, wieder im Wallis angekommen, lockt uns ein Strassenverkäufer mit Walliser Aprikosen. Dazu muss ich euch schnell eine Geschichte erzählen. Ich kann es amigs (manchmal) kaum erwarten, bis es im Sommer die ersten Aprikosen gibt. Als wir anfangs dieses Jahres über einen Pass fuhren, rief ich Piet voller Aufregung zu: Halt an, Aprikosen. Piet schaut mich an und fährt einfach weiter. Ich frage ihn: Warum hast du nicht beim Strassenverkäufer angehalten. Er schaut mich ungläubig an und sagt zu mir: Es ist noch zu früh für Aprikosen. Auf der Tafel stand, Alpenrosen zu verkaufen. Schäm, aber das schreibt sich schliesslich fast gleich.
Diesmal sind es aber tatsächlich Aprikosen. Die Walliser sind einfach die Besten.
Später geht’s mit dem Junior im Gepäck wieder nach Hause.
28. Damit ich weiterhin meine Hilfsmittel benutzen kann, müssen einige von Zeit zu Zeit an meine fortschreitende Behinderung angepasst werden. Ich kann meinen Treppenlift kaum mehr selber bedienen. Ich stelle mir vor, den Lift mit einer Infrarotbedienung, welche ich auf dem Rollstuhl mitführe, zu bedienen. Leider ist der Lifthersteller noch nicht so weit, um mir dies anbieten zu können. Sie haben mir aber versichert, dass sie an der Herstellung eines Prototyps arbeiten und ich diesen eventuell in einigen Monaten testen dürfte. Die Sicherheitsvorschriften für so einen Treppenlift sind schon enorm. Ist sicher berechtigt. Besonders bei solchen Künstlern wie ich. Wie ihr jetzt wisst, komme ich beim Treppenlift nicht mehr richtig an die Fahrtasten. Da ich aber nicht so schnell klein beigebe, habe ich mir kürzlich etwas überlegt. Ich fahre also im Keller auf den Treppenlift. Danach fahre ich den Rollstuhllift (befindet sich im Rollstuhl) in die Höhe, bis ich von oben die Treppenlifttaster bedienen kann. Ich denke mir noch, warum ist mir diese Idee nicht schon früher in den Sinn gekommen. Voller Freude fahre ich die Treppen hinauf. Plötzlich bemerke ich, wie mich etwas nach hinten zieht. Ich höre wie Nägel aus dem Holz gezogen werden und Staub auf meinen Kopf rieselt. Kurz bevor ich mit dem Rollstuhl ein Wheelie auf dem Treppenlift vorführe, kommt mir in den Sinn, ich könnte eigentlich den Lift stoppen. Gedacht, getan. Was war geschehen: Wegen dem hochgefahrenen Lift, hat meine Kopfstütze oben an der Decke an einem Paneel (Brett) eingehängt und diese losgerissen.
Nachdem sich mein mulmiges Gefühl verflüchtigt hatte, setzte ich meine Fahrt mit der lädierten Kopfstütze fort. Ihr seht, so gehen meinem Mann die Reparaturarbeiten nie aus. Ich hoffe nun auf die neue Infrarotbedienung.
Der Closomat wurde am Montag ebenfalls mit einer Infrarotbedienung ausgestattet. Jetzt bin ich wieder Herr und Meister auf meinem Örtchen.
Ich hoffe nun, die IV sieht diese Anpassungen ebenfalls als eine Notwendigkeit an und beteiligt sich an den Kosten. Mit solchen Anpassungen wird mir ein wenig Selbständigkeit zurückgegeben.
31. Hei, ist das schön wieder mal durch die Sonne geweckt zu werden. Sie hat mir mitten in mein Gesicht geschienen und meine Hamsterbacken haben sich so warm angefühlt. Der Himmel ist stahlblau. Ein krasser Gegensatz zu den letzten Tagen.
Ich freue mich so, endlich wieder nach Draussen rollen zu können. Am Nachmittag wird der Rasen gemäht und der Pflaumenbaum muss von seinen vielen Früchten befreit werden. Zwischendurch bekomme ich meine heissgeliebte Grillwurst. Später wird noch die Urner Fahne an die Fassade gehängt und in der Umgebung flattern viele Schweizerfähndli. So, nun sind wir bereit für den morgigen Nationalfeiertag.
JULI
1.Wie könnte ich diesen Monat besser beginnen als mit einer Freuden-Botschaft. Gestern Abend so um 21.30 Uhr, checke ich noch schnell meine SMS. Und was lese ich da. Simon, mein „Göttikind“ teilt mir mit, er habe endlich die LAP bestanden. Könnt ihr euch vorstellen, wie ich mich freue. Simon, dein Durchhaltewille ist bewundernswert. Ich danke allen die für Simon eine Kerze angezündet haben, oder ihn sonst auf irgendeine Art unterstützt haben. Und lieber Gott, wenn es dich gibt, danke schön.
Ich konnte es natürlich nicht lassen und habe gleich X SMS verschickt. Das weiteste ging nach Canada. Meine Schwester Bernadette macht momentan mit einem Camper die Gegend unsicher. Sie hat sich riesig über die Mitteilung gefreut. Übrigens, es geht ihr sehr gut und schickt liebe Grüsse an Alle.
6. Jetzt ist es wirklich Sommer. Die Kleider gehen eine Verbindung mit dem Körper ein. Meine nackten Arme und Beine kleben am Rollstuhl fest. Die Hände geben sich alle Mühe, nicht von der Maus zu rutschen. Meine Füsse sind aufgedunsen. Das finde ich etwa gar nicht schön. Dabei wollte ich mir diesen Sommer High Heels zulegen. Wisst ihr, die mit den ganz hohen Haken. Muss ja im Rolli nicht laufen können. Muss nur gut aussehen. Nur, mit meinen dicken Füssen komm ich nicht rein. Damit die Füsse zwischendurch entstaut werden, ziehe ich die hohen Stützschuhe an. Aber nur im Haus. Könnt ihr euch vorstellen, wie das aussieht? Ich, in kurzen Hosen und mit Springerstiefeln an den Füssen, schrecklich. Aber es hilft doch ein wenig.
Es ist schön, dass es zwischendurch einen Regenschauer gibt und es ein wenig abkühlt. Beklagen mag ich mich aber nicht. So schnell ist der Sommer wieder vorbei. Also, geniessen, geniessen.
Am Wochenende fand in meiner Gemeinde das Innerschweizer Schwing- und Älpler Fest statt. Schwingen ist eine Sportart die ausschliesslich in der Schweiz ausgeübt wird. Am Sonntag fuhr ich mit dem Rolli auf den Festplatz. Eintritt müsste ich keinen bezahlen. Beim Eingang wurde mir gleich ein Gratis Billie umgehängt. Das war aber noch nicht alles. Für die Rollstuhlfahrer hat man extra ein Podest gebaut, damit auch wir eine gute Sicht haben. Das ist nicht selbstverständlich, schliesslich wurden an die 6000 Besucher erwartet. Es war ein stimmungsvoller Anlass. Zwischendurch gab es Alphornklänge und es gab volkstümliche Vorträge. Ein Jodelchörli hat mir sehr gut gefallen. Den Liedtext muss ich unbedingt in Erfahrung bringen. Am Schluss wurde dem Sieger des Schwingwettkampfes ein prächtiger Stier überreicht.
Langsam werde ich müde. Hatte heute Morgen Frühschicht. 7.00 Uhr Spitex, 8.30 Uhr Physio, 9.30 Uhr Fussreflexzonenmassage, 11.15 Uhr Mittagessen, 13.00 Uhr Einkaufen fahren, 18.00 Uhr Tagebucheintrag schreiben, 20.00 Uhr Milchkaffe trinken (Amyschiff braucht Benzin) und jetzt fahre ich Fussball gucken.
8. Manchmal werde ich schon traurig, wenn ich von den Schicksalen von Andern ALS-Betroffenen höre. Der Krankheitsverlauf ist verschieden. Er kann wenige Monate betragen, oder wie bei mir, mehrere Jahre. Wir wissen aber Alle, dass uns am Schluss die Luft wegbleibt. Einige von uns stehen in engem Internet-Kontakt. Mitzuerleben wie Jeder immer schwächer wird. Wie die Familien jeden Tag ihre ganze Kraft mobilisieren, um für die Betroffenen da zu sein. Ihre eigenen Interessen und ihr eigenes Leben müssen sie hintenanstellen. Klar, man könnte uns in ein Heim geben. Weg von den Kindern, weg vom Partner oder weg von der vertrauten Umgebung. Wenn man aber das Geld, was so ein Heim kostet, für die Betreuung Zuhause einsetzen könnte, würden die Angehörigen entlastet und es würden weniger Kosten entstehen. Ein Heimplatz kann bei Intensivpatienten bis zu Fr. 1000.— betragen. Es kann ja nicht sein, dass ein 40-jähriger ALS-Betroffener in ein Heim abgeschoben wird, nur weil die Pflege zu Hause von den Betroffenen nicht finanziert werden kann. Zum Glück hat der Ständerat dies nun zum Teil begriffen und einer Änderung zugestimmt. Ich hoffe sehr, dass der Assistenzbeitrag für meine lieben Freunde, die gerade in diesem Dilemma stecken, schon früher angewendet werden kann.
9. Sommer, Sonne, Sonnenschein, so muss es sein. Bei solchem Wetter hält mich nichts im Haus. Am Mittwoch habe ich wieder eine kleine Schifffahrt unternommen. Kurz bevor das Dampfschiff abfährt, brause ich mit dem Rolli heran. Über eine Rampe gelange ich auf das Schiff. Das Billie lösen ist für mich etwas umständlich. Der Schalter ist zu hoch. Es dauert seine Zeit, bis ich dem Matrosen erklärt habe, wohin ich will, wo ich mein Geld habe, dass er das Geld selber herausnehmen muss und er mir das Billie fest in die Hand legen muss. Aber irgendwie geht’s immer. So, nun aber ab an die Reling. Es ist so herrlich den Fahrtwind auf meiner Haut zu spüren. Den Wellen zuzusehen die vom Schiff ausgelöst werden. Es ist einiges los auf dem Wasser. Surfer spielen mit dem Wind. Segelboote haben ihre Segel gesetzt und Yachten kreuzen unsere Fahrt. Nun kommt ein Matrose und scheucht uns vom Platz weg. Wir legen an. Leute steigen aus, andere ein. Die Fahrt geht weiter. Inzwischen habe ich einen Platz gefunden, an dem ich niemandem im Weg sitze. Eine Familie sitzt in meiner Nähe. Ihre beiden Jungs, ca. 5- und 6-Jährig, sind völlig begeistert von dieser Schifffahrt. Sie laufen hin und her und schauen alles genau an. Plötzlich ertönt das Schiffshorn. Je, ihr glaubt es nicht. Die beiden Jungs halten die Ohren zu. Sie haben sich so erschrocken. Das zeigt mir, wie feinfühlig diese Jungs sind. Als dann später noch ihre Mutter zu mir kommt und mich fragt, ob ich allein Unterwegs sei und ob sie mir etwas zu trinken holen kann, da weiss ich, diese Jungs dürfen in einem gesunden Umfeld aufwachsen. In Liebe und Geborgenheit.
Ach, jetzt kommt wieder der Matrose zu mir und sagt, ich müsse in Brunnen aussteigen. Ich sage ihm: Ja ich weiss. Als er dann noch sagt, also kommen sie, fühle ich mich wie ein kleines Kind. Er meint es ja nur gut. Ihm fehlen einfach das Verständnis und das Feingefühl. Aber ich lasse mir den Ausflug nicht verderben und mache mich über die Axenstrasse und über den Weg der Schweiz auf die Rückreise. Ich geniesse den Fahrtwind in meinen Haaren und die Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Kurz vor 17.00 Uhr ertönt mein Telefon. Wann kommst du, fragt mein Mann. Wir warten mit der Torte auf dich. Oh, jetzt muss ich aber Gas geben. Mein Sohn hat nämlich Geburtstag.
Das war wieder mal ein schöner Tag.
17. Mit einem Milchkaffe mache ich es mir auf dem Balkon gemütlich. Es ist wieder so ein sonniger Tag. Die Sonne hat sich in den letzten beiden Wochen von ihrer besten Seite gezeigt. Das es Sommer und somit Ferienzeit ist, sieht man auf der Autobahn, welche nach Süden führt. Sie ist völlig verstopft. Momentan beträgt die Wartezeit vor dem Gotthardstrassentunnel 4 Std. Von meinem Balkon aus sehe ich auf diese Autobahn. Ich sehe, wie sich die zweispurige Autokollonne Richtung Süden schlängelt. Vollgepackte PKWs, Wohnmobile, Motorräder und Reisebusse stehen Stossstange an Stossstange. Zwischendrin Lastenzüge mit neuen Autos auf der Lade Brugg und weiter hinten ein Benzin- Öltankwagen. An so einem Wochenende sollte die Autobahn für Lastwagen einfach gesperrt werden. Ich bin froh, muss ich nicht in dieser Kolonne stehen. Ich schaue lieber den Vögeln zu, die am Himmel ihre Kreise ziehen.
18. Der Rollstuhl im Kofferraum verstaut. Das Picknick mit dem Urner Kaffee eingeladen. Die Caps auf dem Kopf. Die Sonnenbrille auf der Nase. So, jetzt kann es losgehen mit der Pässe Fahrt. Zuerst fahren wir Richtung Oberalppass. Es ist reger Verkehr auf der Passstrasse. Uns fallen vor allem die vielen Harleys auf. Viele sind in Gruppen unterwegs. Da muss wohl irgendwo ein HOG - Treffen gewesen sein. Viele tragen ein Chapter-Emblem auf ihren Westen. Früher, als ich noch auf die Harley steigen konnte, nahmen wir auch an Treffen teil. Manchmal macht es schon weh, wenn ich an die schöne Zeit denke, als mein Mann und ich gemeinsam mit der Harley unterwegs waren. Ich bin so gerne mitgeritten. Aber was solls. Ich durfte es wenigstens selbst erleben.
Kurze Zeit später suchen wir uns einen Picknickplatz. Der Kaffee tut gut und der warme Käse hat sein volles Aroma entwickelt. Mmmh, schmeckt im Freien einfach besser.
Weiter geht es nun Richtung San Bernardinopass. Die Landschaft ist atemberaubend. Die Wildblumen blühen um die Wette. Diese Luft, diese Freiheit. Dieses Gefühl ist die beste Medizin für mich. Auf den Alpenpässen kann ich meine Seele auftanken.
Der 3. Pass den wir erkunden ist der Nufenen. Jeder Pass hat seine Schönheit. Das Gestein ist von der Farbe und der Zusammensetzung anders. Die Blumen können sich durch Sorten unterscheiden. Auch das Gehölz ist nicht auf jedem Pass gleich. Damit ich mich noch lange an diesen Ausflug erinnern kann, pflückt mir mein Mann noch zwei, drei Alpenrosen.
20. Es ist so ein herrlicher Sommerabend. Ich höre die Grillen zirpen und die Vögel pfeifen. Der Lindenblütenbaum vom Nachbar verströmt einen betörenden Duft. Das weckt Erinnerungen an Früher.
Es ist ein heisser Sommertag und wir Kinder müssen beim Heuen helfen. Zwischendurch plagt uns der Durst. Wenn ihr meint, wir können einfach eine Cola- oder Oranginaflasche öffnen, da irrt ihr euch. Pläterliwasser gabs damals bei uns noch nicht. Wir dürfen hingegen vom gekühlten, herrlich schmeckenden Lindenblütentee trinken, so viel wir mögen. Der Tee schmeckt so gut.
Unser Vater holt jeweils Lindenblütenäste vom Wald und wir pflücken die Blüten davon. Diese werden ausgelegt und getrocknet. Später wird der Vorrat in Leinensäcke abgefühlt und auf den Estrich gehängt.
Meine Mutter gibt beim Teekochen jeweils noch Zitronenschale dazu und süsst mit Brustzucker (Kandiszucker). Schnell sind flicke Hände da und versuchen ein kleines Stückchen Brustzucker zu erhaschen, um es schnell in den Mund zu befördern.
Am Abend rennen wir auf dem kurzgeschnittenen Land herum oder spielen darauf Ball. Wir müssen das ausnützen. Sobald das Gras wieder ein bisschen höher ist, dürfen wir es nicht mehr betreten. Mein Vater bemerkt sehr schnell, wenn jemand im hohen Gras umägleitscht (herumgelaufen) ist. Wir sind dann jeweils froh, wenn keines der Geschwister den anderen verrätscht (verrät).
So, nun geniesse ich noch ein wenig den Abend.
21. Heute Nachmittag bin ich zu Besuch bei meinen Eltern. Es ist so gemütlich unter dem Nussbaum zu sitzen der uns gleichzeitig noch Schatten spendet. Da schmeckt das Kaffee und der frisch gebackene Kuchen doppelt so gut. Da ertönt das Telefon in der Küche. Meine Mutter und mein Vater hören nicht mehr so gut. Also sag ich, das Telefon läutet. Meine Mutter springt auf und läuft so schnell sie eben noch kann, die Treppen hinauf. Oben angelangt muss sie feststellen, dass der Anrufer schon aufgelegt hat. Also rechts umkehrt und wieder hinunter. Kurze Zeit später sage ich wieder, das Telefon schellt. Meine Mutter springt wieder auf und mein Vater und ich feuern sie an. Aber leider wieder nicht geschafft. So wiederholt sich dies sicher vier, fünfmal. Bei einem Anrufer hat sie’s dann doch geschafft. Es ist ein Verwandter, der ihr zum Geburtstag gratuliert. Meine Mutter ist heute nämlich 81 Jahre geworden. Ich muss sagen, meine Eltern sind eigentlich noch recht fit. Nur mit den neumodischen, schnurlosen Telefonen und Handys haben sie ihre liebe Müh.
Langsam trudeln immer mehr Gratulanten ein. Es wird immer geselliger. Es kommen wieder Geschichten von Früher auf den Tisch. Warum eine Narbe den Oberschenkel einer meiner Schwestern ziert, erzähl ich euch ein andermal. Ich würde gerne noch länger bleiben, aber ein Gewitter ist im Anmarsch.
Uf, hab’s gerade noch nach Hause geschafft. Nun entladen sich die Wolken. Blitze schiessen vom Himmel und der Donner grollt durch die Luft. Langsam wird es kühler. Jetzt kann mal wieder richtig durchgelüftet werden.
22. Bin soeben von meiner Reise in Canada zurück. Die Gegend dort ist traumhaft. Es hat Berge wie bei uns. Manche haben Schnee oder Gletscher auf dem Kamm. Viele Seen und Flüsse prägen die Landschaft. Die Nadelbäume tragen ein sattes Grün. Manchmal entdecke ich ein Hirschkalb im Unterholz oder einen Bären, der nach Beute sucht. Die flinken Erdhörnchen sind sehr zutraulich. Grosse Rapsfelder verleihen der Landschaft einen gelben Tatsch und auf den grossen Farmen leben viele Kühe. Es ist einfach alles viel grösser als bei uns.
Nur schade, aber jede Reise geht einmal zu Ende. Meine Schwester schliesst das Fotoalbum von Canada und ich kehre nach zwei Stunden in die Realität zurück. Die schönen Bilder bleiben aber in meinem Gedächtnis.
23. Leise ziehen feine Regentropfen Muster auf meine Fensterscheiben. Der Regen sieht so, klar und sauber aus. Er fällt so unschuldig vom Himmel, als könnte er kein Wässerchen trüben. Er kann auch anders. Gestern hat er sich an einigen Orten so richtig ausgetoppt. Er hat seine Tropfen in Eis verwandelt und liess Hagelkörner regnen. Er verwandelte kleine, unschuldige Bächlein zu reissenden, schmutzigen Strömen.
Unsere Gemeinde wurde diesmal verschont. Es war auch schon ganz anders. Ich kann mich gut an die drei grossen Unwetter erinnern, die meine Gemeinde und den Kanton heimsuchten. Eines war für meine Familie besonders schlimm. Die Reuss (Fluss) trat über die Ufer. Überflutete grosse Teile von Wohnquartieren und Landwirtschaftsbetriebe. Ich hatte grosse Angst um meine Eltern, Brüder und Schwester. Das Wasser kam so schnell. Mein Vater und mein Bruder konnten die Kühe noch schnell aus dem Stall treiben, bevor sie sich in letzter Minute in die oberen Stockwerke in Sicherheit bringen konnten. Das alles in der Nacht bei Stromausfall. Zum Glück konnten später alle Personen mit Booten gerettet werden. Leider mussten aber viele Tiere ihr Leben lassen. Die Aufräumarbeiten haben etliche Zeit in Anspruch genommen. Aber die Solidarität war grossartig. Solche Erlebnisse wird man wohl nie vergessen. Ich werde trotz meiner Liebe zur Natur auch nie vergessen, wie unberechenbar und brutal sie sein kann.
Momentan zeigt sich die Natur von ihrer sanften Seite.
26. Am Samstag klingelt der Wecker schon um 6 Uhr. Heute haben wir eine lange Autofahrt vor uns. Wir fahren ins Wallis. Nach 3 Stunden erreichen wir Champéry. Dort findet ein Mountainbike-Weltcup statt. Die Downhill-Strecke gilt als steilste im ganzen Weltcup. Das will sich mein Junior natürlich nicht entgehen lassen. Also spielen wir Taxi.
Während der Wettkampf stattfindet, machen Piet und ich eine Rundreise mit Abstecher nach Frankreich. Wir fahren an vielen Weinbergen vorbei. Kleine Dörfer fallen durch eine vielfältige Blumenpracht auf. Und die Holzhäuser strahlen Wärme und Gemütlichkeit aus. Die Wolken haben sich für einen Moment gelichtet und geben die Sicht auf den Mont Blanc frei. Zum Schluss, wieder im Wallis angekommen, lockt uns ein Strassenverkäufer mit Walliser Aprikosen. Dazu muss ich euch schnell eine Geschichte erzählen. Ich kann es amigs (manchmal) kaum erwarten, bis es im Sommer die ersten Aprikosen gibt. Als wir anfangs dieses Jahres über einen Pass fuhren, rief ich Piet voller Aufregung zu: Halt an, Aprikosen. Piet schaut mich an und fährt einfach weiter. Ich frage ihn: Warum hast du nicht beim Strassenverkäufer angehalten. Er schaut mich ungläubig an und sagt zu mir: Es ist noch zu früh für Aprikosen. Auf der Tafel stand, Alpenrosen zu verkaufen. Schäm, aber das schreibt sich schliesslich fast gleich.
Diesmal sind es aber tatsächlich Aprikosen. Die Walliser sind einfach die Besten.
Später geht’s mit dem Junior im Gepäck wieder nach Hause.
28. Damit ich weiterhin meine Hilfsmittel benutzen kann, müssen einige von Zeit zu Zeit an meine fortschreitende Behinderung angepasst werden. Ich kann meinen Treppenlift kaum mehr selber bedienen. Ich stelle mir vor, den Lift mit einer Infrarotbedienung, welche ich auf dem Rollstuhl mitführe, zu bedienen. Leider ist der Lifthersteller noch nicht so weit, um mir dies anbieten zu können. Sie haben mir aber versichert, dass sie an der Herstellung eines Prototyps arbeiten und ich diesen eventuell in einigen Monaten testen dürfte. Die Sicherheitsvorschriften für so einen Treppenlift sind schon enorm. Ist sicher berechtigt. Besonders bei solchen Künstlern wie ich. Wie ihr jetzt wisst, komme ich beim Treppenlift nicht mehr richtig an die Fahrtasten. Da ich aber nicht so schnell klein beigebe, habe ich mir kürzlich etwas überlegt. Ich fahre also im Keller auf den Treppenlift. Danach fahre ich den Rollstuhllift (befindet sich im Rollstuhl) in die Höhe, bis ich von oben die Treppenlifttaster bedienen kann. Ich denke mir noch, warum ist mir diese Idee nicht schon früher in den Sinn gekommen. Voller Freude fahre ich die Treppen hinauf. Plötzlich bemerke ich, wie mich etwas nach hinten zieht. Ich höre wie Nägel aus dem Holz gezogen werden und Staub auf meinen Kopf rieselt. Kurz bevor ich mit dem Rollstuhl ein Wheelie auf dem Treppenlift vorführe, kommt mir in den Sinn, ich könnte eigentlich den Lift stoppen. Gedacht, getan. Was war geschehen: Wegen dem hochgefahrenen Lift, hat meine Kopfstütze oben an der Decke an einem Paneel (Brett) eingehängt und diese losgerissen.
Nachdem sich mein mulmiges Gefühl verflüchtigt hatte, setzte ich meine Fahrt mit der lädierten Kopfstütze fort. Ihr seht, so gehen meinem Mann die Reparaturarbeiten nie aus. Ich hoffe nun auf die neue Infrarotbedienung.
Der Closomat wurde am Montag ebenfalls mit einer Infrarotbedienung ausgestattet. Jetzt bin ich wieder Herr und Meister auf meinem Örtchen.
Ich hoffe nun, die IV sieht diese Anpassungen ebenfalls als eine Notwendigkeit an und beteiligt sich an den Kosten. Mit solchen Anpassungen wird mir ein wenig Selbständigkeit zurückgegeben.
31. Hei, ist das schön wieder mal durch die Sonne geweckt zu werden. Sie hat mir mitten in mein Gesicht geschienen und meine Hamsterbacken haben sich so warm angefühlt. Der Himmel ist stahlblau. Ein krasser Gegensatz zu den letzten Tagen.
Ich freue mich so, endlich wieder nach Draussen rollen zu können. Am Nachmittag wird der Rasen gemäht und der Pflaumenbaum muss von seinen vielen Früchten befreit werden. Zwischendurch bekomme ich meine heissgeliebte Grillwurst. Später wird noch die Urner Fahne an die Fassade gehängt und in der Umgebung flattern viele Schweizerfähndli. So, nun sind wir bereit für den morgigen Nationalfeiertag.
AUGUST
1. Was reisst mich denn so abrupt aus dem Schlaf. Draussen knattern Schüsse, als wäre da ein Maschinengewehr am Werk. Mir wird zum Glück schnell klar, dass diese Geräusche von Frauenfürzen (Knallkörpern) stammen, welche von den Nachbarskindern gezündet werden. Heute ist der Schweizer Nationalfeiertag. Es werden Raketen gegen den Himmel gestartet und Zuckerstöcke angezündet. In vielen Kantonen finden Brauchtumsmärkte statt. Reden werden zum Besten gegeben und die Musik spielt auf. Ich bin so glücklich in diesem Land leben zu können. Wie in vielen vergangenen Jahren, verabschiedet sich der 1. August mit Regen. Schön ist, dass einige Höhenfeuer dem Regen trotzen und einen hellen, warmen Schein ins Tal schicken.
6. Seit Montag kann ich am Morgen so lange Schlafen wie ich will. Ich werde weder von der Spitex geweckt, noch habe ich diese Woche Therapien. Diese Woche betreut mich mein Mann. Ich geniesse es, mit ihm zusammen das Morgenessen einzunehmen. Das sind für mich Ferien. Wir haben diese Woche auch schon einiges zusammen unternommen. So waren wir zum Beispiel wieder im Tessin. Wir mussten mal dem Regen entrinnen und Sonne tanken.
Nun lässt der Regen auch bei uns nach und es trocknet langsam ab. Darum hat mein Mann die Gelegenheit ergriffen, um mit der Harley eine Abendrundfahrt zu unternehmen. Und ich habe Zeit, ein paar Zeilen ins Tagebuch zu schreibe.
10. Ja ich weiss, ich vernachlässige meine Tagebuch-Einträge. Ich halte mich momentan viel im Freien auf und geniesse die Sonne. Ich liebe den Duft des Sommers. Auf meinen Ausflügen durch die Schweiz entdecke ich die Vielfalt der Gegenden. So konnte ich am Sonntag abertausende Rebstöcke im Wallis bewundern. Weiter unten gab es dann viele Apfel-, Birnen-, Zwetschgen- und natürlich Aprikosenbäume. In einer Gemeinde fand gerade das Aprikosenfest statt. Viele Trachtenleute säumten unseren Weg. Wer wurde wohl die Aprikosenkönigin? Hätte ich mit meinen runden, roten Backen etwa auch Chancen gehabt?
Am Montag besuchte ich den Goldauer-Tierpark. Die meisten Wege sind jetzt E-Rollstuhl tauglich. Vorbildlich sind die Behinderten-WCs, welche auf der Route anzutreffen sind. Es ist schön, den Tieren so nah sein zu können.
Den Abend wollte ich dann friedlich zu Hause im Freien ausklingen lassen. Denkste! Auf einmal wurde ich von etwas an der Wade gestochen. Leider kann ich mich gegen so was nicht zur Wehr setzen. Ich muss zusehen, wie ich gestochen werde und kann nur hoffen, dass es bald vorüber ist. Auf einmal surrt es unter meinen kurzen Hosen. Da hat sich wohl jemand verirrt und sticht voller Panik mehrmals zu. Aua! Das beisst jetzt aber gewaltig. Ich muss kratzen und kann nicht. Ich muss ins Haus. Piet muss etliche Stiche mit Essigsaure Tonerde bestreichen. Das beruhigt ein wenig. Die vielen Stiche sehe ich heute noch. Ich bin ja ein Tierfreund, aber wenn ich gekonnt hätte, wären diese jetzt tot.
11. Ich kann es kaum fassen, was diese Woche in den Urner Medien gebracht wurde. Mein wunderschöner Sommerflieder steht auf der schwarzen Liste. Ich wusste nicht mal, dass er keine Einheimische Pflanze ist. Man sieht ihn tatsächlich mittlerweile überall wachsen. Das man ihn bekämpfen muss, damit die einheimischen Pflanzen nicht verdrängt werden, kann ich ja nachvollziehen. Aber, muss es ausgerechnet diese Pflanze treffen. Wo werden meine wunderschönen Schmetterlinge hinfliegen? Gerade noch diese Woche konnte ich zum ersten Mal einen C- Falter am Flieder beobachten. Da glaubt man, etwas Gutes für die Flora und Fauna zu tun. Der Natur gerecht zu werden ist gar nicht so einfach. Was soll ich jetzt tun? In ausreissen und vernichten?
16. So, nun sind unsere Ferien auch schon wieder vorbei. Ich hätte mir ein wenig mehr Sonne gewünscht. Trotzdem haben Piet und ich einiges zusammen unternommen. Unser letzter Ausflug führte uns nach Colmar (F). Dort besuchten wir das romantische Altstädtchen mit den farbigen Riegelhäusern. Natürlich haben wir dort auch einen traditionellen Gugelhupf gekauft. Der Teig ähnelt dem Zopf Teig. Das Mittagessen nahmen wir in einer Strassenbeiz ein. Wir suchen uns bei solchen Gelegenheiten immer ein landestypisches Menü aus. Da wir nur ein paar Brocken Französisch verstehen, sind wir froh um die Deutschen Menüangaben. Frisch gestärkt machen wir uns dann über die Weinstrasse auf den Heimweg.
Die Bilder findet ihr im Fotoalbum unter Colmar.
17. Einige von uns fragen sich, warum wir Spenden sollten. Wir haben vielleicht bedenken, ob das Geld wirklich die Ärmsten erreicht oder ob es irgendwo anders versiegt. Trotzdem sollten wir helfen. Denn sollte auch nur ein Teil am richtigen Ort ankommen, dann ist es vielleicht gerade mein/dein Beitrag, der einem Betroffenen das Leben rettet und ihm Hoffnung für die Zukunft bringt. Lassen wir sie also nicht im Stich.
18. Eigentlich ist es reine Glückssache, in welches Land man hinein geboren wird. Wer würde nicht gerne in einem Land aufwachsen wo „Milch und Honig“ fliesst. In dem ich keine Angst vor Krieg und Verfolgung haben muss. Wo ich mit 10 Jahren noch Ball spielen darf und mir keine Waffe in die Hand gedrückt wird. Da wo anders Gläubige miteinander reden können, ohne sich gleich die Köpfe einzuschlagen. Wo Nahrungsmittel an den Bäumen hängen und nicht durch die Sonne ausgetrocknet werden. Da wo alle Menschen die gleichen Rechte haben, und niemand unterdrückt wird. Wo Frauen selbstbestimmt leben können. In einem Land, indem ich als Mädchen den gleichen Stellenwert habe wie ein Junge und nicht ausgesetzt werde. Wo ich als „Behinderter“ in die Gesellschaft integriert bin und nicht versteckt werde. Als Baby habe ich keine Möglichkeit mitzubestimmen.
Manchmal müssen wir einfach mehr Verständnis und Geduld für andere aufbringen. Wer weiss schon wodurch ein Mensch in seiner Kindheit geprägt wurde.
Irgendwann, so hoffe ich, wird unsere Erde für uns alle ein Paradies sein. Ich bin schon im Paradies.
21. So, habe ich nun alle mit meinen Strahlen erreicht? Die Bauern sind ä mau (einmal) wieder wacker am Silieren. Es riecht wieder herrlich. Was mich aber ein wenig stört, sind die weissen Ballen, die immer mehr auf dem Land zu sehen sind. Sicher sind sie praktisch, aber müssen diese weiss sein. Wenn sie Grün wären, würden sie sich womöglich zu sehr aufheizen? Muss mal meinen Bruder fragen. Wisst ihr, den mit den Händen in den Hosensäcken. Ich darf ihn schon föppälä (aufziehen), schliesslich hatte er Glück im Stall. Ich konnte nicht widerstehen und bin mit dem Rollstuhl in den Stall gefahren, um die Kälbchen zu bestaunen. Die schwarzen-weissen Zwillinge sehen so lieblich aus. Schade nur, dass es Munelis sind und ihre Lebensdauer dadurch verkürzt ist. Wenigstens können sie ihr kurzes Leben tiergerecht geniessen.
Wisst ihr, was ich an diesem Tag mit nach Hause genommen habe? Natürlich einen Spritzer des Bauernhof-Parfums. Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Und ich weiss ja nicht, ob uns die Kühe immer riechen mögen.
25. Diese Woche hat ja gut angefangen. Normalerweise werde ich montags von der Spitex geduscht. Doch dieses Mal hat uns ein Mann aus dem Konzept gebracht. Florian kommt aus Hessen, Deutschland und macht das obligatorische Auslandpraktikum bei der Spitex Uri. Einen Monat lang begleitet er die SpitexmitarbeiterInnen auf ihren Touren. Diese Woche ist er auf meiner Runde. Zum Glück habe ich wenige Berührungsängste. Es ist nämlich schon gewöhnungsbedürftig, sich bei Anwesenheit eines Mannes waschen zu lassen. Aber irgendwie muss sich ein angehender Pfleger das Wissen ja aneignen können. Mit seiner humorvollen Art sorgt Florian für eine entspannte Stimmung. Er erzählt lustige Anekdoten, die ihm in der Schweiz widerfahren sind. Darum haben wir wahrscheinlich auch das Duschen vergessen und nur eine Katzenwäsche am Bettrand absolviert.
Diese Woche wird sicher noch viel gelacht.
Die Sonne hat sich auch wieder angemeldet. Ich werde wieder einige Touren unter die Räder nehmen. Damit ich mich auf meinen Ausfahrten auch sicher fühle, hat mir Piet meine Slicks gegen Stollenpneus ausgetauscht.
Da ich mich immer wieder beklage, dass mein Rolli mit seinen 12 km/h zu langsam ist, hat mir mein Mann mit der Airbrushpistole Flames auf die Schutzbleche gespritzt. Nun fühle ich mich ein Müh schneller.
26. Das war wieder Mal ein richtig schöner Sommertag. Ja, eure Vermutung ist richtig. Ich habe wieder mal eine Ausfahrt gemacht.
Ich mache mich nach dem Mittag auf den Weg nach Flüelen. Dafür benötigt mein Rolli ungefähr 30 Minuten. In Flüelen löse ich ein Billet für die Schifffahrt. Heute scheint mir das Billet gar ein wenig teuer zu sein. Ich mag aber nicht nachfragen. Denn womöglich versteht er meine verwaschene Stimme nicht und für mich wären Wiederholungen zu anstrengend. Ich bin froh, dass ich ihm klarmachen kann, wo sich mein Portemonnaie befindet und dass er das Geld selbst herausnehmen muss. Nun muss ich ihm nur noch klarmachen, wie er mir das Billet in meine Hand legen muss, damit ich es auch festhalten kann. Hat eigentlich ganz gut geklappt.
Heute fahre ich mit dem Dampfschiff Luzern. Ich suche mir einen geeigneten Platz auf dem Heck damit ich niemandem im Weg stehe. Ich geniesse das wundervolle Panorama. Die Berge scheinen heute besonders nah zu sein. Der Konduktor ist im Anmarsch. Ich öffne meine Hand damit er mein Billet nehmen kann. Logisch ist es mittlerweile zerknittert. Der Konduktor schaut ein bisschen komisch an und will mir das Billet wieder retour geben. Ich sage ihm ich bräuchte es nicht mehr und er solle es doch wegwerfen. Er schaut mich an und sagt, dies sei ein Retourbillet. Aha, darum war das Billet heute teurer. Ich sage ihm, dass mich der Mann am Schalter wahrscheinlich missverstanden habe, denn ich würde nicht mit dem Schiff retour fahren. Der Konduktor bucht mein Billet um und kommt mit dem Zuviel bezahlten Geldes retour. Nun muss ich ihm erklären wo mein Portemonnaie ist und er das Geld selbst in die Börse legen muss. So nun geniesse ich die weitere Fahrt ungestört. Nach ca. 45 Minuten legen wir in Brunnen an. Ich verlasse das Schiff und mache mich über die Axenstrasse auf den Heimweg. Auf meiner linken Seite donnert der Verkehr an mir vorbei. Ich weiss inzwischen, dass ich den Kopf leicht nach unten neigen muss, wenn sich ein Lastwagen nähert. So verhindere ich, dass mir der Sog nicht meinen Tschäpper (Mütze) vom Kopf reisst. Es gibt Motorengeräusche, die ich schon von weitem höre. Ich erfreue mich an jeder Harley die meinen Weg kreuzt. Insgeheim habe ich gehofft, die Harley Fahrer würden mir nun salutieren. Schliesslich habe ich jetzt auch Flames an meinem Stuhl. Ob die Flames zu klein sind?
Bei mir macht sich Durst bemerkbar. Ich überlege mir, ob ich es wohl schaffe, einer Serviertochter klarzumachen, was alles von Nöten ist, damit ich etwas trinken kann. Wer nichts wagt, der nichts gewinnt. Also steure ich die nächste Strassenbeiz mit dem verheissungsvollen Namen “Eden“ an.
Nun sitz ich hier unter einem Sonnenschirm, vor mir auf dem Tisch ein umgekehrter Sektkübel mit einem ICE Teeglas obendrauf und einem Trinkhalm. Hmm, der rote, selbstgemachte ICE Tee schmeckt herrlich. Da soll noch jemand sagen, ich hätte kein schönes Leben. So, nun muss ich der Serviertochter nur noch verklickern, wo das Portemonnaie ist und, und, und ihr wisst schon.
Weiter geht die Reise am Vierwaldstättersee entlang. Zum Teil kreuze ich den Weg der Schweiz oder kann die alte Axenstrasse befahren. Mir gefallen die alten Tunnels, welche zum Teil naturbelassen sind. Es gibt einige Aussichtsplattformen, auf denen ich den See überblicken kann und die Schönheit und die Ruhe der Natur in mich aufnehmen kann.
Eine Plattform ist gesperrt. Das Fernsehen hat sich dort eingerichtet, um das am Wochenende stattfindende Klippenspringen zu filmen. Es werden die 12 weltbesten Springer anwesend sein, die ihre Sprünge aus 26 Meter Höhe zum Besten geben.
Mit der Sonne im Gesicht fahre ich Richtung Flüelen. Plötzlich fängt mein linkes Auge zu brennen an. Also schliesse ich das Auge und fahre mit einem weiter. Das Auge brennt immer mehr und es laufen mir Tränen über die Backe. Ich glaube ich muss nächstens mal einen Pollen Test machen lassen. Nun fängt auch noch die Nase an zu laufen. Jetzt muss ich auf die Seite fahren, um dem Auge und der Nase Zeit für das Abklingen zu geben. Nach 10 Minuten ist der Spuck vorbei und ich kann weiterfahren.
Da ich meinem Bruder und meiner Schwägerin mitgeteilt habe, dass ich heute noch vorbeikomme, überlege ich welchen Weg ich einschlagen soll. Auf der Batterieanzeige sehe ich, dass ich mehr Strom verbraucht habe als üblich. Ich wähle somit einen Weg mit wenig Unebenheiten und wenig Steigung. Ich sehe einen Feldweg, der eine Abkürzung sein könnte. Also nichts wie los und Querfeldein ein. Leider endet der Weg in einer Sackgasse. Einen Versuch war es ja wert. Also, das ganze wieder Retour und auf dem gewohnten Weg weiter. Ich fahre nun auf einem Fussgänger/Fahrradweg neben einer vielbefahrenen Strasse her. Plötzlich versperrt mir ein Auto des Verkehrsdiensts, welche weiter vorne den Verkehr regeln, den Weg. Obwohl einer der Männer etwas aus dem Kofferraum holt und mich dort stehen sieht, wird das Auto nicht um parkiert. Der Mann brummt etwas vor sich hin und entfernt sich vom Auto. Leider kann ich nicht auf die Strasse ausweichen, weil es dort einen Absatz gibt und ich weiss nicht, ob sich unter dem hohen Gras eine Grube befindet. Nach einer Weile wird es mir zu blöde. Ich wende meinen Rolli und also alles wieder retour.
Jetzt muss ich eben trotzdem den Weg mit der Steigung nehmen. Mitten in der Steigung wird mein Rolli langsamer und stellt dann ab. Nur keine Panik. Ich muss nur ein paar Minuten warten, bis er sich selbst wieder ein wenig aufgeladen hat. Das genügt bis zur nächsten Abfahrt. Beim Hinunterfahren werden die Batterien wieder aufgeladen. So erreiche ich doch noch den Bauernhof, wo ich schon sehnsüchtig erwartet werde. Hei, ein Urner Kaffee tut jetzt besonders gut. Nun muss ich aber nach Hause. Mit ein paar Tricks schaffen meine Batterien auch noch die letzte Steigung. Nach 5 ½ Stunden trudele ich wieder zu Hause ein.
Das hört sich jetzt alles Spektakulär an. Ist es aber nicht. Das meiste kann ein Fussgänger ebenfalls erleben. Nur weil ich mehrere Handicaps habe, muss ich noch lange nicht hilflos sein. Ich geniesse es, allein unterwegs zu sein. Ich weiss mir schon zu helfen. Sollte mal was gar nicht gehen, benutze ich mein mitgeführtes Notfalltelefon. Also, habt keine Angst um mich. Ich liebe mein Leben und meine Unabhängigkeit.
27. Da es heute regnet und ich im Haus bleiben muss, erzähl ich euch doch ein wenig von dem Praktikanten aus Deutschland. Florian war die ganze Woche auf meiner Spitex-Runde eingeteilt. An den meisten Tagen durfte er der Pflegekraft nur zur Hand gehen. Er durfte Waschwasser zubereiten, durfte mein Bett herrichten und diverse kleinere Dinge verrichten. Nun konnte er 4 Tage beobachten, wie wir das machen. Heute kann er nun zeigen was er gelernt hat. Nach dem Duschen fordert ihn die Spitex-Mitarbeiterin auf, mich anzuziehen. War natürlich alles mit mir abgesprochen. Muss schon sagen, der Kerl hat es drauf. Mit einem Witz zieht er mir den BH an und macht mit den anderen Kleidungsstücken weiter. Mit seiner unkomplizierten Art und seinem Schalk sorgt er für eine lockere Atmosphäre. Das Mobilisieren vom Duschstuhl in den Rollstuhl beherrscht er ebenfalls ganz gut. Er hat nicht mal beim Joghurt eingeben gekleckert. Wir hatten diese Woche viel Spass miteinander. Wir haben uns aber auch Mühe gegeben Hochdeutsch zu sprechen. So gut es waschechte Urner eben können. Er musste uns natürlich auch einige Ürnerwörter nachsprechen. Zum Beispiel, Chuchichäschdli, Heiwballä und Fliegholterä. Er hat wacker gekontert. Wisst ihr zum Beispiel was ein Kneibchen ist? Nein, eine kleine Kneipe wäre zu einfach. Es ist ein Rüstmesser. Es gäbe noch einige lustige Episoden. So sind ihm zum Beispiel die vielen Zebrastreifen im Städtchen (Altdorf) aufgefallen, welche zum Teil an unmöglichen und unübersichtlichen Stellen sind. Bei uns ist eben alles ein wenig kleiner und näher beieinander. Dafür weiss jeder Junge was ein Sackmesser ist und in jeden Hosensack gehört. Mit dem kann man auch eine Raviolibüchse öffnen. Gell Florian.
Ich glaube, Florian wird ein guter Pfleger und wir sollten ihn den Deutschen abwerben.
28. Ui, ist das aber kalt geworden. Ist es etwa schon Herbst? Man könnte es fast meinen. Die Wolken berühren beinahe den Boden. Es regnet und stürmt. Der Wind reist verwelkte Blätter von den Bäumen und verteilt diese auf dem Rasen. Mir fällt auf, dass ich fast keine Vogelstimmen höre. Wo sind sie nur hin? Kann natürlich sein, dass sie sich ein warmes Plätzchen gesucht haben. Das mache ich jetzt auch und gönn mir einen Fernsehnachmittag.
SEPTEMBER
4. Gestern war wieder mal schönes Wetter. Also hiess es ab nach Draussen. Weil immer noch ein wenig die Biese (kühler Wind) ging, trug ich Langarm und darüber eine Weste. Wollte ja keinen Schnupfen auflesen. Ich wusste, dass heute bei meinem Bruder wieder Heuen und Silieren angesagt war. Da ich nicht genau wusste, wo er gemäht hatte, fuhr ich ihn suchen. Ich fuhr auf dem Reussdamm Richtung Howiesihansä (Übernamen von meinen Onkeln). Mein Bruder hat bei ihnen Land gepachtet. Dazu gehört ein grosses, stotziges Bort. Auf der rechten Seite meines Weges haben auch andere Bauern Liegets (geschnittenes Gras). Das angewelkte Grass riecht so gut. Nun sehe ich auch „meine“ Leute am Bord arbeiten. Um darauf stehen zu können, braucht es gutes Schuhwerk. Franz bläst an den steilsten Stellen das Heu mit Hilfe eines Gebläses nach unten. Luzia seine Frau, Hedy meine Schwester, Stefan mein Bruder und zwei Kolleginnen von Luzia befördern mit den Handrechen und mit Heugabeln das Heu auf eine befahrbare Höhe. Ich fahre mit dem Rollstuhl so weit nach oben, wie ich es riskieren kann. Will ja schliesslich keinen Salto machen. Eine Zeitlang schaue ich ihnen beim Heuen zu. Die Sonne scheint voll an den Hang und bringt alle zu schwitzen. Ich denke, eine Glace käme jetzt genau richtig. Wenn ich schon nicht mithelfen kann, so könnte ich sie vielleicht mit einer Glace unterstützen. Also mach ich mich auf zum nächsten Geschäft. Eigentlich müsste ich hinten am Rollstuhl eine Kühlbox montieren, dann wäre ich ein rollender Glace Verkäufer. Da ich auf dem Rückweg alles aus meinem Rolli heraushole, können die Heuer nun ein kaltes Eis essen. Nach ca. zweieinhalb Stunden wird das erste Heu geladen und nach Hause transportiert. Ich fahre ebenfalls los. Beim Bauernhof angelangt, sehe ich wie mein Vater (84) das Dossiergerät überwacht, welches das Heu ins Silo befördert. Meine Mutter bringt den Kaffee nach draussen und wir trinken gemütlich Kaffee zusammen. Bis das nächste Füeder (Heuladung) eintrifft, hat auch mein Vater Zeit für einen Schwatz. Eine Stunde später stossen dann auch die Heuer dazu. Unter dem Nussbaum wird ein feines Zabig eingenommen. Ich finde es sehr schön, dass mein Bruder und seine Frau dieses Beisammensein nach dem Heuen, so weiterführen, wie es früher bei unseren Eltern war. Das ist Heimat, das ist Familie.
7. Oje, war das eine kurze Nacht. Wie jeden Dienstag kommt die Spitex auch heute bereits um 7.00 Uhr und treibt mich aus dem Bett. Ich muss nämlich bereits um 8.30 Uhr bereit sein für mein 1-stündiges Kraft - und Ausdauertraining. Mit Krafttraining ist natürlich nicht Hanteln stemmen gemeint. Meine Physiotherapeutin bewegt alle meine Gelenke durch. Ich unterstütze sie mit meinen noch vorhandenen Muskeln. Bei der ALS ist es nicht möglich, Muskelmasse aufzubauen. Das Ziel ist, die Beweglichkeit möglichst lange zu erhalten. Wir sollten möglichst nicht an Gewicht verlieren, damit der Körper, z.b. bei einer Grippe, die Fettreserven angreift und nicht die Muskeln. Mein Gewicht stört mich manchmal schon. Für die ALS-Betroffenen, welche kaum mehr essen können und dadurch schnell an Gewicht verlieren, werden wegen diesem Satz sicher den Kopf schütteln und denken: Ihre Probleme möchte ich haben. Sorry, aber ich bin halt eine Frau.
Die Ausdauerübungen sind bei mir Atemübungen. Ich versuche durch kontrolliertes Ein – und Ausatmen meine Lungenkapazität zu erhalten. Ich mache diese Übungen noch nicht so lange. Als ich vor einer Woche bei meiner Halbjährlichen Verlaufskontrolle in der ALS-Klinik war und mich mein Neurologe nach den Atemübungen fragte, war er nicht gerade begeistert, dass ich keine mache. Wau, ist das ein langer Satz. Wie lange darf ein Satz nochmals sein? Jedenfalls habe ich eine sehr gewissenhafte und professionelle Therapeutin. Sie hat gleich heute mit den Atemübungen angefangen.
In der St.Galler ALS-Klinik wurde keine erwähnungswerte Verschlechterung der Krankheit ausgemacht. Mein Atemvolumen entspricht ca. 50% des Volumens, welches eine gesunde Frau in meinem Alter hat.
Einmal im Monat gönne ich mir nach der Physio noch eine Stunde Fussreflexzonenmassage (Wau, 22 Buchstaben). Das tut mir so gut. Ich kann mich dabei völlig entspannen. Ich könnte dabei gleich einschlafen.
Mir wird immer mehr bewusst, wie viele gute Geister für mein Wohl sorgen.
9. Ein Babyweinen reisst mich aus dem Schlaf. Zuerst weiss ich gar nicht was los ist. Ja natürlich, meine Schwägerin Luzia, hat mir mitgeteilt, dass sie ihr Gottimeiteli heute zum Bügeln mitnimmt. Kurze Zeit später kommt sie mich mit der kleinen im Zimmer besuchen. Zwei liebliche, blaue Augen schauen mich neugierig an. Das Apfelstuck in seinen Händchen wird zur Nebensache. Sie sind einfach süss die Kleinen.
Ich lese jeden Morgen die Zeitungen im Internet. Plötzlich höre ich lautes, anhaltendes Vogelgeschrei von Draussen. Ich schaue aus dem Fenster. Da sehe ich, wie sich vier, fünf Krähen auf dem Nussbaum streiten. So laut habe ich diese noch nie gehört. Erst als sich eine der Krähen aus dem Staub macht, geben sie endlich Ruhe. Wie kann man nur so Futter neidisch sein.
Nach dem Mittag setze ich mich wieder vor den PC. Um mich herum wuschelt meine Haushaltshilfe mit dem Staubsauger und dem Wischmobb.
Plötzlich höre ich viele Kuhglocken. Sie kommen immer näher. Nun sehe ich sie. Es sind ca. 25 Stück. Anscheinend kommen einige bereits von den Alpen retour. Jetzt verstehe ich auch das rege Treiben, das heute bei der Sennerei vor dem Käsekeller herrscht. Da werden von Viehanhängern Käse ausgeladen und in den Käsekeller verfrachtet. Andere, wahrscheinlich ältere Käse werden vom Keller in einen Lieferwagen gepackt. Ihr müsstet diese Laibe sehen. Und schon wieder wird eine Ladung Käse geliefert. Ich glaube, ich gehe heute in die Sennerei und hole mir ein Stück Alpkäse. Ich liebe Schweizer Käse in allen Variationen.
Jetzt muss ich aufhören zu schreiben. Gleich kommt Jemand von der Firma Activ Communication um meinen Tobii (Kommunikation – Umfeld Kontrollgerät) zu aktualisieren.
19. Jetzt wäre ich beinahe vor dem Fernseher eingeschlafen. Einer meiner Freunde hat mich gerade noch durch sein Pfeifen wachgerüttelt. Habe nämlich gar keine Zeit zum Schlafen. Ich will doch mal wieder ins Tagebuch schreiben.
Heute kann ich nicht nach draussen. Mein Rolli war gestern so zickig, dass mein Mann zuerst nachschauen muss, was er hat. Beim Nachhauseweg hat er immer wieder abgestellt. Abwechslungsweise sprang die Batterieanzeige auf Volle Ladung und gleich darauf auf Nullladung. Dabei bin ich gar nicht weit gefahren. Vielleicht hat er nur einfach meine Aufregung gespürt.
Ich war wieder mal im Einkaufscenter-Tellpark. Als ich mich wieder auf dem Trottoir nach Hause fahren wollte, versperrten mir, wie so oft, Roller und Fahrräder die Zufahrt zum Trottoir. Ich liess mir wieder einen Zuständigen vom Center rufen. Und wieder war der Kommentar. Sie würden das Problem kennen, könnten aber nichts dagegen tun. Ich musste mich so zusammennehmen. Menschen, die so gleichgültig sind, können mich zur Weissglut bringen. (Warum sagt man dem eigentlich so?) Er machte mir Platz und ich bedankte mich mehr oder weniger freundlich. Am Abend habe ich dann folgendes E-Mail an die Tellparkverwaltung geschrieben.
Ich besuche sehr gerne den Tellpark. Leider kommt es immer wieder vor, dass auf dem Trottoir entlang des Gebäudes, Fahrräder abgestellt werden. Heute war auch die Zufahrt zum Trottoir mit Rollern zugestellt.
Weder ältere Personen noch Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer konnten den Schutz des Trottoirs in Anspruch nehmen.
Heute habe ich wieder den Abwart gerufen und er hat auch einige Hindernisse entfernt. Er meinte, sie würden immer wieder ein Augenmerk darauf halten. Man könne aber nicht den ganzen Tag jemanden dafür abstellen. Das verstehe ich. Etwas muss aber geschehen. Die Sicherheit der Fussgänger war sicher ein Bestandteil der Bauauflagen.
Meine Vorschläge
1. Schilder bei der "Trottoir Wand" anbringen. Text: Keine Velos anstellen.
2. Fläche Trottoir Zufahrt schraffieren. Text: Zugang freihalten.
3. Verlegung der Veloständer in Betracht ziehen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie dieses Problem angehen könnten.
Das Einzige was man falsch machen kann ist, wenn man nichts macht.
Ich weiss, ich bin manchmal auch eine Zicke. Aber wenn ich mich nicht wehre, passiert auch nichts.
Zum Glück könnte ich mich bei Mutters Kaffee wieder abregen. Für eine gelungene Unterhaltung sorgte mein Neffe Franc. Er versuchte mit einem Munäli (Bullenfresser) Torero zu spielen. Wir haben uns köstlich amüsiert. Da kann man sagen: So ein Alpenkalb.
Dann, auf dem Nachhauseweg hat eben mein Rolli angefangen zu streicken. Darum sitz ich nun hier und habe Zeit zum Schreiben.
17. Es ist Action vor unserem Haus. Es blinkt, rumpelt und rüttelt von draussen. Von meinem Bürofenster aus verfolge ich mit Interesse was da vor sich geht. Eine Baumaschine fräst die Oberfläche des Strassenbelages ab und befördert das Material mittels eines Förderbandes in den Kipper eines Lastwagens. Zwei weitere Maschinen nehmen mit einer rotierenden Bürste die Resten zusammen. Im Kleinformat wären sie das Schüfeli und Bäseli. Ein jüngerer Arbeiter (sicher ein Stift) wischt mit einem grossen Besen die Ränder sauber.
Ein oranger gekleideter Arbeiter regelt den Verkehr auf der vielbefahrenen Strasse. Meine Spitex wird ebenfalls kurz angehalten.
Die ganze Woche wurde schon an dieser Strasse gearbeitet. Ich habe mich natürlich gefreut, als ich sah, dass die Trottoirs bei den Strassenübergängen / Zebrastreifen abgesenkt werden. Bin gespannt auf das Endergebnis. Mein Mann hat auch mal mit diesen Maschinen gearbeitet. Er merkt jeweils schnell, wie gut gearbeitet wurde.
Ich muss schon sagen, die Gemeinde Attinghausen unternimmt mit dem Kanton zusammen, einiges, um Barrieren abzubauen und um die Sicherheit auf der Strasse zu verbessern.
18. Gestern hat mir meine Krankheit ALS mal wieder ihr unbarmherziges Gesicht gezeigt. Ich will mit diesem Eintrag niemand Beunruhigen. Da ich mir aber vorgenommen habe, die Krankheit ALS durch meine Homepage bekannter zu machen, gehört es eben auch dazu, aufzuzeigen mit welchen Symptomen diese Krankheit unseren Körper schwächt.
Gestern Abend gingen mein Mann und ich Einkaufen. Nach dem Bezahlen brachte Piet die Sachen zum Auto und ich fuhr voraus in das nächste Geschäft. Während ich so durch die Gänge fuhr und alles neugierig betrachtete, bekam ich plötzlich keine Luft mehr. Reflexartig bog ich um eine Ecke, damit niemand sehen konnte, wie ich verzweifelt versuche wieder Luft zu bekommen. Ich muss versuchen ruhig zu bleiben und nicht in Panik geraten. Ich weiss ja, irgendwie schaffe ich es immer.
Dieses Mal lässt die Luft länger auf sich warten. Bin ich froh, als ich die Hand von Piet auf meinen Schultern spüre. Er kann mir zwar nicht gross helfen, aber es beruhigt mich doch sehr. Nach mehrmaligen sachten Einatmungsversuchen lässt die Luftröhre langsam wieder Luft durch. Noch ein paarmal räuspern und es geht wieder.
Solche Situationen können entstehen, wenn Speisen oder Flüssigkeit in die Luftröhre gelangen. Oder wie bei mir, wenn ich mich am eigenen Speichel verschlucke. Gesunde Menschen können durch kräftiges Husten die Situation entschärfen. Uns ALS – Betroffenen fehlt aber diese Kraft.
Erschöpft, heiser und mit rotem Kopf gehen wir danach als erstes eins trinken.
Das gemeinsame „pöschdelä“ (Einkaufen) hat trotzdem Spass gemacht.
So, jetzt muss ich die Lottozahlen nachschauen. Vielleicht kann ich danach meinen Mann als privaten Pfleger anstellen. Das wäre so toll.
20. So, nun passiert wieder etwas auf der Strasse. Ein Lastwagen, der auch bei Tunnelreinigungen eingesetzt wird, wäscht nun die Strasse. Aus vielen Düsen spritzt das Wasser mit Hochdruck auf die aufgeraute Strasse. Ein Wassernebel steigt auf. Da bleibt nichts trocken. Eine schneeweiss gekleidete Fussgängerin stellt sich schnell in eine Einfahrt, damit sie nicht durchnässt wird und nicht wie ein begossener Pudel dasteht.
Ich habe heute, trotz schönem Wetter, Zeit alles zu beobachten. Mein Rolli ist noch nicht ok. Heute Mittag wurden zwar die neuen Batterien angeliefert. Piet kann diese aber erst nach der Arbeit einbauen. Ich hoffe sehr, dass es an den Batterien (Zellschluss) liegt und mein Rolli Morgen wieder einsatzbereit ist. Diese Woche soll es ja einige schöne Herbsttage geben.
Die Blätter an den Bäumen und Sträuchern verfärben sich allmählich. Die verschiedenen Gelb-, Orange-, Braun- und Rottöne setzen wunderschöne Farbtupfer in die Landschaft. Man sollte die Bäume und Sträucher nicht zu früh zurückschneiden. In ihnen steckt noch einiges an Nahrung für unsere Tiere.
Die Tannenhäher sind fleissig dabei, sich für den Winter zu rüsten. Sie sammeln verschiedene Nüsse und Samen und verstecken diese in der Kummetböschung (Dorf Bach). Sie müssen nur achtgeben, dass ihr Wintervorrat nicht von Mäusen und anderen Räubern geplündert wird.
Es fliegen auch immer noch fleissig Schmetterlinge umher. Viele der weissen Schmetterlinge sieht man zu zweit. Es kommt mir so vor, als würden sie einander umwerben. Oder ist da etwa schon mehr gelaufen? Einige Schmetterlinge bleiben im Winter hier. Zum Beispiel der Zitronenfalter und das Tagpfauenauge. Sie verstecken sich in hohlen Bäumen oder in Tierbauten und verharren dort regungslos. Die meisten Schmetterlinge überwintern aber als Raupe, Puppe oder ungeschlüpft im Ei. Andere wiederum fliegen in wärmere Gebiete.
Nun riecht es plötzlich nach Teer. Sehen kann ich allerdings nichts. Jetzt kommt mir aber etwas von Früher in den Sinn.
Der Bauernhof, in dem ich aufgewachsen bin, liegt an einer Strasse, die zu einem Steinbruch führt. Die schweren, mit Kiess und Steinbrocken gefüllten Lastwagen rissen immer wieder Löcher in die Strasse. Diese wurden von Zeit zu Zeit mit Asphalt / Teer ausgegossen. An heissen Tagen hat die Sonne den Teer so erwärmt, dass sich Blasen bildeten. Wir Kinder machten uns einen Spass daraus mit bluten Füssen / Zehen diese Blasen zu zerdrücken. Unsere Füsse haben ausgesehen. Jeder weiss, wie schwer Teer wieder zu entfernen ist. Und das ohne Badewanne und ohne Dusche. Dafür gab es den Chupferplätz (Kupferlappen). Spass hat es trotzdem jedes Mal gemacht.
Ein oranges Männchen /Arbeiter ist wieder aufgetaucht. Mit einem grossen Besen wischt er das Trottoir und verschwindet auch gleich wieder aus meinem Blickfeld. Irgendetwas geht schon, nur eben weiter unten und das kann ich nicht sehn. Werde euch auf dem Laufenden halten.
23. So, jetzt bekommt die Strasse ihre Füllung. Das heisst, es wird eingebaut. Ein Lastwagen mit Asphalt beladen eine Einbaumaschine, eine kleine und eine grosse Walze, eine Handwalze und ein Bagger sind im Einsatz. Sechs Arbeiter sind mit Garette (Schubkarre), Schaufeln und Krücken im Einsatz. Sie sorgen dafür, dass ein sauberer Übergang zwischen den Schachtdeckeln und der Strasse entsteht. Welche Temperaturen wohl so ein Asphalt hat?
Am Mittag amüsiere ich mich köstlich ab der Verkehrsregelung. Einige Autofahrer müssen zuerst überlegen, welchen Weg sie nehmen können, um das Mittagessen zu Hause einnehmen zu können.
Das gleiche Spiel wiederholt sich nach dem Mittag wieder. Nur dieses Mal in umgekehrter Reihenfolge. Die Autos werden angehalten und zum Teil umgeleitet. Auch mein Sohn wird auf einen anderen Weg geschickt. Nun sehe ich, wie ein Roller mit zwei Personen besetzt auf die Kreuzung zurast. Sie werden ebenfalls gestoppt. Ich höre, wie die Beiden rufen: Wir müssen doch zur Arbeit.
Sie werden durchgewunken mit dem Hinweis auf dem Trottoir zu fahren. Kurze Zeit später sehe ich, wie mein Sohn wieder die Kreuzung passiert. Nur eben in umgekehrter Richtung. Wir sind ja eine kleine Gemeinde. Das nur wegen einer Strasse, ein solches Verkehrschaos entsteht, ist unglaublich. Jetzt sehe ich einen Automobilisten, der angehalten wird. Der regt sich aber gehörig auf. Er wirft die Arme in die Höhe und sein Fluchen höre ich bis zu mir.
Nun kann ich nicht mehr länger zuschauen. Meine Schwester Hedy kommt mit dem Velo angebraust und wir unternehmen zusammen eine Ausfahrt.
Morgen werde ich dann die neue Strasse Probe fahren.
25. Ich konnte auf der frischgestrichenen Strasse noch kein Rennen veranstalten. Gestern fegte wieder mal der älteste Urner durch unser Tal. Er rüttelte an Bäumen und Sträuchern und riss die bunten, welken Blätter herunter. Einige Blätter machten sich einen Spass daraus. Sie liessen sich durch den Föhn in die Höhe wirbeln, um danach kreiselnd Richtung Boden zu schweben. Ihr kichern hätte ich gerne mitangehört.
Am Abend ist dann der Föhn zusammengebrochen und überliess das Feld heftigem Regen. In den Bergen ist über Nacht Schnee gefallen und es ist deutlich kühler geworden. Da bleibe ich doch lieber in der beheizten Stube, trinke Kaffee und warte auf die nächsten schönen Herbsttage.
OKTOBER
1. Hallo, bin wieder da. Bin nur schnell den bunten Herbst suchen gegangen.
Sobald ich meinen Posteingang bearbeitet habe, werde ich von meiner Reise berichten.
So, jetzt habe ich Zeit.
Am Montag sind mein Mann und ich zu unseren Herbstferien aufgebrochen. Unsere Reise führte uns an den Gardasee. Dort gönnten wir uns ein etwas luxuriöseres Hotel.
Wenn man mit dem Rollstuhl unterwegs ist, benötigt man dementsprechend grössere Zimmer. Die Zimmerpreise sind deshalb leider auch höher. Aber man könnt sich ja sonst nichts.
Der Ausflug nach Sirmione war sehr eindrucksvoll. Dort kann man die Überreste eines imposanten Römervilla bewundern. Ebenfalls besuchten wir auch wieder das Altstädtchen Bardolino. Es gibt noch viele heimelige Örtchen am Gardasee.
Das Frühstücksbuffet im Hotel war fantastisch. In einem Sektkübel stand sogar Prosecco. Ich habe diesmal darauf verzichtet. Wollte schliesslich nicht wieder alle Blicke auf mich ziehen wie beim Abendessen. Manche haben es nämlich eigenartig gefunden, als ich den Apero-Prosecco mit dem Cannucca (Trinkhalm) in den Mund befördert habe.
Der Nachhauseweg führte uns über Meran in den Vintschgau, wo gerade die Apfelernte im Gang war. Man kann nur noch staunen, ab den riesigen Apfelplantagen.
Danach ging es über die beiden, zum Teil schneebedeckten Ofenpass und Flüelapass nach Hause. Das war so schön.
6. Heute ist der Bandleader der Schweizer-Rockgruppe Gotthard durch einen Unfall ums Leben gekommen. Es macht mich traurig, nie mehr ein Konzert mit ihm erleben zu dürfen. Seit Jahren zählt Gotthard zu meinen Lieblings-Band.
10. Diese Woche konnte ich endlich die „neue“ Strasse testen. Ich muss dem Kanton ein Kränzchen winden. Die Trottoirs sind nun super rollstuhltauglich. Ebenfalls wurde, veranlasst durch die Alptransit, die Trottoir Auffahrt bei der Neatbaustelle so abgeändert, dass sie nun auch rollstuhltauglich ist. Manchmal muss man sich einfach Gehör verschaffen, auch wenn es mühsam ist. Ich werde mich weiter für den Abbau von unnötigen Barrieren einsetzen.
Bei meinen Ausfahrten merke ich, dass es langsam kälter wird. Solange die Sonne scheint, ist es immer noch angenehm warm. Sobald ich aber im Schatten fahre, fängt meine Nase bereits zu laufen an. Handschuhe zieren bereits meine Hände und dicke Kniesocken wärmen meine Waderln. Meine Mutter strickt mir jeweils diese himmlisch warmen Socken.
Es ist so heimelig, in dieser Jahreszeit durch Waldwege zu fahren. Unter den Rädern knistern die heruntergefallenen, trockenen Blätter. Die farbigen Blätter an den Bäumen über mir, hüllen mich mit Wärme und Geborgenheit ein. Ab und zu flattern Schmetterlinge an mir vorbei und Bienen oder Wespen sammeln noch den letzten Nektar von den Herbstpflanzen. Manchmal entdecke ich Pilze am Wegesrand. Ob diese allerdings geniessbar sind? Ich kenne mich da nicht aus.
Die Bauern sind momentan mit dem letzten Grasschnitt beschäftigt. Die Bäuerinnen ernten nebenher das letzte Gemüse und bringen die Geranien ins Winterquartier. Man muss jetzt jeden Tag damit rechnen, dass das Wetter umschlägt. Das heisst für mich, jedes schöne Wetter zum Ausfahren nutzen. Und sollten die Wolken mal wieder bis zum Boden reichen, dann trinke ich doch einen oder auch zwei Mandarienenlikör mit Rimuss. Der hat schon Gestern meine Schwester Bernadette und mich gewärmt.
Hier noch ein wärmendes Herbstbild. (Herbstbaum)
11. Es ist Sonntagnachmittag. Piet ist mit der Harley unterwegs und ich sitze nun, nachdem ich ausgedehnt g‘sünnelät habe, vor dem PC. Seit einigen Tagen läuft es mit meinem Homepagetool nicht so rund. Kann meine Fotos nicht mehr bearbeiten. Die Leute beim Support kommen irgendwie auch nicht vom Fleck. Auf deren Empfehlung vom Browser Firefox auf den Explorer zu wechseln, setze ich in die Tat um. Es funktioniert trotzdem noch nicht. Da es mir mit dem Support zu langsam geht, versuche ich selbst etwas aus. Brav durchforste ich das Internetz, lese Beiträge, die mir weiterhelfen könnten. Mein Junior hat mir nämlich mal geraten, ich soll bei Problemen zuerst selbst nach Lösungen suchen. Mach ich ja bald eine Woche! Der Support rät mir zu kontrollieren, ob die aktuelle Explorer-Version installiert ist. Wo schaue ich das schon wieder nach? Gefunden, ich habe die 8. Aber ist das die neuste Version? Also wieder Googeln und tatsächlich stosse ich auf die 9. Version. Was das Beta daneben bedeutet weiss ich Internetbanause natürlich nicht. Ich lade diese trotzdem. Und jetzt, funktioniert mein Tool noch schlechter als vorher. Ruhe bewahren Rita. Ich muss sowieso aufhören, ich bekomme Besuch. Von diesem Besuch werde ich euch weiter unten erzählen.
So, nun kann ich wieder richtig arbeiten. Mein Mann hat sich heute meinem Problem angenommen. Er hat mir erklärt, dass Beta nur eine neue Testversion ist und hat mir wieder den Firefox wieder zum Hauptbrowser gemacht. Und judihui, es funktioniert wieder.
Morgen erzähle ich euch von unserem speziellen Besuch. Nur so viel. Es kamen 6 Beine und 2 Arme.
12. Ich sitze also am Sonntagnachmittag vor dem PC und experimentiere herum. Ich schaue kurz zum Fenster hinaus auf die Kreuzung und was sehe ich da. Wie aus einem Märchenbuch taucht eine zierliche Frau mit wehendem weiss-blondem Haar auf. In einer Hand hat sie einen Holzstock und mit der anderen Hand führt sie einen grossen braunen Esel am Halfter. Den Eselrücken ziert ein Schafffell auf dem eine Art Seesack gebunden ist. Es sieht irgendwie mystisch aus. Ich kann den Blick nicht von ihr abwenden. Und plötzlich steigt bei mir eine unbändige Freude auf. Diese Frau mit dem Esel kenne ich doch. Es ist eine von Piets Nichten aus St. Gallen. Da ich allein Zuhause bin und mir die geschlossenen Türen den Weg nach Unten versperren, telefoniere ich meinem Sohn. Bald darauf können wir uns alle begrüssen. Inzwischen ist auch Piet eingetroffen.
Unsere Sabine, ihr glaubt es nicht, hat sich am Donnerstagmorgen um 8.00 Uhr in Stein SG mit ihrer Eselin Pani zu Fuss auf den Weg ins Urner Land gemacht. Unterwegs hat sie in Ställen und Kloster übernachtet. Manches Mal musste sie die Route wechseln, einfach weil Pani irgendwo nicht durchwollte. Ihr kennt ja das Sprichwort ¨ Dr Gschieder git na, dr Esel bliebt stah¨. (Evi, hast du das auch verstanden?) Ja, und nun sind die beiden bei uns eingetroffen. Pani ist bei uns im Rasen angebunden und frisst ihr wohlverdientes Heu. Während Piet für uns alle Lasagne kocht, erzählt uns Sabine von der abenteuerlichen Reise. Es ist so ein schöner, interessanter Abend. Nachdem sie Pani für die Nacht in einem benachbarten Pferdehof unterbringen konnte, geniesst es Sabine in einem Bett zu schlafen, ohne von Mäusen gestört zu werden.
Ist diese Frau nicht zu bewundern. Ich glaube ich wäre gerne wie sie. Sie liebt die Natur und die Tiere. Sie ist begeisterte Alpaka Züchterin. Ihre Herde umfasst ca. 60 Tiere. Auf ihrem Hof leben abwechslungsweise Hunde, Katzen, Schweine, Schafe, Gänse, Truthen und natürlich Esel. Wahrscheinlich sind das noch nicht alle. Irgendwo versteckt sich sicher noch eine Maus. Mit Herzblut betreut sie ihre Tiere und schaut das es ihnen gut geht.
Leider musste sie am Montag schon wieder nach Hause. Für den Rückweg wird sie mit einem Trailer abgeholt. Zurück bleiben schöne Geschichten und Eselsbollen im Rasen. Sabine, mach weiter so und bleib dir treu.
13. Gestern Nachmittag unternahm ich mit meiner langjährigen Freundin Erika einen Herbstausflug. Die Sonne hat den Nebel vertrieben und es wurde nochmal angenehm warm. Wir fuhren mit dem Velo und dem Rolli der Sonne entgegen. Da die gewählte Strasse fast autofrei war, konnten wir gemächlich nebeneinander herfahren und quatschen. Für den Kaffeehalt besuchten wir die Cafeteria eins Alters- und Pflegeheims. Es war wunderschön auf der Gartenterrasse. Erika und ich haben uns überlegt, ob wir nicht ein Zimmer mit Balkon fürs Alter reservieren sollten.
Später leistete uns eine 84-jährige Bewohnerin Gesellschaft. Es war interessant, ein wenig aus ihrem Leben zu erfahren. Ich glaube solche Begegnungen sind für alle sehr bereichernd. Besucht doch auch mal so eine Cafeteria. Neue Gesichter bringen Abwechslung in so einen Heimalltag.
Beim Nachhauseweg war es dann schon etwas kälter. Erika hatte alle Hände voll zu tun, um meinen Nasentröpflis Herr zu werden. Aber es war eine schöne Herbstausfahrt.
Es war wahrscheinlich eine der letzten Ausfahrten für dieses Jahr, ohne dass ich mich wie ein Eskimo vermummen muss.
So, und nun drücke ich den Kumpels aus Chile alle Zehen, damit Alle heil nach Oben kommen.
21.00 Uhr
Ich habe mein Forum wieder sichtbar gemacht. Freue mich auf kunterbunte Beiträge.
15. Heute herrscht grosse Freude in der Schweiz. Wir kommen unserem Ziel, die Lastwagen von unseren Strassen zu verbannen, immer näher.
Der Hauptdurchschlag am 15. Oktober 2010 bei Sedrun macht den Gotthard-Basistunnel mit 57 Kilometern zum längsten Tunnel der Welt.
17. Die Bergspitzen haben über Nacht ihr Aussehen verändert. Eine weisse Schneeschicht hat sich über sie gelegt. Viele Alpenpässe wurden geschlossen. Bereits schweben die ersten Bergdohlen ins Tal. Auf der Suche nach Essbarem landet ein Blaumeisen Männchen (breiterer schwarzer Bruststreifen als das Weibchen) auf unserem Rosenbogen. Bei jedem Windstoss verliert die Linde an „meiner“ Kreuzung Blätter. Braune, rote, gelbe und grüne Blätter wirbeln durch die Luft. Ihr fülliges Sommerkleid liegt bald vollständig zu ihren Wurzeln. Bald ist sie nackt.
Der Gotthardpass wird nur noch heute offengehalten. Auf dem Pass findet heute eine Trauerfeier für den verstorbenen Gotthard-Sänger Steve Lee statt. Obwohl ich ein grosser Fan von Gotthard bin, nehme ich nicht teil. Wir, mein Mann ich, kamen zum Schluss, dass ich dies meiner Psyche nicht antun sollte.
Tschüss Steve Lee. Eure Musik wird mich immer an dich erinnern. Sollte es einmal wieder Blitzen und Donnern, dann wird im Himmel sicher mal wieder gerockt.
20. Ui jui jui. Ist das ein Wetter draussen. Es regnet und windet. Die Wolken haben sich über die Berge gelegt. Wahrscheinlich trauen sie uns nicht zu zeigen was sie angerichtet haben. Ich glaube es hat einiges an Schnee gegeben. Von meinem Fenster aus sehe ich an die dreissig Bergdohlen, die von den Bergen herunter schweben. Es ist richtig nass-kalt. Sogar die noch übrig gebliebenen Blätter an der Linde zittern vor Kälte.
Am Mittag sehe ich einen wunderschönen Eichelhäher auf der Kummet - Mauer sitzen. Er hat etwas im Schnabel. Er schaut sich kurz um, ob ihn niemand beobachtet, wenn er gleich die ergatterte Nuss zu seinem versteckten Wintervorrat bringt.
Gerne hätte ich ihn fotografiert. Er war nämlich so nahe. Meine Männer meinten zu mir; ich müsse eine Videoüberwachung installieren, welche ich dann über meinen PC steuern könnte. Notfalls bräuchte ich ein, zwei Monitore mehr, dann hätte ich wohl die totale Kontrolle. Ha, Ha, ich will doch nur das Schöne festhalten.
Im Sommer habe ich mir auch schon überlegt eine Helmcam auf meinen Fahrten mitzunehmen. Nur für die Bedienbarkeit habe ich noch keine Lösung. Vielleicht kommt uns ja während dem Winter etwas Brauchbares in den Sinn. Wenn alles klappt, fahre ich nächsten Sommer als Natur-View herum. Das wäre doch toll, oder? Es gibt nämlich so viele, schöne Dinge, die es wert sind, festgehalten zu werden.
22. Manchmal habe ich schon ein schlechtes Gewissen. Mir geht es so gut, während andere mit dieser Krankheit ums Überleben kämpfen. Was müssen Betroffene von mir denken, wenn ich frisch, fröhlich meine Texte ins Tagebuch schreibe. Ich will diese Krankheit keineswegs beschönigen. Denn diese unheilbare Krankheit hat nichts Schönes. Man ist ja auch nicht alleine betroffen. Die Angehörigen, welche einen grossen Teil der Betreuung übernehmen, betrifft es ja genauso. Pläne, die man gemeinsam mit dem Partner für die Zukunft geschmiedet hat, fallen ins Wasser. Vorausplanen kann man nichts mehr. Man weiss nicht, wie lange die Zukunft dauert. Das weiss ein Gesunder zwar auch nicht, aber er kann zumindest auf ein hohes Alter hoffen. Das ist bei uns ALS-Betroffenen schon anders. Wir wissen, dass unsere Lebenserwartung begrenzt ist. Besonders hart ist es für jüngere Paare. Der nichtbetroffene Partner muss schon früh auf vieles verzichten. Seine Wünsche müssen hintenanstehen. Auch die Kinder der Betroffenen haben es nicht einfach. Auch sie müssen zurückstecken. Es dreht sich nicht mehr alles um sie. Der Betroffene steht immer mehr im Mittelpunkt. An dieser Stelle möchte ich einmal allen Angehörigen und Betreuern eines ALS-Betroffen danke sagen. Besonderer Dank geht an meinen Mann Piet und meinen Sohn Peter. Dank eurer Liebe und eurer Geduld habe ich immer noch riesigen Spass an meinem Leben.
Zum Glück gibt es für die Entlastung der Angehörigen die Spitex-Organisation. Gut ist, wenn immer etwa die gleichen Mitarbeiter vorbeikommen. Somit sind sie immer über den aktuellen Zustand des Patienten informiert. Bei einer fortschreitenden Krankheit wie die ALS ist das von grossem Vorteil.
Gerade diese Woche bekam „meine“ Spitex-Runde Verstärkung. Am Montag wurde die Neue eingearbeitet und blieb dann die ganze Woche auf dieser Runde. Es hat super geklappt. Wir hatten Spass miteinander. Ich finde es wichtig, dass die Chemie stimmt. Das Zusammenarbeiten ist dadurch doch einfacher. Ich fühl mich jedenfalls wohl, mit „meinen“ Spitex-Ladys.
Gestern Mittag kam eine Arzthelferin vorbei, um bei mir den Quick zu machen. Danach erhielten mein Mann und ich noch die Grippeimpfung. Und jetzt, meine lieben Grippeviren. Klopft eure Finken. Hier ist kein Platz mehr für euch. Oder wollt ihr, dass ich euch nochmal im Tagebuch erwähne? Vor mir ist nämlich niemand sicher.
16.30 Uhr: Habe noch einen älteren Medienbericht eingefügt.
Das war gar nicht so einfach diesen Bericht ins Netz zu stellen. Zuerst musste ich die drei Seiten aus der Zeitschrift herauskopieren. Dann folgte die Umwandlung der Word-Datei in eine PDF-Datei. Danach fügte ich die drei PDF-Dateien mit Hilfe des PDF-Creators in Eine Datei zusammen. Dann nur noch speichern und auf die Homepage laden.
Hört sich kompliziert an. Dabei ist es ganz einfach, wenn man weiss wie. Ich habe ja auch nur etliche Stunden herumgebastelt, bis ich es begriff. Man lernt eben nie aus.
25. Draussen regnet es und der Wind bläst kalte Luft ins Tal. Doch das stört die junge Frau gar nicht. Sie sitzt auf einem Frisörstuhl und lässt sich die Haare machen. Die äusseren Haare werden zu einem Netz geflochten und mit weissen Blumen ausgeschmückt. Wieder zu Hause zieht sie ein schneeweisses mit Spitzen verziertes Kleid an. Heute ist ihr Tag. Heute geht der schönste Traum eines jeden Mädchens in Erfüllung. Nun steht sie mit ihrem Liebsten vor dem Traualtar. Unendlich gross ist ihre Freude. Endlich darf sie mit ihrem Liebsten und ihrem gemeinsamen Sohn zusammenziehen und in eine wunderschöne Zukunft starten.
Auch heute, 30 Jahre später, regnet es ebenfalls und der Wind bläst kalte Luft ins Tal. Doch das stört die älter gewordene Frau auch heute nicht. Sie ist einfach nur glücklich, dass ihr Glück alle Tiefen und Höhen so gut überstanden hat. Wenn sie ihren Mann anschaut, sieht sie den Mann, den sie von ganzem Herzen liebt.
28. Ich sitze mal wieder vor dem PC. Ich drehe den Kopf zum Fenster und was sehe und höre ich da. Die Blätter der Bäume haben sich in warme Gelbtöne verwandelt. Kein Blatt bewegt sich oder fällt herunter. Draussen ist es recht still. Einige Wolken am Himmel sind rot gefärbt. Die schneebedeckten Bergspitzen leuchten ebenfalls in warmen Farben. Es ist eine wunderschöne Abendstimmung. Ich glaube, es kommt der Frühling. Lassen wir etwa den Winter aus?
Schon Gestern Abend gab es ein Abendrot und die Nacht war recht hell. Die schneebedeckten Berge haben im Mondschein reflektiert. Sie haben so schön geleuchtet. Schade, ich hätte die ganze Nacht zum Fenster hinaus starren können. Aber irgendwann muss auch ich schlafen.
Ich glaube, diese Nacht wird ebenfalls wieder sternenklar. Ich freue mich auf den Mond mit seinen leuchtenden Sternen.
29. In der letzten Nacht musste ich lange auf den Mond warten. Erst um 15 Minuten nach Mitternacht ist er aufgetaucht. Mich nimmt es wunder, wo er so lange gewesen ist. Mir ist auch aufgefallen, dass er abgenommen hat. Auf der rechten Seite fehlt ihm nämlich ein rechtes Stück. Darum war wahrscheinlich auch sein Leuchten nicht mehr so intensiv. Sterne habe ich überhaupt keine gesehen. Wo sind sie denn nur alle geblieben? Ich versuch es heute nochmal. Vielleicht sind sie nur ein wenig von der Milchstrasse abgekommen.
Draussen hat nun leichter Föhn eingesetzt. Es ist aus mit der Ruhe. Die gestern noch braven Blätter drehen und winden sich an den Bäumen. Eins ums andere löst sich vom Ast und schwingt zu Boden. Da liegen sie nun. Ist es etwa schon vorbei mit dem Blätter leben? Plötzlich fährt eine Föhn-Böe in den Blätterhaufen. Nun kommt noch mal leben in die Blätter. Sie ziehen mit dem Föhn die Strasse rauf und runter. Die Sicherheitslinien interessieren sie nicht. Es ist herrlich, zuzusehen wie sie sich mit dem Föhn drehen. Wie sie ihren letzten Tanz aufführen. Einfach nur schön.
30. Jetzt bin ich soeben von meiner Rolli Ausfahrt retour. Normalerweise bleibe ich bei Föhn im Hause. Da es jedoch einer der letzten wärmen Tage in diesem Jahr sein wird, habe ich mich ins Freie gewagt. Mein Mann hat sich ebenfalls auf seine Harley geschwungen und ist davon gedröhnt.
Es ist ein Erlebnis bei Föhn eine Ausfahrt zu machen. Mit dem Föhn im Rücken, fahre ich auf dem Reuss Damm Richtung See. Nicht etwa allein, nein, nein. In der heute sehr klaren Reuss schwimmen viele goldfarbene Blätter neben mir her. Ob es wohl diejenigen sind, welche Gestern den Blättertanz aufgeführt haben? Wer weiss, wer weiss.
Mein Poncho wird durch den Föhn immer wieder aufgeblassen. Wäre ich leichter, hätte ich den Möwen in der Luft Konkurrenz gemacht. Meine Haare werden zerzaust und der aufgewirbelte Sand verirrt sich in meine Augen. Niemand da der mir die Augen auswischen kann. Also Rita, hilf dir selbst. Ein paarmal die Augen verdreht und kräftig geblinzelt und weiter geht’s. Am See angelangt, sehe ich das Wasser in wunderschönem Blau glitzern. Viele Haubentaucher und Möwen halten sich im und um das Wasser auf. Auf den Grünflächen sehe ich ein Schwanenpaar mit ihren Jungschwänen. Damit der Föhn sie nicht umkippt, sitzen sie beim Fressen. Ein weiterer Schwan verlässt das Wasser. Er versucht nun mit dem Schnabel sein Gefieder zu putzen. Da erwischt ihn eine Böe von vorne und er fängt an zu schwanken. Bevor er sich ausbalancieren kann, wird sein Gesäss zwei-, dreimal nach unten in den Sand gedrückt. Das ist ein Schauspiel.
Der Weg zum Strandbad führt mich an Schilf vorbei. Die silbergraubraunen Wedel biegen sich mit dem Föhn. Es sieht aus, als würden tausende von Ihnen den Spazierfahrern zuwinken. Sehr ausdruckstark.
Am Strandbad angelangt, beobachte ich die vielen Windsurfer wie sie durch die aufgepeitschte See surfen. Der Urner See ist recht beliebt bei den Surfern. Sobald Föhn angesagt wird, kommen sie aus etlichen Landesteilen. Kinder haben ebenfalls Spass am Föhn. Ich sehe einer Grossmutter mit ihren drei Enkeln zu. Jedes der Kinder hat um die Hand eine Schnur gebunden. Hoch oben in der Luft hängt ein weisser Plastiksack am Ende der Schnur. Der Plastiksack füllt sich mit Luft und die Kinder werden fast abgehoben. Plötzlich wird der kleinste der Kinder von einer heftigen Böe Richtung See gezogen. Ich höre ihn weinen. Anscheinend sind seine Füsse Nass geworden. Den Kindern hat dies sicher trotzdem einen heiden (ungeheuren) Spass gemacht.
Wie könnte es auch anders sein, meine Nase fängt an zu laufen. Also mache ich mich schleunigst auf den Heimweg. Ich hoffe, der Gegenwind trocknet mir meine Schnudernase (laufende Nase). Selber kann ich es ja nicht.
Zuhause angekommen merke ich, dass es mittlerweile kühler geworden ist. Meine Finger sind kalt und ein wenig gstabig (steif). Mein Sohn bringt mich ins Haus und versorgt mich mit einem warmen Kaffee.
Dank den mittlerweile aufgewärmten Fingern kann ich nun meinen Tagebuch-Eintrag erstellen.
NOVEMBER
1.Das verlängerte Allerheiligen-Wochenende gehörte wie jedes Jahr den Ostschweizer Besuchern. An diesen Tagen besuchen einige von Piets Geschwistern das Grab der Eltern und ihr Elternhaus, in welchem mein Mann und ich wohnen. Es ist so schön zusammen zu sitzen, Neuigkeiten auszutauschen und über Altes zu lachen. Das Urner Kaffee und die Zieger-Krapfen dürfen da natürlich nicht fehlen. Wenn dann mein Mann ein Zabigplätchen und einen Teller mit verschiedenen Urner-Alpkäsen auftischt, wird’s erst recht heimelig.
Die Familien ist so etwas kostbares, man muss sie einfach hegen und pflegen. Meinem Mann und mir bedeutet das sehr viel.
4. Ist das schön. Der Abendhimmel strahlt wieder in Rottönen zu uns herunter. Es ist so eine wunderbar warme Stimmung draussen. Es ist fast windstill. Sogar die Vögel vergessen vor lauter staunen zu pfeifen. Aber was sehe ich denn da. Fliegt doch prompt eine Fledermaus vor meinem Fenster herum. Hab gemeint, Halloween sei vorbei.
Heute war überhaupt ein sonniger, warmer Tag. Trotzdem sitze ich nun mit einem Nasentröpfli, kalten Füssen und klammen Fingern vor dem PC. Ihr ahnt es, ich habe heute eine Rolli ausfahrt unternommen. Ich war wieder mal an meinem See und bin durchs Schilf gefahren. Ihr glaubt es nicht, aber zwischen dem getrockneten Schilf blühen immer noch wilde Kamille-Blumen.
Da am Samstag unser 2. Schwesterntreffen stattfindet, musste ich noch beim Restaurant vorbeischauen und einen Tisch reservieren. Und wenn ich schon unterwegs bin, erledige ich doch gleich noch andere anstehende Geschäfte. Wie das so ist, man trifft diesen und jenen Unterwegs und wechselt ein paar Worte miteinander. Als ich fast zu Hause bin treffe ich dann noch auf eine meiner Schwester. Natürlich wird auch wieder gequatscht und natürlich ist es inzwischen kühler geworden. Sollten wir uns verkühlt haben, trinke ich mit Doris am Samstag einfach einen Kaffee-Schnaps, der wärmt so schön von innen her.
So, nun fahr ich meine Finger wärmen.
8. Jetzt sind sie weg, die Blätter an der Linde. Ganz nackt steht sie nun da und trotzt dem Regen. Doch was glänzt denn da an ihren Ästen oben. Es sind Regentröpfchen, die Rast einlegen auf der Reise nach unten auf den Boden. Nun ruh dich aus du schöne Linde. Bald hüllt dich ein, ein weisses Kleid.
Auf der Suche nach einer passenden Musik, habe ich dieses treffende Lied gefunden.
Am Samstag hatten wir unser Schwestern-Treffen. Nach und nach sind sie am Abend bei mir eingetrudelt. Eine der Schwestern war am Morgen sogar noch in Frankreich. Sie hat uns Lavendelsäckchen mitgebracht. Die haben so herrlich geduftet. Jedes der Säckchen hatte eine andere Farbe. Komischerweise wusste jede von uns sofort welche Farbe zu wem gehört. Ich bin übrigens die mit der Farbe Grün. Wir haben uns dann ein wenig über die Bedeutung der Farben unterhalten. Ich wollte dies noch ein wenig genauer Wissen und hab daher Heute im Internet gegooglet.
Hier ist eine Seite darüber.
Auch Trauben haben den Weg von Frankreich in die Schweiz geschafft. Wie diese Sorte heisst, weiss ich nicht. Wir hatten früher ähnliche. Sie sind klein und sehr süss. Bei uns hiessen diese Chatzäseicherli (Katzenpisser). Fragt mich ja nicht warum.
Nach einem Mandarinen-Apero machten wir uns auf den Weg zum Nachtessen. Ich hatte es wieder mal richtig gut. Ich wurde gleich von zwei Schwestern gefüttert. Hmm, das Steinpilz Risotto war ausgezeichnet. Das Reiss hatte innen noch den weissen Kern. Zum Dessert hätten wir gerne ein Zwetschgensorbet gehabt. Am liebsten mit „alter Zwetschge“. Leider gabs das nicht. Aber das Melonensorbet ohne Schnaps war auch gut. Wir haben uns nur gewundert warum bei der Schwester mit dem Zitronensorbet, statt eines Chräpfli, ein Mexikaner in der Kugel steckt. Ja, und was für eine Flüssigkeit schwimmt den da um die Glace? Kein Wunder wurde sie immer lustiger. Bei dem Wodka.
Zum Glück mussten wir nicht selbst nach Hause fahren. Mein Mann hat Taxi gespielt. Es war ein schöner Abend. Schwestern, immer wieder.
10.Während drei Jahren hat sich mein Sohn, nebst der Arbeit, zum Maschinen-Techniker ausbilden lassen. Gestern Abend fand nun die Präsentation seiner Diplomarbeit statt. Ich bin mächtig stolz auf ihn. Der Entzug seiner Freizeit-Aktivitäten hat sich gelohnt. Judihui, er hats gepackt.
Auch ich durfte an seiner Arbeit teilhaben. Beim Durchlesen bekam ich einen kleinen Einblick in seine Arbeit. Ich war nur froh, dass ich die komplizierten Berechnungen und Fachausdrücke nicht verstehen musste.
Peter, nun wünsche ich dir eine schöne Zeit in Prag. Musst aber nicht gleich alle Biersorten durchprobieren.
11. Ich weiss nicht, ob ich es schon mal erwähnt habe. Ich höre sehr gerne Irish Folk. Wenn die Musiker anfangen ihren Flöten, Geigen und andern Instrumenten Laute zu entlocken, tauche ich hinein in eine andere Welt. Ich spüre die Geschichte des Landes in ihrer Musik. Manchmal tönt sie rau und laut und manchmal fein und leise. Ich spüre die Mystik dieses Landes.
Zum Einstimmen: Leises Lied und ein Lauteres Lied
Das Leben in Irland war lange Zeit durch interne und externe Konflikte geprägt. Ich selber kenne das Land nur aus Erzählungen und Bildern. Zum Glück habe ich liebe Besucher, die mir von ihren Ferien berichten. So besuchte mich Gestern eine ehemalige Spitex-Mitarbeiterin und erzählte mir von ihren Ferien in Irland. Durch ihre Erzählungen lernte ich einiges über das Land und seine Leute. Es kommt mir vor, als wäre ich selbst an den Klippen gestanden.
Ich habe Monika ein Foto geklaut. Das muss ich euch zeigen. Es ist eine alte Kirche. Sie hat die Form eines umgekehrten Bootes. Das einzige Fenster wird durch die Morgensonne geflutet und die Türe steht in der Abendsonne.
19. Eine Woche lang hat die Panne von Swisscom gedauert. Die Homepages konnten nicht bearbeitet werden. Da die Kommunikation zwischen der Swisscom und ihren Kunden nicht optimal verlief, wussten wir Benutzer nicht, was wirklich los ist. Einige suchten den Fehler bei der eigenen Anwendung. War schon ein wenig frustrierend. Was passiert nur mit unseren renommierten Schweizer Vorzeige-Firmen. Wo bleiben ihre Qualität und ihre Verlässlichkeit. Klar, die Schweiz hat viel zu wenig IT-Spezialisten, aber Infos können auch Nicht-Experten herausgeben. Swisscom muss ihre Informationspolitik umgehend verbessern.
Zum Glück hat mir gestern eine liebe Freundin als Geburtstagsgeschenk eine Fee vorbei geschickt. Die hat mir gleich einen Wunsch erfüllt. Die Homepage geht wieder.
Ich hatte einen so schönen Geburtstag. So viele liebe Menschen haben bei mir vorbeigeschaut. Der dreimonatige Noah war der jüngste und mein Vater mit seinen Vierundachtzig Jahren der älteste Besucher. Ich liebe es, Menschen um mich zu haben.
Was mich natürlich auch gefreut hat, sind die vielen Mails, Glückwunschkarten, Gästebucheinträge, Kontakteinträge, Facebookeinträge und SMS.
Der grösste Dank gehört Piet. Er hat dafür gesorgt, dass meine Gäste immer zu trinken und zu essen hatten.
Am Abend war ich dann schon ein wenig müde. Ich bin sicher mit einem Lächeln im Gesicht eingeschlafen.
20. Manchmal, sitze ich einfach nur vor meinem PC und höre Musik. Gelegentlich schweifen meine Blicke zum Fenster und ich nehme mit den Augen am pulsierenden Dorfleben teil. Heute Nachmittag geht es auf meiner Kreuzung eher ruhig hin und her. Mir scheint, auch die Fussgänger sind gemächlicher unterwegs. Ich glaube fasst, die Natur steckt uns an. Bäume, Sträucher und Pflanzen haben ihre Energien heruntergefahren und auch die Tiere sind nicht mehr so aktiv. Vielleicht steht diese Jahreszeit im Zeichen der Regeneration. Es ist die Zeit der Stille. Es ist die Zeit des Innehaltens. Schenken wir uns Zeit über unser Dasein nachzudenken. Bin ich zufrieden, so wie mein Leben verläuft? Oder sitze ich bloss meine Jahre hier ab?
Diese Jahreszeit ist auch die Zeit der warmen Lichter. Die Zeit der Hoffnung. Nimm deine Möglichkeiten war. Denn nicht alle haben diese Möglichkeit. Also, nimm dir die Zeit für dein Leben.
21. Kurz nachdem ich Gestern über das Leben geschrieben habe, erhielt ich die Nachricht, dass wieder zwei ALS’ler von uns gegangen sind.
Obwohl das Leben und der Tod Gegensätze sind, gehören sie zusammen. Wenn man sich mit seinem Leben befasst, muss man sich auch mit dem Sterben auseinandersetzen. Je nachdem, an Was und wie Jemand glaubt, so unterschiedlich sind die Vorstellungen vom Tod. Ziel wäre es doch eigentlich, den Schrecken vor dem Tod zu verlieren. Denn, wer weiss schon, welch wunderschönes uns danach erwartet.
Wenn sich schon Kinder mit dem Tod befassen, warum nicht auch wir, die Erwachsenen.
Hier der Kinderlink. http://www.wdrmaus.de/lachgeschichten/geschichten/video.php5?id=2638
24. Da mich ein Besucher heute Nachmittag versetzt hat, habe ich nun Zeit, ein wenig über diese Woche zu berichten.
Wir machen ja keinen eigentlichen Frühlingsputz mehr. Es gibt aber noch keine selbstreinigenden Küchenschränke, die ihren Inhalt selbstständig Aussortieren und sich reinigen. Da mein Mann genug anderes zu tun hat, und Männer nicht unbedingt ein Händchen dafür haben, orderte ich kurz eine Reinigungskraft. Es ist schon erstaunlich, was man so alles aufbewahrt. Nach diesem Nachmittag gehöre ich nun definitiv ebenfalls zur sogenannten Wegwerfgesellschaft. Es musste mal sein. Jetzt haben wir wieder Platz in den Kästen.
Vor kurzer Zeit wurden Piet und ich angefragt, ob wir bereit wären, bei einer Vertiefungsarbeit über die Krankheit ALS, mitzuwirken. Für uns war das selbstverständlich. So kam es, dass wir gestern Nachmittag, drei gut vorbereiteten Lehrlingen gegenübersassen. Piet und ich standen ihnen so gut wie möglich Rede und Antwort. Sich in so jungen Jahren mit einer unbekannten Krankheit zu befassen, ist schon eine Herausforderung. Man bedenke, diese Vertiefungsarbeit macht einen Drittel ihrer Abschlussnote aus. Hut ab und viel Glück.
An den Abenden war ich natürlich auch nicht untätig. Vor etwa einer Woche habe ich aus Unachtsamkeit, sämtlich Unterseiten der ALS Rubrik gelöscht. Nun galt es diese wieder neu zu erschaffen. Einige sind zwar nicht mehr ganz so ausführlich wie vorher, aber ich glaube das genügt. Darum, immer zweimal kontrollieren, bevor man auf Löschen drückt. Mir war das eine Lehre.
25. Manchmal frage ich mich schon, wie ich die vielen lieben Menschen um mich herum verdient habe. Es ist unglaublich, wie viel Anteilnahme mir seit meiner Erkrankung entgegengebracht wird. Die Freunde sind nicht weniger geworden. Im Gegenteil, ich habe Freunde dazu gewonnen. Ihr, meine lieben Mitmenschen tragt dazu bei, dass mir mein Leben trotz all meinen Behinderungen immer noch so enorm Spass macht.
Mein Spass fängt meistens schon am Morgen an. Als ich heute Morgen von der Spitex gepflegt wurde, ertönte aus dem Radio ein super Sound. Da konnten wir nicht anders als mitzugehen. Eben, ein Beet bei dem man einfach mit Muss. Ich habe alles gegeben. Hab geschüttelt, was es noch zu schütteln gibt. Hab meine rechte Hand so weit nach Oben gestreckt wie es eben ging und versuchte das Viktore-Zeichen zu machen. Ich wurde von der Spidi darauf hingewiesen, dass bei diesem Sound alle Finger eingesetzt werden. Super, dann mach mal. Aber warte ab, wenn nächstes Mal Haevy Metal gespielt wird, bin ich am Drücker. Dieses Zeichen kenne ich. Es fehlen mir nur noch die langen Haare zum Headbangen.
26. Gestern Nachmittag besuchte mich mein Götti mit seiner Frau. Mit diesen beiden sind Piet und ich auf unterschiedliche Weise verbandelt. Mein Götti ist ein Cousin meines Vaters. Seine Frau ist eine Cousine von Piet. Und ihre Gotte ist die Mutter von Piet. Alles klar? Solche Zufälle gibt’s.
Später kam auch noch eine meiner Schwestern vorbei. Sie macht mir jedes Jahr das Adventsgesteck. Als ob sie es gespürt hat, dass ich auf die Schneeflocken warte, hat sie das Gesteck in weiss gestaltet. Sogar ein Schneemann hat darauf Platz gefunden. Sieht wunderschön aus.
Habt ihr eigentlich gewusst, dass rote Socken die Füsse besser warmhalten als Socken mit anderen Farben. Ich weiss nicht, ob ich das glauben kann. Meine Schwester und mein Mann sind natürlich fest davon überzeugt. Kein Wunder sind die Beiden der gleichen Meinung. Ich glaube fasst, meine Schwester manipuliert Piet mit ihren feinen Backwaren. Wir werden es wissen, sobald die roten Socken gestrickt sind. Piet hat mir Gestern bereits vorsorglich ein paar rote Socken gekauft. Die trage ich nun. Mal schauen. Werde es schon merken, ob sie mich nur auf die Schippe genommen haben.
Im Dunkeln sind sie gekommen. Ganz sanft und leise. Haben sich hingelegt auf ihre Weise. Nun ist alles weiss, alles verschneit. Seid willkommen ihr weissen Sterne.
Dazu ein Lied http://www.youtube.com/watch?v=6ixaZbBRWtg&feature=related
28. Ein Teller mit grünem Griss (Tannenäste) steht auf unserem Stubentisch. Vier weisse Kerzen bilden einen Kreis. Nur Eine flackert mit hellem Schein und schaut gespannt zum Fenster raus. Es ist kalt geworden. Langsam wird es Abend. Dunkelheit schleicht um die Häuser. Doch plötzlich funkeln viele kleine Lichter durch die Nacht. Lichterketten zieren Hauseingänge und in den Fenstern leuchten Sterne um die Wette.
Es ist der 1. Advent.
Was dringt den jetzt an meine Ohren. Kuhglocken mitten im Winter? Es tönt immer lauter. Nun erleuchten brennende Fackeln die Nacht. Männer in dunklen Kutten treten aus der Dunkelheit. Es wird immer lauter und heller. Und jetzt weiss ich was los ist. Ich habe nicht daran gedacht. Heute ist Samichlauseinzug (Nikolaus) in unserer Gemeinde. Nun aber schnell ans Fenster. Sie ziehen gleich an unserem Haus vorbei. Zuvorderst laufen die Fackelträger. Hinter ihnen ist die Trychlergruppe. Das trychlen fährt jedem der dies hört durch Mark und Bein. Anschliessend folgen viele Kinder mit ihren selbst gebastelten Laternen. So ein schönes Lichtermeer. Dann kommen die Schmützlis (Knechte Ruprechts). Einer führt einen Esel an der Hand. Und nun endlich sehe ich auch den Samichlaus mit dem Bischofsstab und der Mitra auf dem Kopf. Sein weisser Bart ist immer noch so schön gelockt und voluminös wie Früher. Wie macht er das nur?
Viele Leute begleiten den Einzug ums Dorf. Ich freue mich, dass solche Traditionen weiterhin praktiziert werden. Sind wir mal ehrlich. Manchmal wünschen wir uns doch die Kindheit zurück. Vielleicht ist das ein Teil von Heimat.
DEZEMBER
1. So scheen. Jetzt schneit es auch bei uns. Viele kleine, zarte Sternchen fallen vom Himmel und verwandeln die Landschaft in eine Märchenwelt. Alles sieht so verwunschen aus. Alles strahlt in weisser Unschuld. Auch meine Linde trägt nun ihr weisses Winterkleid.
Warme Lichter aus den Häusern durchdringen den Winterabend. Die Strassenlaternen sind angegangen und weisen den Autofahrern den Weg nach Hause. Der Verkehr auf meiner Kreuzung ist merklich langsamer geworden. Soeben ist der Streuwagen vorbeigefahren. Wohl ein bisschen spät. Denn einige Fahrzeuge haben bereits Mühe in der Steigung. Hat wohl bereits Glatteis.
Zum Glück muss ich nicht auf die Strasse und muss kein Schnee schaufeln. Ich darf einfach die Schneeflocken in der warmen Stube geniessen.
Hurra, hurra der Winter ist da.
9. Endlich ist es vorbei mit den alten Brüllwürfeln welche aus meinem Monitor dröhnten. Piet hatte heute Mitleid mit mir und hat kurzerhand seine Anlage an mich abgetreten. Nun thronen 2 Boxen mit sensationeller Klangwiedergabe neben meinem PC-Bildschirm. Und unter dem Tisch massiert nun ein Subwoofer meine Waderln (Logitech THX). Zuvor musste ich, um gute und laute Musik zu hören, Kopfhörer aufsetzen. Das hat meinen Bewegungsradius eingeschränkt. Mein ganzes Büro ist mittlerweile erfüllt von guter Musik. Jetzt kann ich meine Lieblingsmusik rauf und runter hören.
Nun kann ich Steve Lee’s Stimme wieder richtig geniessen und auch die Töne, welche Leo Leonie seiner Gibson entlockt, sind Balsam für meine Ohren.
Jetzt kann ich mitwippen und ausflippen, wie ich gerade Lust und Laune habe. Rock on!
10. Und die Schneeflöcklein tanzen wieder. Ab und zu setzt sich eines auf meine Fensterbank. Und ein gar vorwitziges drückt sein Näschen an meine Fensterscheibe und blinzelt zu mir herein. Habt ihr gewusst, dass ein Schneekristall immer aus sechs Ecken besteht. Soeben ist eine grosse Gruppe von Bergdohlen am Himmel aufgetaucht. Im Kreisflug überfliegen sie unser Dorf und hoffen etwas Essbares zu erspähen. Ja, mein Vogelhäuschen ist heute leer. Die Bergdohlen haben dieser Tage alles Futter aufgefressen. Aber es hat noch genug anderes zum fressen in der Natur. Ich kann mich doch auch nicht nur mit Dessert ernähren.
Diese Woche habe ich mal wieder meinen PC (Festplatte) aufgeräumt. Was sich da mit der Zeit so alles ansammelt. Da etwas gespeichert, da mal schnell etwas abgelegt. Da ist es gut, wenn ich zwischendurch ausmisste. Gleichzeitig habe ich unsere gesamten Digitalfotos neu geordnet und diese dann zur Sicherheit auf einen Stick kopiert. Habe dafür etliche Stunden investiert. Mein Mann hat mich auch noch mit Arbeit versorgt. Er hat mir gesagt; ich hätte ja gar keine Zeit krank zu sein. Da scheint etwas Wahres dran zu sein.
Ich kann so glücklich sein. Trotz der Krankheit geht es mir so gut. Ich habe so viele liebe Menschen um mich die sich um mich kümmern und schauen das ich des Lebens nicht überdrüssig werde. Danke, ihr guten Geister. Leben kann so schön sein.
Jetzt sehe gerade, wie Jemand bereits einen Christbaum gekauft hat und ihn nun nach Hause trägt.
11. Manchmal wünschte ich mir Flügel. Ich könnte dann fliegen, wohin ich möchte. Nichts hielte mich auf. Ich wäre so frei. Der Wind bliese mir ins Gesicht. Meine Lungen würden sich mit Luft füllen. Ich fühlte mich so leicht. Meine Arme streckte ich weit von mir, um mit den Händen die wunderschönen Blumen zu liebkosen. Meine Augen würden funkeln und meine Nase würde sich kräuseln ob ihrem betörenden Duft. Meine Lippen formten sich zu einem Lächeln.
Doch plötzlich gefriert das Lächeln. Das Funkeln der Augen erlischt. Das atmen wird schwerer. Der Wind wird rauer. Meine Hände fühlen Kälte. Die Flügel gibt’s nicht mehr. Bin wieder auf dem Boden der Wirklichkeit gelandet.
Die Kunst wird wohl sein, ohne Flügel fliegen zu können.
16.Etwas blendet mich. Im Halbschlaf versuche ich meine Augen zu öffnen. Was blinzelt den da in mein Fenster. Es ist ein Sonnenstrahl. Er füllt das Zimmer mit goldenem Glanz. Nun bemerke ich die schneebedeckten Bergspitzen draussen, die im Sonnenlicht glitzern. Es hat über Nacht ganzwenig geschneit. Heute wäre wohl ein idealer Tag, um den Pulverschnee zu geniessen.
Mein Junior würde heute auch lieber auf den Skiern stehen, anstatt in der Bude. Ausserdem ist er heute Mittag für mich zuständig. Mein Mann ist heute nämlich abwesend. So muss er mir das Essen eingeben, meine Nase putzen, mich aufs WC setzen und schauen das ich mit allem versorgt bin um den Nachmittag allein zu verbringen.
Zum Ausruhen bleibt da kaum Zeit. Ich finde es so lieb, dass die beiden so viel ihrer Zeit an mich abgeben. Gerne würde ich ihnen eine Ruhepause gönnen. Aber leider ist das in unserer Situation nicht so einfach zu realisieren.
Vielleicht gibt es ja heute Nacht tatsächlich Schnee und die Schneesportler können am Wochenende ihrem Hobby frönen. Für meinen Sohn bedeutet dies Spass, für meinen Mann hingegen ist dies mit viel Arbeit verbunden. Als Hauswart ist er besorgt, dass alle Gehwege und Zufahrten freigehalten werden. In unserem Fall trifft folgendes Sprichwort wirklich zu; Des einen Freud, ist des andern Leid. Und ich mittendrin.
17. Bin gestern Abend lange wach geblieben. Wollte es nicht verpassen die angekündigten Schneeflocken zu begrüssen. Während dem Warten habe ich im Fernsehen die Aktion „Jeder Rappen zählt“ mitverfolgt. Bei dieser Tag- und Nacht Aktion wird Geld für Kinder in Kriegsgebieten gesammelt. Und da das Ganze auf dem Bundesplatz stattfindet, sah ich gleichzeitig, wie die ersten Schneeflocken in Bern eintrafen. Als sich die Ankunft der Schneeflocken in die Länge zog, mussten sich meine Augendeckel geschlagen geben und ich schlief ein. Plötzlich wurde ich aus meinen Träumen gerissen. Etwas rüttelte an den Dachziegeln und sauste mit Geheul ums Haus. Anstelle der Schneeflocken kam wieder Mal der älteste Urner zu Besuch. Darum war ich am Morgen auch nicht überrascht, als nur sehr wenig Schnee lag. Gegen Mittag hat sich der Föhn doch noch verabschiedet und es fing an zu schneien. Im Laufe des Nachmittags hat sich eine schöne, glitzernde Schneeschicht auf alles gelegt. Mir gefällt das weisse, weiche Ding. Einen Nachteil hat das ganze jedoch. Ich wollte heute Abend eigentlich Lädälä (Einkaufen) fahren. Doch mein Mann ist mit Schneeräumen beschäftigt. Also fällt mein Vorhaben buchstäblich in den Schnee.
Mach ich es mir halt mit einem Punsch vor dem Fernseher gemütlich.
18. An einem Nachmittag in dieser Woche wurde ich von zwei älteren, liebenswerten Menschen besucht. Ein wenig müde aber mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht sitzen sie mir auf dem Sofa gegenüber. Gespannt höre ich ihnen zu was sie zu berichten haben. Die zwei über 80-Jährigen haben nicht etwa einen Winterschlaf eingelegt. Nein, nein, sie wurden vom Putzteufel gepackt und sie haben Zimmerdecken gereinigt, Böden auf den Knien geschrubbt und zum ersten Mal ein Dampfgerät eingesetzt. Ich sehe es ihnen an wie stolz und zufrieden es sie macht, dass sie dies in ihrem hohen Alter noch selber schaffen. Ich glaube, bei diesen Beiden geht das Christkind gerne vorbei. Diese zwei liebenswerten Menschen sind meine Eltern. Sind sie nicht toll?
Gestern Nachmittag habe ich mit einer meiner Schwestern den Nachmittag in der warmen Stube verbracht. Einmal als die Schneeflocken gar heftig vom Himmel vielen fuhr ich zum Fenster, um dem Treiben zuzusehen. Nach einer Weile fuhr ich mit dem Rollstuhl wieder rückwärts vom Fenster weg. Dabei ist der Teppich verrutscht und es entstand eine grössere Welle. Bevor ich meine Schwester warnen konnte, ist sie bereits darüber gestolpert. Ich konnte mich nicht mehr halten. Ich musste so Lachen. Meine Tränen liefen mir nur so über die Backen. Es sah so komisch aus, wie bei dem Film „Dinner for one“, bei dem James immer wieder über den Tigerkopf strauchelt. Als ich dies am Abend meinem Mann erzählen wollte, wurde ich immer wieder durch Lachanfälle unterbrochen. Ich sah immer wieder diese Szene vor den Augen und dann war es wieder um mich geschehen.
Da ich auch jetzt wieder Tränen lache und kaum noch den Bildschirm sehe, höre ich nun besser auf zu schreiben.
20. Diese Unselbständigkeit drückt manchmal ganz schön auf die Psyche. Manchmal gibt es Tage, da nervt mich alles. Nichts scheint mir zu gelingen. Wenn ich auch den Elan aufbringe um mit Firmen zu kommuniziere und dauernd auf Antworten warten muss, nervt das ganz schön. Ich möchte ja so viel wie möglich selber erledigen. Es werden mir aber immer wieder unnötige Steine in den Weg gelegt. Um diese dann zu beseitigen, bin ich wiederum auf fremde Hilfe angewiesen. Wir, die Menschen mit Behinderung wollen ja unseren Beitrag zur Integration und für unsere Selbstständigkeit leisten. Ihr lieben Behörden, Firmen und Mitmenschen müsst uns aber dabei unterstützen und nicht wegschauen.
Was mir in den letzten Jahren vermehrt aufgefallen ist, ist wie jede Firma jede Behörde mit allen Mitteln versucht, Ausgaben zu streichen. Das dabei Gesunde, wie auch Kranke auf der Strecke bleiben ist anscheinend egal. Hauptsache Ende Jahr kann man hohe Gewinne vorweisen.
Früher als noch viele Firmen Familienunternehmen waren, wurden die Mitarbeiter betreut und sie bis zur Pensionierung unterstützt. Dass ein älterer Mitarbeiter nicht mehr die volle Leistung erbringen kann, nahm man hin. Man wusste um das Know-how, welches sich so ein Mitarbeiter im Laufe der Jahre angeeignet hat. Dieses Wissen kam den Firmen und den Kunden zugute.
Vor einigen Jahren konnte ich zum Beispiel noch in ein Geschäft gehen und ohne Probleme ein Ersatzteil bestellen. Man wusste vielfach um welches Modell es sich handelte. Heute muss man die Marke, den Typ und wenn möglich noch das Baujahr benennen.
Heute werden Firmen zusammengelegt. Fremde Manager werden eingesetzt, die keinen Bezug zur Schweiz haben. Denen fällt es leicht, Arbeiten in Billiglohnländer auszulagern, nur um möglichst hohe Gewinne zu erzielen. Die Qualität und der Service bleiben auf der Strecke. Dabei waren Qualität, Zuverlässigkeit, Services/Dienstleistungen unsere grössten Ressourcen.
Mich beschäftigen momentan die Kunden feindlichen Servicedienste der Firmen. Ein Kunde ist schon lange Zeit nicht mehr Partner. Vielmehr ist er ein Störenfried. Und dies bei namhaften Schweizer Firmen.
Ja momentan fällt mir nicht alles so leicht. Aber in meinem Alter spielen wohl von Zeit zu Zeit die Hormone verrückt. Gönnt mir auch mal einen Hänger.
22. Bin wieder richtig gut drauf. Musste einfach mal Ruhe und Einkehr halten. Gestern habe ich den ganzen Nachmittag durchgeschlafen und bin früh zu Bett gegangen. Deswegen musste ich auch lieben Besuchern absagen. Muss einfach wieder vermehrt Ruhepausen einlegen. Dank einer ausgedehnten Beautypflege durch die Spitex heute Morgen, fühle ich mich momentan wieder pudelwohl.
Mein Mann hat mir vor mein Bürofenster zwei grosse Meisen Knödel gespannt. Hin und wieder kommt eine Meise vorbei und ich kann sie in 1m Entfernung beobachten, wie sie die Körner herauspickt. Piet unternimmt einiges, damit ich auch im Winter meine Tier- und Pflanzenwelt beobachten kann. Ich würde ja gerne auch im Winter meine Rolli Runden drehen. Es ist aber einfach zu kalt. Und wenn ich mal kalt habe, kann man mich kaum mehr aufwärmen. Eigenartig ist, dass sich die Kälte in meinem Körper jeweils erst im Haus so richtig bemerkbar macht. Es kommt mir dann so vor, als wenn sich in meinem Innersten eine Brausetablette befinden würde, welche die Kälte mit ihren sprudelnden Bläschen in meinen ganzen Körper verteilt. Von innen nach aussen. Früher hat es mir gereicht, wenn das Thermometer in der Wohnung 18° – 19° anzeigte. Unter 20° läuft heute nichts mehr.
Heute ist es dank Föhn nicht mehr so kalt. Über Nacht hat der älteste Urner den Schnee bis weit in die Berge weggeschmolzen. Wenn ich zu den Bürgler-Bergen hochschaue, sehe ich bereits wieder satte, grüne Wiesen. Schaut womöglich bereits der Frühling vorbei? Meinem Mann wäre dies wohl mehr als recht. Ich möchte ihm auch einige stressfreie Weihnachtstage gönnen. Muss mal mit dem Weihnachtsmann reden und ihn bitten, er möge doch Frau Holle ein Navi schenken. Frau Holle könnte mit Hilfe des Navi‘s nur die Wiesen beschneien und die Strassen und Wege könnte sie frei halten. Damit wäre doch allen gedient. Mal schauen.
27. Der heutige Tag war nicht mehr gar so sonnig wie Gestern. Dafür haben die Vögel gezwitschert, man hätte meinen können, der Frühling sei am Erwachen.
Drei Vögel kamen mich sogar besuchen. Angelockt von den Meisen Knödel, welche mir mein Mann vor das Fenster gespannt hat. Zuerst kam eine Blaumeise vorbei und knabberte an den Ballen. Dann wurde es plötzlich etwas dunkler vor dem Fenster. Eine Alpendohle versuchte auf dem Draht mit den Knödeln zu landen, musste aber wieder abdrehen. Der Draht war ihr anscheinend zu wackelig. Dies kam einem Rotkehlchen gerade recht. Es war cleverer als die Dohle und setzte sich direkt auf den Meisen Knödel. Genüsslich fing es an, die feinen Körner herauszupicken. Grösse ist eben doch nicht alles.
29. Gestern Abend habe ich im Fernsehen eine Diskussionssendung mitverfolgt. Das Diskussionsthema war "Glauben Sie an Gott?". Die Sendung fand ich sehr interessant, ich konnte nicht wegzappen. Die Runde bestand aus Katholiken, Gläubigen, einem Rabbiner, einem Freidenker und einem Atheisten. Zu erfahren was und wie anders Gläubige denken und wie Sie betreffs ihrem Glauben argumentieren war aufschlussreich. Niemand konnte aber beweisen, ob es eine höhere Macht gibt oder nicht. Das ist wahrscheinlich auch gut so. Darum heisst es ja auch Glauben. Wir werden es, wenn überhaupt, erst nach dem Verlassen unserer Erde wissen.
30. Ja, auch dieses Jahr meinte es wieder gut mit mir. Ich musste nur geringe krankheitsbedingte Verschlechterungen hinnehmen. Sicher hat die Kraft an dem einen und anderen Ort nachgelassen. Meine Stimme wurde ein wenig leiser und unverständlicher. Dafür hat sich meine Puste nur unwesentlich verschlechtert. Meine Stimmungsschwankungen waren in diesem Jahr ein bisschen ausgeprägter. Ich merke auch, dass ich mehr Ruhepausen einlegen muss, um mich zwischendurch wieder zu ordnen.
Ich durfte schöne Rollitouren unternehmen und vielen interessanten Menschen begegnen. Durch Besuche, Mails und durch die Kommunikation über meine Homepage kam bei mir nie Langeweile auf. Ihr hieltet mich ganz schön auf trapp.
Ich wünsche mir, dass das nächste Jahr nur Gutes für mich und meine Lieben bereithält. Und dir wünsche ich, dass viele deiner Wünsche in Erfüllung gehen werden.
7. Nun sind die Feiertage vorbei und ich werde mich wieder vermehrt meiner Homepage widmen.
Ich weiss gar nicht wie ich anfangen soll. Ich könnte vielleicht mit einer Bestandesaufnahme meines Gesundheitszustandes beginnen. Also, was kann ich alles noch.
Ich kann stehen und mit Hilfe 3-4 Schritte gehen. Wenn meine Arme beim Sitzen auf den Oberschenkeln liegen, kann ich den linken Arm etwa 20 cm hochnehmen. Mit dem rechten angewinkelten Arm erreiche ich knapp das Gesicht. Mit der Hand kann ich mich sogar stuckweit am Kopf kratzen. Ansonsten reibe ich meinen Kopf an der Kopfstütze. Ich komme mir manchmal vor wie eine Kuh, die sich an der “Kuhbürste“ reibt.
Der kleine Finger, der Ringfinger und der Mittelfinder der linken Hand, sind zu einer Faust eingekrümmt. Der Daumen hängt kraftlos an der Seite. Bei der rechten Hand ist der kleine Finger ganz und der Ringfinger zur Hälfte eingekrümmt. Der Daumen und der Zeigefinger sind kraftlos. Ich habe noch genau 3 Finger, mit denen ich arbeiten kann. Ihr fragt euch sicher, wie ich so den PC bedienen kann. Ich benutze eine Bildschirmtastatur. Die Buchstaben werden mittels Mauszeiger ausgewählt und mit der linken Maustaste per Klick geschrieben. Die Maus schiebe ich mit der rechten Hand hin und her. Die rechte Maustaste wird durch den Ringfinger und der Scroller mit dem Mittelfinger bedient. Der rechte Zeigefinger liegt kraftlos auf der linken Maustaste. Darum kommt ihm der linke Zeigefinger zu Hilfe und drückt für ihn die linke Maustaste. Sind diese Drei nicht ein tolles Team? Dem sagt man glaube ich Teamwork. Kompliziert? Versucht es mal.
Meine Rumpfmuskulatur ist noch gut erhalten. Ich habe zwar kein Sixpack, eher ein Schwimmpack. Mit der Rumpfmuskulatur kann ich mithelfen, wenn die Pflegenden mich aufsetzen wollen. Auch für die Balance sind diese wichtig.
Den Kopf kann ich immer noch gut halten. Er fällt weder nach vorne, hinten, noch seitwärts.
Meine Stimme ist leiser und langsamer geworden. Auch versteht man mich nicht immer gleichgut. Zwischen Wörtern und Sätzen muss ich manchmal Pause machen, um Luft zu holen und um mich zu erholen. Das hält mich trotzdem nicht ab, an Diskussionen teilzunehmen. Damit ich auch in Zukunft kommunikationsfähig sein kann, haben wir letztes Jahr ein Kommunikation- und Umfeldkontrollgerät bestellt. Mal schauen, wann es kommt.
Essen und Schlucken geht mit einigen Vorsichtsmassnamen recht gut. Nicht umsonst habe ich Gewichtsmässig so zugelegt. Gell, Franz H.
Meine Atmung ist soweit in Ordnung, sodass ich noch kein Atemunterstützungsgerät benötige. Weder in der Nacht noch am Tag. Mit dem Schlafen funktioniert es bestens. Manchmal ist am Morgen das Kissen feucht. Das bedeutet, dass Speichel vermehrt aus dem Mund, anstatt die Kehle hinunterläuft.
Die anderen Organe funktionieren alle normal.
Mit meiner Psyche bin ich sehr zufrieden. Nicht, dass ich nie schlecht gelaunt bin. Ich bin von Natur aus sehr ungeduldig und wenn mir etwas nicht passt, kann auch ich herumzicken. Das hat aber nicht die Krankheit hervorgebracht. Nein, so war ich schon immer. Wenigstens etwas ist gleichgeblieben.
Nun hoffe ich, dass es die Krankheit auch dieses Jahr gut mit mir meint.
8. Bei der morgendlichen Pflege erzählt mir die Spitexmitarbeiterin, eine ihrer zwei Katzen sei nicht mehr nach Hause gekommen. Sie habe überall gesucht, aber ohne Erfolg. Letztes Jahr musste schon bei einer der beiden Katzen der Schwanz abgenommen werden, weil sie in der Nacht verletzt wurde. Ich hoffe, dass die Katze doch noch nach Hause findet. Sie hängt nämlich sehr an ihren Katzen.
Am Morgen unterbricht Luzia das Bügeln und wir trinken einen Kaffee zusammen. Bei dem einen Kaffee wird es heute nicht bleiben. Den Nachmittag verbringe ich mit meinen Eltern. Sie warten ebenfalls auf wärmere Tage, um wieder nach draussen gehen zu können. Vorerst wärmen wir uns am Urnerkaffee. Am späteren Nachmittag kommt meine Schwester Doris mit ihrem Mann Kurt (Reiskocher-Fahrer) vorbei. Miär hends chogä luschdig. Ich sitze einfach gerne mit lieben Personen zusammen.
9. Heute Samstag findet wieder ein ALS-Selbsthilfegruppentreffen in Zürich statt. Das Treffen wird von der SGMK organisiert. Piet und ich nehmen ebenfalls teil. Alles persönliche was wir in der Gruppe diskutiert wird, sollte nicht nach aussen getragen werden. Damit ihr trotzdem einen Einblick in so ein Treffen bekommt berichte ich, natürlich ohne Namen zu nennen, von diesem Treffen.
Wir, die Betroffene, Angehörige und Freunde setzen sich um einen grossen Tisch. Die Gruppenleiterin beginnt mit der Vorstellrunde. Jeder stellt sich kurz vor. Viele kennen sich natürlich. Dieses Mal ist wieder ein neu Betroffener mit seiner Freundin zu uns gestossen. Er ist noch jung für diese Krankheit. Er hat die Diagnose letzte Woche bekommen. Die beiden haben natürlich viele Fragen. Sie stehen am Anfang eines gewaltigen Prozesses. Wir geben so gut wie wir können Auskunft. Wir erzählen ihnen wie wir den Alltag organisieren. Wir weisen darauf hin, was sie als nächstes angehen müssen. Aber wir wissen auch, dass sie sich zuallererst selbst mit der Krankheit auseinandersetzen müssen. Die Hilfsmittelanschaffungen streifen wir nur kurz. Es wäre zu viel aufs mal. Positiv ist sicher der Bericht einer Teilnehmerin, deren Mann schon seit 30 Jahren mit der ALS lebt. Beeindruckend ist ebenfalls der selbständig Erwerbende der seit 16 Jahren mit der ALS lebt. Er kann sein Glas kaum noch allein zum Mund führen. Trotzdem meistert er sein Leben immer noch allein.
Leider gibt es auch trauriges zu berichten. Die Kerze in der Mitte wird angezündet. Die Gruppenleiterin berichtet uns, dass wieder 3 von uns seit dem letzten Treffen gehen mussten/durften. Ein Witwer und eine Witwe sind am Treffen anwesend. Sie berichten uns über die letzten Stunden ihrer Partner. Es ist eine sehr emotionale Atmosphäre. Wir können in der Gruppe auch offen weinen. Ihr fragt euch sicher, warum tun wir uns das an. Bei diesen Treffen werden wir zu Freunden. Wir lernen so viel voneinander. Zum Beispiel weiss ich nun auch, dass ich nicht Exit beitreten muss. Ein Palliativmediziner kann mir auch helfen, sanft hinüberzugleiten. Und erst noch zu Hause.
Ich hoffe, ihr habt einen kleinen Einblick bekommen.
12. Zuallererst möchte ich mich mal für all die lieben E-Mails, Besuche und Grüsse bedanken. Ich habe lange überlegt, ob es gut ist, mein Leben mittels einer Homepage einem breiteren Publikum zu öffnen. Es birgt gewisse Gefahren. Ich befinde mich stets auf einer Gradwanderung. Wie viel und was gebe ich von meinem Leben bekannt. Was darf ich aus meinem privaten Umfeld preisgeben. Sollte ich jemals einen Beitrag oder ein Bild von jemandem veröffentlichen der das nicht möchte, dann melde dich bitte bei mir. Ich werde es sofort aus der Homepage entfernen.
Sicher habt ihr gemerkt, dass ich im Neuen Jahr die Tagebucheinträge von Unten nach Oben schreibe. Die neuesten Einträge sind also zuoberst. Dadurch seht ihr sofort, ob ich einen neuen Beitrag geschrieben habe. Ich bin immer noch am Gestalten / Umgestalten der HP. Ich lerne immer mehr dazu. Dem sagt man: Learning by doing.
Ich freue mich, wenn euch meine Beiträge weiterhin erfreuen.
13. Mir scheint, meine ganze Umgebung ist erkältet. Einige Husten, den andern läuft die Nase und wieder andere haben Schweissfüsse. Kann mir mal jemand sagen, warum die Nase läuft und die Füsse riechen. Sollte das nicht umgekehrt sein? (Habe den Text geklaut). Ist aber gut, oder?
Nach dem Mittagessen bringt mich Piet zum Coiffeur. Da man in diesem Salon leider keine Termine abmachen kann, versucht man es auf gut Glück. Heute muss ich 50 Minuten warten, bis ich drankomme. Macht nichts, ich habe massenhaft Zeit. Da ich in keinen Zeitschriften blättern kann, konzentriere ich mich halt auf mein Gesicht im Spiegel. Was sehe ich da? Mein Gesicht ist runder geworden. Meine Lieder sagen den Augen auch bald gute Nacht. Meine Hamsterbacken sind reichlich gefüllt. Bald habe ich drei Kinn. (Mehrzahl von Kinn?) Obwohl ich sehr viel lache, hängen meine Mundwinkel ganz schön nach unten. Mein Halslappen wackelt verdächtig. Es sieht aus, wie bei einem Chamäleon. Ich glaube, ich muss mal einen Service machen.
Nun kommen aber zuerst mal meine Haare dran. Ich erzähle der Coiffeuse, dass ich es geniesse, wenn mir jemand den Kopf massiert. Ihr glaubt es nicht. Von nun an werde ich von der Coiffeurin verwöhnt. Ich bekomme das volle Programm. Mehrmaliges Haarewaschen, Kopfmassage, Einmassieren von Pflegeprodukten und so weiter. Sie hat sich den ganzen Nachmittag nur mir gewidmet. Für das Geschäft war ich sicher nicht kostendeckend. Es gibt immer noch Menschen, denen das wohl ergehen Anderer vor dem eigenen Profit stehen. Ich habe das so genossen.
15. Vor einigen Minuten habe ich, wie an den meisten anderen Tagen, die Sendung Küchenschlacht auf ZDF geschaut. Ihr müsst euch die Sendung mal anschauen. Da kochen jeweils 6 Amateurköche gegeneinander. Jeden Tag scheidet einer aus. Geleitet wird das Kochen von jeweils einem Profikoch. Der Juror ist ebenfalls ein Profikoch. Je nach Zusammenstellung der Teilnehmer, kann eine unterhaltsame Runde entstehen. Wenn der Profikoch noch Hensler heisst, wird es besonders spassig. Ich habe mich heute wieder köstlich amüsiert. Beim Zuschauen kann es vorkommen, dass man Gluscht auf etwas zu Essen bekommt. So auch bei mir. Da steht doch prompt eine Glasschale auf unserem Salontisch. Diese ist mit lauter verschiedenen Weihnachtsschogälädäli gefüllt. Sehnsüchtig schiele ich auf die Schale. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Nützt alles nichts. Diese Süssigkeiten zu erreiche ist für mich nun mal ein Ding der Unmöglichkeit. Macht nichts, hab sowieso zu viel Hüftspeck. Gell, Franz H. Nehme trotzdem am Abend zwei.
Der Morgen fing heute schon spassig an. Die Spitexmitarbeiterin und ich machten nämlich da weiter, wo wir Gestern aufgehört haben. Wir haben uns Gestern gegenseitig aufgezogen wegen diesem und jenem. Als sie Heute schwarz gekleidet und mit einem knallgrünen Pullover erscheint, da fällt mir natürlich nichts Schläueres ein als Giftzwerg. Die Strafe folgt sogleich. Ich werde mit eiskalten Händen angefasst. Das Geplänkel geht wieder von vorne los. Wir einigen uns, dass ihre schwarzen Kleider den Winter und somit die Kälte symbolisieren. Der hellgrüne Pullover jedoch für den aufkeimenden Frühling und somit für die wärmere Zeit steht. Es ist so schön Spass zu machen.
16. Heute Nacht um 3.30 Uhr werden wir durch den Telefonanruf unseres Sohnes aus dem Schlaf gerissen. Er informiert uns, dass er das Nasenbluten nicht mehr stoppen könne. Peter ist schon die ganze Woche erkältet. Am Mittwoch musste er sogar am Mittag die Schule abbrechen. Als er am Freitagmittag erzählt, dass er am Morgen wegen Nasenbluten von der Sanität versorgt werden musste, riet ich ihm beim Hausarzt einen Termin zu verlangen. Am Nachmittag blutete die Nase wieder. Beim späteren Arztbesuch erhält er blutstillende Watte. Es sei wahrscheinlich vom vielen Schnäuzen ein Äderli geplatzt. Mit dem Blut sei alles in Ordnung. Gefährlich sei so etwas nicht. Am Abend hat er wieder Nasenbluten. Er kann es mit der Watte in Zaun halten. In der Nacht jedoch kann er es nicht mehr stoppen. Piet telefoniert mit dem Pikettarzt. Der schickt die beiden in die Notaufnahme des Spitals. Dort stellt man fest, dass sich der Blutaustritt weit hinten liegt. Nun werden ihm unter leichter Narkose, in beide Nasenlöcher, eine Tamponage gesteckt. Die müssen nun bis Dienstag drinbleiben. Gleichzeitig muss er Antibiotika schlucken, um den Infekt zu bekämpfen. Es ist nicht gefährlich, aber unangenehm. Piet hat heute den ganzen Tag Krankenschwester gespielt. Nun hoffen wir, dass diese Nacht ruhiger verläuft.
18. Peter kann endlich wieder durch ein Nasenloch atmen. Vor einer Stunde wurde ihm wegen Schmerzen wenigstens eine Tamponage entfernt. Die andere wird Morgen entfernt. Wir hoffen, dass es dann endlich abheilt. In den vergangenen 3 Tagen konnte er kaum etwas essen und trinken. Die Nase tropfte andauernd und die Speichelproduktion lief auf Hochtouren. Er konnte schlecht schlafen. Und das alles wegen Nasenbluten, wahrscheinlich ausgelöst durch starkes Schnäuzen.
Morgen kocht Piet jedenfalls ein saftiges Steak.
Zum Glück haben wir so einen fürsorglichen Betreuer.
19. Judihui! Die Nasentamponaden sind draussen. Nach dem Veröden von Äderchen, sollte die Nase nun halten. Peter darf noch 3 Tage nicht arbeiten. Die sportlichen Aktivitäten darf er ebenfalls nur langsam angehen. Das Ganze hat auch etwas Gutes. Ich verbringe gemütliche Nachmittage mit meinem Sohn.
Am späteren Nachmittag klingt Lachen aus unserer Küche. Myrtha, eine treue Freundin, ist zu Besuch. Der Schalk sitzt ihr buchstäblich im Nacken. Mit ihr hat man immer etwas zu lachen. Sie ist nicht grad grossgewachsen. Mit ihren Hexenschühchen (High Heel mit vorne zulaufender Spitze) erreicht sie jedoch eine stattliche Grösse. Myrtha, wie war das noch mal? Mehr arbeiten, weniger flirten oder mehr flirten, weniger arbeiten. Oder kannst du ämänd beides zusammen?
21. Irgendwie hat diese Woche Spuren hinterlassen. Ich bin den ganzen Tag müde. Muss glaube wieder vermehrt ein Mittagsschläfchen einlegen.
Diese Woche schrieb ich ein Mail an den Chef vom Tiefbauamt Uri. Ich will von ihm wissen, an wen ich mich wenden kann, wenn sich auf Strassen mit Langsamverkehr Probleme für Rollstuhlfahrer ergeben. Ich habe ihm dabei gleich auf ein bestehendes Problem aufmerksam gemacht. Bin gespannt, ob ich eine Antwort bekomme.
In der Migros Zeitung von dieser Woche ist ein interessanter Bericht eines ALS-Betroffenen. Wir kämpfen an vielen Fronten, um das Verständnis für ALS zu fördern. Es kann nämlich jeden treffen. Egal, wie gesund man lebt.
22. Ich bin gemütlich am Fernsehguggä, da erscheint meine jüngste Schwester Doris. Ich merke sofort, sie hat etwas auf dem Herzen. Sie hat die Tagebucheinträge dieser Woche gelesen. Nun fragt sie mich, wie sie Piet entlasten kann. Sogleich engagiere ich sie für einige Arbeiten, welche wir nächstens erledigen möchten. Bei uns gibt es immer etwas zu tun. Solche spontane Hilfe schätzen wir sehr. Danke!
Doris hat noch alte Fotos von uns dabei. Sie hilft mir, diese Einzuscannen. Wollt ihr eines sehen.
25. Heute erhielt ich Antwort vom Tiefbauamt Betreff meiner Anfrage vom 19.01.10
Der Inhalt lautet;
«Im Auftrag von ….. Kantonsingenieur bestätige ich Ihnen den Eingang ihres E-Mails. Herr ….. hat ihre Nachricht und ihre Homepage gelesen und möchte Ihnen zur Gestaltung und den Inhalt gratulieren.
In den nächsten Tagen wird Herr ….. mit Ihnen telefonisch Kontakt aufnehmen, um mit Ihnen das weitere Vorgehen zu besprechen.»
Ich hätte nicht gedacht, dass auf mein Anliegen eingegangen wird. Ich weiss zwar noch nicht was dabei herauskommt. Ich finde einfach, man darf nicht einfach die Faust im Sack machen. Wenn man etwas verändern will, muss man auch reagieren.
26. Am Dienstagnachmittag schauen Erika und ich gemeinsam einen Film im Fernsehen über ALS-Betroffenen. Ich staune selbst immer wieder über den Lebenswillen, welche einige Betroffene besitzen. Nur überleben zu können dank Maschinen, Hilfsmitteln und ständiger Betreuung, Ich weiss nicht, ob ich es so weit kommen lassen werde. Hut ab für euren eisernen Willen.
27. Eine Nachbarin kommt mich besuchen. Sie darf dieses Jahr ihren 80 Geburtstag feiern. Diese Frau hat meine Bewunderung. Sie organisiert und verrichtet ihren Alltag völlig selbstständig. Ich kenne wenige Personen, die dem Neuen so aufgeschlossen sind wie sie. Ich muss ihr zeigen, wie ich mittels PC, Zeitungen lesen kann. Beim gemütlichen Zusammensitzen erzählt sie mir ausserdem von Früher. Besonders interessant sind für mich Geschichten aus unserem Quartier. Es ist ein gemütlicher, informativer Nachmittag.
28. Äs isch so scheen. Alles isch wies. D’Schneeflockä danzit vom Himü. Am liebschdä wed ich jetzt midem Rollstüel üsä ga und gah umäfahrä. Zu miem Rolli gäbs sogar Chedänä. Friäner han ich immer mit dä Chind einä bis zwee Schneemannä/Freuwä ufum Rasä gmacht. Aber bi derä Chäldi liengdi mich dr Piet sowieso nid früsä (nach draussen). Wenn ich nämlich einisch Durägfrorä bi, de chamä mich chüm meh üfwermä. Ja nu, lüeg ich haut zum Fenschder üsä. Sicht wird zwar vo grossä, farbigä Komfedi igschränkt. Mini Schwägeri Luzia chunt ja immer am Donschdigmorget cho gleddä. Ich weiss nid, wo sie diä Energie härnimt. Zerscht het sie iserä Parkplatz und dr Igang friegschüflet. Nachhär hed sie d’Wesch gledet und nu ziet gfundä, um ieseri Fänster fasnächtlich z’dekorierä. Ich cha nur sägä, Pauer Freui.
Dr’Piet het hitt scho friä usem Hüs miessä. Schneeschüflä isch agseit. Äs wird ä langä Arbeitsdag.Eui dr Junior müess hit länger schaffa.
Vor iserem Hüs tirmt sich dr Schnee. Wer mag ächt hit nu schüflä? Ihär gläubets nit. Wo diä zwee Mannä heichämet, sind Parkplätz und dr Igang frii gschüflet. Miär hend kei Ahnig, wer das gmacht het. Faufäu, vielä, vielä Dank.
Dr Piet isch ä so mied gsie, mier sind am Nini scho im Bett gsi. Scheen isch dr Schnee aber trotzdäm.
Morä schrieb ich de wieder Hochdietsch.
FEBRUAR
6. Halli, Hallo, ich bin wieder da. Ich habe lange nichts mehr geschrieben. Die Wetterkapriolen haben meinem Kopf ganz schön zugesetzt. Seit Sonntagabend findet in meinem Kopf ein Kampf statt. Die Kämpfer: Auf der linken Gehirnhälfte befindet sich Kämpfer Schmerz. Auf der rechten Seite sein Gegner Schmerzfrei. Sie liefern sich einen erbitternden Kampf. Wenn der Schmerzkämpfer den Vorschlaghammer einsetzt bin ich für nichts zu gebrauchen. Dann liege ich nur noch rum. Sobald aber der Schmerzfreikämpfer seine Medizin einsetzt, kann ich mich wieder ein wenig meiner Arbeit widmen. Einmal gewinnt der Eine, mal der Andere. Der Kampf zieht sich nun schon über 4 Tage hin. Endlich, heute Donnerstagabend geht es in die entscheidende Runde. Der Schmerzkämpfer greift an, schmerzfrei wird in die hinterste Ecke gedrängt. Im letzten Moment greift schmerzfrei zum Mittel Föhn. Der Föhn bläst den Schmerzkämpfer aus dem Ring und somit aus meinem Hirn. Das Gute hat wieder mal gewonnen.
Während dieser Zeit war ich aber nicht ganz untätig.
Ich habe Termine vereinbart, Abklärungen gemacht, natürlich via E-Mail.
Abklärung Rollstuhlgerechter Eingang Drogerie Baumann
https://mail.google.com/mail/?hl=de&shva=1#label/Belege/1268e3b308fd9cbf
Terminvereinbarung: Am 10.02. bekomme ich endlich mein Kommunikationsgerät mit integrierter Umweltkontrolle. Werde euch dann berichten.
Das absolute Highlight der Woche war der Besuch von zwei Herren vom Tiefbauamt Uri. Ich habe ja schon geschrieben, dass ich betr. Rollstuhlhindernisse auf Urner Strassen mit ihnen Kontakt aufgenommen habe. Ich wurde von Ihnen über ihren Zuständigkeitsbereich informiert. Sie haben meine Anliegen und Anregungen aufgenommen und mir gesagt, dass sie alles prüfen würden. Sie haben ebenfalls erwähnt, dass Sie wieder vermehrt ein Augenmerk auf hindernisfreies Bauen legen werden. Ich muss euch sagen, ich fühlte mich ernst genommen. Meine Herren, danke vielmal.
Wisst ihr was mich auch noch beeindruckt hat? Bevor sie gingen, wurde ich gefragt ob sie für mich noch etwas machen könnten. Ein Glas Wasser holen oder sonst etwas. Es ist eine Kleinigkeit, aber gerade diese Kleinigkeiten, bereichern unser Leben. Man, ist das Leben schön.
Wir wurden auch diese Woche wieder mit Süssem verwöhnt. Ich stürzte mich auf die Urnerpastete und Piet auf die feinen Muffins mit Ananasstückchen. Danke den Bäckerinnen.
7. Hab heute den Frühling gesehen. Wir waren kurz im Tessin. In Airolo liegt zwar noch viel Schnee. Dank dem Nordföhn kletterte das Quecksilber aber in Faido auf ca.14°. Die Sonne hat schon gewaltig Kraft. In der Nähe von Locarno haben wir folgendes Bild geschossen. Tessinerpalmen und schneebedeckte Bergspitzen.
9. Heute beginnt in meiner Gemeinde die Fassnacht. Am Abend ist Eintrommeln. Die Katzenmusik zieht ums Dorf. Darum habe ich mir für Heute etwas vorgenommen. Ich will die Spitex verarschen. Als am Morgen Luzia von der Spitex in mein Zimmer kommt und nach meinem Befinden fragt, sag ich ihr ich müsse ihr etwas sagen. „Wenn du nun meine Decke hochhebst darfst du nicht erschrecken. Gestern ist etwas mit meinen Händen passiert. Sie sehen nicht so gut aus. Also erschrick nicht.“ Vorsichtig hebt Luzia die Decke um diese gleich wieder lachend fallen zu lassen. An beiden Händen trage ich riesengrosse Gummifinger a la Frankenstein. Piet hat sie mir am Morgen angezogen. Strafe muss sein. Luzia von der Spidi hat nämlich von heute an Fassnachtsferien. Und ausserdem, ein bisschen Spass soll erlaubt sein.
Früher war ich in der Katzenmusikgesellschaft und hab selbst mitgetrommelt. Ich war gerne ein Maskerad. Die meisten Kostüme habe ich damals selbst geschneidert. Ich finde, einmal im Jahr darf man ruhig spinnen. Ausserdem habe ich mich an der Fassnacht vor 32 Jahren am FEMU-Ball in meinen Mann verliebt.
Nun hoffe ich, Väterchen Frost ist ein wenig gnädig mit den Fassnächtlern.
15. Hallo meine lieben Freunde. Ich bin wieder einigermassen auf dem Damm. Nun hole ich den Valentinstag nach und sage Euch vielmals danke für die Mails, Gästebucheinträge, die Grüsse und lieben Worte, für die schönen Gesten und für euer Lächeln, das ihr mir das ganze Jahr zukommen lasst. Ich danke euch vielmal.
Soeben ist unser Kinderfasnachtsumzug in der Nähe unseres Hauses vorbeimarschiert. Ich würde gerne teilnehmen. Aber obwohl die Sonne wunderschön vom Himmel lächelt darf ich nicht ins Freie. Die Erkältung, die mich am Mittwochabend beim Ytrummeln in Altdorf eingefangen hat, lässt mich immer noch nicht ganz los. Dabei füttere ich sie wacker mit Nasenspray, Vicks, Tee und Wärme. Ich glaube langsam, der Erkältung gefällt es bei mir. Muss mir wohl noch was überlegen.
Früher hat uns unsere Mutter immer für den Kinderumzug Gwändli (Kostüme) genäht. Nach dem Umzug erhielten alle teilnehmenden Kinder ein Säckli. Darin befand sich eine Orange, ein Mutschli (Brötchen) und ein Cervelat. Danach fand im Restaurant Krone der Kinderball statt. Am Abend durften dann auch die Erwachsenen das Tanzbein schwingen. Aus Platzgründen findet dieser Anlass inzwischen in der Mehrzweckhalle statt. Dieses Jahr findet zusätzlich ein Scheesälirännä (originell gestaltete Kinderwagen) statt. Wäre sicher lustig. Freue ich mich halt aufs nächste Jahr.
16. Kalt und dunkel ist es Draussen
Leiser Wind durch Lüfte wandelt
Tönen nun von Ferne her
Schwere Schritte immer mehr
Trommelwirbel in den Gassen
Schwarze Männer, grimmige Masken
Schweres auf ihren Schultern lastet
Schreiten sie dem Galgen zu
Aufgeknüpft am Seile hangend
Er dann gleich auch Feuer fange
Trommelwirbel immer schneller
Lichterloh er nun auch brenne
Heller Schein und ein Geknalle
Explodiert am Fasnachtsgalgen
Trommelwirbel nun verstumme
Fort nun sei der Lumpenhund
17. Am Morgen ist meine Nase immer noch verstopft. Beim anschliessenden Nasenputzen kommt so viel Ware runter, dass ich mich fragen muss, wo das Alles herkommt. Ich kann nur hoffen, dass keine Hirnmasse dabei ist. Das wäre gar nicht gut. Mein Hirn ist nämlich eines der Wenigen Dinge, die bei mir noch normal funktionieren. Da meine Lunge nur noch etwa 50 % ihrer früheren Kapazität besitzt, muss versucht werden meine Atemwege möglichst freizuhalten. Darum werde ich von der Spitex reichlich mit Vicks an Rücken, Brust und Hals eingerieben. Am Mittagstisch erzähle ich Piet von meinen Befürchtungen apropos Hirn. Er meinte dann nur gelassen. Bei dickflüssiger Masse könne es nicht Hirnmasse sein. Bei mir würde in diesem Fall lediglich Wasser kommen. Was soll ich da noch sagen?
Meine Eltern besuchen mich am Nachmittag. Wir diskutieren über die Olympiade. Mein Vater beschreibt uns die Gegend von Vancouver und Umgebung. Er war vor Jahren mit meiner Schwester Doris in Kanada unterwegs. Später schaut noch meine Schwester Bernadette vorbei. Wir haben es recht gemütlich bis ein Kuchenbrosmen (krümel) bei mir einen Hustenanfall auslöst. Für mich bedeutet das; Erhöhte Speichelbildung, Brechreiz und somit Atemnot. Für meine Besucher bedeutet das; Erschrecken, Hilflosigkeit und Unsicherheit was zu tun ist. Für Jemanden der das zum ersten Mal miterlebt ist es sicher nicht angenehm, mit anzusehen wie ich versuche meine Atemwege freizubekommen. Ich huste dann, es läuft Speichel aus dem Mund, manchmal fängt die Nase an zu laufen, die Augen tränen und manchmal muss ich brechen. Der Spuck dauert meistens nicht lange. Piet hat mir einmal gesagt, ich schaue ihn jeweils mit grossen flehenden Augen an mir zu helfen. Ich habe auch nie Angst vor dem nächsten Mal. Ich sage mir, es reicht Angst zu haben, wenn es wieder soweit ist. Schwesterchen du hast es Super gemacht.
Sorry Piet, dass ich dir den Schnupfen angesteckt habe.
20. Mit Nasenspray in allen 4 Nasenlöchern, mit einem Liter Tee und mit der von Peter gemachten Anken suppe machen Piet und ich uns für den Abend fit. Jeder von uns hat heute Abend etwas vor. Im Muotathal spielt die Rockband Rhino Booket. Piet wurde von einem Freund zu diesem Konzert eingeladen. Und ich habe für heute Abend ein Schwesterntreffen organisiert. Zuerst treffen wir uns bei mir zu Hause zum Apero. Danach gehen wir in die Burg zum Nachtessen. Als wir den Treppenlift betätigen wollen, funktioniert er nicht. Nicht verzagen, Leute fragen. Mit vereinten Kräften werde ich die Treppen hinaufgezogen. Endlich können wir an unserem Tisch platznehmen. Nun beginnt der gemütliche Teil. Was ist, wenn 5 Frauen die Arme weit von sich strecken, um die Speisekarte lesen zu können. Sind sie etwa zu eitel ihre Lesebrillen aufzusetzen. Wenn man aber trotz Brille nichts auf dem Handydisplay erkennen kann, muss es nicht unbedingt an den Augen liegen. Vielleicht sollte man das Handy einfach zuerst einschalten, gell Hedy. Plötzlich liegen Lippenstifte, Kugelschreiber und Pillendöschen auf dem Tisch. Nun werden Schminktipps ausgetauscht, Farben analysiert, Kugelschreiber getestet und über die Einnahme von Medikamenten gefachsimpelt. Zwischendurch wird die Vorspeise, der Hauptgang und obwohl wir eigentlich satt sind, ein Dessert serviert. Obwohl wir keinen Schluck Alkohol trinken, erzählt Hedi plötzlich von Pflanzen die angeblich die Blauzungenkrankheit haben. War etwa im Coup-Burg doch Alk drin? Oder hat dich der rosa-, braune-, violette-, Lippenstift so verwirrt? Zum Kaffee gehen wir wieder zu mir nach Hause. Weil der Lift immer noch nicht funktioniert, muss halt der Burg-Hansi helfen mich runter zu tragen. Zuhause fallen wir über unsere Kindheit her. Lachen mussten wir, als wir uns bildlich vorstellten, wie Bernadette und Marie-Theres aussahen, als sich direkt an der Stirn die Fransen schnitten. Doris beklagt sich bei Hedy, sie habe ihr die Stirnfranseln zum ersten Schultag so furchtbar geschnitten, dass sie sich geschämt habe. Aber du hast das damals sicher mit deinen süssen Bäckchen wettgemacht, gell Mügerli. Ich muss noch zwei Suchmeldungen durchgeben. Vermisst wird eine Puppe ca. 40 cm gross, mit langen, blonden Zöpfen und ein offener, rosafarbiger Puppenwagen mit fehlendem Rad. Zum Glück habe ich mein Teddybär, frühzeitig zu meinem Eigentum erklärt und ihn so vor fremdem Zugriff gesichert. Ich habe diesen ihn heute noch. Ich finde es schön mit meinen Schwestern über unsere Kindheit, unsere Leben zu berichten. Wir werden in keinen Geschichtsbüchern vorkommen. Und trotzdem werden wir Geschichte schreiben. Es ist nämlich unsere Geschichte. Es ist meine Geschichte.
Danke, es war ein schöner Abend.
Später kommt Piet nach Hause. Er ist heiser und sein Gehör hat ein wenig gelitten. Auch für ihn war sein Abend ein voller Erfolg.
19. Gestern habe ich den ganzen Nachmittag geschlafen. Die Putzfrau hat um mich herum geputzt, ich habe nichts mitbekommen. Ich liebe ja alle Jahreszeiten, aber Heuer scheint mir der Winter gar artig lang zu sein. Sollte der nächste Winter wieder so lange dauern, werde ich mir eine Höhle suchen, um einen Winterschlaf abzuhalten. Hamsterbacken besitze ich nämlich schon.
Obwohl Piet auch erkältet ist, liess er es sich nicht nehmen, die Swiss Performance (Töffausstellung) in Zürich zu besuchen. Mein Mann liebäugelt nämlich mit einer schnelleren Maschine. Grrrr….
Heute muss Peter für mich sorgen. Für Piet ist es sicher eine Entlastung, zu wissen, dass ich gut versorgt werde. Somit kann er sich auch mal einen Tag gönnen.
Ich habe noch etwas Wunderschönes zu berichten. Eine meiner Nichten hat meine Eltern zum ersten Mal zu Urgrosseltern gemacht. Herzlich willkommen in unser Familie Kleine Giulia.
23. Etwas Warmes kitzelt mich an der Nase. Nein, es ist keine Hundeschnauze. Es ist ein Sonnenstrahl der vorwitzig durch eine Vorhanglitze blinzelt, um mir guten Morgen zu sagen. Liebe Sonne, wie habe ich deine warmen Arme vermisst. Ich freue mich so, wenn du bald Alle ausstreckst, um mich damit zu umschliessen. Bald werde ich wieder mit dir Ausflüge unternehmen. Ich weiss du wirst für mich die Blumen zum Blühen bringen. Ich habe heute von unserem Küchenfenster aus, bereits zwei gelbe Blümchen entdeckt. Für uns ALS’ler ist es nämlich nicht selbstverständlich, dass wir den Winter unbeschadet überstehen. Manchmal frage ich mich schon, ob ich wohl im nächsten Jahr auch wieder alle Jahreszeiten miterleben darf. Wahrscheinlich wurde meine Naturverbunden dadurch noch verstärkt, weil ich am eigenen Körper miterlebe, wie vergänglich alles ist. Flora und Fauna sind zu meinen besten Seelentröstern geworden. Sie geben mir Frieden und Kraft. Darum freue ich mich so, sie wieder begrüssen zu können. Das Leben ist so wunderschön.
Der Winterling ist mit dem Schneeglöckchen zusammen die erste Frühlingsblume, deren Blüten oft schon im Januar zu beobachten sind.
21. Piet und ich liegen um 4.00 Uhr noch wach. Wahrscheinlich sind wir noch zu sehr aufgedreht. Nächstes Mal sollten wir es wie meine Eltern machen. Nämlich aufstehen und zusammen ein Gläschen Schampus trinken. Muss mir das hinter die Ohren schreiben.
Dank dem Föhn ist heute ein wunderschöner Tag. Die Sonne scheint und die Temperaturen klettern auf +10°.
24. Am Nachmittag erhalte ich noch mal Besuch von der Firma activcomunication. Wie ich euch schon mitgeteilt habe, muss ich mir ein Kommunikatins-,Umfeldkontrollgerät zu legen. Ich habe mich für das Tobii C8 entschieden. Dies soll meine Kommunikation mittels Sprachausgabe unterstützen. Auch kann ich alle Geräte die mittels einer Infrarotbedienung (TV, Hifi usw.) zu bedienen sind, mit dem Gerät ansteuern. Ich kann SMS verschicken und kann damit sogar telefonieren. Ich werde das Gerät vorwiegend mit einer Kopfmaus bedienen. Das heisst, ich trage auf der Stirn einen reflektieren Punkt. Der Punkt wird mittels Kamera, die am Gerät befestigt ist, aufgefangen und umgewandelt. Heute werden noch Anpassungen gemacht und Halterungen am Rollstuhl befestigt. Ich hoffe, ich kann das Gerät bald auch im Freien testen. Bin gespannt, wie die Leute reagieren, wenn Sie von einer Computerstimme angesprochen werden. Ich hoffe nur eins, dass das Gerät meine Offroad-Touren mitmacht. Ich möchte euch allen danken, denn durch eure Hilfe, kann mir die IV dieses Gerät zur Verfügung stellen. Somit bin ich weniger auf Fremdhilfe angewiesen.
25. Ich schlafe noch gemütlich. Plötzlich höre ich wie zwei-, dreimal mein Name gerufen wird. Träume ich? Nun sagt eine Stimme vor meiner Zimmertür. Rita, die Maler sind da. Können wir in den anderen Zimmern anfangen die Fensterbrüstungen zu streichen. Ich antworte ganz verschlafen mit einem Ja. Nun warte ich auf die Spitex. Hoffentlich kommt sie bald. Ich möchte nämlich nicht unbedingt, dass mir ein Maler ins Zimmer platzt. Die Morgentoilette fällte Heute sehr kurz aus. Als wir nämlich ins Bad wollen, steht vor dem Fenster ein Maler auf der Leiter. Also verziehen wir uns in das untere WC. Leider ist dort die Toilettenschüssel tiefer. Die Spitex schafft es nicht, mich wieder hoch zu hieven. Zum Glück ist meine Bügelfrau zur Stelle. Mit vereinten Kräften schaffen sie es, mich aufzustellen. Bin ich froh. Wäre schön peinlich gewesen, die Maler um Hilfe zu bitten. Spass hatten wir aber trotzdem dabei. Kurz vor dem Mittag kommt mein Hausarzt für den Quick vorbei. Seid der Lungenembolie wird mein Blut verdünnt und muss darum jeden Monat kontrolliert werden. Durch diese Besuche hält er sich auch auf dem laufendem, wie es um meine Gesundheit steht. Finde ich gut. Mein Hausarzt ist ursprünglich ein Bündner. Als wir so über die Olympiade fachsimpeln meint er, dass wieder ein Bündner die Kohlen für die Schweiz aus dem Feuer holen musste. Ich finde, da muss er aufpassen. Waren es nicht die Bündner, die anfänglich zu Uri gehören wollten. Weil wir sie aber nicht hier haben wollten, mussten sie sich eine andere Gegend suchen. Sie liessen sich ähnä (nach) am Oberalp nieder. Als die Rehe die Menschen kommen sahen, seien diese so erschrocken, dass ihnen riesengrosse Hörner wuchsen. (by piet)
Ich finde unsere Sportler machen ihre Sache gut.
26. Gestern Abend ging ich früh zu Bett. Ein leichtes Kopfweh machte sich bemerkbar. Ist ja logisch. Der Föhn ist wieder mal im Anmarsch. Ich liege also im Bett und schaue TV. Plötzlich wird der Föhn stärker. Er bläst durch mein halb geöffnetes Fenster. Vor meiner Zimmertür tobt und heult es. Die Türe rüttelt, als wolle jemand hineinkommen. Ein Luftzug zieht unter meinem Bett durch und wackelt an meinem Bett. Ich komme mir vor wie in einem Geisterfilm. Früher habe ich viele Romane gelesen, in denen Burgen, Schlösser mit Verliesen und Geheimgängen vorkamen. Meistens war da auch von einem Schlossgeist die Rede. Ich fühle mich mitten in solch einer Geschichte. Es ist ein wenig beängstigend und trotzdem irgendwie belustigend. Was alte Häuser so im Petto haben. Irgendwann beginnt es zu regnen und der Föhn lässt nach.
Am Morgen müssen wir wieder pressieren. Ich kann den Treppenlift nur bis 10.30 Uhr benutzen. Heute wird der Liftservice gemacht. Da sieht man wieder, wie ich auf den Lift angewiesen bin. Zum Glück hat er mich noch nie im Stich gelassen. Sonst müsste ich wohl auf dem Treppengeländer hinunter sausen, wie das kleine Hippi-Gespenstli von Peter Reber.
27. Eigentlich möchte ich noch schlafen. Als Piet erwähnt, dass draussen die Sonne scheint, gibt es für mich kein Halten mehr. Ich bin schnell angezogen. In der Küche wartet ein Macchiato und frische Gipfeli auf mich. Wer hat’s gemacht? Nein, nicht die Schweizer. Es war der Piet. Danach werde ich in den Aussenrollstuhl verfrachtet und es geht nach draussen. Oh, endlich wieder in der freien Natur. Ich beäuge meine Umgebung. Ich treffe auf Winterlinge, Schneeglöckchen, Geissenblümchen und einzelne Krokusse. Am Himmel zieht ein Milan seine Kreise. Ein Spatzenweibchen baut in unserer Hecke bereits ein Nest. Die Bergdohlen sitzen auf den Hausgiebeln und hoch oben auf unserem Weidenstrauch singen Zilpzalp aus voller Kehle. Ich fühle mich wunderbar. So müssen sich Tiere fühlen, nach ihrem Winterschlaf. He, Frühling, wir sind da.
Am Nachmittag mache ich in Begleitung von Piet meinen ersten Rolliausflug im Jahr 2010. Der erste Ausflug führte uns über den Hochweg. Die Strecke ist in gutem Zustand. Es war so schön. Welt du hast mich wieder.
28. Äs pifft und ridlet undrum Dach
Dr Feen isch innä ghit dr Nacht
Äs isch keis schlafe i derä Nacht
Är ischs, wo is so gschdurä macht
Äs Fenster schletzt, ä Balkä kracht
Und Ziägu riglets abbum Dach
Jetzt liggäts dunnä ufum Rasä
und är düed eifach wietter blasä
Herr ändlich üf, ies so feschts z’plagä
Miär hend jetzt gnüeg, dü chasch jetzt gah
Jetzt ändlich lad är sich la gah
Sini gwaldi Kraft hed ihn verlah
MÄRZ
3. Ich hatte mir vorgenommen, heute Nachmittag nach draussen zu gehen. Darum hat mir die Spitex am Morgen wärmere Kleider angezogen. Ich muss jeweils bereits am Morgen entscheiden, ob ich im Haus bleibe oder nach draussen gehe. Besonders in der Übergangszeit ist es wichtig, die richtige Kleiderwahl zu treffen. Piet hat in der Mittagspause nicht noch Zeit, mich umzuziehen. In solch einem Fall wünschte ich mir manchmal, ich könnte eine Person anstellen, die mir hilft, meine Bedürfnisse umzusetzen. Aber dafür ist der Gesetzgeber noch nicht ganz bereit.
Leider hat sich die Sonne am Mittag verzogen und somit ist es für mich draussen zu kalt. Also habe ich Zeit, meine HP ein klein wenig aufzumotzen.
6. Ich sitze im Büro am Fenster. Die Schneeflocken fallen wie Wattebausche vom Himmel. Ich sehe, wie sich einige vorwitzig auf die Fensterbrüstung setzen. Habt ihr schon mal eine Schneeflocke genau betrachtet. Für mich sehen sie wie Bergkristallspitzen aus, die sich zu einer Formation zusammengefunden haben. So rein und unschuldig. Ein Bergkristall braucht viele, viele tausend Jahre zum Entstehen und strahlt dafür für immer. Eine Schneeflocke kann von einer Minute zur Anderen entstehen. Ebenso schnell kann sie wieder vergehen. Kurz vor ihrem verschwinden wird sie so klar wie ein Bergkristall. Wunderschön.
Nun kommt ein Blizzard auf. Eine Möwe versucht gegen den Wind zu fliegen und eine Ente nutzt den Wind für ihre Richtung. Anscheinend macht es ihr Spass. Sie schnattert aus voller Kehle.
Nun kommen die Segler. 20 - 30 Bergdohlen lassen sich vom Wind durch die Luft tragen. Bergdohlen trifft man glaube ich nie einzeln an. Sind das eventuell Herdentiere? Sie können schön laut werden, wenn sie einander das Fressen abjagen. Eigentlich hätte ich gerne wieder Futter hinausgetan. Doch mein Mann meinte kürzlich, die Amseln seien so dick, ihn würde es nicht verwundern, wenn diese vom Himmel fallen würden.
Ich habe mich so auf den Frühling gefreut. Aber wenn alles weiss ist, sieht es halt schon auch schön aus. Schade ist es halt, dass es gar so kalt sein muss. Die Natur braucht aber diese Kälte, um das Ungeziefer auf natürliche Weise zu reduzieren.
Mein Mann war früher ein begeisterter Skifahrer. Seid er aber Abwart ist und er für die Schneeräumung verantwortlich ist, ist ihm die Lust auf Schnee abhandengekommen.
Heute ist er wieder den ganzen Tag im Einsatz.
Peter kam gerade vorbei, um mir etwas zu Essen zu geben. Er darf nur kurz bei mir sein. Sein Magen-Darmgrippe ist zwar am Abklingen, aber Vorsicht ist trotzdem geboten. Ich kann mir ausmalen, wie es sein würde, wenn ich diese Grippe bekommen sollte. Da ich nicht mehr zu den Schnellläufern gehöre, würde ich mich glaube, während dieser Zeit auf der Toilette einrichten.
Nun habe ich gerade die Herrenabfahrt geschaut. Unser Cuche war wieder super in Form. Liegt sicher an seinem Ovomaltinen-Helm.
Jetzt hat gerade die Sonne hereingeschaut und es hat aufgehört zu schneien. Nun trauen sich auch die Meisen und die Spatzen wieder herumzufliegen.
Jeah, Piet kommt nach Hause. Es gibt s’Zabig. (Zwischenmahlzeit am Nachmittag).
Als nächstes gehe ich das Fernsehprogramm strapazieren.
7. Heute kann ich lange ausschlafen. Piet ist wieder am Schnee schaufeln. Da ich am Wochenende keine Spitex habe, warte ich im Bett bis er nach Hause kommt.
Am Abend werde ich von 3 Freundinnen abgeholt. Wir gehen dick Essen. Die Fischknusperli sind ein Genuss. He, und das Dessert erst. Apfelküchlein mit Zimtglace und frischem Rahm. Meine Schulkameradin, die das Restaurant führt, kann eben kochen. Dieses Mal werde ich von Myrtha gefüttert. Für das, dass sie keine Kinder hat, macht sie dies sehr gut. Wir gehen beizeiten wieder nach Hause. Ich muss nämlich am Montagnachmittag zum Routineuntersuch nach St.Gallen.
Also, ab ins Bett.
8. Während ich von der Spitex für den Tag gestylt werde, ist Piet bereits mit der Harley unterwegs. In Altdorf finden diese Woche Gospelkonzerte im Tellspielhaus statt. Für diesen Event wurde Piet angefragt, ob er seine Harley zur Verfügung stellen würde. Wohlverstanden, es liegt Schnee auf der Strasse. Aber was macht man nicht alles bei minus Graden für gute Freunde. Weil eine Harley nicht für das Befahren von Treppen konzipiert ist, wird sie kurzerhand zum Fliegen gebracht. Da hat es Gessler mit seinen PS unter dem Gesäss einfacher.
Am Mittag brechen wir nach St.Gallen zu meinem Routineuntersuch auf. Für diese Strecke benötigen wir 2 Stunden. Bei der Untersuchung wird die Verschlechterung meiner Sprache festgehalten. Da meine Spastik (Steifigkeit) zugenommen hat, versuchen wir es mit einer Dosiserhöhung eines meiner Medikamente. Es ist wichtig die Dosis genau auf mich abzustimmen. Wenn ich zu viel nehme, werden meine Beine zu Elastisch und ich kann nicht mehr stehen. Nehme ich zu wenig, werde ich zu einem Brett, welches keinen Fuss mehr hochheben kann. Während der Dosisanpassung kann es vorkommen, dass ich am Tage vermehrt müde bin und somit nicht immer Besuche empfangen kann. Aber nur bis ich die richtige Dosis gefunden habe. Ansonsten sind sie in St.Gallen sehr zufrieden mit mir.
Ich auch. Bei dem Nachhauseweg dürfen Piet und ich einen wunderschönen Sonnenuntergang miterleben. So was sehen wir wegen unseren schönen Bergen halt nicht. Ich finde es aber gut so, schliesslich sollen Alle vom Schönen etwas abhaben
9. Ich habe seit längerem nach einer neuen Physiotherapeutin gesucht. Es ist gar nicht so einfach Jemand passenden zu finden. Idealerweise ist die Krankheit ALS für sie ein Begriff. Im Weiteren sollte sie Hausbesuche machen. Sie sollte ein gutes Einfühlungsvermögen besitzen. Flexibel sein, um sich bei Fortschreiten der Krankheit anpassen zu können. Ich glaube, ich könnte diese Therapeutin gefunden haben. Heute Morgen hat sie zuerst eine Bestandesaufnahme von mir gemacht. Dann wurde durchbewegt, Atemübungen gemacht und die von St.Gallen angeregte Lymphdrainage an Armen und Händen durchgeführt. Es hat mir so gutgetan, zu spüren, dass da noch einige Muskeln vorhanden sind. Ich freue mich schon aufs nächste Mal.
Ich habe vorgehabt, am Nachmittag am PC zu arbeiten. Daraus wurde aber nichts. Ich war so müde, ich habe den ganzen Nachmittag verschlafen. Verschiebe ich es halt auf Morgen.
12. So, nun bin ich ausgeschlafen und kann wieder an meiner HP herumbasteln. Ich bin immer noch am Ausprobieren. Es funktioniert noch nicht Alles so, wie ich es mir vorstelle. Bevor ich aber weiterschreibe, muss ich zuerst das Internet-Radio einschalten. Moment…So, jetzt schreibt sich’s doch leichter. Im Momentan läuft „Tush“ von ZZ-Top.
Also, schon seit längerem versuche ich einen Film, von meinem Ausflug über den Hochweg, ins Netz zu stellen. Irgendetwas mache ich falsch, nur was? Mein Homepage-Tool könnte einiges. Nur, ich weiss bei einigen Anwendungen nicht für was sie bestimmt sind und wie sie angewendet werden. Nun habe ich angefangen über Internetbegriffe nachzulesen. Uijui das ist happig. Pearl, Joomla, FTP, PHP5 und, und, und. Ich hatte eigentlich nicht vor selbst zu programmieren. Überlege mir, ob ich nicht noch einen Kurs besuchen soll. Wäre wieder mal Zeit, etwas zu lernen. Sonst rostet mein Hirn noch ein. Mal schauen.
Was habe ich diese Woche noch gemacht, ausser dass ein Mitarbeiter einer Rollstuhlfirma wegen mir einen Rüffel bekommen hat. Ich werde mich bei ihm noch persönlich endschuldigen. Wie kam es dazu?
Übrigens nun höre ich gerade „Cross-Eyed Mary“ von Jethro Tell.
Ich musste neue Batterien für meinen Rollstuhl haben. Die Privatkunden dürfen nicht selbst bei der Herstellerfirma in Deutschland bestellen. Wir bestellen die Batterien also bei der Import Firma in der Schweiz. Diese verweisst uns wiederum an einen Fachhändler. Die Rechnung erstellt aber die Import Firma. Als dann die Batterien endlich nach einer Woche bei mir eintreffen und wir feststellen, dass es nicht die gleichen sind, platzt mir der Kragen. Ich schreibe ein Mail an den Hersteller und bringe meinen Unmut zum Ausdruck. Postwendend ging mein Mail vom Hersteller zum Importeur, dann zum Fachhändler und zu guter Letzt bekam wieder mal der Büezer alles ab. Das wollte ich so nicht. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass es eine neue Ausführung ist. Ich weiss, manchmal bin ich einfach zu ungeduldig und werde angriffig. Eben ein richtiger Skorpion. Man sollte sie einfach nicht reizen. Aber sonst ist es doch ein ganz schönes Tier, oder?
Natürlich habe ich Heute die super Fahrt von unserem Iceman Janka mitverfolgt. He, der ist momentan wirklich der Beste. Hoffe, unser Simi macht es ihm Heute nach. Flieg Simi, flieg.
13. Ihr glaubt nicht, wie schwierig es ist, einen Film in eine homepagekompatible Datei umzuwandeln. Dank mithilfe von Peter habe ich es geschafft, wenigstens ein kleines Filmchen hochzuladen. Will aber noch weiter tüfteln. Irgendwann wird’s schon funktionieren.
Am Samstagnachmittag fahren Piet und ich nach Zürich zum ALS-Selbsthilfegruppentreffen.
Es tut so gut sich, mit anderen Betroffenen auszutauschen. Jeder weiss mehr oder weniger von was der Andere spricht. Auch die Angehörigen kommen nicht zu kurz. Sie können sich über die Hilfsmittelbeschaffung, um Behördengänge usw. austauschen. Sie können von den Erfahrungen der Anderen profitieren. Bei dieser Krankheit ist eben nicht nur der „Patient“ betroffen, sondern auch der Partner, die Familie und das nähere Umfeld. Wir dürfen bei den Treffen auch miteinander Weinen und natürlich ebenso Lachen. Jeder kann einmal auf seine eigenen Grenzen stossen. Es tut gut zu wissen, dass das auch Andern passieren kann. Niemand kann ins Innere einer anderen Person blicken. Als Selbstbetroffener kann man wahrscheinlich eher ahnen, was im Andern vorgeht.
Ich freue mich jedes Mal, wenn ich wieder alle sehen kann und niemand uns verlassen hat.
Diesmal stiessen wieder zwei Betroffene zu unserer Gruppe. Soll man das nun gut finden?
Jeder Verein wäre erfreut über Neuzugänge. Bei uns hat dies leider einen bitteren Beigeschmack. Die Krankheit hat sich weitere Personen gekrallt. Aber weißt du liebe ALS, irgendwann wirst du keine Macht mehr über uns haben. Wir sind nämlich das Gute und du das Schlechte. Du müsstest doch wissen, dass das Gute über kurz oder lang siegen wird. Also, verpiss dich.
Ich habe mich sehr gefreut, dass dieses Mal auch eine liebe Bekannte, ebenfalls ALS-Betroffene, an dem Treffen teilnimmt. Sie hat ihren Hilfshund Brasil dabei. Er unterstützt sie im Alltag. Es ist ein blonder Golden Retriever, welcher von Le Cobain ausgebildet wurde.
Ausser Kaffee und Leitungswasser zu Trinken gibt es heute nichts. Etwas zu knabbern, gibt’s leider nicht. Da kommt meine liebe Freundin auf die Idee, Piet könnte doch nächstes Mal, selbst gemachte Güetzli mitbringen. Sie hat das Güetzlifoto auf meiner HP gesehen. Was habe ich Piet nur wieder eingebrockt. Hanfgüetzli gibt es aber sicher keine. Gell du!!
14. Manchmal verfalle ich in Tagträume. Dann lebe ich auf einem Heimetli. Viele Tierrassen finden bei mir ein Zuhause. Es ist so schön, sich den ganzen Tag mit ihnen zu beschäftigen. Die Geissen gumbet umänand (hüpfen herum). Die Schafe fressen die saftigen Gräser und ein Lämmlein liegt im hohen Gras. Die Gänse machen einen Radau ums Haus und die Laufenten suchen im Garten nach fetten Schnecken. Ein Schmatzen dringt an mein Ohr, es sind die Ferkel, die an Mutters Zitzen saugen. Ein Esel wälzt sich auf dem Boden und die Hühner scharren Löcher in die Erde. Eine Häsin baut mit ihren Haaren ein Nestchen für den Nachwuchs. Ein Mäuschen schaut verschmitzt aus einem Futtersack. Ob es wohl weiss, dass ich vor ihm Respekt habe? Unter dem Dach kleistern Schwalben ihre Nester an die Wand und im Gras stochert eine Amsel nach Würmern für ihre Jungen. Ein feiner Duft weht um meine Nase. Die Schmetterlinge werden ebenfalls von ihm angelockt. Der Flieder wird vom Admiral, Tagpfauenauge und vom Weissling umgarnt. Ist das nicht wunderschön.
Leider hören solche Träume irgendwann auf und man findet sich in der Realität wieder. Aber das Gute an den Tagträumen ist, ich kann das Thema und den Ausgang selber bestimmen. Bei den Schlafträumen kann ich nur begrenzt Einfluss nehmen. Versuch es einmal selbst. Du kannst dir damit unmögliches, möglich machen. Ich liebe meine Tagträume.
Am Sonntagnachmittag kommt mein Bruder, der Bauer in unserer Familie, mit seiner Frau zu Besuch. Er kann dieses Jahr ein bisschen mehr Land pachten. Dort ist es allerdings fast zu stotzig zum Heuen. Auf dem Land steht noch ein kleiner, verlassener Schopf. Meint ihr nicht auch das wäre doch ideal, um ein Teil meiner Tagträume in die Tat umzusetzen. Ein-Zwei Ziegen würde ich sponsern.
16. In meine Stube ist der Frühling eingezogen. Krokusse, Primeln, Traubenhyazinthen und Stiefmütterchen blühen um die Wette. Ein Schneckenhäuschen wartet auf dem Efeu auf einen neuen Bewohner. Es würde mich nicht wundern, wenn plötzlich Schmetterlinge in meiner Stube herumfliegen würden. Gaby, eine meiner Schwägerinnen, hat dies für mich möglich gemacht. Ihr Besuch tut mir gut. Sie erzählt mir Geschichten von ihrer Familie. Ich kann lachen und amüsiere mich köstlich. He, Brüderchen, hast es ganz schön schwer in deinem Dreimädel-Haushalt. Nur, wer wäre nicht auch gerne der Hahn im Korb.
Am Abend schaue ich noch die Paralympic im Fernsehen. Es ist bewundernswert, was diese Athleten leisten. Besonders die Kategorie der Sehbehinderten ist eine Augenweide. Wie sie durch die Slalomstangen kurven, ist unglaublich. Ihr müsst euch das mal anschauen. Da staunst du nur noch.
17. Leute, die Sonne scheint und die Vöglein pfeifen. Ich gehe Ausfahren! Mit meiner Schwester Bernadette fahre ich auf Erkundungstour. Wir kommen nicht weit, da stossen wir schon auf das erste Hindernis. Wisst ihr noch, ich hatte vor etwa 2 Monaten Kontakt mit dem Tiefbauamt Uri. Ich informierte sie über Hindernisse auf der Strasse, welche für Rollstuhlfahrer gefährlich sind. Mir wurde damals versprochen, sich darum zu kümmern. Als ich heute genau an eine dieser erwähnten Stelle vorbeikomme, ist alles beim Alten. Ich komme an diese Kreuzung, überquere die stark befahrene Strasse auf dem Fussgängerstreiffen und nun stehe ich vor einem Trottoir, das nicht abgesenkt ist. Also, drehen und auf der Strasse weiterfahren. Ich fühle mich verarscht.
Zum Glück bin ich in Frühlingsstimmung. Diesen Tag will ich geniessen. Wir gehen lädelä. Kaufen Stoff für eine Beindecke für mich. Dann besorgen wir noch ein Geschenk für unseren Vater. Er wird am Freitag 84 Jahre alt. Natürlich müssen wir Zwischendurch auch den Durst löschen. Für Galaţi ist es doch noch ein wenig zu kalt. Freue mich schon auf die nächste Tour. Dir Temperaturen sollen ja steigen. Endlich!
19. Wir haben ein verlängertes Wochenende. Denn Heute ist Seppitag (Josefstag). In der Innerschweiz ist das ein Feiertag. Darum schlafen wir Heute auch länger. Plötzlich werden meine Backen immer wärmer. Ich will die Augen aufmachen, doch ich werde geblendet. Die Sonne schaut zum Fenster rein. Ich glaube, sie will mir sagen, stehe auf und schau mich an. Also stehe ich auf und fahre Frühstücken. Danach geniesse ich auf dem Balkon die Sonnenstrahlen. Die Vögel sind ganz aus dem Häuschen. Manchmal sind 40 / 50 Tiere in der Luft. Und jeder will lauter krähen und pfeifen als der Andere.
So, nun setz ich mich in meinen Aussenrolli und Piet steigt auf seine Harley. Wir sind on Tour. Er nimmt seine Heimstrecke (umä Rigi) und ich meine (a See abbä). Endlich sehe ich meine Wasservögel wieder. Ich kann sogar ein Teichhuhn näher betrachten. Mit seinem zweifarbigen Schnabel und den auf und ab bewegenden Schwanzfedern, ist es eine Augenweide ihm zuzuschauen. Es watet mit seinen hellgelben Beinen und den langen Zehen, im Schilf umher. Sein Anthrazit, Schwarz, Weissen Federn glänzen in der Sonne.
Nun muss ich aber weiter, denn ein Nasentröpflein macht sich bemerkbar. Direkt am See ist die Luft doch noch ein wenig Kühl. Ich kann nicht riskieren das mir die Nase läuft. Ich könnte sie nämlich nicht selbst putzen. Also mach ich mich auf den Heimweg. Aber nicht ohne Zwischenhalt bei meinen Eltern. Schliesslich hat mein Vater Heute Geburtstag. Gestärkt mit einem Urnerkaffee nehme ich den Rest der Strecke unter die Räder.
22. Dieser Tage habe ich auf einer Ausfahrt eine Mutter mit ihren Kindern getroffen. Eines der Kinder sitzt im Rollstuhl. Bei unserem Gespräch kamen wir unter anderem auf die Hilfsmittel für Behinderte zu sprechen. Sie erzählt mir, dass es immer schwieriger werde, bestimmte Hilfsmittel zugesprochen zu bekommen. Das macht mich nachdenklich. Die Angehörigen von Menschen mit einer Behinderung investieren so viel Zeit und Kraft in dessen Betreuung. Wenn nun aber um jedes Hilfsmittel gekämpft werden muss, die den Alltag erleichtern könnten, wer ist dann noch bereit, eine solche Last auf sich zu nehmen? Warum müssen in einer Krise immer zuerst die Schwächsten darunter leiden. Was ist eigentlich mit unserer Gesellschaft los? Auch die Alten Leute müssen darunter leiden. Solange jemand im Berufsleben steht, sieht es mit den Hilfsmitteln einigermassen gut aus. Wehe aber, du bist Pensionist und bist auf Hilfsmittel angewiesen. Ein Elektro-Rollstuhl z.b kannst du dir gleich abschminken. Den „Luxus“ musst du dir dann selbst finanzieren. Schau mal bei der Hilfsmittelliste der AHV nach. Darüber sind die wenigsten informiert. Wenn unsere Sozialwerke das Geld hätten, welches unsere Banken verzockt haben, würde doch das eine oder andere Hilfsmittel eher drin Liegen. Aber, wen interessiert das schon.
23. Ich bin geputzt und gestriegelt (gekämmt). Das Joghurt ist gegessen und der Kaffee ist getrunken. Die Physio kann kommen. Bei den Übungen spüre ich meine übrig gebliebenen Muskeln. So wenig sind das gar nicht. Meine Rumpfmuskeln machen schön mit. Die Oberschenkelmuskeln leisten auch ihren Teil. Nun melden sich die Bauchmuskeln, die Oberarm- und Schultermuskeln stossen ebenfalls zur Gruppe. Nur, versteckt sich denn am unteren Ende des Bettes? Aha, es sind wieder mal die beiden Spitzfüsse. Nach einigen Dehnübungen sehen sie die Welt auch wieder aus einer anderen Perspektive. Das Ganze wird mit einer Lymphdrainage abgeschlossen. Noch ein wenig ausruhen, dann kann der Tag beginnen.
Am Nachmittag mache ich eine Ausfahrt. Unterwegs zieht mich ein Blumengeschäft magisch an. Diese Vielzahl an Farben und Sorten. Ich kann nicht widerstehen. Eine Verkäuferin ist mir behilflich. Eigentlich wollte ich Piet nach der Arbeit aufbieten, um die Blumen abzuholen. Da anerbietet mir eine Bekannte, die ebenfalls am Blumen kaufen ist, mir das ganze nach Hause zu liefern. Bei so viel Hilfsbereitschaft kann es mir doch nur gut gehen. Da mache ich doch glatt noch eine Zusatzrunde mit dem Rolli.
24. Heute sitze ich lange am See. Die Wellen plätschern leise ans Ufer. Der Föhn spielt mit meinen Haaren Zwischendurch steigt mir der Duft von Fisch in die Nase. Wahrscheinlich liegt in der Nähe ein Toter Fisch. Das erinnert mich an Ferien in Italien. Der Wasserstand in Ufernähe ist leicht zurückgegangen. Zwischen angeschwemmtem Holz und Morast, schlängelt sich ein Rinnsal von Wasser, Richtung See. Das Wasser des Rinnsals ist glasklar. Es lässt sich von dem Schlamm nicht stoppen. Vielleicht hat das kleine, schwache Rinnsal die Aufgabe gefasst, mitzuhelfen den Morast und den Schlamm wieder zu reinigen. Sicher ist es nicht einfach, immer wieder mithelfen zu müssen, unnötige Verschmutzungen zu reinigen. Es muss immer aufpassen, nicht selbst verschmutzt zu werden. Es würde sein kurzes Leben sicher lieber in Ruhe dahin plätschern lassen. Über Steine hüpfen, einem Blümchen einen Tropfen zuwerfen oder mit den Fischen um die Wette schwimmen, das wäre doch sicherlich schöner. Aber das kleine Rinnsal wird weiter machen müssen, bis es endgültig keine Kraft mehr hat. Ich habe mal irgendwo gelesen, das Wasser ein Gedächtnis hat. Es könne etwas weitergeben. Vielleicht verwandelt sich der Schlamm auch mal in viele kleine, klare Rinnsale.
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
25. Hei, bin ich heute müde. Habe kaum geschlafen letzte Nacht. Warum, das weiss der Gugger (Eule). Weißt du, es ist zum Haare ausreissen. Zum Glück reichen meine Hände nicht mehr so weit nach oben. Hätte sonst mittlerweile sicher eine Glatze. Ich muss stundenlang wach im Bett liegen. Kann mich ja nicht hin und her wälzen. Piet will ich nicht wecken. Er braucht seinen Schlaf.
Bin ich froh, dass endlich der Wecker klingelt. Nun kann ich wenigstens den Fernseher einschalten. Vielleicht hilft mir ja dies einzuschlafen. Denkste, das Sandmännchen kommt nicht vorbei. Verschiebe ich es halt auf den Nachmittag.
Nach dem Mittagessen kuschele ich mich in den Fernsehsessel. Augen zu und, ich warte und warte, aber der Schlaf will nicht kommen. Mittlerweile verspüre ich leichte Schmerzen in meinen Beinen und Pobacken. Könnte es ein Muskelkater sein? Ich glaube eher, ich merke den Wetterumschlag. Ich sage euch nur eins, packt euch warm ein. Ich jedenfalls, mach es mir im Bett bequem. Schlaf, ich wäre bereit.
26. Ich habe bis 10.00 Uhr durchgeschlafen. Mensch, habe ich das gebraucht. Die Muskelschmerzen sind wie weggeblasen. Dank dem Föhn ist es immer noch recht warm. Ich sehe aber die Wolken vom Norden heraufziehen. Es dauert nicht lange, da klöpfeln Tröpfchen an mein Fenster. Es wird immer dunkler Draussen. Ich sehe nichts mehr vom blauen Himmel. Die Berge sind immer mehr von Wolken eingedeckt. Es trommelt immer heftiger an mein Fenster. Schwere, dunkle Wolken entladen sich. Es ist interessant, den dicken, platzenden Tropfen zuzusehen. Lange bleibt es Draussen düster. Ein Auto fährt vorbei. Ich traue meinen Augen nicht. Auf dem Autodach sind mindestens 10 cm Schnee. Woher der wohl kommt. Endlich hebt sich die Wolkendecke und ich weiss jetzt woher. Die Sonne blinzelt ganz scheu durch die Wolken. Also, du bist mir schon Eine. Zuerst zängelst du mich mit dem Frühling und was bringst du mir jetzt. Die Sonne strahlt nun die Berge an, als wollte sie mir sagen, schaue doch mal. Bis weit in die Täler ist Schnee gefallen. Auf den Bergen hat er unschuldig platzgenommen. Ja, ich muss ja zugeben, es sieht schön aus. Na gut, ein wenig kannst du hier Ausruhen. Aber danach musst du weiterziehen. Weißt du, manche Vögel sitzen schon auf ihren Nestern. Sie brauchen die Wärme. Also Sonne, schick bald wieder eine warme Therme, denn auch die Zugvögel wollen bei uns einziehen.
Was ist denn da Draussen los. Andauerndes Rotorengeräusch dringt in mein Schlafzimmer. Ich bin eigentlich an Helikopter gewöhnt. Zwei Basen befinden sich in der Nähe. Täglich werden wir von der Rega oder der Heli Gotthard überflogen. Aber dieses Mal entfernt sich das Geräusch kaum von der Stelle. Mein erster Gedanke, es wird wohl ein Unfall auf der A2 gegeben haben. Piet geht nachschauen. Ein Helikopter fliegt Holz aus dem nahen Wald, also nichts Schlimmes.
Nun ist nicht mehr an Schlaf zu denken, also aus den Federn.
Später höre ich wieder einen Helikopter. Der fliegt jetzt aber an der Autobahn entlang. Nun sehe ich die Autos auf der Autobahn stehen. Ein Feuerwehrauto ist ebenfalls mit Blaulicht unterwegs. Später erfahren wir, dass es zwei unterschiedliche Unfälle auf der A2 gegeben hat. Auf Uris Strassen geht nicht mehr viel. Wundern tut mich das eigentlich nicht. Seid die Neat gebaut wird, haben wir so ein Strassenchaos. Uris Strassen sind nicht mehr sicher. Es gibt so viele Baustellen, man verliert bald den Überblick. Mich bedauern die Autofahrer, die stundenlang in der prallen Sonne ausharren müssen. Hoffentlich ist den Verantwortlichen in den Sinn gekommen, diese mit Wasser zu versorgen. Wenigstens können sich die Mobillisten, dank dem schönen Wetter die Beine vertreten.
He, denkt daran, diese Nacht wird noch kürzer, die Zeit wird umgestellt.
Habe gerade die Info erhalten, dass Wasser verteilt wurde. Habt ihr gut gemacht.
Ich wünsche allen Beteiligten und Verletzten alles Gute. Behaltet meinen Kanton trotzdem in guter Erinnerung.
28. Ich habe Gestern eine Karte aus Amerika erhalten. Der Grand Canyon leuchtet darauf rötlich-braun in der Abendsonne. Es gibt so viel Schönes auf unserem Planeten. Ich finde es schade, dass das Leben so kurz ist. Wir haben viel zu wenig Zeit, um all das Schöne in uns aufzunehmen. Wir haben auch zu wenig Zeit, um Erfahrungen zu sammeln und Neues auszuprobieren. Schon als junger Mensch wird man in eine vorgegebene Schiene gedrängt. Schnell muss man produktiv sein. Es bleibt kaum Zeit, um Dinge auszuprobieren, zu erkunden. Es bleibt wenig Zeit seine Stärken und Schwächen kennen zu lernen. Alles ist Hecktisch geworden. Immer weniger Menschen sehen das Schöne, welches uns die Natur gratis zur Verfügung stellt. Einige denken jetzt sicher an die verheerenden Naturkatastrophen. Ja, diese sind nicht schön. Viele könnten jedoch verhindert werden, wenn wir wieder mehr zu unserem Planeten schauen würden. Ich wünsche mir so sehr, dass die nachfolgenden Generationen wieder lernen zu sehen, zu spüren und zu fühlen was die Natur braucht und somit auch wir Menschen. Ich freue mich auf viele Aussteiger. Wäre gerne dabei.
29. Ich muss zwar den Menüplan und die Einkaufsliste für diese Woche erstellen. Zuerst muss ich euch aber etwas erzählen.
Ich besteige mit vielen jungen Frauen ein riesengrosses Kreuzfahrtschiff. An der Rezeption erhalten wir die Schlüssel für die vierer Kabinen. Beim Auspacken der Koffer kommt es bereits zu Zickereien. Mir wird vorgeworfen, ich nehme zu viel Platz ein. Kein Problem, rücke ich meine Sachen näher zusammen. Nun können wir endlich an Deck. Wir fahren an schönen Gegenden vorbei. Plötzlich ruft Jemand New York. Alle kramen den Fotoapparat hervor. Ich drücke ab, mein Apparat fängt an retour zu spulen. Der Film ist voll. Typisch, einen neuen habe ich nicht. Später sitzen wir beim Essen und uns wird erklärt was von uns erwartet wird. Am Nachmittag würden wir auf dem Laufsteg erwartet. Merkt ihr es jetzt. Ich nehme am Casting von Germanys Next Topmodel teil. Also, nix wie los in die Kabinen zum Umstylen. Beim Umziehen schaut eine Kandidatin abschätzig auf mein Bäuchlein. Ich schäme mich und bin verunsichert. Das Schiff legt an und uns wird mitgeteilt in welchem Hotel unser Auftritt stattfinden wird. Also machen wir uns auf den Weg dorthin. Plötzlich stehe ich allein auf der Strasse. Wo ist bloss das Hotel. Ich laufe stundenlang die Strassen auf und ab, aber niemand ist zu sehen. Weit und breit kein Hotel. Inzwischen kommen mir Zweifel, ob es richtig war, am Casting teilzunehmen. Peyman bemerkt sicher, dass ich vergessen habe die Beine zu Rasieren. Und wenn die noch mein Bäuchlein sehen… Nein, ich will nur noch eins, das versch.. Hotel finden und ihnen mitteilen, dass ich aussteige.
Schweissgebadet wache ich auf. Dieser Traum hat mich so beschäftigt, mein Nachthemd und das Fixleintuch sind durchgeschwitzt. Ich glaube, ich muss mein Programmgeschmack umstellen. Oder habt ihr schon mal ein Topmodel mit Buddhabauch und haarigen Beinen gesehen?
APRIL 10
2. Obwohl die Sonne scheint, ist es zu kalt, um mit dem Rolli auszufahren. Also entschliessen wir uns kurzerhand, eine Ausfahrt mit dem Auto zu machen. Wir fahren Richtung Brünig. Wir kommen beim Lungerersee vorbei. In dem See habe ich schwimmen gelernt. Ich weiss noch, wie ich aus dem Ruderboot klettern musste um hinter dem Boot her zu schwimmen. Ich wusste, meine Firmgotte ist eine gute Schwimmerin und würde mich nicht ertrinken lassen. Heute hätte ich mit Sicherheit nicht ertrinken können, eher im Schlamm versinken. Anscheinend haben sie den See abgelassen und übrig geblieben ist eine kleine Pfütze. Wo sind wohl all die Fische hingekommen? Im See hat es normalerweise. Das weiss ich von Früher. Mmmh, waren die fein. Wir fahren nun an der Totenkapelle vorbei. In meinen Ferien durfte ich jeweils die Glocken läuten. Meine Ferienmutter war damals Sigristin (Sakristanin). Sie schaute, dass ich dies mit erfurcht tat. Aber, könntest du ernst bleiben, wenn du den Boden unter den Füssen verlierst, weil dich die Seile der Glocken in die Höhe ziehen. Da kannst nicht ernst bleiben.
Auf der Weiterfahrt Richtung Schallenberg treffen wir auf viel Sehenswertes. Schottische Hochlandrinder die sich am kurzen Gras gütlich tun. Schafe, Gämsen, Geissen, Kühe, Hühner, Gänse und diverse Vögel bereichern unseren Tag. An manchen Orten ist die Vegetation weiter als bei uns. D’Siwblüemä (der Löwenzahn), streckt ihre gelben Strubbelköpfchen der Sonne entgegen. Auch die verschiedenen Frühlingssträucher blühen um die Wette.
Angekommen beim Dream Valley können wir eine ganz spezielle Tierherde beobachten. Diese Bisons sind schon imposante Tiere. Ich möchte nicht unter deren Hufe gelangen.
Wir haben einige Fotos vom Ausflug gemacht. Ihr könnt diese im Fotoalbum unter Ausflüge anschauen.
3. Ich wünsche euch Allen, wunderschöne Ostertage
8. Diese Woche bin ich mit Terminen eingedeckt. Das sieht folgendermassen aus. Am Dienstag kommt zuerst die Spitex für ca. 11/2 Std. Dann habe ich eine Stunde Physio. Kurz vor dem Mittag kommt mein Hausarzt vorbei und macht die 3 Monatsspritze (gegen die Mens). Am späteren Nachmittag kommen mich zwei ehemalige Arbeitskolleginnen besuchen.
Am Mittwoch wieder die Spitex. Am Nachmittag wage ich eine Ausfahrt mit dem Rolli. Es ist so herrlich. Einige Schmetterlinge kreuzen meinen Weg. Wenn ich sie sehe, denke ich an meine Kollegen, die bereits gehen mussten. Ich stelle mir vor, dass sie mich bei meinen Ausfahrten begleiten. Ich fühle mich mit ihnen stark verbunden. An diesem Nachmittag habe ich mir doch tatsächlich an den Händen und im Gesicht einen Sonnenbrand eingefangen. Ich sehe einer Eule wieder verdächtig ähnlich. Unsere Natur ist so wunderschön. Ich kann nicht verstehen, warum manche dies nicht sehen. Unzufriedenheit und Streitigkeiten machen manche blind für die Schönheiten in unserem Leben.
Am Abend hat uns Leo besucht. Er versucht unser Haus von Störungen zu befreien. Wir sind gemeinsam gespannt, ob sich etwas bei uns verändert. Werde hin und wieder darüber berichten.
Am Donnerstag ist wieder die Spitex zu besuch. Ein Stock tiefer bügelt Luzia unsere Wäsche. Um halb Zwölf kommt noch mal der Hausarzt vorbei. Das Quick-Instrument hat am Dienstag versagt. Am Nachmittag mache ich ein Schläfchen vor dem Fernseher, während meine Putzfee unser Haus auf Vordermann bringt.
Habe mich soeben fürchterlich Aufgeregt. Folgendes: Eine Person fragt oder erzählt mir etwas. Ich kann mich sehr gut mit ihr verständigen. Trotzdem erzählt sie das gleiche nochmals meinem Mann. Das ist jetzt schon des Öfteren vorgekommen, dass sich diese Person so verhält. Ich weiss schon, sie meint es nur gut. Leider fällt ihr nicht auf, dass sie mich damit verletzt. Ich empfinde so, als würde etwas mit meinem Oberstübli nicht stimmen. Das nächste Mal komm ich nicht herum, sie darauf anzusprechen und ihr zu erklären, wie sich das für mich anfühlt. Der Rollstuhl setzt da manchmal falsche Zeichen. Einige denken immer noch, dass einer im Rolli automatisch auch eine geistige Behinderung haben muss. Steht mir wohl noch viel Arbeit bevor dem entgegenzuwirken.
Ihr wisst vielleicht, dass ich gerne diskutiere. Mein Vater hat mir einmal gesagt: „Mit deinem grossen Mund kommst du in deinem Leben nicht weit“. Ja, Ja, ich hab dich auch lieb. In letzter Zeit fehlt mir immer mehr die Luft, lange Gespräche zu führen. Wie gerne würde ich weiterhin wortreich argumentieren. Inzwischen verkümmern meine Diskussionen zu einfachen Sätzen. Dabei stünden mir so viele treffende, umschmeichelnde Wörter zur Verfügung. Weil ich meine Mitteilungen eher kurzhalten muss, kann es halt manchmal auch zu Missverständnissen kommen. Aber dafür kann ich mich wortreich in schriftlicher Form ausdrücken. Letztlich hat mich mein Bruder als Märchenprinz bezeichnet. Wennschon heisst es Märchentante, mein Bruderherz. He, übrigens lässt du deine Hände immer noch im Hosensack? Hihi.
Später schaut Leo noch schnell vorbei.
Nun darf ich Essen gehen. Junior hat gekocht.
10. Mein Mann Piet hat soeben seine Harley angelassen. Der Ton einer Harley ist einfach unverwechselbar. Er ist nicht einfach zu beschreiben. Es ist ein erdiger, tiefer, donnernder Ton. Vergleichbar mit den Lauten eines Elefanten. Wie hab ich es genossen, auf der Harley zu sitzen und mit Piet durch die Alpen zu fahren. Die Saggoschen waren gefüllt mit Speck, Käse und natürlich mit Ürnerschwarzem (spezielle Urner Kaffeezubereitung). Ist euch auch schon aufgefallen, dass Lebensmittel im Freien besser schmecken. Vielleicht tut gewissen Lebensmitteln ein wenig Wärme gut und sie können ihr Aroma besser entwickeln. Jedenfalls sagt man dies bei Rotwein und Käse. Probiert mal einen Emmentaler aus dem Kühlschrank und einer der 2-3 Stunden ausserhalb aufbewahrt wurde. Welcher hat nun den intensiveren Geschmack?
Ich weiss schon, unsere Ausflüge sind nicht gerade umweltfreundlich. Wir versuchen dafür der Natur etwas zurückzugeben. Wir verwenden schon seit Jahrzehnten kein Schneckengift im Garten. In unserem Rasen dürfen sich Wildblumen (andere sagen dem Unkraut) breitmachen. Auf unserem Grundstück fühlen sich Obstbäume und Beerensträucher wohl. Natürlich dürfen die Blütensträucher für die Schmetterlinge, Bienen usw. nicht fehlen. Haben gerade Gestern wieder zwei Neue gesetzt. Eine Sommerzierkirsche und eine Winterzierkirsche (diese blüht zweimal im Jahr). Wespen, Hornissen und Holzwürmer dürfen an altem Holz knabbern. Auf unseren hohen Bäumen trillern Vögel ihre Lieder. Unter dem Hausdach wird der Nachwuchs aufgezogen. In unserem Rasen finden sie genug Nahrung. Zum Glück stehen Würmer und Engerlinge auf ihrem Speiseplan. Diese sind jetzt nicht gerade meine Lieblingstiere. Wir sind nicht Grün, wie jetzt vielleicht einige denken. Dazu müssten wir noch vieles ändern. Aber wir versuchen der Natur etwas zurückzugeben, was wir ihr nehmen.
Die Route 66 ist eine beliebte Harley-Strecke in Amerika. Leider haben wir es noch nie dorthin geschafft. Letztlich hat eine Freundin von mir dort halt gemacht. Nun kann ich auch mitreden. Sie hat mir ein T-Shirt mitgebracht. Ich glaube, ich werde es nicht waschen. Ist sicher ein wenig Staub von dort am Stoff haften geblieben.
So, nun gehe ich auf den Balkon die Sonne geniessen.
13. Endlich habe ich es geschafft die ganze Nacht auf dem Rücken zu schlafen. Das beflügelt mich zu weiteren positiven Taten. Also weiter mit der Krankengymnastik. Beine anziehen, Beine strecken, Arme nach Oben und wieder nach Unten. Die Übungen fallen mir Heute besonders leicht. Die Spitex staunt nicht schlecht. Ich sage ihr: Du musst dich nicht erschrecken, wenn ich dir eines Morgens die Türe öffne. Vielleicht hab ich bis dann keine Zähne mehr und meine Haare sind schneeweiss. Aber spielt das eine Rolle. Habe ja noch ein wenig Zeit dafür.
Spass bei Seite. Ich bin der geborene Seitenschläfer. Ich lege mich auf die Seite, ziehe meine Beine an und lege die Hände neben den Kopf. So schlafe ich schon seid Jahrzehnten. Nun muss ich mich langsam umgewöhnen. Wenn ich auf dem Rücken liege und den Kopfteil leicht anstelle, kann ich besser atmen. Sollte ich später eine Atemmaske benötigen, so ist es von Vorteil, wenn ich bereits an die Rückenlage gewöhnt bin. Auch für die Bedienung meines Kommunikations- und Umweltkontrollgerätes ist Rückenlage von Vorteil. Dieses Gerät bediene ich mittels Kopfsteuerung. Zwischen dem reflektierenden Punkt auf meiner Stirn und der Kamera am Gerät muss ein Kontakt stattfinden. Das würde in Seitenlage mehr schlecht als recht funktionieren. Bei dieser Krankheit muss man versuchen, ihr immer einen Schritt voraus zu sein und sich möglichst lang nicht überholen zu lassen. Eigentlich gehören wir in die Sparte der Spitzensportler. Durch die uns immer weniger zur Verfügung stehende Atemluft, betreiben wir täglich Marathons.
17. War gerade auf der Terrasse. Habe Kaffee getrunken und das Frühlingstreiben beobachtet. Ein Amselpaar (Männchen mit schwarzem Gefieder und gelbem Schnabel, Weibchen mit braunem Gefieder und braunem Schnabel) hat sein Nest in unserer Thujahecke. Habt ihr die Amseln schon einmal bei der Futtersuche beobachtet? Sie stehen auf dem Rasen, legen den Kopf zur Seite als würden sie lauschen. Plötzlich wird ein Sprint hingelegt, um sogleich an einer bestimmten Stelle im Rasen zu stochern. Der arme Wurm. Es wird gezogen und gerupft bis er im Schnabel der Amsel verschwindet. Unser Weibchen will seinen Nistplatz geheim halten. Also fliegt es zuerst auf Nachbars Terrassengeländer, läuft darauf einige Schritte, fliegt danach auf unseren Gartenhag, schaut hin und her bevor es auf das Kellerdach fliegt. Kurz darauf verschwindet sie in der 4 Meter entfernten Hecke. Nein, mein liebes Amselweibchen, dich hat bestimmt niemand entdeckt. Ein Bläuling – Schmetterling dreht seine Runden über der Hecke. Leider kann ich nicht erkennen, was für einer es ist. In Europa gibt es ca. 141 Arten/Unterarten von Bläulingen. Er ist früh unterwegs. Meistens sieht man sie erst im Mai. Im Garten blühen der Pflaumen-, Kirschen-, Birn-, und die Apfelbäume. Diese Woche habe ich zusammen mit meinem Junior unsere Säulenapfelbäume in Form geschnitten. Normalerweise müsste man diese nicht schneiden. Ich glaube, unsere Äste lieben es einfach auszubrechen. Es hat mir wehgetan, die Blüten abzuschneiden. Dafür werden sie im nächsten Frühling um die Wette blühen. Auch die Hummeln, es gibt ca. 70 Arten in Europa, haben ihren Nektar entdeckt. Sie werden von den roten Blüten des Zierjohannesstrauches angezogen. Dieser Flugverkehr. Werde bald Fluglotse spielen müssen.
Ich hoffe die Vulkanasche setzt uns und der Natur nicht zu sehr zu. Aber eben, dass ist Natur.
Nun hoffe ich, dass mein Bruder und meine Nichte nicht zu lange in Ägypten festsitzen. Wie lange würde es wohl mit einem Kamel dauern?
22. Hallo Leute, ich bin wieder da. Piet und ich waren für ein paar Tage in Meran im Südtirol. Ich habe uns vorige Woche übers Internet ein Zimmer gebucht. Am Sonntag in der früh fahren wir also los. Da der Flüelapass noch Wintersperre hat, verladen wir das Auto und fahren mit dem Zug durch den Verainatunnel. Am andern Ende angelangt, sehen wir als Erstes, wie zwei Gämsen in einer Waldlichtung grasen. Weiter geht es Richtung Ofenpass. Mal schauen, ob die Murmeli schon aus ihrem Winterschlaf erwacht sind. Wahrscheinlich ist es ihnen zu Nass. Es hat zu regnen begonnen. Im Auto müssen wir die Heizung einschalten. Es wird immer kälter und ob ihr es nun glaubt oder nicht, es fängt an zu schneien. Zum Glück haben wir gute Pneus am Bus. Piet will ein Foto vom Wetter machen. Ob das was wird, bezweifle ich. Oder was meinst du? Da steht einer mit Kurzärmeln und Sommerhose im grössten Gugs (Schneetreiben) und versucht vor Kälte klappernd ein Foto zu schiessen.
Wieder im Auto meint Piet; hättest mich darauf hinweisen können, statt der Badehose die Skier einzupacken.
Im verlaufe des Tages wird das Wetter immer besser. Als wir durchs Vinschgau fahren, fängt sogar die Sonne an zu lächeln. Sie kitzelt an den Apfelblüten und ermuntert sie, sich zu öffnen. Wo man hinschaut, lauter Apfelplantaschen. Wer isst nur alle diese Äpfel.
Je näher wir Meran kommen, desto weiter fortgeschritten ist die Vegetation. Blütensträucher zeigen ihre schönsten Farben. Wie in einer anderen Welt.
Am späteren Nachmittag erreichen wir unser Hotel. Rings ums Hotel hat es viel Grün mit Blumenbepflanzungen. Es gibt einen Aussen- und Innenpool, Solarium, Fitnessraum, Massageraum usw. Wir werden mit Handschlag willkommen geheissen. Das Zimmer und der Balkon sind schön gross. Leider erweisst sich das Badezimmer nicht ganz Behinderten tauglich. Das Hotel unternimmt aber alles, um es uns so angenehm wie möglich zu machen. So wird ein schmälerer Rollstuhl und ein Duschsitz organisiert. So geht es einigermassen. Es wäre schade, wenn wir in ein anderes Hotel wechseln müssten. So viel Herzlichkeit, Hilfsbereitschaft und Aufmerksamkeit durften wir noch Nirgendwo erleben. Ich musste z.B. nur beim ersten Getränk einen Trinkhalm verlangen, danach wurde er jedes Mal unaufgefordert mitgeliefert. Da Piet mir das Nachtessen eingeben muss, bitten wir, dass der erste Gang zuerst Piet bekommt und ich Meinen danach. Obwohl Piet und ich nicht immer das gleiche Gericht pro Gang ausgewählt haben, hat es mit der Reihenfolge immer geklappt. Und das bei einem Sechs-Gänger. Also, wenn du nicht gerade in einem Rollstuhl sitzt, kann ich dir dieses Hotel wärmstens empfehlen. Es ist in Familienbesitz und ist ca. 20 Gehminuten vom Zentrum entfernt.
In der Meraner Altstadt stöbern wir in den vielen kleinen Geschäften und auf dem Markt decken wir uns mit Tirolerspeck ein. Wir flanieren die Promenade entlang, bewundern die Blumenrabatten und durchstreifen die vielen grossen und kleinen Parks. Zwischendurch stärken wir uns mit einem feinen Cappuccino.
Für die Besichtigung des Botanischen Gartens von Schloss Trautmannsdorf benötigen wir ca. 4.5 Stunden. Diese Gärten muss man gesehen haben. Wo ich hinschaue, Bäume, Sträucher, Blumen, Kakteen, Wasser, kunstvoll angelegte Wege und Terrassen. Diese Pflanzenvielfalt. Ich wünschte mir, meine Eltern könnten dies alles sehen. Piet, das Schleckmaul muss natürlich zum Abschluss des Tages unbedingt noch einen Sissi-Coup versuchen. Es scheint ihm zu schmecken.
Am letzten Tag wandern wir auf einem der vielen Sissi-Wegen. Die meisten Routen sind rollstuhltauglich. Es ist unbeschreiblich schön. Jede noch so kleine Nische oder Bödeli (kleine Fläche) ist mit Blumen bepflanzt. Viele der Pflanzen sind mit Täfelchen beschriftet. Wundervolle Düfte umspielen unsere Nasen und spielen mit unseren Gefühlen. Ich kann euch sagen, ich kann mir nicht vorstellen, dass das Paradies schöner sein kann. Meran, wir kommen wieder.
24. Piet ist mit seiner Harley unterwegs und Peter ist am Biken. Ich nehme ebenfalls meine vier Räder unter die Füsse und fahre meine Eltern besuchen. Mein Bruder Franz, der mit seiner Frau Luzia den Hof bewirtschaftet, ist gerade dabei den Kalberstand auszumisten. He, das stinkt nicht schlecht. Die Jungmannschaft muss auch mithelfen. Nur, da fehlt doch einer. So, so, der Ralf flickt lieber am Töffli herum. Ich weiss nicht, ob Sven und Franc dies so toll finden. Beim Kaffeetrinken berichte ich von unseren Ferien.
Nun muss ich aber weiter. Habe versprochen, Brot nach Hause zu bringen. Ich fahre also schnell in die Migros. Es lachen mich zwei Körnerbrote an. Genau diese will ich für meine Lieben zu Hause kaufen. Ich selber darf solche Brote wegen dem Verschlucken nicht mehr essen. Ich lese am Gestell den Namen des Brotes. Nun bitte ich eine Verkäuferin mir die wie Brote zu geben. Sie greift nach dem falschen Brot und sagt, es hat nur noch eines. Ich sage ihr, dass ich nicht das Brot meine. Sie wiederum, sie wollten doch dieses Brot. Ich versuche nochmals, so deutlich ich eben kann, den Brotnamen auszusprechen. Zeigen kann ich es eben auch nicht. Die Verkäuferin hat mich schon verstanden und erwidert; das ist das Brot, aber wir haben nur noch eins. Ich schüttle den Kopf, darauf kommt eine andere Verkäuferin. Diese fragt mich laut und langsam welches Brot ich denn möchte. Bin ich halt schwerhörig und habe eine reduzierte Aufnahmefähigkeit. Hauptsache ich komme endlich zu meinen Broten. Nach langem Hin und Her klappt es dann doch noch. Das alles wäre nicht passiert, wenn das Brottäfelchen an der richtigen Stelle gewesen wäre. Das zeigt mir aber auch, dass Aussenstehende mich kaum noch verstehen. Werde mein Kommunikationsgerät in Zukunft, ob ich nun will oder nicht, mitführen müssen. Gefrustet fahre ich nach Hause.
Der heutige Tag hat trotzdem viel Gutes. Ich bekomme meinen heissgeliebten Cervelat vom Grill. Hmm, heiss!!!
25. So ein Tag, so wunderschön wie heute, der sollte nie Vergehen. Ich mach es mir in der Sonne bequem. Piet ist mit dem Töff unterwegs und der Junior klemmpert an einem seiner Bikes herum. Er war letzte Woche auch in den Ferien. In Finale IT konnte er wieder mal so richtig „downhillen“.
Ich sitze da und plötzlich sehe ich, wie ein eigenartiger Käfer aus einem Erdloch im Rasen krabbelt. Er verweilt so lange vor dem Loch, bis ihn jemand stört. Blitzschnell verzieht er sich wieder, um gleich wiederaufzutauchen.
Werde unterdessen ein wenig mit meinem neuen Huederl die Sonne bezirzen. Sieht das net schee aus.
Nachtrag: Meine Schwester Bernadette hat herausgefunden, dass mein Käfer eine Grille ist.
28. Heute ist es endlich mal wieder schön und warm. Also nichts wie raus. Meine Schwester Bernadette kommt mit auf die Rolliausfahrt. Wir fahren auf dem Reussdamm Richtung See. Wir begegnen einigen Wasservögeln. Ein Schwan brütet gerade auf einer der Badeinseln und eine Ente macht ein Nickerchen im warmen Sand. Nun trauen wir unseren Augen kaum. Da steigen doch tatsächlich schon Kinder ins Wasser. Brrr.. wäre nichts für mich.
Nun besuchen wir die neu angelegten Biotope im Bodenwald. Plötzlich ruft meine Schwester, eine Schlange. Iiiih…. Die Schlangen gehören nicht gerade zu unseren Lieblingstieren. Da wir beide von Natur aus neugierig sind, können wir es nicht lassen, die Schlange zu beobachten. Ich bin überzeugt, wäre die Schlange aus dem Wasser gekommen, hätten wir einen Schrei abgelassen und wären so schnell wie möglich abgehauen. So aber kann meine Schwester ein paar gute Fotos schiessen. In einem anderen Tümpel schwimmen viele Kaulquappen und ein Frosch hüpft mit einem weiten Sprung ins Wasser.
Den Kaffee gibt es bei unseren Eltern zu Hause. Unsere Schwester Hedy ist auch gerade zu Besuch. Soeben führt Bruder Franz den ersten Grasschnitt von diesem Jahr in den Stall. Mit dem Vörderband wird das Gras ins Silo befördert. Unser Vater hilft immer noch dabei. Es riecht wieder super nach frisch Gemähtem.
So, nun nach Hause bevor der Schatten kommt.
MAI
8. Mai.. Mai..? Mai, meine Migräne ist weg! War das eine Woche.
Am Montag spürte ich leichte Schmerzen in einer Gesässhälfte. Das entsteht, wenn ein Muskel sich verklebt oder verhärtet und auf den Ischiasnerv drückt. Die Physio versuchte am Dienstagmorgen den Muskel zu entspannen. Ich glaube, wir haben es zu gut gemeint. Am Abend musste ich dann doch ein Muskelentspannendes Medi nehmen. Das hilft sehr gut. Nachteil bei mir. Meine anderen Muskeln entspannen sich ebenfalls und fangen an, einen wilden Tanz aufzuführen. Einmal zuckt ein Muskel im einten Oberarm, dann im Oberschenkel, dann im kleinen Finger usw. In der Fachsprache nennt man dies Faszikulationen. Aber lassen wir sie tanzen, solange sie noch können. Leider greift mir dieses Medi gern den Magen an. Am Mittwoch wache ich prompt mit leichter Magenverstimmung auf. Trotzdem fahre ich am Nachmittag zum Coiffeur. Wenn man im Rolli sitzt, sieht das Fussvolk einem direkt auf den Kopf. Und wo sieht man die grauen Haare zuerst? Eben oben, und darum musste ich zum Coiffeur. Eitel, trotz dieser Krankheit? Ich gebe es zu, ja!
Später kommt zur Magenverstimmung noch die Migräne dazu. Nun ging es mit der Neu gestylten Frise gleich zu Bett. Dort hielt ich mich bis Freitagnachmittag mit kurzen Unterbrüchen auf.
Da am Sonntag Muttertag ist, fahre ich mit meinem Mann am Abend Blumen kaufen. Das war vielleicht eine Story. Ich kann es kaum schreiben vor Lachen. Zum Glück kommt Piet gerade ins Zimmer und putzt mir die Lachtränen von den Backen. Also folgendes: Zuerst kaufe ich einen Holzbehälter. Danach suche ich nach einer passenden Blume. Mir sticht ein Kaktus in die Augen. Ich werde von meinem Mann belehrt. Im Radio hätten sie gesagt, man dürfe alle Blumen schenken, mit einer Ausnahme, ein Kaktus. Also geht die Suche weiter. Es hat viele schöne Blumen, aber entweder ist mein Holzbehälter zu gross oder zu klein. Man kauft normalerweise zuerst die Blume und danach den passenden Übertopf und nicht umgekehrt. Jetzt weiss ich welche. Ich nehme einen Lavendelstock. Da werde ich von Piet gefragt, wo denn die Blüten seien. Ich: Die kommen erst noch. Er: Du kannst sicher nicht so einen grünen Besen schenken. Nun nimmt er die Sache selbst in die Hand. Kurz danach machen wir uns mit einem Rosenstöckchen auf den Heimweg. Natürlich ist der Stock gut vertaut. Zu Hause angekommen löst Piet meine Rollstuhlverankerung. Plötzlich löst sich ein Schletzgummi und köpft den Rosenstock. Die Rosenblätter fliegen herum, wie gerupfte Federn. Ich konnte nicht mehr vor Lachen. Da hast du nun deinen grünen Besen. Zum Glück sind einige Knospen heil geblieben. Ich sehe schon wieder dieses Bild vor Augen. Und weil meine Tränen schon wieder über meine Backen laufen, muss ich jetzt aufhören zu schreiben.
9. Gestern mussten wir unseren Garten in Ordnung bringen. Der Rasen wurde gemäht, Sträucher zurückgeschnitten und die Rabatten von Unkraut befreit. Aber Moment Mal. Was zählt eigentlich zum Unkraut? Vielleicht die/der Siuwblüemä (Löwenzahn), welche/r ganze Felder zum Leuchten bringt. Oder das Vergissmeinnicht, welches mit scheuem Blau auf sich aufmerksam macht. Habt ihr schon mal das glänzende Gelb vom Ankäbliemli (Butterblume) bewundert. Oder wer hat ein kleines, gelbes Gesichtchen, trägt ein weisses Kräglein und steht auf einem dünnen Beinchen? Es ist das Geissäbliemli (Gänseblümchen). Und all Dies soll Unkraut sein? Würden diese Blumen als neue Züchtungen in Gärtnereien angeboten, wären die Regale schnell leer. Denn, welche Blumen kommen ohne Dünger und ohne Schneckenkörner aus? Müssen nicht jedes Jahr neu gekauft werden und blühen jedes Jahr von Neuem? Es sind die Gänseblümchen und Co. Es macht mich manchmal schon nachdenklich, wie sich Überlieferungen im Hirn festsetzen können. Vielleicht muss ich vermehrt, gewisse Dinge, neu betrachten. Auf alle Fälle sieht es ums Haus wieder schön aus. Und auch die gekauften Blumen, haben ihren Platz gefunden. Jetzt fehlt nur noch die Sonne.
25. Jetzt klöpfelt es schon wieder an mein Fenster. Ich finde es ja schön, dass der Regen mich besucht. Müsste aber ein Besucher nicht selbst merken, wenn es Zeit wird zu gehen? Ich glaube, ich schicke den Regen nach Hause. Vielleicht trifft er auf dem Heimweg auf die Sonne und wir werden einen wunderschönen Regenbogen sehen. Warten wir es ab.
Obwohl ich bei diesem Wetter nicht nach Draussen kann, nehme ich passiv am Dorfleben teil. Vom Bürofenster aus, kann ich auf eine lebhafte Strassenkreuzung sehen. Ich sehe Leute die Einkaufstaschen tragen. Mütter und Väter die ihre Kinder in die Spielgruppe bringen. Mädchen und Jungs die in die Schule eilen. Einwohner welche ein Schwätzchen halten. Die Nachbarin die ihre Hunde gassi führt. Arbeiter die nach Hause kommen. Es ist eine interessante Kreuzung. Mein PC steht direkt neben diesem Fenster. Darum kann ich immer wieder Einen Blick nach Draussen werfen. Das kann ich aber erst, seid wir meine Räume neugestaltet haben. Ich kann vom Bett aus die Berge, den Himmel und Bäume sehen. Meine Räume sind viel heller geworden. Auf einer mindfarbenen Wand fliegen weisse Schmetterlinge. An einer anderen Wand lockt eine riesengrosse Margarite die Schmetterlinge an. Ich fühle mich so leicht und frei in den neuen Räumen. Wer hat mir dieses Geschenk gemacht? Natürlich, mein geliebter Allrounder.
Einen Beitrag an mein Wohlbefinden hat mit Sicherheit auch Leo Häfliger geleistet. Er hat vor 1 Monat unser Haus geerdet. Hier könnt ihr genaueres Erfahren. Seither haben sich bei mir leichte Verbesserungen gezeigt. Ich kann wieder flacher liegen, ohne gleich Atembeschwerden zu bekommen. Meine Füsse sind nicht mehr so kalt und weniger aufgeschwollen. Bin gespannt, wie sich die Füsse im Sommer verhalten.
Meine neue Physioterapeutin tut mir ebenfalls sehr gut. Mit Lymphdrainagen, Fussreflexzonenmassagen und Gymnastik animiert sie meinen Körper nicht aufzugeben.
Die professionelle Betreuung durch die Spitex trägt ebenfalls zu meinem Wohlbefinden bei.
Ich bin überzeugt, dass ein gut funktionierendes Netzwerk beiträgt, diese Krankheit gut zu meistern.
15. Was soll man da noch schreiben. Es regnet und regnet und es ist wieder kühler geworden. Draussen macht sich zum Glück ein sattes Grün breit und bringt etwas Farbe in den grauen Alltag. Schade ist, dass wir uns nur kurz, an den Frühlingsblumen erfreuen konnten. Ich bin aber überzeugt, dass irgendjemand seine helle Freude an diesem Wetter hat. Hhm, schmatz, schmatz, was gibt es Leckereres als junge, knackige Salatblätter und erst noch gewaschen. Eine Delikatesse für jede Schnecke. Ja, ihr habt richtig gelesen, schmatz, schmatz. Man kann eine Schnecke wirklich hören, wenn sie frisst. Ich durfte dies selbst erleben.
Es ist ziemlich am Anfang meiner Krankheit. Ich sitze unter dem Haus auf einem Bänkchen. Es ist sehr ruhig. Plötzlich bewegt sich etwas im Rasen. Die Löwenzahnblätter teilen sich. Und nun sehe ich es. Eine Häuschenschnecke kriecht hervor. Ihre Fühler sind gestreckt. Nun fängt sie an, an einem Löwenzahnblatt zu knabbern. Ich beobachte sie und verhalte mich ganz ruhig. Wenn sie vom Blatt abbeisst, sieht sie aus, wie die Miniaturausgabe einer Schildkröte. Oder jemand der keine Zähne mehr hat. Es ist nicht ein Abbeissen, eher ein Abdrücken. Und da passiert es. Ich höre, wie die Schnecke frisst. Dies werde ich nie mehr vergessen.
Ich habe diesmal meinen Geschwistern erzählt. Die wenigsten konnten Glauben, dass man dies hören kann. Ein Bruder zieht mich heute noch deswegen auf. Wisst ihr, es ist der, der seine Hände nicht aus den Hosensäcken kriegt. Ich bin sehr glücklich, dass ich dies Erleben durfte. Der Regen hat doch auch seine guten Seiten.
16. Bevor die Woche um ist, möchte ich noch von einem Besuch erzählen, der mich sehr gefreut hat. Sonja, sie ist ebenfalls eine ALS-Betroffene, kommt am Donnerstag spontan zu Besuch. Begleitet wird sie von ihrer Familie. Es ist ein schöner, unterhaltsamer Nachmittag. Die Männer fachsimpeln über Sounds und Multimediageräte und ein hübsches Persönchen sitzt vor dem Fernseher. Sonja und ich verziehen uns in die Küche. Es sind zu viele Geräusche in einem Raum, das strengt uns zu sehr an beim Sprechen. Wir sind beide Quasselstrippen und wir wollen das noch ausnutzen, solange wir unsere Sprache noch haben. Später beim Kaffeetrinken diskutieren wir über ALS. Es ist interessant zu erfahren, wie andere über bestimmte Dinge denken. Ich glaube aus solchen Gesprächen, kann jeder etwas für sich mitnehmen. Auf alle Fälle war es für mich ein schöner Nachmittag. Nur etwas hat mich gefuchst: Sonja hat das Rollstuhlrennen überlegen gewonnen. Ich will eine Revanche!
17. Ich habe fast die ganze Nacht wachgelegen. Diesmal hat das mit dem Rückenschlafen nicht so recht geklappt. Nun könnte ich endlich schlafen, aber nein, die Spitex rüttelt mich wach. Seht ihr, auch wir können nicht einfach den Tag verschlafen. Wir müssen wie alle anderen auch, Zeiten einhalten. Ich freue mich auf diese Woche. Ich genehmige mir, mit der Spitex zusammen, eine Beaute-Woche. Das heisst alle Nägel schneiden und Lackieren. Alle Haare entfernen, die nicht nötig sind. Mit was starten wir wohl in die Woche? Mit dem! Hu hu. Wisst ihr, ich will bereit sein, wenn es endlich wieder Frühling werden sollte.
Jetzt ist es 20 Uhr und die Sonne scheint ganz leicht durch die Wolken. Das ist doch ein gutes Omen.
19. Diesen Eintrag widme ich Simon. Morgen beginnt seine Lehrabschlussprüfung. Da ich ihm die Daumen nicht drücken kann, bin ich Gedanklich bei ihm.
Simon. ich bin stolz, deine Gotte zu sein.
Du bist als Blondschopf auf die Welt gekommen. Ein Sonnenschein mit blauen Augen. Ich durfte 6 Jahre lang deine Tagesmutter sein. Während all dieser Jahre, habe ich sehr viel Schönes mit dir erlebt. Besonders das Heuen bei den Grosseltern haben wir Beide genossen. Ich kenne kein anderes Kind, das so eine Ausdauer beim Nachrechen gezeigt hat wie du.
Was ich an dir bewundere ist deine Kraft. Immer wieder aufzustehen, obwohl du schon zum Xten mal auf dem Boden liegst. Du hast es in all deinen Schuljahren nicht einfach gehabt. Du wurdest oft gehänselt und ausgeschlossen. Durch dein Leben mit Gott waren dir die Hände gebunden, um zurückzuschlagen. Du hast dies alles tapfer ertragen. Simon, ich wünsche dir alles, alles Gute für die nächsten 3 Tage. Ich hoffe, dass viele Menschen an dich denken.
Für dich soll jeden Tag eine Kerze brennen.
22. So, nun sind die 3 LAP-Tage von Simon durch. Nun können wir nur abwarten und auf ein positives Ergebnis hoffen. Ich danke allen, die Simon in irgendeiner Weise unterstützt haben.
Habt ihr Heute ebenfalls das warme Wetter genossen. Hei, war das schön. Natürlich habe ich Heute meine heissgeliebte Servelat vom Grill bekommen. Die besten Servelat gibt es übrigens in der Ostschweiz. Also liebe Verwandtschaft, statt Blumen könntet ihr mir beim nächsten Besuch auch einen Stumpen oder Chlöpfer mitbringen.
Wir haben Heute wieder die Umgebung auf Vordermann gebracht. Also, wenn ich ehrlich bin, hat dies mein Mann getan. Ich war aber auch nicht ganz untätig. Ich musste nach meinen Sorgenkindern schauen. Als ich nämlich das letzte Mal draussen war, sah ich, dass der Yasminstrauch voller Blattläuse war. Damit ich diesen auf natürliche Art zu Leibe rücken kann, habe ich gerade Gestern noch Marienkäferlarven bestellt. Aber was sehen meine freudigen Augen. Die Läuse sind zwar immer noch da, aber auch noch Andere. Schaut mal. Ich glaube, man muss der Natur einfach mehr vertrauen. Vieles kann sie selber ins Loht bringen. Wir sollten ihr einfach mehr Zeit lassen.
Unser Rhabarber ist ganz schön gewachsen. Für einige Käfer sind die grossen Blätter ein Schutz. Andere kümmert das nicht. Was ist denn Heute nur los? Spüren wohl endlich alle den Frühling. Ich geniesse ihn ebenfalls. Schliesslich habe ich Heute Namenstag.
27. Das waren schöne Pfingsttage. Die Sonne hat vom Himmel herunter gelacht. Vielleicht hat sie sich ob der vielen Firmlinge gefreut. Dieses Jahr nahm ich an der Firmungsfeier teil. Ich bin Mitglied der Römisch-Katholischen Kirche. Trotzdem trifft man mich selten in der Kirche an. Ich glaube nicht alles, was in der Bibel geschrieben steht. Bin aber froh, dass ich in diesem Glauben aufwachsen durfte. Es steht sehr viel Weises in der Bibel. Ich interpretiere gewisse Ereignisse einfach anders. Eigentlich wäre Glauben so einfach. Ich müsste nur gut zur Natur und ihren Bewohner sein. So einfach wäre dies und doch unerreichbar. Vielleicht muss ich mehr nach den Gesetzen des Herzens leben. Ich versuche es immer wieder aufs Neue.
So, nun bin ich ein wenig abgeschweift. Jedenfalls hat mir die Messe gefallen. Der Höhepunkt war, als mein Mann mit unserem Neffen Sven vor den Altar trat. Dort legte Piet seine rechte Hand auf die rechte Schulter von Sven und nun wurde er gefirmt. Später haben die Firmlinge den Canon Laudato Si gesungen. Ich habe so Hühnerhaut bekommen.
Später wurde auf dem Bauernhof unter dem Nussbaum das Essen eingenommen. Zum Dessert erschien dann auch die Heuer-Mannschaft. Dieses Wochenende konnte endlich Heu und Silo eingefahren werden. Man hätte meinen können, es gäbe nur noch Traktoren auf dieser Welt. Ich möchte wissen, wie viele Tonnen Heu dieses Wochenende in die Obergaden verschwunden sind und wie viele Siloballen gepresst wurden. Ich hätte gerne mitgeholfen. Wenn ich den Duft vom Heu rieche, geht mein Herz auf. Ich glaube, das hat etwas mit Heimat zu tun. Es gibt aber auch andere Düfte. Da geht mein Herz nicht auf, dafür die Nase zu. Kaum ist das Heu im Trockenen, fangen die Bauern an zu Güllnen. Mit was könnte man wohl die Gülle in einen besseren Duft umwandeln. Ein Veilchenduft wäre nicht ohne.
Es war ein sehr schönes Wochenende.
Habe noch einen schönen Irischen Segensgruss entdeckt.
31. Was ist nur mit dem Wetter los. Es wäre doch gewiss Zeit für den Frühling. Ich sitze mit kalten Füssen am PC und lasse die letzten Tage Revue passieren.
Am Samstag hatten wir Besuch aus der Ostschweiz. Monika, die Schwester von Piet kam mit ihrer Familie vorbei. Wir hätten gerne den Grill angemacht und die St.Galler Bratwürste und die Stümpen verzehrt. Aber nein, es musste immer wieder spritzlä (tröpfeln). Ja nun, die Lasagne alla Piet war auch nicht ohne. Sobald sich aber die Sonne zeigt, sind die Stümpen dran. Da kenne ich dann keine Gnade.
Ich muss euch mal was fragen. Einige kennen uns ja persönlich, andere nur übers Internet. Jetzt aber mal ganz ehrlich. Hattet ihr mal für euch gedacht, dass ich/wir manchmal einen Vogel haben. Ja? Dann kann ich euch nun beruhigen. Unser Besuch hat uns Dreien nämlich wunderschöne Vögelhäuschen gezimmert. Jetzt können wir unseren Vögeln ein anderes Zuhause bieten. Hin und wieder werden sie uns sicher wieder besuchen. Ist doch in Ordnung, oder?
Vogel müsste man sein.
Am Sonntag wurde es uns zu Bund mit dem Wetter. Ich brauchte Sonne. Also fuhren wir über den Gotthardpass ins Tessin. Endlich Sonne und 23 Grad. So schön. Wenn ich nicht so auf Hilfe angewiesen wäre, bliebe ich gleich Unten. Aber eben, wenn das Wörtchen, wenn nicht wäre, wäre ich schon lange Millionär.
Wer weiss, man kann nie wissen.
JUNI
3. Ich sitze da an meinem Bach und sehe dem fliessenden Wasser zu. Wie es sich windet und schlängelt, um über die Steine zu kommen. Hin und wieder tanzt ein kleiner Wassertropfen aus der Reihe. Er springt vom Stein hoch und wird beim herunter fallen sogleich vom Strom wieder aufgefangen. Manchmal geht das aber auch schief. Wenn so ein kleiner, glasklarer Hüpfer sein Ziel verfehlt und auf einem trockenen Stein landet, kommt er nicht mehr runter und er bleibt allein zurück. Die Anderen können nicht warten, sie müssen weiter fliessen. Nun kann der Kleine nur noch warten, bis andere Tropfen zu ihm stossen, um gemeinsam mit ihnen die Reise fortzusetzen. An so einem Tag wie Heute, hätte ein einzelner Tropfen keine Chance gehabt. Die Sonne hätte ihn unbarmherzig zum Frühstück verspeist. Aber nun plätschert der kleine Wassertropfen beschwingt den Anderen hinterher.
7. Heute ist es mir endlich gelungen einen Flash-Film zu erstellen. Ich bin mächtig stolz auf mich.
9. Ich kann heute leider nicht nach draussen. Der älteste Urner ist mal wieder zu Besuch. Er rüttelt an den Dächern als wolle er ins Haus. Bäume und Sträucher beugen sich unter seiner wucht. Blätter wirbeln durch die Luft. Es wird immer wärmer und schwüler. Der Föhn treibt das Thermometer auf 28 Grad. Wir dürfen aber jetzt nicht jammern. Wir wollten schliesslich Sommer.
Gestern hab ich wieder eine Rolliausfahrt in Bildern festgehalten. Das Wetter war traumhaft. Hab mir doch prompt wieder die Knie verbrannt. Es hat sich aber gelohnt. Mit meiner Schwester zusammen, konnte ich wieder schöne Pflanzen bewundern und Tiere bei ihrem Treiben beobachten. Ich weiss, es gibt einige Leute, die können mit Biotopen nichts anfangen. Für sie ist es nur ein Mückenproduzierender Tümpel. Dabei müssten sie nur genauer hinschauen. Sie würden dann entdecken, was für wunderschöne Lebewesen sich dort tummeln.
11. Kaum bin ich eingeschlafen, werde ich durch das Einschalten den Fernseher geweckt. Ich versuche mich ein wenig zu drehen, um zu sehen, was da los ist. Es klickt wieder und der Fernseher schaltet wieder aus. Wird wohl der Föhn gewesen sein. Ich schlafe wieder ein. Irgendwann erwache ich wieder und bemerke, im Nebenzimmer ist das Licht eingeschaltet. Was geht da vor sich. Vielleicht gab es wegen dem Föhn einen Stromunterbruch und die Elektrik hat nun ein Durcheinander. Also schlaf ich wieder ein. Später werde ich noch mal wach. Es hat angefangen zu regnen und der Föhn bläst nur noch leicht. Im Nebenzimmer ist es stockdunkel. Soll ich jetzt an Gespenster glauben? Nein, lieber nicht. Augen zu und eingeschlafen.
Wenn ihr meint, das sei’s jetzt gewesen, da täuscht ihr euch.
Ich habe die Morgentoilette hinter mir. Das Joghurt ist gegessen. Nun sitze ich frisch gestylt vor dem PC und warte auf den Kaffee. Platsch, da hab ich meinen Kaffee. Auf meinem neuen, frühlings-grünen T-Shirt ist er gelandet. Was soll’s, noch mal von vorne.
Am Nachmittag fahre ich auf dem Weg der Schweiz nach Bauen. Ich fahre von der Strasse in den Fussgängertunnel ein. Ein kleiner Absatz wird mir fast zum Verhängnis. Uf, geschafft. Ich fahre weiter in den Tunnel. Es liegt frischer Kies auf dem Weg. Plötzlich fangen meine Räder an zu schwimmen. Ich stecke im Kies fest. Durch vorwärts und rückwärts Fahren versuche ich mich herauszumanövrieren. Ohne Erfolg. Die Räder versinken immer weiter im Kies. Also warte ich, bis jemand vorbeikommt. Ich warte und warte. Es sind sicher schon 15 Minuten vergangen und noch Niemand ist in Sicht. Ich warte und warte und nach weiteren 15 Minuten nähert sich ein Velofahrer. Ich rufe ihm mit meiner noch vorhandenen Stimme zu. Er grüsst mich und fährt in rasantem Tempo an mir vorbei. Ich warte und warte und endlich nähert sich ein Rollstuhlfahrer mit drei Fussgängern. Kurzerhand werde ich aus dem Kies geschoben. Nun kann ich meine Fahrt endlich fortsetzen.
Aber nicht für lange. Am Tunnel-Ende ist ein Gefälle. Letztes Jahr hätte ich mich noch getraut hinunterzufahren. Ich finde, ich hab Heute genug Action gehabt. Also rechts umkehrt und zurück. Ich versuche bei der nächsten Tunnelausfahrt auf das Strassentrottoir zu fahren. Aber denkste. Das Trottoir hat so einen hohen Absatz, ich komm nicht rauf. Also wieder in den Tunnel und die nächste Ausfahrt ansteuern. Nei, Nei, schon wieder so ein Absatz. Ich versuche es zuerst vorwärts, dann rückwärts, zuerst mit einem Rad, aber nichts geht. Der Tunnel will mich einfach nicht fahren lassen. So, nun hab ich die Nase voll. Ich rufe Piet an, er soll mich befreien kommen. Eine halbe Stunde später befinde ich mich gutgelaunt auf dem Heimweg.
Für Heute habe ich genug erlebt. Ich setz mich nur noch vor den Fernseher.
17. Könnt ihr euch noch erinnern, wie es war, als die Sonne eine Woche lang schien. Am Abend konnte man mit kurzen Hosen Draussen sitzen, eine Wurst grillieren und gemütlich beisammensitzen. Es kommt noch so weit, dass Grosseltern ihren Enkelkinder erzählen: Es war einmal Sommer..…
Übrigens, mein Mann Piet hat diese Woche Ferien. Darum bin ich nicht so viel am PC.
21. Am Samstag vor unseren Ferien habe ich wieder am ALS-Selbsthilfegruppentreffen teilgenommen. Wir treffen uns so viermal im Jahr. Unsere Gruppe hat erneut Zuwachs bekommen. Wir versuchen, so gut es eben geht, den Neu-Betroffenen Geborgenheit und Halt zu geben. Am Anfang einer solchen Diagnose hat man so viele Fragen. Man will nicht begreifen, dass man nichts, aber auch gar nichts gegen diese Krankheit machen kann. Es braucht Zeit, um mit so einer Diagnose fertig zu werden. Wir beantworten ihre offenen Fragen so gut es geht. Was mir diesmal Freude bereitet, wir müssen diesmal von niemandem Abschied nehmen. Auch das Bild mit der Sonne, den Blumen und dem Schmetterling, welches mir Sonjas Tochter gemalt hat, freut mich sehr. Es hängt nun in meinem Büro, wo ich es immer anschauen kann. Danke vielmal, kleine Lea.
Es ist Dienstagabend und ich nehme zum erstenmal an einem ALS-Chat teil. Hui, geht das hin und her. Ich, mit meiner Bildschirmtastatur komme kaum mehr mit. Lese ich eben mehr, als das ich schreibe. Und das was ich lese ist sehr amüsant. Da wird nicht etwa Trübsal geblasen. Nein, Nein, trotz dieser Krankheit ist es eine humorvolle Achtergruppe. Werde bestimmt wieder mal teilnehmen.
Nichts wie weg. Wir fahren auf der Autobahn Richtung Süden. Stau vor dem Gotthardtunnel. Wie könnte es auch anders sein. Also ausscheren und über den Pass. Ist sowieso schöner als Siebzehn Minuten im Tunnel zu fahren. Wir müssen weit ins Tessin runterfahren, um die Sonne zu sehen. Endlich, die Sonne zeigt sich. Ich geniesse jeden Sonnenstrahl. Das habe ich gebraucht, auch wenn es nur ein Kurztrip war.
So, nun ist unsere verregnete Ferienwoche vorüber und es regnet immer noch. Und das am längsten Tag im Jahr.
29. Fast eine Woche lang habe ich nichts mehr geschrieben. Könnt ihr euch vorstellen warum? Ja genau. Ich hab die Sonne so richtig genossen. Aber nun nehme ich mir eine Auszeit von der Sonne und werde im 26 Grad warmen PC-Zimmer ein paar Zeilen über die vergangenen Tage schreiben.
Wie ihr sicher bemerkt habt, hat meine Homepage einen neuen Anstrich bekommen. Ich liess mich von der Sonne inspirieren und lasse nun Blumen auf meiner HP blühen. Ausserdem arbeite ich nun mit Windows 7 und mit Office 10. Muss mich noch mit den zusätzlichen Features bekannt machen. Nächstens bekomme ich auch eine stabilere Internetverbindung. Hoffe der PC wird dadurch ein wenig schneller. Ansonsten muss ich mir einen neuen Rechner zulegen. Ich habe gar viel Bildmaterial hochgeladen. Und wer mich kennt, weiss wie ungeduldig ich sein kann. Bei mir kann man nämlich nicht mit dem Spruch kommen; du hast alle Zeit der Welt. Ist mir grad so in den Sinn gekommen. Cheibä güät, gäu.
Ich bin eigentlich nicht Fussball interessiert. Trotzdem habe ich am Fernseher die Schweizer bei der WM unterstützt. Bei den Spielen ist mir aufgefallen, wie wehleidig diese Tschüdeler (Fussballer) sind. Egal für welches Land sie spielen. Bei geringstem Körperkontakt fallen sie um, oder tun so als ob ihnen gar übel wehgetan wurde. Und das nur, um auf unfaire Weise den Ball zu erhaschen. Zum Glück könnte ich neben dem Spiel schauen noch anderes erledigen. Ihr wisst doch, Frauen können mehrere Dinge gleichzeitig machen, auch wenn eine neuere Studie dies widerlegt. War sicher ein Mann am Werk.
Diese Woche war ich viel mit dem Rolli unterwegs. An manchen Abenden habe ich wieder ausgesehen wie eine To… nein, nennen wir es diesmal Radiesli.
Eben hat mir Piet einen Milchkaffee gebracht. Wisst ihr was er zu mir gesagt hat. Ich würde so viel trinken wie ein Amyschiff. Warte mal, da kommt mir was in den Sinn. Müssen Autos nicht ab und zu in den Service? Oje, das könnte teuer werden. Dellen spachteln, neue Farbe auftragen, Öl ablassen, Stossstangen austauschen, neue Reifen aufziehen, waschen, wachsen und polieren. Ach, ist das schön ein Amyschiff zu sein. Ich freu mich auf den nächsten Service.
Am Sonntag machten Piet und ich mit dem Auto, Rolli, Velo und dem Schiff eine Rundreise. Es war ein traumhafter Tag. Das Schiffspersonal war sehr hilfsbereit.
JUNI
1. Wie könnte ich diesen Monat besser beginnen als mit einer Freuden-Botschaft. Gestern Abend so um 21.30 Uhr, checke ich noch schnell meine SMS. Und was lese ich da. Simon, mein „Göttikind“ teilt mir mit, er habe endlich die LAP bestanden. Könnt ihr euch vorstellen, wie ich mich freue. Simon, dein Durchhaltewille ist bewundernswert. Ich danke allen die für Simon eine Kerze angezündet haben, oder ihn sonst auf irgendeine Art unterstützt haben. Und lieber Gott, wenn es dich gibt, danke schön.
Ich konnte es natürlich nicht lassen und habe gleich X SMS verschickt. Das weiteste ging nach Canada. Meine Schwester Bernadette macht momentan mit einem Camper die Gegend unsicher. Sie hat sich riesig über die Mitteilung gefreut. Übrigens, es geht ihr sehr gut und schickt liebe Grüsse an Alle.
6. Jetzt ist es wirklich Sommer. Die Kleider gehen eine Verbindung mit dem Körper ein. Meine nackten Arme und Beine kleben am Rollstuhl fest. Die Hände geben sich alle Mühe, nicht von der Maus zu rutschen. Meine Füsse sind aufgedunsen. Das finde ich etwa gar nicht schön. Dabei wollte ich mir diesen Sommer High Heels zulegen. Wisst ihr, die mit den ganz hohen Haken. Muss ja im Rolli nicht laufen können. Muss nur gut aussehen. Nur, mit meinen dicken Füssen komm ich nicht rein. Damit die Füsse zwischendurch entstaut werden, ziehe ich die hohen Stützschuhe an. Aber nur im Haus. Könnt ihr euch vorstellen, wie das aussieht? Ich, in kurzen Hosen und mit Springerstiefeln an den Füssen, schrecklich. Aber es hilft doch ein wenig.
Es ist schön, dass es zwischendurch einen Regenschauer gibt und es ein wenig abkühlt. Beklagen mag ich mich aber nicht. So schnell ist der Sommer wieder vorbei. Also, geniessen, geniessen.
Am Wochenende fand in meiner Gemeinde das Innerschweizer Schwing- und Älpler Fest statt. Schwingen ist eine Sportart die ausschliesslich in der Schweiz ausgeübt wird. Am Sonntag fuhr ich mit dem Rolli auf den Festplatz. Eintritt müsste ich keinen bezahlen. Beim Eingang wurde mir gleich ein Gratis Billie umgehängt. Das war aber noch nicht alles. Für die Rollstuhlfahrer hat man extra ein Podest gebaut, damit auch wir eine gute Sicht haben. Das ist nicht selbstverständlich, schliesslich wurden an die 6000 Besucher erwartet. Es war ein stimmungsvoller Anlass. Zwischendurch gab es Alphornklänge und es gab volkstümliche Vorträge. Ein Jodelchörli hat mir sehr gut gefallen. Den Liedtext muss ich unbedingt in Erfahrung bringen. Am Schluss wurde dem Sieger des Schwingwettkampfes ein prächtiger Stier überreicht.
Langsam werde ich müde. Hatte heute Morgen Frühschicht. 7.00 Uhr Spitex, 8.30 Uhr Physio, 9.30 Uhr Fussreflexzonenmassage, 11.15 Uhr Mittagessen, 13.00 Uhr Einkaufen fahren, 18.00 Uhr Tagebucheintrag schreiben, 20.00 Uhr Milchkaffe trinken (Amyschiff braucht Benzin) und jetzt fahre ich Fussball gucken.
8. Manchmal werde ich schon traurig, wenn ich von den Schicksalen von Andern ALS-Betroffenen höre. Der Krankheitsverlauf ist verschieden. Er kann wenige Monate betragen, oder wie bei mir, mehrere Jahre. Wir wissen aber Alle, dass uns am Schluss die Luft wegbleibt. Einige von uns stehen in engem Internet-Kontakt. Mitzuerleben wie Jeder immer schwächer wird. Wie die Familien jeden Tag ihre ganze Kraft mobilisieren, um für die Betroffenen da zu sein. Ihre eigenen Interessen und ihr eigenes Leben müssen sie hintenanstellen. Klar, man könnte uns in ein Heim geben. Weg von den Kindern, weg vom Partner oder weg von der vertrauten Umgebung. Wenn man aber das Geld, was so ein Heim kostet, für die Betreuung Zuhause einsetzen könnte, würden die Angehörigen entlastet und es würden weniger Kosten entstehen. Ein Heimplatz kann bei Intensivpatienten bis zu Fr. 1000.— betragen. Es kann ja nicht sein, dass ein 40-jähriger ALS-Betroffener in ein Heim abgeschoben wird, nur weil die Pflege zu Hause von den Betroffenen nicht finanziert werden kann. Zum Glück hat der Ständerat dies nun zum Teil begriffen und einer Änderung zugestimmt. Ich hoffe sehr, dass der Assistenzbeitrag für meine lieben Freunde, die gerade in diesem Dilemma stecken, schon früher angewendet werden kann.
9. Sommer, Sonne, Sonnenschein, so muss es sein. Bei solchem Wetter hält mich nichts im Haus. Am Mittwoch habe ich wieder eine kleine Schifffahrt unternommen. Kurz bevor das Dampfschiff abfährt, brause ich mit dem Rolli heran. Über eine Rampe gelange ich auf das Schiff. Das Billie lösen ist für mich etwas umständlich. Der Schalter ist zu hoch. Es dauert seine Zeit, bis ich dem Matrosen erklärt habe, wohin ich will, wo ich mein Geld habe, dass er das Geld selber herausnehmen muss und er mir das Billie fest in die Hand legen muss. Aber irgendwie geht’s immer. So, nun aber ab an die Reling. Es ist so herrlich den Fahrtwind auf meiner Haut zu spüren. Den Wellen zuzusehen die vom Schiff ausgelöst werden. Es ist einiges los auf dem Wasser. Surfer spielen mit dem Wind. Segelboote haben ihre Segel gesetzt und Yachten kreuzen unsere Fahrt. Nun kommt ein Matrose und scheucht uns vom Platz weg. Wir legen an. Leute steigen aus, andere ein. Die Fahrt geht weiter. Inzwischen habe ich einen Platz gefunden, an dem ich niemandem im Weg sitze. Eine Familie sitzt in meiner Nähe. Ihre beiden Jungs, ca. 5- und 6-Jährig, sind völlig begeistert von dieser Schifffahrt. Sie laufen hin und her und schauen alles genau an. Plötzlich ertönt das Schiffshorn. Je, ihr glaubt es nicht. Die beiden Jungs halten die Ohren zu. Sie haben sich so erschrocken. Das zeigt mir, wie feinfühlig diese Jungs sind. Als dann später noch ihre Mutter zu mir kommt und mich fragt, ob ich allein Unterwegs sei und ob sie mir etwas zu trinken holen kann, da weiss ich, diese Jungs dürfen in einem gesunden Umfeld aufwachsen. In Liebe und Geborgenheit.
Ach, jetzt kommt wieder der Matrose zu mir und sagt, ich müsse in Brunnen aussteigen. Ich sage ihm: Ja ich weiss. Als er dann noch sagt, also kommen sie, fühle ich mich wie ein kleines Kind. Er meint es ja nur gut. Ihm fehlen einfach das Verständnis und das Feingefühl. Aber ich lasse mir den Ausflug nicht verderben und mache mich über die Axenstrasse und über den Weg der Schweiz auf die Rückreise. Ich geniesse den Fahrtwind in meinen Haaren und die Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Kurz vor 17.00 Uhr ertönt mein Telefon. Wann kommst du, fragt mein Mann. Wir warten mit der Torte auf dich. Oh, jetzt muss ich aber Gas geben. Mein Sohn hat nämlich Geburtstag.
Das war wieder mal ein schöner Tag.
17. Mit einem Milchkaffe mache ich es mir auf dem Balkon gemütlich. Es ist wieder so ein sonniger Tag. Die Sonne hat sich in den letzten beiden Wochen von ihrer besten Seite gezeigt. Das es Sommer und somit Ferienzeit ist, sieht man auf der Autobahn, welche nach Süden führt. Sie ist völlig verstopft. Momentan beträgt die Wartezeit vor dem Gotthardstrassentunnel 4 Std. Von meinem Balkon aus sehe ich auf diese Autobahn. Ich sehe, wie sich die zweispurige Autokollonne Richtung Süden schlängelt. Vollgepackte PKWs, Wohnmobile, Motorräder und Reisebusse stehen Stossstange an Stossstange. Zwischendrin Lastenzüge mit neuen Autos auf der Lade Brugg und weiter hinten ein Benzin- Öltankwagen. An so einem Wochenende sollte die Autobahn für Lastwagen einfach gesperrt werden. Ich bin froh, muss ich nicht in dieser Kolonne stehen. Ich schaue lieber den Vögeln zu, die am Himmel ihre Kreise ziehen.
18. Der Rollstuhl im Kofferraum verstaut. Das Picknick mit dem Urner Kaffee eingeladen. Die Caps auf dem Kopf. Die Sonnenbrille auf der Nase. So, jetzt kann es losgehen mit der Pässe Fahrt. Zuerst fahren wir Richtung Oberalppass. Es ist reger Verkehr auf der Passstrasse. Uns fallen vor allem die vielen Harleys auf. Viele sind in Gruppen unterwegs. Da muss wohl irgendwo ein HOG - Treffen gewesen sein. Viele tragen ein Chapter-Emblem auf ihren Westen. Früher, als ich noch auf die Harley steigen konnte, nahmen wir auch an Treffen teil. Manchmal macht es schon weh, wenn ich an die schöne Zeit denke, als mein Mann und ich gemeinsam mit der Harley unterwegs waren. Ich bin so gerne mitgeritten. Aber was solls. Ich durfte es wenigstens selbst erleben.
Kurze Zeit später suchen wir uns einen Picknickplatz. Der Kaffee tut gut und der warme Käse hat sein volles Aroma entwickelt. Mmmh, schmeckt im Freien einfach besser.
Weiter geht es nun Richtung San Bernardinopass. Die Landschaft ist atemberaubend. Die Wildblumen blühen um die Wette. Diese Luft, diese Freiheit. Dieses Gefühl ist die beste Medizin für mich. Auf den Alpenpässen kann ich meine Seele auftanken.
Der 3. Pass den wir erkunden ist der Nufenen. Jeder Pass hat seine Schönheit. Das Gestein ist von der Farbe und der Zusammensetzung anders. Die Blumen können sich durch Sorten unterscheiden. Auch das Gehölz ist nicht auf jedem Pass gleich. Damit ich mich noch lange an diesen Ausflug erinnern kann, pflückt mir mein Mann noch zwei, drei Alpenrosen.
20. Es ist so ein herrlicher Sommerabend. Ich höre die Grillen zirpen und die Vögel pfeifen. Der Lindenblütenbaum vom Nachbar verströmt einen betörenden Duft. Das weckt Erinnerungen an Früher.
Es ist ein heisser Sommertag und wir Kinder müssen beim Heuen helfen. Zwischendurch plagt uns der Durst. Wenn ihr meint, wir können einfach eine Cola- oder Oranginaflasche öffnen, da irrt ihr euch. Pläterliwasser gabs damals bei uns noch nicht. Wir dürfen hingegen vom gekühlten, herrlich schmeckenden Lindenblütentee trinken, so viel wir mögen. Der Tee schmeckt so gut.
Unser Vater holt jeweils Lindenblütenäste vom Wald und wir pflücken die Blüten davon. Diese werden ausgelegt und getrocknet. Später wird der Vorrat in Leinensäcke abgefühlt und auf den Estrich gehängt.
Meine Mutter gibt beim Teekochen jeweils noch Zitronenschale dazu und süsst mit Brustzucker (Kandiszucker). Schnell sind flicke Hände da und versuchen ein kleines Stückchen Brustzucker zu erhaschen, um es schnell in den Mund zu befördern.
Am Abend rennen wir auf dem kurzgeschnittenen Land herum oder spielen darauf Ball. Wir müssen das ausnützen. Sobald das Gras wieder ein bisschen höher ist, dürfen wir es nicht mehr betreten. Mein Vater bemerkt sehr schnell, wenn jemand im hohen Gras umägleitscht (herumgelaufen) ist. Wir sind dann jeweils froh, wenn keines der Geschwister den anderen verrätscht (verrät).
So, nun geniesse ich noch ein wenig den Abend.
21. Heute Nachmittag bin ich zu Besuch bei meinen Eltern. Es ist so gemütlich unter dem Nussbaum zu sitzen der uns gleichzeitig noch Schatten spendet. Da schmeckt das Kaffee und der frisch gebackene Kuchen doppelt so gut. Da ertönt das Telefon in der Küche. Meine Mutter und mein Vater hören nicht mehr so gut. Also sag ich, das Telefon läutet. Meine Mutter springt auf und läuft so schnell sie eben noch kann, die Treppen hinauf. Oben angelangt muss sie feststellen, dass der Anrufer schon aufgelegt hat. Also rechts umkehrt und wieder hinunter. Kurze Zeit später sage ich wieder, das Telefon schellt. Meine Mutter springt wieder auf und mein Vater und ich feuern sie an. Aber leider wieder nicht geschafft. So wiederholt sich dies sicher vier, fünfmal. Bei einem Anrufer hat sie’s dann doch geschafft. Es ist ein Verwandter, der ihr zum Geburtstag gratuliert. Meine Mutter ist heute nämlich 81 Jahre geworden. Ich muss sagen, meine Eltern sind eigentlich noch recht fit. Nur mit den neumodischen, schnurlosen Telefonen und Handys haben sie ihre liebe Müh.
Langsam trudeln immer mehr Gratulanten ein. Es wird immer geselliger. Es kommen wieder Geschichten von Früher auf den Tisch. Warum eine Narbe den Oberschenkel einer meiner Schwestern ziert, erzähl ich euch ein andermal. Ich würde gerne noch länger bleiben, aber ein Gewitter ist im Anmarsch.
Uf, hab’s gerade noch nach Hause geschafft. Nun entladen sich die Wolken. Blitze schiessen vom Himmel und der Donner grollt durch die Luft. Langsam wird es kühler. Jetzt kann mal wieder richtig durchgelüftet werden.
22. Bin soeben von meiner Reise in Canada zurück. Die Gegend dort ist traumhaft. Es hat Berge wie bei uns. Manche haben Schnee oder Gletscher auf dem Kamm. Viele Seen und Flüsse prägen die Landschaft. Die Nadelbäume tragen ein sattes Grün. Manchmal entdecke ich ein Hirschkalb im Unterholz oder einen Bären, der nach Beute sucht. Die flinken Erdhörnchen sind sehr zutraulich. Grosse Rapsfelder verleihen der Landschaft einen gelben Tatsch und auf den grossen Farmen leben viele Kühe. Es ist einfach alles viel grösser als bei uns.
Nur schade, aber jede Reise geht einmal zu Ende. Meine Schwester schliesst das Fotoalbum von Canada und ich kehre nach zwei Stunden in die Realität zurück. Die schönen Bilder bleiben aber in meinem Gedächtnis.
23. Leise ziehen feine Regentropfen Muster auf meine Fensterscheiben. Der Regen sieht so, klar und sauber aus. Er fällt so unschuldig vom Himmel, als könnte er kein Wässerchen trüben. Er kann auch anders. Gestern hat er sich an einigen Orten so richtig ausgetoppt. Er hat seine Tropfen in Eis verwandelt und liess Hagelkörner regnen. Er verwandelte kleine, unschuldige Bächlein zu reissenden, schmutzigen Strömen.
Unsere Gemeinde wurde diesmal verschont. Es war auch schon ganz anders. Ich kann mich gut an die drei grossen Unwetter erinnern, die meine Gemeinde und den Kanton heimsuchten. Eines war für meine Familie besonders schlimm. Die Reuss (Fluss) trat über die Ufer. Überflutete grosse Teile von Wohnquartieren und Landwirtschaftsbetriebe. Ich hatte grosse Angst um meine Eltern, Brüder und Schwester. Das Wasser kam so schnell. Mein Vater und mein Bruder konnten die Kühe noch schnell aus dem Stall treiben, bevor sie sich in letzter Minute in die oberen Stockwerke in Sicherheit bringen konnten. Das alles in der Nacht bei Stromausfall. Zum Glück konnten später alle Personen mit Booten gerettet werden. Leider mussten aber viele Tiere ihr Leben lassen. Die Aufräumarbeiten haben etliche Zeit in Anspruch genommen. Aber die Solidarität war grossartig. Solche Erlebnisse wird man wohl nie vergessen. Ich werde trotz meiner Liebe zur Natur auch nie vergessen, wie unberechenbar und brutal sie sein kann.
Momentan zeigt sich die Natur von ihrer sanften Seite.
26. Am Samstag klingelt der Wecker schon um 6 Uhr. Heute haben wir eine lange Autofahrt vor uns. Wir fahren ins Wallis. Nach 3 Stunden erreichen wir Champéry. Dort findet ein Mountainbike-Weltcup statt. Die Downhill-Strecke gilt als steilste im ganzen Weltcup. Das will sich mein Junior natürlich nicht entgehen lassen. Also spielen wir Taxi.
Während der Wettkampf stattfindet, machen Piet und ich eine Rundreise mit Abstecher nach Frankreich. Wir fahren an vielen Weinbergen vorbei. Kleine Dörfer fallen durch eine vielfältige Blumenpracht auf. Und die Holzhäuser strahlen Wärme und Gemütlichkeit aus. Die Wolken haben sich für einen Moment gelichtet und geben die Sicht auf den Mont Blanc frei. Zum Schluss, wieder im Wallis angekommen, lockt uns ein Strassenverkäufer mit Walliser Aprikosen. Dazu muss ich euch schnell eine Geschichte erzählen. Ich kann es amigs (manchmal) kaum erwarten, bis es im Sommer die ersten Aprikosen gibt. Als wir anfangs dieses Jahres über einen Pass fuhren, rief ich Piet voller Aufregung zu: Halt an, Aprikosen. Piet schaut mich an und fährt einfach weiter. Ich frage ihn: Warum hast du nicht beim Strassenverkäufer angehalten. Er schaut mich ungläubig an und sagt zu mir: Es ist noch zu früh für Aprikosen. Auf der Tafel stand, Alpenrosen zu verkaufen. Schäm, aber das schreibt sich schliesslich fast gleich.
Diesmal sind es aber tatsächlich Aprikosen. Die Walliser sind einfach die Besten.
Später geht’s mit dem Junior im Gepäck wieder nach Hause.
28. Damit ich weiterhin meine Hilfsmittel benutzen kann, müssen einige von Zeit zu Zeit an meine fortschreitende Behinderung angepasst werden. Ich kann meinen Treppenlift kaum mehr selber bedienen. Ich stelle mir vor, den Lift mit einer Infrarotbedienung, welche ich auf dem Rollstuhl mitführe, zu bedienen. Leider ist der Lifthersteller noch nicht so weit, um mir dies anbieten zu können. Sie haben mir aber versichert, dass sie an der Herstellung eines Prototyps arbeiten und ich diesen eventuell in einigen Monaten testen dürfte. Die Sicherheitsvorschriften für so einen Treppenlift sind schon enorm. Ist sicher berechtigt. Besonders bei solchen Künstlern wie ich. Wie ihr jetzt wisst, komme ich beim Treppenlift nicht mehr richtig an die Fahrtasten. Da ich aber nicht so schnell klein beigebe, habe ich mir kürzlich etwas überlegt. Ich fahre also im Keller auf den Treppenlift. Danach fahre ich den Rollstuhllift (befindet sich im Rollstuhl) in die Höhe, bis ich von oben die Treppenlifttaster bedienen kann. Ich denke mir noch, warum ist mir diese Idee nicht schon früher in den Sinn gekommen. Voller Freude fahre ich die Treppen hinauf. Plötzlich bemerke ich, wie mich etwas nach hinten zieht. Ich höre wie Nägel aus dem Holz gezogen werden und Staub auf meinen Kopf rieselt. Kurz bevor ich mit dem Rollstuhl ein Wheelie auf dem Treppenlift vorführe, kommt mir in den Sinn, ich könnte eigentlich den Lift stoppen. Gedacht, getan. Was war geschehen: Wegen dem hochgefahrenen Lift, hat meine Kopfstütze oben an der Decke an einem Paneel (Brett) eingehängt und diese losgerissen.
Nachdem sich mein mulmiges Gefühl verflüchtigt hatte, setzte ich meine Fahrt mit der lädierten Kopfstütze fort. Ihr seht, so gehen meinem Mann die Reparaturarbeiten nie aus. Ich hoffe nun auf die neue Infrarotbedienung.
Der Closomat wurde am Montag ebenfalls mit einer Infrarotbedienung ausgestattet. Jetzt bin ich wieder Herr und Meister auf meinem Örtchen.
Ich hoffe nun, die IV sieht diese Anpassungen ebenfalls als eine Notwendigkeit an und beteiligt sich an den Kosten. Mit solchen Anpassungen wird mir ein wenig Selbständigkeit zurückgegeben.
31. Hei, ist das schön wieder mal durch die Sonne geweckt zu werden. Sie hat mir mitten in mein Gesicht geschienen und meine Hamsterbacken haben sich so warm angefühlt. Der Himmel ist stahlblau. Ein krasser Gegensatz zu den letzten Tagen.
Ich freue mich so, endlich wieder nach Draussen rollen zu können. Am Nachmittag wird der Rasen gemäht und der Pflaumenbaum muss von seinen vielen Früchten befreit werden. Zwischendurch bekomme ich meine heissgeliebte Grillwurst. Später wird noch die Urner Fahne an die Fassade gehängt und in der Umgebung flattern viele Schweizerfähndli. So, nun sind wir bereit für den morgigen Nationalfeiertag.
JULI
1.Wie könnte ich diesen Monat besser beginnen als mit einer Freuden-Botschaft. Gestern Abend so um 21.30 Uhr, checke ich noch schnell meine SMS. Und was lese ich da. Simon, mein „Göttikind“ teilt mir mit, er habe endlich die LAP bestanden. Könnt ihr euch vorstellen, wie ich mich freue. Simon, dein Durchhaltewille ist bewundernswert. Ich danke allen die für Simon eine Kerze angezündet haben, oder ihn sonst auf irgendeine Art unterstützt haben. Und lieber Gott, wenn es dich gibt, danke schön.
Ich konnte es natürlich nicht lassen und habe gleich X SMS verschickt. Das weiteste ging nach Canada. Meine Schwester Bernadette macht momentan mit einem Camper die Gegend unsicher. Sie hat sich riesig über die Mitteilung gefreut. Übrigens, es geht ihr sehr gut und schickt liebe Grüsse an Alle.
6. Jetzt ist es wirklich Sommer. Die Kleider gehen eine Verbindung mit dem Körper ein. Meine nackten Arme und Beine kleben am Rollstuhl fest. Die Hände geben sich alle Mühe, nicht von der Maus zu rutschen. Meine Füsse sind aufgedunsen. Das finde ich etwa gar nicht schön. Dabei wollte ich mir diesen Sommer High Heels zulegen. Wisst ihr, die mit den ganz hohen Haken. Muss ja im Rolli nicht laufen können. Muss nur gut aussehen. Nur, mit meinen dicken Füssen komm ich nicht rein. Damit die Füsse zwischendurch entstaut werden, ziehe ich die hohen Stützschuhe an. Aber nur im Haus. Könnt ihr euch vorstellen, wie das aussieht? Ich, in kurzen Hosen und mit Springerstiefeln an den Füssen, schrecklich. Aber es hilft doch ein wenig.
Es ist schön, dass es zwischendurch einen Regenschauer gibt und es ein wenig abkühlt. Beklagen mag ich mich aber nicht. So schnell ist der Sommer wieder vorbei. Also, geniessen, geniessen.
Am Wochenende fand in meiner Gemeinde das Innerschweizer Schwing- und Älpler Fest statt. Schwingen ist eine Sportart die ausschliesslich in der Schweiz ausgeübt wird. Am Sonntag fuhr ich mit dem Rolli auf den Festplatz. Eintritt müsste ich keinen bezahlen. Beim Eingang wurde mir gleich ein Gratis Billie umgehängt. Das war aber noch nicht alles. Für die Rollstuhlfahrer hat man extra ein Podest gebaut, damit auch wir eine gute Sicht haben. Das ist nicht selbstverständlich, schliesslich wurden an die 6000 Besucher erwartet. Es war ein stimmungsvoller Anlass. Zwischendurch gab es Alphornklänge und es gab volkstümliche Vorträge. Ein Jodelchörli hat mir sehr gut gefallen. Den Liedtext muss ich unbedingt in Erfahrung bringen. Am Schluss wurde dem Sieger des Schwingwettkampfes ein prächtiger Stier überreicht.
Langsam werde ich müde. Hatte heute Morgen Frühschicht. 7.00 Uhr Spitex, 8.30 Uhr Physio, 9.30 Uhr Fussreflexzonenmassage, 11.15 Uhr Mittagessen, 13.00 Uhr Einkaufen fahren, 18.00 Uhr Tagebucheintrag schreiben, 20.00 Uhr Milchkaffe trinken (Amyschiff braucht Benzin) und jetzt fahre ich Fussball gucken.
8. Manchmal werde ich schon traurig, wenn ich von den Schicksalen von Andern ALS-Betroffenen höre. Der Krankheitsverlauf ist verschieden. Er kann wenige Monate betragen, oder wie bei mir, mehrere Jahre. Wir wissen aber Alle, dass uns am Schluss die Luft wegbleibt. Einige von uns stehen in engem Internet-Kontakt. Mitzuerleben wie Jeder immer schwächer wird. Wie die Familien jeden Tag ihre ganze Kraft mobilisieren, um für die Betroffenen da zu sein. Ihre eigenen Interessen und ihr eigenes Leben müssen sie hintenanstellen. Klar, man könnte uns in ein Heim geben. Weg von den Kindern, weg vom Partner oder weg von der vertrauten Umgebung. Wenn man aber das Geld, was so ein Heim kostet, für die Betreuung Zuhause einsetzen könnte, würden die Angehörigen entlastet und es würden weniger Kosten entstehen. Ein Heimplatz kann bei Intensivpatienten bis zu Fr. 1000.— betragen. Es kann ja nicht sein, dass ein 40-jähriger ALS-Betroffener in ein Heim abgeschoben wird, nur weil die Pflege zu Hause von den Betroffenen nicht finanziert werden kann. Zum Glück hat der Ständerat dies nun zum Teil begriffen und einer Änderung zugestimmt. Ich hoffe sehr, dass der Assistenzbeitrag für meine lieben Freunde, die gerade in diesem Dilemma stecken, schon früher angewendet werden kann.
9. Sommer, Sonne, Sonnenschein, so muss es sein. Bei solchem Wetter hält mich nichts im Haus. Am Mittwoch habe ich wieder eine kleine Schifffahrt unternommen. Kurz bevor das Dampfschiff abfährt, brause ich mit dem Rolli heran. Über eine Rampe gelange ich auf das Schiff. Das Billie lösen ist für mich etwas umständlich. Der Schalter ist zu hoch. Es dauert seine Zeit, bis ich dem Matrosen erklärt habe, wohin ich will, wo ich mein Geld habe, dass er das Geld selber herausnehmen muss und er mir das Billie fest in die Hand legen muss. Aber irgendwie geht’s immer. So, nun aber ab an die Reling. Es ist so herrlich den Fahrtwind auf meiner Haut zu spüren. Den Wellen zuzusehen die vom Schiff ausgelöst werden. Es ist einiges los auf dem Wasser. Surfer spielen mit dem Wind. Segelboote haben ihre Segel gesetzt und Yachten kreuzen unsere Fahrt. Nun kommt ein Matrose und scheucht uns vom Platz weg. Wir legen an. Leute steigen aus, andere ein. Die Fahrt geht weiter. Inzwischen habe ich einen Platz gefunden, an dem ich niemandem im Weg sitze. Eine Familie sitzt in meiner Nähe. Ihre beiden Jungs, ca. 5- und 6-Jährig, sind völlig begeistert von dieser Schifffahrt. Sie laufen hin und her und schauen alles genau an. Plötzlich ertönt das Schiffshorn. Je, ihr glaubt es nicht. Die beiden Jungs halten die Ohren zu. Sie haben sich so erschrocken. Das zeigt mir, wie feinfühlig diese Jungs sind. Als dann später noch ihre Mutter zu mir kommt und mich fragt, ob ich allein Unterwegs sei und ob sie mir etwas zu trinken holen kann, da weiss ich, diese Jungs dürfen in einem gesunden Umfeld aufwachsen. In Liebe und Geborgenheit.
Ach, jetzt kommt wieder der Matrose zu mir und sagt, ich müsse in Brunnen aussteigen. Ich sage ihm: Ja ich weiss. Als er dann noch sagt, also kommen sie, fühle ich mich wie ein kleines Kind. Er meint es ja nur gut. Ihm fehlen einfach das Verständnis und das Feingefühl. Aber ich lasse mir den Ausflug nicht verderben und mache mich über die Axenstrasse und über den Weg der Schweiz auf die Rückreise. Ich geniesse den Fahrtwind in meinen Haaren und die Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Kurz vor 17.00 Uhr ertönt mein Telefon. Wann kommst du, fragt mein Mann. Wir warten mit der Torte auf dich. Oh, jetzt muss ich aber Gas geben. Mein Sohn hat nämlich Geburtstag.
Das war wieder mal ein schöner Tag.
17. Mit einem Milchkaffe mache ich es mir auf dem Balkon gemütlich. Es ist wieder so ein sonniger Tag. Die Sonne hat sich in den letzten beiden Wochen von ihrer besten Seite gezeigt. Das es Sommer und somit Ferienzeit ist, sieht man auf der Autobahn, welche nach Süden führt. Sie ist völlig verstopft. Momentan beträgt die Wartezeit vor dem Gotthardstrassentunnel 4 Std. Von meinem Balkon aus sehe ich auf diese Autobahn. Ich sehe, wie sich die zweispurige Autokollonne Richtung Süden schlängelt. Vollgepackte PKWs, Wohnmobile, Motorräder und Reisebusse stehen Stossstange an Stossstange. Zwischendrin Lastenzüge mit neuen Autos auf der Lade Brugg und weiter hinten ein Benzin- Öltankwagen. An so einem Wochenende sollte die Autobahn für Lastwagen einfach gesperrt werden. Ich bin froh, muss ich nicht in dieser Kolonne stehen. Ich schaue lieber den Vögeln zu, die am Himmel ihre Kreise ziehen.
18. Der Rollstuhl im Kofferraum verstaut. Das Picknick mit dem Urner Kaffee eingeladen. Die Caps auf dem Kopf. Die Sonnenbrille auf der Nase. So, jetzt kann es losgehen mit der Pässe Fahrt. Zuerst fahren wir Richtung Oberalppass. Es ist reger Verkehr auf der Passstrasse. Uns fallen vor allem die vielen Harleys auf. Viele sind in Gruppen unterwegs. Da muss wohl irgendwo ein HOG - Treffen gewesen sein. Viele tragen ein Chapter-Emblem auf ihren Westen. Früher, als ich noch auf die Harley steigen konnte, nahmen wir auch an Treffen teil. Manchmal macht es schon weh, wenn ich an die schöne Zeit denke, als mein Mann und ich gemeinsam mit der Harley unterwegs waren. Ich bin so gerne mitgeritten. Aber was solls. Ich durfte es wenigstens selbst erleben.
Kurze Zeit später suchen wir uns einen Picknickplatz. Der Kaffee tut gut und der warme Käse hat sein volles Aroma entwickelt. Mmmh, schmeckt im Freien einfach besser.
Weiter geht es nun Richtung San Bernardinopass. Die Landschaft ist atemberaubend. Die Wildblumen blühen um die Wette. Diese Luft, diese Freiheit. Dieses Gefühl ist die beste Medizin für mich. Auf den Alpenpässen kann ich meine Seele auftanken.
Der 3. Pass den wir erkunden ist der Nufenen. Jeder Pass hat seine Schönheit. Das Gestein ist von der Farbe und der Zusammensetzung anders. Die Blumen können sich durch Sorten unterscheiden. Auch das Gehölz ist nicht auf jedem Pass gleich. Damit ich mich noch lange an diesen Ausflug erinnern kann, pflückt mir mein Mann noch zwei, drei Alpenrosen.
20. Es ist so ein herrlicher Sommerabend. Ich höre die Grillen zirpen und die Vögel pfeifen. Der Lindenblütenbaum vom Nachbar verströmt einen betörenden Duft. Das weckt Erinnerungen an Früher.
Es ist ein heisser Sommertag und wir Kinder müssen beim Heuen helfen. Zwischendurch plagt uns der Durst. Wenn ihr meint, wir können einfach eine Cola- oder Oranginaflasche öffnen, da irrt ihr euch. Pläterliwasser gabs damals bei uns noch nicht. Wir dürfen hingegen vom gekühlten, herrlich schmeckenden Lindenblütentee trinken, so viel wir mögen. Der Tee schmeckt so gut.
Unser Vater holt jeweils Lindenblütenäste vom Wald und wir pflücken die Blüten davon. Diese werden ausgelegt und getrocknet. Später wird der Vorrat in Leinensäcke abgefühlt und auf den Estrich gehängt.
Meine Mutter gibt beim Teekochen jeweils noch Zitronenschale dazu und süsst mit Brustzucker (Kandiszucker). Schnell sind flicke Hände da und versuchen ein kleines Stückchen Brustzucker zu erhaschen, um es schnell in den Mund zu befördern.
Am Abend rennen wir auf dem kurzgeschnittenen Land herum oder spielen darauf Ball. Wir müssen das ausnützen. Sobald das Gras wieder ein bisschen höher ist, dürfen wir es nicht mehr betreten. Mein Vater bemerkt sehr schnell, wenn jemand im hohen Gras umägleitscht (herumgelaufen) ist. Wir sind dann jeweils froh, wenn keines der Geschwister den anderen verrätscht (verrät).
So, nun geniesse ich noch ein wenig den Abend.
21. Heute Nachmittag bin ich zu Besuch bei meinen Eltern. Es ist so gemütlich unter dem Nussbaum zu sitzen der uns gleichzeitig noch Schatten spendet. Da schmeckt das Kaffee und der frisch gebackene Kuchen doppelt so gut. Da ertönt das Telefon in der Küche. Meine Mutter und mein Vater hören nicht mehr so gut. Also sag ich, das Telefon läutet. Meine Mutter springt auf und läuft so schnell sie eben noch kann, die Treppen hinauf. Oben angelangt muss sie feststellen, dass der Anrufer schon aufgelegt hat. Also rechts umkehrt und wieder hinunter. Kurze Zeit später sage ich wieder, das Telefon schellt. Meine Mutter springt wieder auf und mein Vater und ich feuern sie an. Aber leider wieder nicht geschafft. So wiederholt sich dies sicher vier, fünfmal. Bei einem Anrufer hat sie’s dann doch geschafft. Es ist ein Verwandter, der ihr zum Geburtstag gratuliert. Meine Mutter ist heute nämlich 81 Jahre geworden. Ich muss sagen, meine Eltern sind eigentlich noch recht fit. Nur mit den neumodischen, schnurlosen Telefonen und Handys haben sie ihre liebe Müh.
Langsam trudeln immer mehr Gratulanten ein. Es wird immer geselliger. Es kommen wieder Geschichten von Früher auf den Tisch. Warum eine Narbe den Oberschenkel einer meiner Schwestern ziert, erzähl ich euch ein andermal. Ich würde gerne noch länger bleiben, aber ein Gewitter ist im Anmarsch.
Uf, hab’s gerade noch nach Hause geschafft. Nun entladen sich die Wolken. Blitze schiessen vom Himmel und der Donner grollt durch die Luft. Langsam wird es kühler. Jetzt kann mal wieder richtig durchgelüftet werden.
22. Bin soeben von meiner Reise in Canada zurück. Die Gegend dort ist traumhaft. Es hat Berge wie bei uns. Manche haben Schnee oder Gletscher auf dem Kamm. Viele Seen und Flüsse prägen die Landschaft. Die Nadelbäume tragen ein sattes Grün. Manchmal entdecke ich ein Hirschkalb im Unterholz oder einen Bären, der nach Beute sucht. Die flinken Erdhörnchen sind sehr zutraulich. Grosse Rapsfelder verleihen der Landschaft einen gelben Tatsch und auf den grossen Farmen leben viele Kühe. Es ist einfach alles viel grösser als bei uns.
Nur schade, aber jede Reise geht einmal zu Ende. Meine Schwester schliesst das Fotoalbum von Canada und ich kehre nach zwei Stunden in die Realität zurück. Die schönen Bilder bleiben aber in meinem Gedächtnis.
23. Leise ziehen feine Regentropfen Muster auf meine Fensterscheiben. Der Regen sieht so, klar und sauber aus. Er fällt so unschuldig vom Himmel, als könnte er kein Wässerchen trüben. Er kann auch anders. Gestern hat er sich an einigen Orten so richtig ausgetoppt. Er hat seine Tropfen in Eis verwandelt und liess Hagelkörner regnen. Er verwandelte kleine, unschuldige Bächlein zu reissenden, schmutzigen Strömen.
Unsere Gemeinde wurde diesmal verschont. Es war auch schon ganz anders. Ich kann mich gut an die drei grossen Unwetter erinnern, die meine Gemeinde und den Kanton heimsuchten. Eines war für meine Familie besonders schlimm. Die Reuss (Fluss) trat über die Ufer. Überflutete grosse Teile von Wohnquartieren und Landwirtschaftsbetriebe. Ich hatte grosse Angst um meine Eltern, Brüder und Schwester. Das Wasser kam so schnell. Mein Vater und mein Bruder konnten die Kühe noch schnell aus dem Stall treiben, bevor sie sich in letzter Minute in die oberen Stockwerke in Sicherheit bringen konnten. Das alles in der Nacht bei Stromausfall. Zum Glück konnten später alle Personen mit Booten gerettet werden. Leider mussten aber viele Tiere ihr Leben lassen. Die Aufräumarbeiten haben etliche Zeit in Anspruch genommen. Aber die Solidarität war grossartig. Solche Erlebnisse wird man wohl nie vergessen. Ich werde trotz meiner Liebe zur Natur auch nie vergessen, wie unberechenbar und brutal sie sein kann.
Momentan zeigt sich die Natur von ihrer sanften Seite.
26. Am Samstag klingelt der Wecker schon um 6 Uhr. Heute haben wir eine lange Autofahrt vor uns. Wir fahren ins Wallis. Nach 3 Stunden erreichen wir Champéry. Dort findet ein Mountainbike-Weltcup statt. Die Downhill-Strecke gilt als steilste im ganzen Weltcup. Das will sich mein Junior natürlich nicht entgehen lassen. Also spielen wir Taxi.
Während der Wettkampf stattfindet, machen Piet und ich eine Rundreise mit Abstecher nach Frankreich. Wir fahren an vielen Weinbergen vorbei. Kleine Dörfer fallen durch eine vielfältige Blumenpracht auf. Und die Holzhäuser strahlen Wärme und Gemütlichkeit aus. Die Wolken haben sich für einen Moment gelichtet und geben die Sicht auf den Mont Blanc frei. Zum Schluss, wieder im Wallis angekommen, lockt uns ein Strassenverkäufer mit Walliser Aprikosen. Dazu muss ich euch schnell eine Geschichte erzählen. Ich kann es amigs (manchmal) kaum erwarten, bis es im Sommer die ersten Aprikosen gibt. Als wir anfangs dieses Jahres über einen Pass fuhren, rief ich Piet voller Aufregung zu: Halt an, Aprikosen. Piet schaut mich an und fährt einfach weiter. Ich frage ihn: Warum hast du nicht beim Strassenverkäufer angehalten. Er schaut mich ungläubig an und sagt zu mir: Es ist noch zu früh für Aprikosen. Auf der Tafel stand, Alpenrosen zu verkaufen. Schäm, aber das schreibt sich schliesslich fast gleich.
Diesmal sind es aber tatsächlich Aprikosen. Die Walliser sind einfach die Besten.
Später geht’s mit dem Junior im Gepäck wieder nach Hause.
28. Damit ich weiterhin meine Hilfsmittel benutzen kann, müssen einige von Zeit zu Zeit an meine fortschreitende Behinderung angepasst werden. Ich kann meinen Treppenlift kaum mehr selber bedienen. Ich stelle mir vor, den Lift mit einer Infrarotbedienung, welche ich auf dem Rollstuhl mitführe, zu bedienen. Leider ist der Lifthersteller noch nicht so weit, um mir dies anbieten zu können. Sie haben mir aber versichert, dass sie an der Herstellung eines Prototyps arbeiten und ich diesen eventuell in einigen Monaten testen dürfte. Die Sicherheitsvorschriften für so einen Treppenlift sind schon enorm. Ist sicher berechtigt. Besonders bei solchen Künstlern wie ich. Wie ihr jetzt wisst, komme ich beim Treppenlift nicht mehr richtig an die Fahrtasten. Da ich aber nicht so schnell klein beigebe, habe ich mir kürzlich etwas überlegt. Ich fahre also im Keller auf den Treppenlift. Danach fahre ich den Rollstuhllift (befindet sich im Rollstuhl) in die Höhe, bis ich von oben die Treppenlifttaster bedienen kann. Ich denke mir noch, warum ist mir diese Idee nicht schon früher in den Sinn gekommen. Voller Freude fahre ich die Treppen hinauf. Plötzlich bemerke ich, wie mich etwas nach hinten zieht. Ich höre wie Nägel aus dem Holz gezogen werden und Staub auf meinen Kopf rieselt. Kurz bevor ich mit dem Rollstuhl ein Wheelie auf dem Treppenlift vorführe, kommt mir in den Sinn, ich könnte eigentlich den Lift stoppen. Gedacht, getan. Was war geschehen: Wegen dem hochgefahrenen Lift, hat meine Kopfstütze oben an der Decke an einem Paneel (Brett) eingehängt und diese losgerissen.
Nachdem sich mein mulmiges Gefühl verflüchtigt hatte, setzte ich meine Fahrt mit der lädierten Kopfstütze fort. Ihr seht, so gehen meinem Mann die Reparaturarbeiten nie aus. Ich hoffe nun auf die neue Infrarotbedienung.
Der Closomat wurde am Montag ebenfalls mit einer Infrarotbedienung ausgestattet. Jetzt bin ich wieder Herr und Meister auf meinem Örtchen.
Ich hoffe nun, die IV sieht diese Anpassungen ebenfalls als eine Notwendigkeit an und beteiligt sich an den Kosten. Mit solchen Anpassungen wird mir ein wenig Selbständigkeit zurückgegeben.
31. Hei, ist das schön wieder mal durch die Sonne geweckt zu werden. Sie hat mir mitten in mein Gesicht geschienen und meine Hamsterbacken haben sich so warm angefühlt. Der Himmel ist stahlblau. Ein krasser Gegensatz zu den letzten Tagen.
Ich freue mich so, endlich wieder nach Draussen rollen zu können. Am Nachmittag wird der Rasen gemäht und der Pflaumenbaum muss von seinen vielen Früchten befreit werden. Zwischendurch bekomme ich meine heissgeliebte Grillwurst. Später wird noch die Urner Fahne an die Fassade gehängt und in der Umgebung flattern viele Schweizerfähndli. So, nun sind wir bereit für den morgigen Nationalfeiertag.
AUGUST
1. Was reisst mich denn so abrupt aus dem Schlaf. Draussen knattern Schüsse, als wäre da ein Maschinengewehr am Werk. Mir wird zum Glück schnell klar, dass diese Geräusche von Frauenfürzen (Knallkörpern) stammen, welche von den Nachbarskindern gezündet werden. Heute ist der Schweizer Nationalfeiertag. Es werden Raketen gegen den Himmel gestartet und Zuckerstöcke angezündet. In vielen Kantonen finden Brauchtumsmärkte statt. Reden werden zum Besten gegeben und die Musik spielt auf. Ich bin so glücklich in diesem Land leben zu können. Wie in vielen vergangenen Jahren, verabschiedet sich der 1. August mit Regen. Schön ist, dass einige Höhenfeuer dem Regen trotzen und einen hellen, warmen Schein ins Tal schicken.
6. Seit Montag kann ich am Morgen so lange Schlafen wie ich will. Ich werde weder von der Spitex geweckt, noch habe ich diese Woche Therapien. Diese Woche betreut mich mein Mann. Ich geniesse es, mit ihm zusammen das Morgenessen einzunehmen. Das sind für mich Ferien. Wir haben diese Woche auch schon einiges zusammen unternommen. So waren wir zum Beispiel wieder im Tessin. Wir mussten mal dem Regen entrinnen und Sonne tanken.
Nun lässt der Regen auch bei uns nach und es trocknet langsam ab. Darum hat mein Mann die Gelegenheit ergriffen, um mit der Harley eine Abendrundfahrt zu unternehmen. Und ich habe Zeit, ein paar Zeilen ins Tagebuch zu schreibe.
10. Ja ich weiss, ich vernachlässige meine Tagebuch-Einträge. Ich halte mich momentan viel im Freien auf und geniesse die Sonne. Ich liebe den Duft des Sommers. Auf meinen Ausflügen durch die Schweiz entdecke ich die Vielfalt der Gegenden. So konnte ich am Sonntag abertausende Rebstöcke im Wallis bewundern. Weiter unten gab es dann viele Apfel-, Birnen-, Zwetschgen- und natürlich Aprikosenbäume. In einer Gemeinde fand gerade das Aprikosenfest statt. Viele Trachtenleute säumten unseren Weg. Wer wurde wohl die Aprikosenkönigin? Hätte ich mit meinen runden, roten Backen etwa auch Chancen gehabt?
Am Montag besuchte ich den Goldauer-Tierpark. Die meisten Wege sind jetzt E-Rollstuhl tauglich. Vorbildlich sind die Behinderten-WCs, welche auf der Route anzutreffen sind. Es ist schön, den Tieren so nah sein zu können.
Den Abend wollte ich dann friedlich zu Hause im Freien ausklingen lassen. Denkste! Auf einmal wurde ich von etwas an der Wade gestochen. Leider kann ich mich gegen so was nicht zur Wehr setzen. Ich muss zusehen, wie ich gestochen werde und kann nur hoffen, dass es bald vorüber ist. Auf einmal surrt es unter meinen kurzen Hosen. Da hat sich wohl jemand verirrt und sticht voller Panik mehrmals zu. Aua! Das beisst jetzt aber gewaltig. Ich muss kratzen und kann nicht. Ich muss ins Haus. Piet muss etliche Stiche mit Essigsaure Tonerde bestreichen. Das beruhigt ein wenig. Die vielen Stiche sehe ich heute noch. Ich bin ja ein Tierfreund, aber wenn ich gekonnt hätte, wären diese jetzt tot.
11. Ich kann es kaum fassen, was diese Woche in den Urner Medien gebracht wurde. Mein wunderschöner Sommerflieder steht auf der schwarzen Liste. Ich wusste nicht mal, dass er keine Einheimische Pflanze ist. Man sieht ihn tatsächlich mittlerweile überall wachsen. Das man ihn bekämpfen muss, damit die einheimischen Pflanzen nicht verdrängt werden, kann ich ja nachvollziehen. Aber, muss es ausgerechnet diese Pflanze treffen. Wo werden meine wunderschönen Schmetterlinge hinfliegen? Gerade noch diese Woche konnte ich zum ersten Mal einen C- Falter am Flieder beobachten. Da glaubt man, etwas Gutes für die Flora und Fauna zu tun. Der Natur gerecht zu werden ist gar nicht so einfach. Was soll ich jetzt tun? In ausreissen und vernichten?
16. So, nun sind unsere Ferien auch schon wieder vorbei. Ich hätte mir ein wenig mehr Sonne gewünscht. Trotzdem haben Piet und ich einiges zusammen unternommen. Unser letzter Ausflug führte uns nach Colmar (F). Dort besuchten wir das romantische Altstädtchen mit den farbigen Riegelhäusern. Natürlich haben wir dort auch einen traditionellen Gugelhupf gekauft. Der Teig ähnelt dem Zopf Teig. Das Mittagessen nahmen wir in einer Strassenbeiz ein. Wir suchen uns bei solchen Gelegenheiten immer ein landestypisches Menü aus. Da wir nur ein paar Brocken Französisch verstehen, sind wir froh um die Deutschen Menüangaben. Frisch gestärkt machen wir uns dann über die Weinstrasse auf den Heimweg.
Die Bilder findet ihr im Fotoalbum unter Colmar.
17. Einige von uns fragen sich, warum wir Spenden sollten. Wir haben vielleicht bedenken, ob das Geld wirklich die Ärmsten erreicht oder ob es irgendwo anders versiegt. Trotzdem sollten wir helfen. Denn sollte auch nur ein Teil am richtigen Ort ankommen, dann ist es vielleicht gerade mein/dein Beitrag, der einem Betroffenen das Leben rettet und ihm Hoffnung für die Zukunft bringt. Lassen wir sie also nicht im Stich.
18. Eigentlich ist es reine Glückssache, in welches Land man hinein geboren wird. Wer würde nicht gerne in einem Land aufwachsen wo „Milch und Honig“ fliesst. In dem ich keine Angst vor Krieg und Verfolgung haben muss. Wo ich mit 10 Jahren noch Ball spielen darf und mir keine Waffe in die Hand gedrückt wird. Da wo anders Gläubige miteinander reden können, ohne sich gleich die Köpfe einzuschlagen. Wo Nahrungsmittel an den Bäumen hängen und nicht durch die Sonne ausgetrocknet werden. Da wo alle Menschen die gleichen Rechte haben, und niemand unterdrückt wird. Wo Frauen selbstbestimmt leben können. In einem Land, indem ich als Mädchen den gleichen Stellenwert habe wie ein Junge und nicht ausgesetzt werde. Wo ich als „Behinderter“ in die Gesellschaft integriert bin und nicht versteckt werde. Als Baby habe ich keine Möglichkeit mitzubestimmen.
Manchmal müssen wir einfach mehr Verständnis und Geduld für andere aufbringen. Wer weiss schon wodurch ein Mensch in seiner Kindheit geprägt wurde.
Irgendwann, so hoffe ich, wird unsere Erde für uns alle ein Paradies sein. Ich bin schon im Paradies.
21. So, habe ich nun alle mit meinen Strahlen erreicht? Die Bauern sind ä mau (einmal) wieder wacker am Silieren. Es riecht wieder herrlich. Was mich aber ein wenig stört, sind die weissen Ballen, die immer mehr auf dem Land zu sehen sind. Sicher sind sie praktisch, aber müssen diese weiss sein. Wenn sie Grün wären, würden sie sich womöglich zu sehr aufheizen? Muss mal meinen Bruder fragen. Wisst ihr, den mit den Händen in den Hosensäcken. Ich darf ihn schon föppälä (aufziehen), schliesslich hatte er Glück im Stall. Ich konnte nicht widerstehen und bin mit dem Rollstuhl in den Stall gefahren, um die Kälbchen zu bestaunen. Die schwarzen-weissen Zwillinge sehen so lieblich aus. Schade nur, dass es Munelis sind und ihre Lebensdauer dadurch verkürzt ist. Wenigstens können sie ihr kurzes Leben tiergerecht geniessen.
Wisst ihr, was ich an diesem Tag mit nach Hause genommen habe? Natürlich einen Spritzer des Bauernhof-Parfums. Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Und ich weiss ja nicht, ob uns die Kühe immer riechen mögen.
25. Diese Woche hat ja gut angefangen. Normalerweise werde ich montags von der Spitex geduscht. Doch dieses Mal hat uns ein Mann aus dem Konzept gebracht. Florian kommt aus Hessen, Deutschland und macht das obligatorische Auslandpraktikum bei der Spitex Uri. Einen Monat lang begleitet er die SpitexmitarbeiterInnen auf ihren Touren. Diese Woche ist er auf meiner Runde. Zum Glück habe ich wenige Berührungsängste. Es ist nämlich schon gewöhnungsbedürftig, sich bei Anwesenheit eines Mannes waschen zu lassen. Aber irgendwie muss sich ein angehender Pfleger das Wissen ja aneignen können. Mit seiner humorvollen Art sorgt Florian für eine entspannte Stimmung. Er erzählt lustige Anekdoten, die ihm in der Schweiz widerfahren sind. Darum haben wir wahrscheinlich auch das Duschen vergessen und nur eine Katzenwäsche am Bettrand absolviert.
Diese Woche wird sicher noch viel gelacht.
Die Sonne hat sich auch wieder angemeldet. Ich werde wieder einige Touren unter die Räder nehmen. Damit ich mich auf meinen Ausfahrten auch sicher fühle, hat mir Piet meine Slicks gegen Stollenpneus ausgetauscht.
Da ich mich immer wieder beklage, dass mein Rolli mit seinen 12 km/h zu langsam ist, hat mir mein Mann mit der Airbrushpistole Flames auf die Schutzbleche gespritzt. Nun fühle ich mich ein Müh schneller.
26. Das war wieder Mal ein richtig schöner Sommertag. Ja, eure Vermutung ist richtig. Ich habe wieder mal eine Ausfahrt gemacht.
Ich mache mich nach dem Mittag auf den Weg nach Flüelen. Dafür benötigt mein Rolli ungefähr 30 Minuten. In Flüelen löse ich ein Billet für die Schifffahrt. Heute scheint mir das Billet gar ein wenig teuer zu sein. Ich mag aber nicht nachfragen. Denn womöglich versteht er meine verwaschene Stimme nicht und für mich wären Wiederholungen zu anstrengend. Ich bin froh, dass ich ihm klarmachen kann, wo sich mein Portemonnaie befindet und dass er das Geld selbst herausnehmen muss. Nun muss ich ihm nur noch klarmachen, wie er mir das Billet in meine Hand legen muss, damit ich es auch festhalten kann. Hat eigentlich ganz gut geklappt.
Heute fahre ich mit dem Dampfschiff Luzern. Ich suche mir einen geeigneten Platz auf dem Heck damit ich niemandem im Weg stehe. Ich geniesse das wundervolle Panorama. Die Berge scheinen heute besonders nah zu sein. Der Konduktor ist im Anmarsch. Ich öffne meine Hand damit er mein Billet nehmen kann. Logisch ist es mittlerweile zerknittert. Der Konduktor schaut ein bisschen komisch an und will mir das Billet wieder retour geben. Ich sage ihm ich bräuchte es nicht mehr und er solle es doch wegwerfen. Er schaut mich an und sagt, dies sei ein Retourbillet. Aha, darum war das Billet heute teurer. Ich sage ihm, dass mich der Mann am Schalter wahrscheinlich missverstanden habe, denn ich würde nicht mit dem Schiff retour fahren. Der Konduktor bucht mein Billet um und kommt mit dem Zuviel bezahlten Geldes retour. Nun muss ich ihm erklären wo mein Portemonnaie ist und er das Geld selbst in die Börse legen muss. So nun geniesse ich die weitere Fahrt ungestört. Nach ca. 45 Minuten legen wir in Brunnen an. Ich verlasse das Schiff und mache mich über die Axenstrasse auf den Heimweg. Auf meiner linken Seite donnert der Verkehr an mir vorbei. Ich weiss inzwischen, dass ich den Kopf leicht nach unten neigen muss, wenn sich ein Lastwagen nähert. So verhindere ich, dass mir der Sog nicht meinen Tschäpper (Mütze) vom Kopf reisst. Es gibt Motorengeräusche, die ich schon von weitem höre. Ich erfreue mich an jeder Harley die meinen Weg kreuzt. Insgeheim habe ich gehofft, die Harley Fahrer würden mir nun salutieren. Schliesslich habe ich jetzt auch Flames an meinem Stuhl. Ob die Flames zu klein sind?
Bei mir macht sich Durst bemerkbar. Ich überlege mir, ob ich es wohl schaffe, einer Serviertochter klarzumachen, was alles von Nöten ist, damit ich etwas trinken kann. Wer nichts wagt, der nichts gewinnt. Also steure ich die nächste Strassenbeiz mit dem verheissungsvollen Namen “Eden“ an.
Nun sitz ich hier unter einem Sonnenschirm, vor mir auf dem Tisch ein umgekehrter Sektkübel mit einem ICE Teeglas obendrauf und einem Trinkhalm. Hmm, der rote, selbstgemachte ICE Tee schmeckt herrlich. Da soll noch jemand sagen, ich hätte kein schönes Leben. So, nun muss ich der Serviertochter nur noch verklickern, wo das Portemonnaie ist und, und, und ihr wisst schon.
Weiter geht die Reise am Vierwaldstättersee entlang. Zum Teil kreuze ich den Weg der Schweiz oder kann die alte Axenstrasse befahren. Mir gefallen die alten Tunnels, welche zum Teil naturbelassen sind. Es gibt einige Aussichtsplattformen, auf denen ich den See überblicken kann und die Schönheit und die Ruhe der Natur in mich aufnehmen kann.
Eine Plattform ist gesperrt. Das Fernsehen hat sich dort eingerichtet, um das am Wochenende stattfindende Klippenspringen zu filmen. Es werden die 12 weltbesten Springer anwesend sein, die ihre Sprünge aus 26 Meter Höhe zum Besten geben.
Mit der Sonne im Gesicht fahre ich Richtung Flüelen. Plötzlich fängt mein linkes Auge zu brennen an. Also schliesse ich das Auge und fahre mit einem weiter. Das Auge brennt immer mehr und es laufen mir Tränen über die Backe. Ich glaube ich muss nächstens mal einen Pollen Test machen lassen. Nun fängt auch noch die Nase an zu laufen. Jetzt muss ich auf die Seite fahren, um dem Auge und der Nase Zeit für das Abklingen zu geben. Nach 10 Minuten ist der Spuck vorbei und ich kann weiterfahren.
Da ich meinem Bruder und meiner Schwägerin mitgeteilt habe, dass ich heute noch vorbeikomme, überlege ich welchen Weg ich einschlagen soll. Auf der Batterieanzeige sehe ich, dass ich mehr Strom verbraucht habe als üblich. Ich wähle somit einen Weg mit wenig Unebenheiten und wenig Steigung. Ich sehe einen Feldweg, der eine Abkürzung sein könnte. Also nichts wie los und Querfeldein ein. Leider endet der Weg in einer Sackgasse. Einen Versuch war es ja wert. Also, das ganze wieder Retour und auf dem gewohnten Weg weiter. Ich fahre nun auf einem Fussgänger/Fahrradweg neben einer vielbefahrenen Strasse her. Plötzlich versperrt mir ein Auto des Verkehrsdiensts, welche weiter vorne den Verkehr regeln, den Weg. Obwohl einer der Männer etwas aus dem Kofferraum holt und mich dort stehen sieht, wird das Auto nicht um parkiert. Der Mann brummt etwas vor sich hin und entfernt sich vom Auto. Leider kann ich nicht auf die Strasse ausweichen, weil es dort einen Absatz gibt und ich weiss nicht, ob sich unter dem hohen Gras eine Grube befindet. Nach einer Weile wird es mir zu blöde. Ich wende meinen Rolli und also alles wieder retour.
Jetzt muss ich eben trotzdem den Weg mit der Steigung nehmen. Mitten in der Steigung wird mein Rolli langsamer und stellt dann ab. Nur keine Panik. Ich muss nur ein paar Minuten warten, bis er sich selbst wieder ein wenig aufgeladen hat. Das genügt bis zur nächsten Abfahrt. Beim Hinunterfahren werden die Batterien wieder aufgeladen. So erreiche ich doch noch den Bauernhof, wo ich schon sehnsüchtig erwartet werde. Hei, ein Urner Kaffee tut jetzt besonders gut. Nun muss ich aber nach Hause. Mit ein paar Tricks schaffen meine Batterien auch noch die letzte Steigung. Nach 5 ½ Stunden trudele ich wieder zu Hause ein.
Das hört sich jetzt alles Spektakulär an. Ist es aber nicht. Das meiste kann ein Fussgänger ebenfalls erleben. Nur weil ich mehrere Handicaps habe, muss ich noch lange nicht hilflos sein. Ich geniesse es, allein unterwegs zu sein. Ich weiss mir schon zu helfen. Sollte mal was gar nicht gehen, benutze ich mein mitgeführtes Notfalltelefon. Also, habt keine Angst um mich. Ich liebe mein Leben und meine Unabhängigkeit.
27. Da es heute regnet und ich im Haus bleiben muss, erzähl ich euch doch ein wenig von dem Praktikanten aus Deutschland. Florian war die ganze Woche auf meiner Spitex-Runde eingeteilt. An den meisten Tagen durfte er der Pflegekraft nur zur Hand gehen. Er durfte Waschwasser zubereiten, durfte mein Bett herrichten und diverse kleinere Dinge verrichten. Nun konnte er 4 Tage beobachten, wie wir das machen. Heute kann er nun zeigen was er gelernt hat. Nach dem Duschen fordert ihn die Spitex-Mitarbeiterin auf, mich anzuziehen. War natürlich alles mit mir abgesprochen. Muss schon sagen, der Kerl hat es drauf. Mit einem Witz zieht er mir den BH an und macht mit den anderen Kleidungsstücken weiter. Mit seiner unkomplizierten Art und seinem Schalk sorgt er für eine lockere Atmosphäre. Das Mobilisieren vom Duschstuhl in den Rollstuhl beherrscht er ebenfalls ganz gut. Er hat nicht mal beim Joghurt eingeben gekleckert. Wir hatten diese Woche viel Spass miteinander. Wir haben uns aber auch Mühe gegeben Hochdeutsch zu sprechen. So gut es waschechte Urner eben können. Er musste uns natürlich auch einige Ürnerwörter nachsprechen. Zum Beispiel, Chuchichäschdli, Heiwballä und Fliegholterä. Er hat wacker gekontert. Wisst ihr zum Beispiel was ein Kneibchen ist? Nein, eine kleine Kneipe wäre zu einfach. Es ist ein Rüstmesser. Es gäbe noch einige lustige Episoden. So sind ihm zum Beispiel die vielen Zebrastreifen im Städtchen (Altdorf) aufgefallen, welche zum Teil an unmöglichen und unübersichtlichen Stellen sind. Bei uns ist eben alles ein wenig kleiner und näher beieinander. Dafür weiss jeder Junge was ein Sackmesser ist und in jeden Hosensack gehört. Mit dem kann man auch eine Raviolibüchse öffnen. Gell Florian.
Ich glaube, Florian wird ein guter Pfleger und wir sollten ihn den Deutschen abwerben.
28. Ui, ist das aber kalt geworden. Ist es etwa schon Herbst? Man könnte es fast meinen. Die Wolken berühren beinahe den Boden. Es regnet und stürmt. Der Wind reist verwelkte Blätter von den Bäumen und verteilt diese auf dem Rasen. Mir fällt auf, dass ich fast keine Vogelstimmen höre. Wo sind sie nur hin? Kann natürlich sein, dass sie sich ein warmes Plätzchen gesucht haben. Das mache ich jetzt auch und gönn mir einen Fernsehnachmittag.
SEPTEMBER
4. Gestern war wieder mal schönes Wetter. Also hiess es ab nach Draussen. Weil immer noch ein wenig die Biese (kühler Wind) ging, trug ich Langarm und darüber eine Weste. Wollte ja keinen Schnupfen auflesen. Ich wusste, dass heute bei meinem Bruder wieder Heuen und Silieren angesagt war. Da ich nicht genau wusste, wo er gemäht hatte, fuhr ich ihn suchen. Ich fuhr auf dem Reussdamm Richtung Howiesihansä (Übernamen von meinen Onkeln). Mein Bruder hat bei ihnen Land gepachtet. Dazu gehört ein grosses, stotziges Bort. Auf der rechten Seite meines Weges haben auch andere Bauern Liegets (geschnittenes Gras). Das angewelkte Grass riecht so gut. Nun sehe ich auch „meine“ Leute am Bord arbeiten. Um darauf stehen zu können, braucht es gutes Schuhwerk. Franz bläst an den steilsten Stellen das Heu mit Hilfe eines Gebläses nach unten. Luzia seine Frau, Hedy meine Schwester, Stefan mein Bruder und zwei Kolleginnen von Luzia befördern mit den Handrechen und mit Heugabeln das Heu auf eine befahrbare Höhe. Ich fahre mit dem Rollstuhl so weit nach oben, wie ich es riskieren kann. Will ja schliesslich keinen Salto machen. Eine Zeitlang schaue ich ihnen beim Heuen zu. Die Sonne scheint voll an den Hang und bringt alle zu schwitzen. Ich denke, eine Glace käme jetzt genau richtig. Wenn ich schon nicht mithelfen kann, so könnte ich sie vielleicht mit einer Glace unterstützen. Also mach ich mich auf zum nächsten Geschäft. Eigentlich müsste ich hinten am Rollstuhl eine Kühlbox montieren, dann wäre ich ein rollender Glace Verkäufer. Da ich auf dem Rückweg alles aus meinem Rolli heraushole, können die Heuer nun ein kaltes Eis essen. Nach ca. zweieinhalb Stunden wird das erste Heu geladen und nach Hause transportiert. Ich fahre ebenfalls los. Beim Bauernhof angelangt, sehe ich wie mein Vater (84) das Dossiergerät überwacht, welches das Heu ins Silo befördert. Meine Mutter bringt den Kaffee nach draussen und wir trinken gemütlich Kaffee zusammen. Bis das nächste Füeder (Heuladung) eintrifft, hat auch mein Vater Zeit für einen Schwatz. Eine Stunde später stossen dann auch die Heuer dazu. Unter dem Nussbaum wird ein feines Zabig eingenommen. Ich finde es sehr schön, dass mein Bruder und seine Frau dieses Beisammensein nach dem Heuen, so weiterführen, wie es früher bei unseren Eltern war. Das ist Heimat, das ist Familie.
7. Oje, war das eine kurze Nacht. Wie jeden Dienstag kommt die Spitex auch heute bereits um 7.00 Uhr und treibt mich aus dem Bett. Ich muss nämlich bereits um 8.30 Uhr bereit sein für mein 1-stündiges Kraft - und Ausdauertraining. Mit Krafttraining ist natürlich nicht Hanteln stemmen gemeint. Meine Physiotherapeutin bewegt alle meine Gelenke durch. Ich unterstütze sie mit meinen noch vorhandenen Muskeln. Bei der ALS ist es nicht möglich, Muskelmasse aufzubauen. Das Ziel ist, die Beweglichkeit möglichst lange zu erhalten. Wir sollten möglichst nicht an Gewicht verlieren, damit der Körper, z.b. bei einer Grippe, die Fettreserven angreift und nicht die Muskeln. Mein Gewicht stört mich manchmal schon. Für die ALS-Betroffenen, welche kaum mehr essen können und dadurch schnell an Gewicht verlieren, werden wegen diesem Satz sicher den Kopf schütteln und denken: Ihre Probleme möchte ich haben. Sorry, aber ich bin halt eine Frau.
Die Ausdauerübungen sind bei mir Atemübungen. Ich versuche durch kontrolliertes Ein – und Ausatmen meine Lungenkapazität zu erhalten. Ich mache diese Übungen noch nicht so lange. Als ich vor einer Woche bei meiner Halbjährlichen Verlaufskontrolle in der ALS-Klinik war und mich mein Neurologe nach den Atemübungen fragte, war er nicht gerade begeistert, dass ich keine mache. Wau, ist das ein langer Satz. Wie lange darf ein Satz nochmals sein? Jedenfalls habe ich eine sehr gewissenhafte und professionelle Therapeutin. Sie hat gleich heute mit den Atemübungen angefangen.
In der St.Galler ALS-Klinik wurde keine erwähnungswerte Verschlechterung der Krankheit ausgemacht. Mein Atemvolumen entspricht ca. 50% des Volumens, welches eine gesunde Frau in meinem Alter hat.
Einmal im Monat gönne ich mir nach der Physio noch eine Stunde Fussreflexzonenmassage (Wau, 22 Buchstaben). Das tut mir so gut. Ich kann mich dabei völlig entspannen. Ich könnte dabei gleich einschlafen.
Mir wird immer mehr bewusst, wie viele gute Geister für mein Wohl sorgen.
9. Ein Babyweinen reisst mich aus dem Schlaf. Zuerst weiss ich gar nicht was los ist. Ja natürlich, meine Schwägerin Luzia, hat mir mitgeteilt, dass sie ihr Gottimeiteli heute zum Bügeln mitnimmt. Kurze Zeit später kommt sie mich mit der kleinen im Zimmer besuchen. Zwei liebliche, blaue Augen schauen mich neugierig an. Das Apfelstuck in seinen Händchen wird zur Nebensache. Sie sind einfach süss die Kleinen.
Ich lese jeden Morgen die Zeitungen im Internet. Plötzlich höre ich lautes, anhaltendes Vogelgeschrei von Draussen. Ich schaue aus dem Fenster. Da sehe ich, wie sich vier, fünf Krähen auf dem Nussbaum streiten. So laut habe ich diese noch nie gehört. Erst als sich eine der Krähen aus dem Staub macht, geben sie endlich Ruhe. Wie kann man nur so Futter neidisch sein.
Nach dem Mittag setze ich mich wieder vor den PC. Um mich herum wuschelt meine Haushaltshilfe mit dem Staubsauger und dem Wischmobb.
Plötzlich höre ich viele Kuhglocken. Sie kommen immer näher. Nun sehe ich sie. Es sind ca. 25 Stück. Anscheinend kommen einige bereits von den Alpen retour. Jetzt verstehe ich auch das rege Treiben, das heute bei der Sennerei vor dem Käsekeller herrscht. Da werden von Viehanhängern Käse ausgeladen und in den Käsekeller verfrachtet. Andere, wahrscheinlich ältere Käse werden vom Keller in einen Lieferwagen gepackt. Ihr müsstet diese Laibe sehen. Und schon wieder wird eine Ladung Käse geliefert. Ich glaube, ich gehe heute in die Sennerei und hole mir ein Stück Alpkäse. Ich liebe Schweizer Käse in allen Variationen.
Jetzt muss ich aufhören zu schreiben. Gleich kommt Jemand von der Firma Activ Communication um meinen Tobii (Kommunikation – Umfeld Kontrollgerät) zu aktualisieren.
19. Jetzt wäre ich beinahe vor dem Fernseher eingeschlafen. Einer meiner Freunde hat mich gerade noch durch sein Pfeifen wachgerüttelt. Habe nämlich gar keine Zeit zum Schlafen. Ich will doch mal wieder ins Tagebuch schreiben.
Heute kann ich nicht nach draussen. Mein Rolli war gestern so zickig, dass mein Mann zuerst nachschauen muss, was er hat. Beim Nachhauseweg hat er immer wieder abgestellt. Abwechslungsweise sprang die Batterieanzeige auf Volle Ladung und gleich darauf auf Nullladung. Dabei bin ich gar nicht weit gefahren. Vielleicht hat er nur einfach meine Aufregung gespürt.
Ich war wieder mal im Einkaufscenter-Tellpark. Als ich mich wieder auf dem Trottoir nach Hause fahren wollte, versperrten mir, wie so oft, Roller und Fahrräder die Zufahrt zum Trottoir. Ich liess mir wieder einen Zuständigen vom Center rufen. Und wieder war der Kommentar. Sie würden das Problem kennen, könnten aber nichts dagegen tun. Ich musste mich so zusammennehmen. Menschen, die so gleichgültig sind, können mich zur Weissglut bringen. (Warum sagt man dem eigentlich so?) Er machte mir Platz und ich bedankte mich mehr oder weniger freundlich. Am Abend habe ich dann folgendes E-Mail an die Tellparkverwaltung geschrieben.
Ich besuche sehr gerne den Tellpark. Leider kommt es immer wieder vor, dass auf dem Trottoir entlang des Gebäudes, Fahrräder abgestellt werden. Heute war auch die Zufahrt zum Trottoir mit Rollern zugestellt.
Weder ältere Personen noch Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer konnten den Schutz des Trottoirs in Anspruch nehmen.
Heute habe ich wieder den Abwart gerufen und er hat auch einige Hindernisse entfernt. Er meinte, sie würden immer wieder ein Augenmerk darauf halten. Man könne aber nicht den ganzen Tag jemanden dafür abstellen. Das verstehe ich. Etwas muss aber geschehen. Die Sicherheit der Fussgänger war sicher ein Bestandteil der Bauauflagen.
Meine Vorschläge
1. Schilder bei der "Trottoir Wand" anbringen. Text: Keine Velos anstellen.
2. Fläche Trottoir Zufahrt schraffieren. Text: Zugang freihalten.
3. Verlegung der Veloständer in Betracht ziehen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie dieses Problem angehen könnten.
Das Einzige was man falsch machen kann ist, wenn man nichts macht.
Ich weiss, ich bin manchmal auch eine Zicke. Aber wenn ich mich nicht wehre, passiert auch nichts.
Zum Glück könnte ich mich bei Mutters Kaffee wieder abregen. Für eine gelungene Unterhaltung sorgte mein Neffe Franc. Er versuchte mit einem Munäli (Bullenfresser) Torero zu spielen. Wir haben uns köstlich amüsiert. Da kann man sagen: So ein Alpenkalb.
Dann, auf dem Nachhauseweg hat eben mein Rolli angefangen zu streicken. Darum sitz ich nun hier und habe Zeit zum Schreiben.
17. Es ist Action vor unserem Haus. Es blinkt, rumpelt und rüttelt von draussen. Von meinem Bürofenster aus verfolge ich mit Interesse was da vor sich geht. Eine Baumaschine fräst die Oberfläche des Strassenbelages ab und befördert das Material mittels eines Förderbandes in den Kipper eines Lastwagens. Zwei weitere Maschinen nehmen mit einer rotierenden Bürste die Resten zusammen. Im Kleinformat wären sie das Schüfeli und Bäseli. Ein jüngerer Arbeiter (sicher ein Stift) wischt mit einem grossen Besen die Ränder sauber.
Ein oranger gekleideter Arbeiter regelt den Verkehr auf der vielbefahrenen Strasse. Meine Spitex wird ebenfalls kurz angehalten.
Die ganze Woche wurde schon an dieser Strasse gearbeitet. Ich habe mich natürlich gefreut, als ich sah, dass die Trottoirs bei den Strassenübergängen / Zebrastreifen abgesenkt werden. Bin gespannt auf das Endergebnis. Mein Mann hat auch mal mit diesen Maschinen gearbeitet. Er merkt jeweils schnell, wie gut gearbeitet wurde.
Ich muss schon sagen, die Gemeinde Attinghausen unternimmt mit dem Kanton zusammen, einiges, um Barrieren abzubauen und um die Sicherheit auf der Strasse zu verbessern.
18. Gestern hat mir meine Krankheit ALS mal wieder ihr unbarmherziges Gesicht gezeigt. Ich will mit diesem Eintrag niemand Beunruhigen. Da ich mir aber vorgenommen habe, die Krankheit ALS durch meine Homepage bekannter zu machen, gehört es eben auch dazu, aufzuzeigen mit welchen Symptomen diese Krankheit unseren Körper schwächt.
Gestern Abend gingen mein Mann und ich Einkaufen. Nach dem Bezahlen brachte Piet die Sachen zum Auto und ich fuhr voraus in das nächste Geschäft. Während ich so durch die Gänge fuhr und alles neugierig betrachtete, bekam ich plötzlich keine Luft mehr. Reflexartig bog ich um eine Ecke, damit niemand sehen konnte, wie ich verzweifelt versuche wieder Luft zu bekommen. Ich muss versuchen ruhig zu bleiben und nicht in Panik geraten. Ich weiss ja, irgendwie schaffe ich es immer.
Dieses Mal lässt die Luft länger auf sich warten. Bin ich froh, als ich die Hand von Piet auf meinen Schultern spüre. Er kann mir zwar nicht gross helfen, aber es beruhigt mich doch sehr. Nach mehrmaligen sachten Einatmungsversuchen lässt die Luftröhre langsam wieder Luft durch. Noch ein paarmal räuspern und es geht wieder.
Solche Situationen können entstehen, wenn Speisen oder Flüssigkeit in die Luftröhre gelangen. Oder wie bei mir, wenn ich mich am eigenen Speichel verschlucke. Gesunde Menschen können durch kräftiges Husten die Situation entschärfen. Uns ALS – Betroffenen fehlt aber diese Kraft.
Erschöpft, heiser und mit rotem Kopf gehen wir danach als erstes eins trinken.
Das gemeinsame „pöschdelä“ (Einkaufen) hat trotzdem Spass gemacht.
So, jetzt muss ich die Lottozahlen nachschauen. Vielleicht kann ich danach meinen Mann als privaten Pfleger anstellen. Das wäre so toll.
20. So, nun passiert wieder etwas auf der Strasse. Ein Lastwagen, der auch bei Tunnelreinigungen eingesetzt wird, wäscht nun die Strasse. Aus vielen Düsen spritzt das Wasser mit Hochdruck auf die aufgeraute Strasse. Ein Wassernebel steigt auf. Da bleibt nichts trocken. Eine schneeweiss gekleidete Fussgängerin stellt sich schnell in eine Einfahrt, damit sie nicht durchnässt wird und nicht wie ein begossener Pudel dasteht.
Ich habe heute, trotz schönem Wetter, Zeit alles zu beobachten. Mein Rolli ist noch nicht ok. Heute Mittag wurden zwar die neuen Batterien angeliefert. Piet kann diese aber erst nach der Arbeit einbauen. Ich hoffe sehr, dass es an den Batterien (Zellschluss) liegt und mein Rolli Morgen wieder einsatzbereit ist. Diese Woche soll es ja einige schöne Herbsttage geben.
Die Blätter an den Bäumen und Sträuchern verfärben sich allmählich. Die verschiedenen Gelb-, Orange-, Braun- und Rottöne setzen wunderschöne Farbtupfer in die Landschaft. Man sollte die Bäume und Sträucher nicht zu früh zurückschneiden. In ihnen steckt noch einiges an Nahrung für unsere Tiere.
Die Tannenhäher sind fleissig dabei, sich für den Winter zu rüsten. Sie sammeln verschiedene Nüsse und Samen und verstecken diese in der Kummetböschung (Dorf Bach). Sie müssen nur achtgeben, dass ihr Wintervorrat nicht von Mäusen und anderen Räubern geplündert wird.
Es fliegen auch immer noch fleissig Schmetterlinge umher. Viele der weissen Schmetterlinge sieht man zu zweit. Es kommt mir so vor, als würden sie einander umwerben. Oder ist da etwa schon mehr gelaufen? Einige Schmetterlinge bleiben im Winter hier. Zum Beispiel der Zitronenfalter und das Tagpfauenauge. Sie verstecken sich in hohlen Bäumen oder in Tierbauten und verharren dort regungslos. Die meisten Schmetterlinge überwintern aber als Raupe, Puppe oder ungeschlüpft im Ei. Andere wiederum fliegen in wärmere Gebiete.
Nun riecht es plötzlich nach Teer. Sehen kann ich allerdings nichts. Jetzt kommt mir aber etwas von Früher in den Sinn.
Der Bauernhof, in dem ich aufgewachsen bin, liegt an einer Strasse, die zu einem Steinbruch führt. Die schweren, mit Kiess und Steinbrocken gefüllten Lastwagen rissen immer wieder Löcher in die Strasse. Diese wurden von Zeit zu Zeit mit Asphalt / Teer ausgegossen. An heissen Tagen hat die Sonne den Teer so erwärmt, dass sich Blasen bildeten. Wir Kinder machten uns einen Spass daraus mit bluten Füssen / Zehen diese Blasen zu zerdrücken. Unsere Füsse haben ausgesehen. Jeder weiss, wie schwer Teer wieder zu entfernen ist. Und das ohne Badewanne und ohne Dusche. Dafür gab es den Chupferplätz (Kupferlappen). Spass hat es trotzdem jedes Mal gemacht.
Ein oranges Männchen /Arbeiter ist wieder aufgetaucht. Mit einem grossen Besen wischt er das Trottoir und verschwindet auch gleich wieder aus meinem Blickfeld. Irgendetwas geht schon, nur eben weiter unten und das kann ich nicht sehn. Werde euch auf dem Laufenden halten.
23. So, jetzt bekommt die Strasse ihre Füllung. Das heisst, es wird eingebaut. Ein Lastwagen mit Asphalt beladen eine Einbaumaschine, eine kleine und eine grosse Walze, eine Handwalze und ein Bagger sind im Einsatz. Sechs Arbeiter sind mit Garette (Schubkarre), Schaufeln und Krücken im Einsatz. Sie sorgen dafür, dass ein sauberer Übergang zwischen den Schachtdeckeln und der Strasse entsteht. Welche Temperaturen wohl so ein Asphalt hat?
Am Mittag amüsiere ich mich köstlich ab der Verkehrsregelung. Einige Autofahrer müssen zuerst überlegen, welchen Weg sie nehmen können, um das Mittagessen zu Hause einnehmen zu können.
Das gleiche Spiel wiederholt sich nach dem Mittag wieder. Nur dieses Mal in umgekehrter Reihenfolge. Die Autos werden angehalten und zum Teil umgeleitet. Auch mein Sohn wird auf einen anderen Weg geschickt. Nun sehe ich, wie ein Roller mit zwei Personen besetzt auf die Kreuzung zurast. Sie werden ebenfalls gestoppt. Ich höre, wie die Beiden rufen: Wir müssen doch zur Arbeit.
Sie werden durchgewunken mit dem Hinweis auf dem Trottoir zu fahren. Kurze Zeit später sehe ich, wie mein Sohn wieder die Kreuzung passiert. Nur eben in umgekehrter Richtung. Wir sind ja eine kleine Gemeinde. Das nur wegen einer Strasse, ein solches Verkehrschaos entsteht, ist unglaublich. Jetzt sehe ich einen Automobilisten, der angehalten wird. Der regt sich aber gehörig auf. Er wirft die Arme in die Höhe und sein Fluchen höre ich bis zu mir.
Nun kann ich nicht mehr länger zuschauen. Meine Schwester Hedy kommt mit dem Velo angebraust und wir unternehmen zusammen eine Ausfahrt.
Morgen werde ich dann die neue Strasse Probe fahren.
25. Ich konnte auf der frischgestrichenen Strasse noch kein Rennen veranstalten. Gestern fegte wieder mal der älteste Urner durch unser Tal. Er rüttelte an Bäumen und Sträuchern und riss die bunten, welken Blätter herunter. Einige Blätter machten sich einen Spass daraus. Sie liessen sich durch den Föhn in die Höhe wirbeln, um danach kreiselnd Richtung Boden zu schweben. Ihr kichern hätte ich gerne mitangehört.
Am Abend ist dann der Föhn zusammengebrochen und überliess das Feld heftigem Regen. In den Bergen ist über Nacht Schnee gefallen und es ist deutlich kühler geworden. Da bleibe ich doch lieber in der beheizten Stube, trinke Kaffee und warte auf die nächsten schönen Herbsttage.
OKTOBER
1. Hallo, bin wieder da. Bin nur schnell den bunten Herbst suchen gegangen.
Sobald ich meinen Posteingang bearbeitet habe, werde ich von meiner Reise berichten.
So, jetzt habe ich Zeit.
Am Montag sind mein Mann und ich zu unseren Herbstferien aufgebrochen. Unsere Reise führte uns an den Gardasee. Dort gönnten wir uns ein etwas luxuriöseres Hotel.
Wenn man mit dem Rollstuhl unterwegs ist, benötigt man dementsprechend grössere Zimmer. Die Zimmerpreise sind deshalb leider auch höher. Aber man könnt sich ja sonst nichts.
Der Ausflug nach Sirmione war sehr eindrucksvoll. Dort kann man die Überreste eines imposanten Römervilla bewundern. Ebenfalls besuchten wir auch wieder das Altstädtchen Bardolino. Es gibt noch viele heimelige Örtchen am Gardasee.
Das Frühstücksbuffet im Hotel war fantastisch. In einem Sektkübel stand sogar Prosecco. Ich habe diesmal darauf verzichtet. Wollte schliesslich nicht wieder alle Blicke auf mich ziehen wie beim Abendessen. Manche haben es nämlich eigenartig gefunden, als ich den Apero-Prosecco mit dem Cannucca (Trinkhalm) in den Mund befördert habe.
Der Nachhauseweg führte uns über Meran in den Vintschgau, wo gerade die Apfelernte im Gang war. Man kann nur noch staunen, ab den riesigen Apfelplantagen.
Danach ging es über die beiden, zum Teil schneebedeckten Ofenpass und Flüelapass nach Hause. Das war so schön.
6. Heute ist der Bandleader der Schweizer-Rockgruppe Gotthard durch einen Unfall ums Leben gekommen. Es macht mich traurig, nie mehr ein Konzert mit ihm erleben zu dürfen. Seit Jahren zählt Gotthard zu meinen Lieblings-Band.
10. Diese Woche konnte ich endlich die „neue“ Strasse testen. Ich muss dem Kanton ein Kränzchen winden. Die Trottoirs sind nun super rollstuhltauglich. Ebenfalls wurde, veranlasst durch die Alptransit, die Trottoir Auffahrt bei der Neatbaustelle so abgeändert, dass sie nun auch rollstuhltauglich ist. Manchmal muss man sich einfach Gehör verschaffen, auch wenn es mühsam ist. Ich werde mich weiter für den Abbau von unnötigen Barrieren einsetzen.
Bei meinen Ausfahrten merke ich, dass es langsam kälter wird. Solange die Sonne scheint, ist es immer noch angenehm warm. Sobald ich aber im Schatten fahre, fängt meine Nase bereits zu laufen an. Handschuhe zieren bereits meine Hände und dicke Kniesocken wärmen meine Waderln. Meine Mutter strickt mir jeweils diese himmlisch warmen Socken.
Es ist so heimelig, in dieser Jahreszeit durch Waldwege zu fahren. Unter den Rädern knistern die heruntergefallenen, trockenen Blätter. Die farbigen Blätter an den Bäumen über mir, hüllen mich mit Wärme und Geborgenheit ein. Ab und zu flattern Schmetterlinge an mir vorbei und Bienen oder Wespen sammeln noch den letzten Nektar von den Herbstpflanzen. Manchmal entdecke ich Pilze am Wegesrand. Ob diese allerdings geniessbar sind? Ich kenne mich da nicht aus.
Die Bauern sind momentan mit dem letzten Grasschnitt beschäftigt. Die Bäuerinnen ernten nebenher das letzte Gemüse und bringen die Geranien ins Winterquartier. Man muss jetzt jeden Tag damit rechnen, dass das Wetter umschlägt. Das heisst für mich, jedes schöne Wetter zum Ausfahren nutzen. Und sollten die Wolken mal wieder bis zum Boden reichen, dann trinke ich doch einen oder auch zwei Mandarienenlikör mit Rimuss. Der hat schon Gestern meine Schwester Bernadette und mich gewärmt.
Hier noch ein wärmendes Herbstbild. (Herbstbaum)
11. Es ist Sonntagnachmittag. Piet ist mit der Harley unterwegs und ich sitze nun, nachdem ich ausgedehnt g‘sünnelät habe, vor dem PC. Seit einigen Tagen läuft es mit meinem Homepagetool nicht so rund. Kann meine Fotos nicht mehr bearbeiten. Die Leute beim Support kommen irgendwie auch nicht vom Fleck. Auf deren Empfehlung vom Browser Firefox auf den Explorer zu wechseln, setze ich in die Tat um. Es funktioniert trotzdem noch nicht. Da es mir mit dem Support zu langsam geht, versuche ich selbst etwas aus. Brav durchforste ich das Internetz, lese Beiträge, die mir weiterhelfen könnten. Mein Junior hat mir nämlich mal geraten, ich soll bei Problemen zuerst selbst nach Lösungen suchen. Mach ich ja bald eine Woche! Der Support rät mir zu kontrollieren, ob die aktuelle Explorer-Version installiert ist. Wo schaue ich das schon wieder nach? Gefunden, ich habe die 8. Aber ist das die neuste Version? Also wieder Googeln und tatsächlich stosse ich auf die 9. Version. Was das Beta daneben bedeutet weiss ich Internetbanause natürlich nicht. Ich lade diese trotzdem. Und jetzt, funktioniert mein Tool noch schlechter als vorher. Ruhe bewahren Rita. Ich muss sowieso aufhören, ich bekomme Besuch. Von diesem Besuch werde ich euch weiter unten erzählen.
So, nun kann ich wieder richtig arbeiten. Mein Mann hat sich heute meinem Problem angenommen. Er hat mir erklärt, dass Beta nur eine neue Testversion ist und hat mir wieder den Firefox wieder zum Hauptbrowser gemacht. Und judihui, es funktioniert wieder.
Morgen erzähle ich euch von unserem speziellen Besuch. Nur so viel. Es kamen 6 Beine und 2 Arme.
12. Ich sitze also am Sonntagnachmittag vor dem PC und experimentiere herum. Ich schaue kurz zum Fenster hinaus auf die Kreuzung und was sehe ich da. Wie aus einem Märchenbuch taucht eine zierliche Frau mit wehendem weiss-blondem Haar auf. In einer Hand hat sie einen Holzstock und mit der anderen Hand führt sie einen grossen braunen Esel am Halfter. Den Eselrücken ziert ein Schafffell auf dem eine Art Seesack gebunden ist. Es sieht irgendwie mystisch aus. Ich kann den Blick nicht von ihr abwenden. Und plötzlich steigt bei mir eine unbändige Freude auf. Diese Frau mit dem Esel kenne ich doch. Es ist eine von Piets Nichten aus St. Gallen. Da ich allein Zuhause bin und mir die geschlossenen Türen den Weg nach Unten versperren, telefoniere ich meinem Sohn. Bald darauf können wir uns alle begrüssen. Inzwischen ist auch Piet eingetroffen.
Unsere Sabine, ihr glaubt es nicht, hat sich am Donnerstagmorgen um 8.00 Uhr in Stein SG mit ihrer Eselin Pani zu Fuss auf den Weg ins Urner Land gemacht. Unterwegs hat sie in Ställen und Kloster übernachtet. Manches Mal musste sie die Route wechseln, einfach weil Pani irgendwo nicht durchwollte. Ihr kennt ja das Sprichwort ¨ Dr Gschieder git na, dr Esel bliebt stah¨. (Evi, hast du das auch verstanden?) Ja, und nun sind die beiden bei uns eingetroffen. Pani ist bei uns im Rasen angebunden und frisst ihr wohlverdientes Heu. Während Piet für uns alle Lasagne kocht, erzählt uns Sabine von der abenteuerlichen Reise. Es ist so ein schöner, interessanter Abend. Nachdem sie Pani für die Nacht in einem benachbarten Pferdehof unterbringen konnte, geniesst es Sabine in einem Bett zu schlafen, ohne von Mäusen gestört zu werden.
Ist diese Frau nicht zu bewundern. Ich glaube ich wäre gerne wie sie. Sie liebt die Natur und die Tiere. Sie ist begeisterte Alpaka Züchterin. Ihre Herde umfasst ca. 60 Tiere. Auf ihrem Hof leben abwechslungsweise Hunde, Katzen, Schweine, Schafe, Gänse, Truthen und natürlich Esel. Wahrscheinlich sind das noch nicht alle. Irgendwo versteckt sich sicher noch eine Maus. Mit Herzblut betreut sie ihre Tiere und schaut das es ihnen gut geht.
Leider musste sie am Montag schon wieder nach Hause. Für den Rückweg wird sie mit einem Trailer abgeholt. Zurück bleiben schöne Geschichten und Eselsbollen im Rasen. Sabine, mach weiter so und bleib dir treu.
13. Gestern Nachmittag unternahm ich mit meiner langjährigen Freundin Erika einen Herbstausflug. Die Sonne hat den Nebel vertrieben und es wurde nochmal angenehm warm. Wir fuhren mit dem Velo und dem Rolli der Sonne entgegen. Da die gewählte Strasse fast autofrei war, konnten wir gemächlich nebeneinander herfahren und quatschen. Für den Kaffeehalt besuchten wir die Cafeteria eins Alters- und Pflegeheims. Es war wunderschön auf der Gartenterrasse. Erika und ich haben uns überlegt, ob wir nicht ein Zimmer mit Balkon fürs Alter reservieren sollten.
Später leistete uns eine 84-jährige Bewohnerin Gesellschaft. Es war interessant, ein wenig aus ihrem Leben zu erfahren. Ich glaube solche Begegnungen sind für alle sehr bereichernd. Besucht doch auch mal so eine Cafeteria. Neue Gesichter bringen Abwechslung in so einen Heimalltag.
Beim Nachhauseweg war es dann schon etwas kälter. Erika hatte alle Hände voll zu tun, um meinen Nasentröpflis Herr zu werden. Aber es war eine schöne Herbstausfahrt.
Es war wahrscheinlich eine der letzten Ausfahrten für dieses Jahr, ohne dass ich mich wie ein Eskimo vermummen muss.
So, und nun drücke ich den Kumpels aus Chile alle Zehen, damit Alle heil nach Oben kommen.
21.00 Uhr
Ich habe mein Forum wieder sichtbar gemacht. Freue mich auf kunterbunte Beiträge.
15. Heute herrscht grosse Freude in der Schweiz. Wir kommen unserem Ziel, die Lastwagen von unseren Strassen zu verbannen, immer näher.
Der Hauptdurchschlag am 15. Oktober 2010 bei Sedrun macht den Gotthard-Basistunnel mit 57 Kilometern zum längsten Tunnel der Welt.
17. Die Bergspitzen haben über Nacht ihr Aussehen verändert. Eine weisse Schneeschicht hat sich über sie gelegt. Viele Alpenpässe wurden geschlossen. Bereits schweben die ersten Bergdohlen ins Tal. Auf der Suche nach Essbarem landet ein Blaumeisen Männchen (breiterer schwarzer Bruststreifen als das Weibchen) auf unserem Rosenbogen. Bei jedem Windstoss verliert die Linde an „meiner“ Kreuzung Blätter. Braune, rote, gelbe und grüne Blätter wirbeln durch die Luft. Ihr fülliges Sommerkleid liegt bald vollständig zu ihren Wurzeln. Bald ist sie nackt.
Der Gotthardpass wird nur noch heute offengehalten. Auf dem Pass findet heute eine Trauerfeier für den verstorbenen Gotthard-Sänger Steve Lee statt. Obwohl ich ein grosser Fan von Gotthard bin, nehme ich nicht teil. Wir, mein Mann ich, kamen zum Schluss, dass ich dies meiner Psyche nicht antun sollte.
Tschüss Steve Lee. Eure Musik wird mich immer an dich erinnern. Sollte es einmal wieder Blitzen und Donnern, dann wird im Himmel sicher mal wieder gerockt.
20. Ui jui jui. Ist das ein Wetter draussen. Es regnet und windet. Die Wolken haben sich über die Berge gelegt. Wahrscheinlich trauen sie uns nicht zu zeigen was sie angerichtet haben. Ich glaube es hat einiges an Schnee gegeben. Von meinem Fenster aus sehe ich an die dreissig Bergdohlen, die von den Bergen herunter schweben. Es ist richtig nass-kalt. Sogar die noch übrig gebliebenen Blätter an der Linde zittern vor Kälte.
Am Mittag sehe ich einen wunderschönen Eichelhäher auf der Kummet - Mauer sitzen. Er hat etwas im Schnabel. Er schaut sich kurz um, ob ihn niemand beobachtet, wenn er gleich die ergatterte Nuss zu seinem versteckten Wintervorrat bringt.
Gerne hätte ich ihn fotografiert. Er war nämlich so nahe. Meine Männer meinten zu mir; ich müsse eine Videoüberwachung installieren, welche ich dann über meinen PC steuern könnte. Notfalls bräuchte ich ein, zwei Monitore mehr, dann hätte ich wohl die totale Kontrolle. Ha, Ha, ich will doch nur das Schöne festhalten.
Im Sommer habe ich mir auch schon überlegt eine Helmcam auf meinen Fahrten mitzunehmen. Nur für die Bedienbarkeit habe ich noch keine Lösung. Vielleicht kommt uns ja während dem Winter etwas Brauchbares in den Sinn. Wenn alles klappt, fahre ich nächsten Sommer als Natur-View herum. Das wäre doch toll, oder? Es gibt nämlich so viele, schöne Dinge, die es wert sind, festgehalten zu werden.
22. Manchmal habe ich schon ein schlechtes Gewissen. Mir geht es so gut, während andere mit dieser Krankheit ums Überleben kämpfen. Was müssen Betroffene von mir denken, wenn ich frisch, fröhlich meine Texte ins Tagebuch schreibe. Ich will diese Krankheit keineswegs beschönigen. Denn diese unheilbare Krankheit hat nichts Schönes. Man ist ja auch nicht alleine betroffen. Die Angehörigen, welche einen grossen Teil der Betreuung übernehmen, betrifft es ja genauso. Pläne, die man gemeinsam mit dem Partner für die Zukunft geschmiedet hat, fallen ins Wasser. Vorausplanen kann man nichts mehr. Man weiss nicht, wie lange die Zukunft dauert. Das weiss ein Gesunder zwar auch nicht, aber er kann zumindest auf ein hohes Alter hoffen. Das ist bei uns ALS-Betroffenen schon anders. Wir wissen, dass unsere Lebenserwartung begrenzt ist. Besonders hart ist es für jüngere Paare. Der nichtbetroffene Partner muss schon früh auf vieles verzichten. Seine Wünsche müssen hintenanstehen. Auch die Kinder der Betroffenen haben es nicht einfach. Auch sie müssen zurückstecken. Es dreht sich nicht mehr alles um sie. Der Betroffene steht immer mehr im Mittelpunkt. An dieser Stelle möchte ich einmal allen Angehörigen und Betreuern eines ALS-Betroffen danke sagen. Besonderer Dank geht an meinen Mann Piet und meinen Sohn Peter. Dank eurer Liebe und eurer Geduld habe ich immer noch riesigen Spass an meinem Leben.
Zum Glück gibt es für die Entlastung der Angehörigen die Spitex-Organisation. Gut ist, wenn immer etwa die gleichen Mitarbeiter vorbeikommen. Somit sind sie immer über den aktuellen Zustand des Patienten informiert. Bei einer fortschreitenden Krankheit wie die ALS ist das von grossem Vorteil.
Gerade diese Woche bekam „meine“ Spitex-Runde Verstärkung. Am Montag wurde die Neue eingearbeitet und blieb dann die ganze Woche auf dieser Runde. Es hat super geklappt. Wir hatten Spass miteinander. Ich finde es wichtig, dass die Chemie stimmt. Das Zusammenarbeiten ist dadurch doch einfacher. Ich fühl mich jedenfalls wohl, mit „meinen“ Spitex-Ladys.
Gestern Mittag kam eine Arzthelferin vorbei, um bei mir den Quick zu machen. Danach erhielten mein Mann und ich noch die Grippeimpfung. Und jetzt, meine lieben Grippeviren. Klopft eure Finken. Hier ist kein Platz mehr für euch. Oder wollt ihr, dass ich euch nochmal im Tagebuch erwähne? Vor mir ist nämlich niemand sicher.
16.30 Uhr: Habe noch einen älteren Medienbericht eingefügt.
Das war gar nicht so einfach diesen Bericht ins Netz zu stellen. Zuerst musste ich die drei Seiten aus der Zeitschrift herauskopieren. Dann folgte die Umwandlung der Word-Datei in eine PDF-Datei. Danach fügte ich die drei PDF-Dateien mit Hilfe des PDF-Creators in Eine Datei zusammen. Dann nur noch speichern und auf die Homepage laden.
Hört sich kompliziert an. Dabei ist es ganz einfach, wenn man weiss wie. Ich habe ja auch nur etliche Stunden herumgebastelt, bis ich es begriff. Man lernt eben nie aus.
25. Draussen regnet es und der Wind bläst kalte Luft ins Tal. Doch das stört die junge Frau gar nicht. Sie sitzt auf einem Frisörstuhl und lässt sich die Haare machen. Die äusseren Haare werden zu einem Netz geflochten und mit weissen Blumen ausgeschmückt. Wieder zu Hause zieht sie ein schneeweisses mit Spitzen verziertes Kleid an. Heute ist ihr Tag. Heute geht der schönste Traum eines jeden Mädchens in Erfüllung. Nun steht sie mit ihrem Liebsten vor dem Traualtar. Unendlich gross ist ihre Freude. Endlich darf sie mit ihrem Liebsten und ihrem gemeinsamen Sohn zusammenziehen und in eine wunderschöne Zukunft starten.
Auch heute, 30 Jahre später, regnet es ebenfalls und der Wind bläst kalte Luft ins Tal. Doch das stört die älter gewordene Frau auch heute nicht. Sie ist einfach nur glücklich, dass ihr Glück alle Tiefen und Höhen so gut überstanden hat. Wenn sie ihren Mann anschaut, sieht sie den Mann, den sie von ganzem Herzen liebt.
28. Ich sitze mal wieder vor dem PC. Ich drehe den Kopf zum Fenster und was sehe und höre ich da. Die Blätter der Bäume haben sich in warme Gelbtöne verwandelt. Kein Blatt bewegt sich oder fällt herunter. Draussen ist es recht still. Einige Wolken am Himmel sind rot gefärbt. Die schneebedeckten Bergspitzen leuchten ebenfalls in warmen Farben. Es ist eine wunderschöne Abendstimmung. Ich glaube, es kommt der Frühling. Lassen wir etwa den Winter aus?
Schon Gestern Abend gab es ein Abendrot und die Nacht war recht hell. Die schneebedeckten Berge haben im Mondschein reflektiert. Sie haben so schön geleuchtet. Schade, ich hätte die ganze Nacht zum Fenster hinaus starren können. Aber irgendwann muss auch ich schlafen.
Ich glaube, diese Nacht wird ebenfalls wieder sternenklar. Ich freue mich auf den Mond mit seinen leuchtenden Sternen.
29. In der letzten Nacht musste ich lange auf den Mond warten. Erst um 15 Minuten nach Mitternacht ist er aufgetaucht. Mich nimmt es wunder, wo er so lange gewesen ist. Mir ist auch aufgefallen, dass er abgenommen hat. Auf der rechten Seite fehlt ihm nämlich ein rechtes Stück. Darum war wahrscheinlich auch sein Leuchten nicht mehr so intensiv. Sterne habe ich überhaupt keine gesehen. Wo sind sie denn nur alle geblieben? Ich versuch es heute nochmal. Vielleicht sind sie nur ein wenig von der Milchstrasse abgekommen.
Draussen hat nun leichter Föhn eingesetzt. Es ist aus mit der Ruhe. Die gestern noch braven Blätter drehen und winden sich an den Bäumen. Eins ums andere löst sich vom Ast und schwingt zu Boden. Da liegen sie nun. Ist es etwa schon vorbei mit dem Blätter leben? Plötzlich fährt eine Föhn-Böe in den Blätterhaufen. Nun kommt noch mal leben in die Blätter. Sie ziehen mit dem Föhn die Strasse rauf und runter. Die Sicherheitslinien interessieren sie nicht. Es ist herrlich, zuzusehen wie sie sich mit dem Föhn drehen. Wie sie ihren letzten Tanz aufführen. Einfach nur schön.
30. Jetzt bin ich soeben von meiner Rolli Ausfahrt retour. Normalerweise bleibe ich bei Föhn im Hause. Da es jedoch einer der letzten wärmen Tage in diesem Jahr sein wird, habe ich mich ins Freie gewagt. Mein Mann hat sich ebenfalls auf seine Harley geschwungen und ist davon gedröhnt.
Es ist ein Erlebnis bei Föhn eine Ausfahrt zu machen. Mit dem Föhn im Rücken, fahre ich auf dem Reuss Damm Richtung See. Nicht etwa allein, nein, nein. In der heute sehr klaren Reuss schwimmen viele goldfarbene Blätter neben mir her. Ob es wohl diejenigen sind, welche Gestern den Blättertanz aufgeführt haben? Wer weiss, wer weiss.
Mein Poncho wird durch den Föhn immer wieder aufgeblassen. Wäre ich leichter, hätte ich den Möwen in der Luft Konkurrenz gemacht. Meine Haare werden zerzaust und der aufgewirbelte Sand verirrt sich in meine Augen. Niemand da der mir die Augen auswischen kann. Also Rita, hilf dir selbst. Ein paarmal die Augen verdreht und kräftig geblinzelt und weiter geht’s. Am See angelangt, sehe ich das Wasser in wunderschönem Blau glitzern. Viele Haubentaucher und Möwen halten sich im und um das Wasser auf. Auf den Grünflächen sehe ich ein Schwanenpaar mit ihren Jungschwänen. Damit der Föhn sie nicht umkippt, sitzen sie beim Fressen. Ein weiterer Schwan verlässt das Wasser. Er versucht nun mit dem Schnabel sein Gefieder zu putzen. Da erwischt ihn eine Böe von vorne und er fängt an zu schwanken. Bevor er sich ausbalancieren kann, wird sein Gesäss zwei-, dreimal nach unten in den Sand gedrückt. Das ist ein Schauspiel.
Der Weg zum Strandbad führt mich an Schilf vorbei. Die silbergraubraunen Wedel biegen sich mit dem Föhn. Es sieht aus, als würden tausende von Ihnen den Spazierfahrern zuwinken. Sehr ausdruckstark.
Am Strandbad angelangt, beobachte ich die vielen Windsurfer wie sie durch die aufgepeitschte See surfen. Der Urner See ist recht beliebt bei den Surfern. Sobald Föhn angesagt wird, kommen sie aus etlichen Landesteilen. Kinder haben ebenfalls Spass am Föhn. Ich sehe einer Grossmutter mit ihren drei Enkeln zu. Jedes der Kinder hat um die Hand eine Schnur gebunden. Hoch oben in der Luft hängt ein weisser Plastiksack am Ende der Schnur. Der Plastiksack füllt sich mit Luft und die Kinder werden fast abgehoben. Plötzlich wird der kleinste der Kinder von einer heftigen Böe Richtung See gezogen. Ich höre ihn weinen. Anscheinend sind seine Füsse Nass geworden. Den Kindern hat dies sicher trotzdem einen heiden (ungeheuren) Spass gemacht.
Wie könnte es auch anders sein, meine Nase fängt an zu laufen. Also mache ich mich schleunigst auf den Heimweg. Ich hoffe, der Gegenwind trocknet mir meine Schnudernase (laufende Nase). Selber kann ich es ja nicht.
Zuhause angekommen merke ich, dass es mittlerweile kühler geworden ist. Meine Finger sind kalt und ein wenig gstabig (steif). Mein Sohn bringt mich ins Haus und versorgt mich mit einem warmen Kaffee.
Dank den mittlerweile aufgewärmten Fingern kann ich nun meinen Tagebuch-Eintrag erstellen.
NOVEMBER
1.Das verlängerte Allerheiligen-Wochenende gehörte wie jedes Jahr den Ostschweizer Besuchern. An diesen Tagen besuchen einige von Piets Geschwistern das Grab der Eltern und ihr Elternhaus, in welchem mein Mann und ich wohnen. Es ist so schön zusammen zu sitzen, Neuigkeiten auszutauschen und über Altes zu lachen. Das Urner Kaffee und die Zieger-Krapfen dürfen da natürlich nicht fehlen. Wenn dann mein Mann ein Zabigplätchen und einen Teller mit verschiedenen Urner-Alpkäsen auftischt, wird’s erst recht heimelig.
Die Familien ist so etwas kostbares, man muss sie einfach hegen und pflegen. Meinem Mann und mir bedeutet das sehr viel.
4. Ist das schön. Der Abendhimmel strahlt wieder in Rottönen zu uns herunter. Es ist so eine wunderbar warme Stimmung draussen. Es ist fast windstill. Sogar die Vögel vergessen vor lauter staunen zu pfeifen. Aber was sehe ich denn da. Fliegt doch prompt eine Fledermaus vor meinem Fenster herum. Hab gemeint, Halloween sei vorbei.
Heute war überhaupt ein sonniger, warmer Tag. Trotzdem sitze ich nun mit einem Nasentröpfli, kalten Füssen und klammen Fingern vor dem PC. Ihr ahnt es, ich habe heute eine Rolli ausfahrt unternommen. Ich war wieder mal an meinem See und bin durchs Schilf gefahren. Ihr glaubt es nicht, aber zwischen dem getrockneten Schilf blühen immer noch wilde Kamille-Blumen.
Da am Samstag unser 2. Schwesterntreffen stattfindet, musste ich noch beim Restaurant vorbeischauen und einen Tisch reservieren. Und wenn ich schon unterwegs bin, erledige ich doch gleich noch andere anstehende Geschäfte. Wie das so ist, man trifft diesen und jenen Unterwegs und wechselt ein paar Worte miteinander. Als ich fast zu Hause bin treffe ich dann noch auf eine meiner Schwester. Natürlich wird auch wieder gequatscht und natürlich ist es inzwischen kühler geworden. Sollten wir uns verkühlt haben, trinke ich mit Doris am Samstag einfach einen Kaffee-Schnaps, der wärmt so schön von innen her.
So, nun fahr ich meine Finger wärmen.
8. Jetzt sind sie weg, die Blätter an der Linde. Ganz nackt steht sie nun da und trotzt dem Regen. Doch was glänzt denn da an ihren Ästen oben. Es sind Regentröpfchen, die Rast einlegen auf der Reise nach unten auf den Boden. Nun ruh dich aus du schöne Linde. Bald hüllt dich ein, ein weisses Kleid.
Auf der Suche nach einer passenden Musik, habe ich dieses treffende Lied gefunden.
Am Samstag hatten wir unser Schwestern-Treffen. Nach und nach sind sie am Abend bei mir eingetrudelt. Eine der Schwestern war am Morgen sogar noch in Frankreich. Sie hat uns Lavendelsäckchen mitgebracht. Die haben so herrlich geduftet. Jedes der Säckchen hatte eine andere Farbe. Komischerweise wusste jede von uns sofort welche Farbe zu wem gehört. Ich bin übrigens die mit der Farbe Grün. Wir haben uns dann ein wenig über die Bedeutung der Farben unterhalten. Ich wollte dies noch ein wenig genauer Wissen und hab daher Heute im Internet gegooglet.
Hier ist eine Seite darüber.
Auch Trauben haben den Weg von Frankreich in die Schweiz geschafft. Wie diese Sorte heisst, weiss ich nicht. Wir hatten früher ähnliche. Sie sind klein und sehr süss. Bei uns hiessen diese Chatzäseicherli (Katzenpisser). Fragt mich ja nicht warum.
Nach einem Mandarinen-Apero machten wir uns auf den Weg zum Nachtessen. Ich hatte es wieder mal richtig gut. Ich wurde gleich von zwei Schwestern gefüttert. Hmm, das Steinpilz Risotto war ausgezeichnet. Das Reiss hatte innen noch den weissen Kern. Zum Dessert hätten wir gerne ein Zwetschgensorbet gehabt. Am liebsten mit „alter Zwetschge“. Leider gabs das nicht. Aber das Melonensorbet ohne Schnaps war auch gut. Wir haben uns nur gewundert warum bei der Schwester mit dem Zitronensorbet, statt eines Chräpfli, ein Mexikaner in der Kugel steckt. Ja, und was für eine Flüssigkeit schwimmt den da um die Glace? Kein Wunder wurde sie immer lustiger. Bei dem Wodka.
Zum Glück mussten wir nicht selbst nach Hause fahren. Mein Mann hat Taxi gespielt. Es war ein schöner Abend. Schwestern, immer wieder.
10.Während drei Jahren hat sich mein Sohn, nebst der Arbeit, zum Maschinen-Techniker ausbilden lassen. Gestern Abend fand nun die Präsentation seiner Diplomarbeit statt. Ich bin mächtig stolz auf ihn. Der Entzug seiner Freizeit-Aktivitäten hat sich gelohnt. Judihui, er hats gepackt.
Auch ich durfte an seiner Arbeit teilhaben. Beim Durchlesen bekam ich einen kleinen Einblick in seine Arbeit. Ich war nur froh, dass ich die komplizierten Berechnungen und Fachausdrücke nicht verstehen musste.
Peter, nun wünsche ich dir eine schöne Zeit in Prag. Musst aber nicht gleich alle Biersorten durchprobieren.
11. Ich weiss nicht, ob ich es schon mal erwähnt habe. Ich höre sehr gerne Irish Folk. Wenn die Musiker anfangen ihren Flöten, Geigen und andern Instrumenten Laute zu entlocken, tauche ich hinein in eine andere Welt. Ich spüre die Geschichte des Landes in ihrer Musik. Manchmal tönt sie rau und laut und manchmal fein und leise. Ich spüre die Mystik dieses Landes.
Zum Einstimmen: Leises Lied und ein Lauteres Lied
Das Leben in Irland war lange Zeit durch interne und externe Konflikte geprägt. Ich selber kenne das Land nur aus Erzählungen und Bildern. Zum Glück habe ich liebe Besucher, die mir von ihren Ferien berichten. So besuchte mich Gestern eine ehemalige Spitex-Mitarbeiterin und erzählte mir von ihren Ferien in Irland. Durch ihre Erzählungen lernte ich einiges über das Land und seine Leute. Es kommt mir vor, als wäre ich selbst an den Klippen gestanden.
Ich habe Monika ein Foto geklaut. Das muss ich euch zeigen. Es ist eine alte Kirche. Sie hat die Form eines umgekehrten Bootes. Das einzige Fenster wird durch die Morgensonne geflutet und die Türe steht in der Abendsonne.
19. Eine Woche lang hat die Panne von Swisscom gedauert. Die Homepages konnten nicht bearbeitet werden. Da die Kommunikation zwischen der Swisscom und ihren Kunden nicht optimal verlief, wussten wir Benutzer nicht, was wirklich los ist. Einige suchten den Fehler bei der eigenen Anwendung. War schon ein wenig frustrierend. Was passiert nur mit unseren renommierten Schweizer Vorzeige-Firmen. Wo bleiben ihre Qualität und ihre Verlässlichkeit. Klar, die Schweiz hat viel zu wenig IT-Spezialisten, aber Infos können auch Nicht-Experten herausgeben. Swisscom muss ihre Informationspolitik umgehend verbessern.
Zum Glück hat mir gestern eine liebe Freundin als Geburtstagsgeschenk eine Fee vorbei geschickt. Die hat mir gleich einen Wunsch erfüllt. Die Homepage geht wieder.
Ich hatte einen so schönen Geburtstag. So viele liebe Menschen haben bei mir vorbeigeschaut. Der dreimonatige Noah war der jüngste und mein Vater mit seinen Vierundachtzig Jahren der älteste Besucher. Ich liebe es, Menschen um mich zu haben.
Was mich natürlich auch gefreut hat, sind die vielen Mails, Glückwunschkarten, Gästebucheinträge, Kontakteinträge, Facebookeinträge und SMS.
Der grösste Dank gehört Piet. Er hat dafür gesorgt, dass meine Gäste immer zu trinken und zu essen hatten.
Am Abend war ich dann schon ein wenig müde. Ich bin sicher mit einem Lächeln im Gesicht eingeschlafen.
20. Manchmal, sitze ich einfach nur vor meinem PC und höre Musik. Gelegentlich schweifen meine Blicke zum Fenster und ich nehme mit den Augen am pulsierenden Dorfleben teil. Heute Nachmittag geht es auf meiner Kreuzung eher ruhig hin und her. Mir scheint, auch die Fussgänger sind gemächlicher unterwegs. Ich glaube fasst, die Natur steckt uns an. Bäume, Sträucher und Pflanzen haben ihre Energien heruntergefahren und auch die Tiere sind nicht mehr so aktiv. Vielleicht steht diese Jahreszeit im Zeichen der Regeneration. Es ist die Zeit der Stille. Es ist die Zeit des Innehaltens. Schenken wir uns Zeit über unser Dasein nachzudenken. Bin ich zufrieden, so wie mein Leben verläuft? Oder sitze ich bloss meine Jahre hier ab?
Diese Jahreszeit ist auch die Zeit der warmen Lichter. Die Zeit der Hoffnung. Nimm deine Möglichkeiten war. Denn nicht alle haben diese Möglichkeit. Also, nimm dir die Zeit für dein Leben.
21. Kurz nachdem ich Gestern über das Leben geschrieben habe, erhielt ich die Nachricht, dass wieder zwei ALS’ler von uns gegangen sind.
Obwohl das Leben und der Tod Gegensätze sind, gehören sie zusammen. Wenn man sich mit seinem Leben befasst, muss man sich auch mit dem Sterben auseinandersetzen. Je nachdem, an Was und wie Jemand glaubt, so unterschiedlich sind die Vorstellungen vom Tod. Ziel wäre es doch eigentlich, den Schrecken vor dem Tod zu verlieren. Denn, wer weiss schon, welch wunderschönes uns danach erwartet.
Wenn sich schon Kinder mit dem Tod befassen, warum nicht auch wir, die Erwachsenen.
Hier der Kinderlink. http://www.wdrmaus.de/lachgeschichten/geschichten/video.php5?id=2638
24. Da mich ein Besucher heute Nachmittag versetzt hat, habe ich nun Zeit, ein wenig über diese Woche zu berichten.
Wir machen ja keinen eigentlichen Frühlingsputz mehr. Es gibt aber noch keine selbstreinigenden Küchenschränke, die ihren Inhalt selbstständig Aussortieren und sich reinigen. Da mein Mann genug anderes zu tun hat, und Männer nicht unbedingt ein Händchen dafür haben, orderte ich kurz eine Reinigungskraft. Es ist schon erstaunlich, was man so alles aufbewahrt. Nach diesem Nachmittag gehöre ich nun definitiv ebenfalls zur sogenannten Wegwerfgesellschaft. Es musste mal sein. Jetzt haben wir wieder Platz in den Kästen.
Vor kurzer Zeit wurden Piet und ich angefragt, ob wir bereit wären, bei einer Vertiefungsarbeit über die Krankheit ALS, mitzuwirken. Für uns war das selbstverständlich. So kam es, dass wir gestern Nachmittag, drei gut vorbereiteten Lehrlingen gegenübersassen. Piet und ich standen ihnen so gut wie möglich Rede und Antwort. Sich in so jungen Jahren mit einer unbekannten Krankheit zu befassen, ist schon eine Herausforderung. Man bedenke, diese Vertiefungsarbeit macht einen Drittel ihrer Abschlussnote aus. Hut ab und viel Glück.
An den Abenden war ich natürlich auch nicht untätig. Vor etwa einer Woche habe ich aus Unachtsamkeit, sämtlich Unterseiten der ALS Rubrik gelöscht. Nun galt es diese wieder neu zu erschaffen. Einige sind zwar nicht mehr ganz so ausführlich wie vorher, aber ich glaube das genügt. Darum, immer zweimal kontrollieren, bevor man auf Löschen drückt. Mir war das eine Lehre.
25. Manchmal frage ich mich schon, wie ich die vielen lieben Menschen um mich herum verdient habe. Es ist unglaublich, wie viel Anteilnahme mir seit meiner Erkrankung entgegengebracht wird. Die Freunde sind nicht weniger geworden. Im Gegenteil, ich habe Freunde dazu gewonnen. Ihr, meine lieben Mitmenschen tragt dazu bei, dass mir mein Leben trotz all meinen Behinderungen immer noch so enorm Spass macht.
Mein Spass fängt meistens schon am Morgen an. Als ich heute Morgen von der Spitex gepflegt wurde, ertönte aus dem Radio ein super Sound. Da konnten wir nicht anders als mitzugehen. Eben, ein Beet bei dem man einfach mit Muss. Ich habe alles gegeben. Hab geschüttelt, was es noch zu schütteln gibt. Hab meine rechte Hand so weit nach Oben gestreckt wie es eben ging und versuchte das Viktore-Zeichen zu machen. Ich wurde von der Spidi darauf hingewiesen, dass bei diesem Sound alle Finger eingesetzt werden. Super, dann mach mal. Aber warte ab, wenn nächstes Mal Haevy Metal gespielt wird, bin ich am Drücker. Dieses Zeichen kenne ich. Es fehlen mir nur noch die langen Haare zum Headbangen.
26. Gestern Nachmittag besuchte mich mein Götti mit seiner Frau. Mit diesen beiden sind Piet und ich auf unterschiedliche Weise verbandelt. Mein Götti ist ein Cousin meines Vaters. Seine Frau ist eine Cousine von Piet. Und ihre Gotte ist die Mutter von Piet. Alles klar? Solche Zufälle gibt’s.
Später kam auch noch eine meiner Schwestern vorbei. Sie macht mir jedes Jahr das Adventsgesteck. Als ob sie es gespürt hat, dass ich auf die Schneeflocken warte, hat sie das Gesteck in weiss gestaltet. Sogar ein Schneemann hat darauf Platz gefunden. Sieht wunderschön aus.
Habt ihr eigentlich gewusst, dass rote Socken die Füsse besser warmhalten als Socken mit anderen Farben. Ich weiss nicht, ob ich das glauben kann. Meine Schwester und mein Mann sind natürlich fest davon überzeugt. Kein Wunder sind die Beiden der gleichen Meinung. Ich glaube fasst, meine Schwester manipuliert Piet mit ihren feinen Backwaren. Wir werden es wissen, sobald die roten Socken gestrickt sind. Piet hat mir Gestern bereits vorsorglich ein paar rote Socken gekauft. Die trage ich nun. Mal schauen. Werde es schon merken, ob sie mich nur auf die Schippe genommen haben.
Im Dunkeln sind sie gekommen. Ganz sanft und leise. Haben sich hingelegt auf ihre Weise. Nun ist alles weiss, alles verschneit. Seid willkommen ihr weissen Sterne.
Dazu ein Lied http://www.youtube.com/watch?v=6ixaZbBRWtg&feature=related
28. Ein Teller mit grünem Griss (Tannenäste) steht auf unserem Stubentisch. Vier weisse Kerzen bilden einen Kreis. Nur Eine flackert mit hellem Schein und schaut gespannt zum Fenster raus. Es ist kalt geworden. Langsam wird es Abend. Dunkelheit schleicht um die Häuser. Doch plötzlich funkeln viele kleine Lichter durch die Nacht. Lichterketten zieren Hauseingänge und in den Fenstern leuchten Sterne um die Wette.
Es ist der 1. Advent.
Was dringt den jetzt an meine Ohren. Kuhglocken mitten im Winter? Es tönt immer lauter. Nun erleuchten brennende Fackeln die Nacht. Männer in dunklen Kutten treten aus der Dunkelheit. Es wird immer lauter und heller. Und jetzt weiss ich was los ist. Ich habe nicht daran gedacht. Heute ist Samichlauseinzug (Nikolaus) in unserer Gemeinde. Nun aber schnell ans Fenster. Sie ziehen gleich an unserem Haus vorbei. Zuvorderst laufen die Fackelträger. Hinter ihnen ist die Trychlergruppe. Das trychlen fährt jedem der dies hört durch Mark und Bein. Anschliessend folgen viele Kinder mit ihren selbst gebastelten Laternen. So ein schönes Lichtermeer. Dann kommen die Schmützlis (Knechte Ruprechts). Einer führt einen Esel an der Hand. Und nun endlich sehe ich auch den Samichlaus mit dem Bischofsstab und der Mitra auf dem Kopf. Sein weisser Bart ist immer noch so schön gelockt und voluminös wie Früher. Wie macht er das nur?
Viele Leute begleiten den Einzug ums Dorf. Ich freue mich, dass solche Traditionen weiterhin praktiziert werden. Sind wir mal ehrlich. Manchmal wünschen wir uns doch die Kindheit zurück. Vielleicht ist das ein Teil von Heimat.
DEZEMBER
1. So scheen. Jetzt schneit es auch bei uns. Viele kleine, zarte Sternchen fallen vom Himmel und verwandeln die Landschaft in eine Märchenwelt. Alles sieht so verwunschen aus. Alles strahlt in weisser Unschuld. Auch meine Linde trägt nun ihr weisses Winterkleid.
Warme Lichter aus den Häusern durchdringen den Winterabend. Die Strassenlaternen sind angegangen und weisen den Autofahrern den Weg nach Hause. Der Verkehr auf meiner Kreuzung ist merklich langsamer geworden. Soeben ist der Streuwagen vorbeigefahren. Wohl ein bisschen spät. Denn einige Fahrzeuge haben bereits Mühe in der Steigung. Hat wohl bereits Glatteis.
Zum Glück muss ich nicht auf die Strasse und muss kein Schnee schaufeln. Ich darf einfach die Schneeflocken in der warmen Stube geniessen.
Hurra, hurra der Winter ist da.
9. Endlich ist es vorbei mit den alten Brüllwürfeln welche aus meinem Monitor dröhnten. Piet hatte heute Mitleid mit mir und hat kurzerhand seine Anlage an mich abgetreten. Nun thronen 2 Boxen mit sensationeller Klangwiedergabe neben meinem PC-Bildschirm. Und unter dem Tisch massiert nun ein Subwoofer meine Waderln (Logitech THX). Zuvor musste ich, um gute und laute Musik zu hören, Kopfhörer aufsetzen. Das hat meinen Bewegungsradius eingeschränkt. Mein ganzes Büro ist mittlerweile erfüllt von guter Musik. Jetzt kann ich meine Lieblingsmusik rauf und runter hören.
Nun kann ich Steve Lee’s Stimme wieder richtig geniessen und auch die Töne, welche Leo Leonie seiner Gibson entlockt, sind Balsam für meine Ohren.
Jetzt kann ich mitwippen und ausflippen, wie ich gerade Lust und Laune habe. Rock on!
10. Und die Schneeflöcklein tanzen wieder. Ab und zu setzt sich eines auf meine Fensterbank. Und ein gar vorwitziges drückt sein Näschen an meine Fensterscheibe und blinzelt zu mir herein. Habt ihr gewusst, dass ein Schneekristall immer aus sechs Ecken besteht. Soeben ist eine grosse Gruppe von Bergdohlen am Himmel aufgetaucht. Im Kreisflug überfliegen sie unser Dorf und hoffen etwas Essbares zu erspähen. Ja, mein Vogelhäuschen ist heute leer. Die Bergdohlen haben dieser Tage alles Futter aufgefressen. Aber es hat noch genug anderes zum fressen in der Natur. Ich kann mich doch auch nicht nur mit Dessert ernähren.
Diese Woche habe ich mal wieder meinen PC (Festplatte) aufgeräumt. Was sich da mit der Zeit so alles ansammelt. Da etwas gespeichert, da mal schnell etwas abgelegt. Da ist es gut, wenn ich zwischendurch ausmisste. Gleichzeitig habe ich unsere gesamten Digitalfotos neu geordnet und diese dann zur Sicherheit auf einen Stick kopiert. Habe dafür etliche Stunden investiert. Mein Mann hat mich auch noch mit Arbeit versorgt. Er hat mir gesagt; ich hätte ja gar keine Zeit krank zu sein. Da scheint etwas Wahres dran zu sein.
Ich kann so glücklich sein. Trotz der Krankheit geht es mir so gut. Ich habe so viele liebe Menschen um mich die sich um mich kümmern und schauen das ich des Lebens nicht überdrüssig werde. Danke, ihr guten Geister. Leben kann so schön sein.
Jetzt sehe gerade, wie Jemand bereits einen Christbaum gekauft hat und ihn nun nach Hause trägt.
11. Manchmal wünschte ich mir Flügel. Ich könnte dann fliegen, wohin ich möchte. Nichts hielte mich auf. Ich wäre so frei. Der Wind bliese mir ins Gesicht. Meine Lungen würden sich mit Luft füllen. Ich fühlte mich so leicht. Meine Arme streckte ich weit von mir, um mit den Händen die wunderschönen Blumen zu liebkosen. Meine Augen würden funkeln und meine Nase würde sich kräuseln ob ihrem betörenden Duft. Meine Lippen formten sich zu einem Lächeln.
Doch plötzlich gefriert das Lächeln. Das Funkeln der Augen erlischt. Das atmen wird schwerer. Der Wind wird rauer. Meine Hände fühlen Kälte. Die Flügel gibt’s nicht mehr. Bin wieder auf dem Boden der Wirklichkeit gelandet.
Die Kunst wird wohl sein, ohne Flügel fliegen zu können.
16.Etwas blendet mich. Im Halbschlaf versuche ich meine Augen zu öffnen. Was blinzelt den da in mein Fenster. Es ist ein Sonnenstrahl. Er füllt das Zimmer mit goldenem Glanz. Nun bemerke ich die schneebedeckten Bergspitzen draussen, die im Sonnenlicht glitzern. Es hat über Nacht ganzwenig geschneit. Heute wäre wohl ein idealer Tag, um den Pulverschnee zu geniessen.
Mein Junior würde heute auch lieber auf den Skiern stehen, anstatt in der Bude. Ausserdem ist er heute Mittag für mich zuständig. Mein Mann ist heute nämlich abwesend. So muss er mir das Essen eingeben, meine Nase putzen, mich aufs WC setzen und schauen das ich mit allem versorgt bin um den Nachmittag allein zu verbringen.
Zum Ausruhen bleibt da kaum Zeit. Ich finde es so lieb, dass die beiden so viel ihrer Zeit an mich abgeben. Gerne würde ich ihnen eine Ruhepause gönnen. Aber leider ist das in unserer Situation nicht so einfach zu realisieren.
Vielleicht gibt es ja heute Nacht tatsächlich Schnee und die Schneesportler können am Wochenende ihrem Hobby frönen. Für meinen Sohn bedeutet dies Spass, für meinen Mann hingegen ist dies mit viel Arbeit verbunden. Als Hauswart ist er besorgt, dass alle Gehwege und Zufahrten freigehalten werden. In unserem Fall trifft folgendes Sprichwort wirklich zu; Des einen Freud, ist des andern Leid. Und ich mittendrin.
17. Bin gestern Abend lange wach geblieben. Wollte es nicht verpassen die angekündigten Schneeflocken zu begrüssen. Während dem Warten habe ich im Fernsehen die Aktion „Jeder Rappen zählt“ mitverfolgt. Bei dieser Tag- und Nacht Aktion wird Geld für Kinder in Kriegsgebieten gesammelt. Und da das Ganze auf dem Bundesplatz stattfindet, sah ich gleichzeitig, wie die ersten Schneeflocken in Bern eintrafen. Als sich die Ankunft der Schneeflocken in die Länge zog, mussten sich meine Augendeckel geschlagen geben und ich schlief ein. Plötzlich wurde ich aus meinen Träumen gerissen. Etwas rüttelte an den Dachziegeln und sauste mit Geheul ums Haus. Anstelle der Schneeflocken kam wieder Mal der älteste Urner zu Besuch. Darum war ich am Morgen auch nicht überrascht, als nur sehr wenig Schnee lag. Gegen Mittag hat sich der Föhn doch noch verabschiedet und es fing an zu schneien. Im Laufe des Nachmittags hat sich eine schöne, glitzernde Schneeschicht auf alles gelegt. Mir gefällt das weisse, weiche Ding. Einen Nachteil hat das ganze jedoch. Ich wollte heute Abend eigentlich Lädälä (Einkaufen) fahren. Doch mein Mann ist mit Schneeräumen beschäftigt. Also fällt mein Vorhaben buchstäblich in den Schnee.
Mach ich es mir halt mit einem Punsch vor dem Fernseher gemütlich.
18. An einem Nachmittag in dieser Woche wurde ich von zwei älteren, liebenswerten Menschen besucht. Ein wenig müde aber mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht sitzen sie mir auf dem Sofa gegenüber. Gespannt höre ich ihnen zu was sie zu berichten haben. Die zwei über 80-Jährigen haben nicht etwa einen Winterschlaf eingelegt. Nein, nein, sie wurden vom Putzteufel gepackt und sie haben Zimmerdecken gereinigt, Böden auf den Knien geschrubbt und zum ersten Mal ein Dampfgerät eingesetzt. Ich sehe es ihnen an wie stolz und zufrieden es sie macht, dass sie dies in ihrem hohen Alter noch selber schaffen. Ich glaube, bei diesen Beiden geht das Christkind gerne vorbei. Diese zwei liebenswerten Menschen sind meine Eltern. Sind sie nicht toll?
Gestern Nachmittag habe ich mit einer meiner Schwestern den Nachmittag in der warmen Stube verbracht. Einmal als die Schneeflocken gar heftig vom Himmel vielen fuhr ich zum Fenster, um dem Treiben zuzusehen. Nach einer Weile fuhr ich mit dem Rollstuhl wieder rückwärts vom Fenster weg. Dabei ist der Teppich verrutscht und es entstand eine grössere Welle. Bevor ich meine Schwester warnen konnte, ist sie bereits darüber gestolpert. Ich konnte mich nicht mehr halten. Ich musste so Lachen. Meine Tränen liefen mir nur so über die Backen. Es sah so komisch aus, wie bei dem Film „Dinner for one“, bei dem James immer wieder über den Tigerkopf strauchelt. Als ich dies am Abend meinem Mann erzählen wollte, wurde ich immer wieder durch Lachanfälle unterbrochen. Ich sah immer wieder diese Szene vor den Augen und dann war es wieder um mich geschehen.
Da ich auch jetzt wieder Tränen lache und kaum noch den Bildschirm sehe, höre ich nun besser auf zu schreiben.
20. Diese Unselbständigkeit drückt manchmal ganz schön auf die Psyche. Manchmal gibt es Tage, da nervt mich alles. Nichts scheint mir zu gelingen. Wenn ich auch den Elan aufbringe um mit Firmen zu kommuniziere und dauernd auf Antworten warten muss, nervt das ganz schön. Ich möchte ja so viel wie möglich selber erledigen. Es werden mir aber immer wieder unnötige Steine in den Weg gelegt. Um diese dann zu beseitigen, bin ich wiederum auf fremde Hilfe angewiesen. Wir, die Menschen mit Behinderung wollen ja unseren Beitrag zur Integration und für unsere Selbstständigkeit leisten. Ihr lieben Behörden, Firmen und Mitmenschen müsst uns aber dabei unterstützen und nicht wegschauen.
Was mir in den letzten Jahren vermehrt aufgefallen ist, ist wie jede Firma jede Behörde mit allen Mitteln versucht, Ausgaben zu streichen. Das dabei Gesunde, wie auch Kranke auf der Strecke bleiben ist anscheinend egal. Hauptsache Ende Jahr kann man hohe Gewinne vorweisen.
Früher als noch viele Firmen Familienunternehmen waren, wurden die Mitarbeiter betreut und sie bis zur Pensionierung unterstützt. Dass ein älterer Mitarbeiter nicht mehr die volle Leistung erbringen kann, nahm man hin. Man wusste um das Know-how, welches sich so ein Mitarbeiter im Laufe der Jahre angeeignet hat. Dieses Wissen kam den Firmen und den Kunden zugute.
Vor einigen Jahren konnte ich zum Beispiel noch in ein Geschäft gehen und ohne Probleme ein Ersatzteil bestellen. Man wusste vielfach um welches Modell es sich handelte. Heute muss man die Marke, den Typ und wenn möglich noch das Baujahr benennen.
Heute werden Firmen zusammengelegt. Fremde Manager werden eingesetzt, die keinen Bezug zur Schweiz haben. Denen fällt es leicht, Arbeiten in Billiglohnländer auszulagern, nur um möglichst hohe Gewinne zu erzielen. Die Qualität und der Service bleiben auf der Strecke. Dabei waren Qualität, Zuverlässigkeit, Services/Dienstleistungen unsere grössten Ressourcen.
Mich beschäftigen momentan die Kunden feindlichen Servicedienste der Firmen. Ein Kunde ist schon lange Zeit nicht mehr Partner. Vielmehr ist er ein Störenfried. Und dies bei namhaften Schweizer Firmen.
Ja momentan fällt mir nicht alles so leicht. Aber in meinem Alter spielen wohl von Zeit zu Zeit die Hormone verrückt. Gönnt mir auch mal einen Hänger.
22. Bin wieder richtig gut drauf. Musste einfach mal Ruhe und Einkehr halten. Gestern habe ich den ganzen Nachmittag durchgeschlafen und bin früh zu Bett gegangen. Deswegen musste ich auch lieben Besuchern absagen. Muss einfach wieder vermehrt Ruhepausen einlegen. Dank einer ausgedehnten Beautypflege durch die Spitex heute Morgen, fühle ich mich momentan wieder pudelwohl.
Mein Mann hat mir vor mein Bürofenster zwei grosse Meisen Knödel gespannt. Hin und wieder kommt eine Meise vorbei und ich kann sie in 1m Entfernung beobachten, wie sie die Körner herauspickt. Piet unternimmt einiges, damit ich auch im Winter meine Tier- und Pflanzenwelt beobachten kann. Ich würde ja gerne auch im Winter meine Rolli Runden drehen. Es ist aber einfach zu kalt. Und wenn ich mal kalt habe, kann man mich kaum mehr aufwärmen. Eigenartig ist, dass sich die Kälte in meinem Körper jeweils erst im Haus so richtig bemerkbar macht. Es kommt mir dann so vor, als wenn sich in meinem Innersten eine Brausetablette befinden würde, welche die Kälte mit ihren sprudelnden Bläschen in meinen ganzen Körper verteilt. Von innen nach aussen. Früher hat es mir gereicht, wenn das Thermometer in der Wohnung 18° – 19° anzeigte. Unter 20° läuft heute nichts mehr.
Heute ist es dank Föhn nicht mehr so kalt. Über Nacht hat der älteste Urner den Schnee bis weit in die Berge weggeschmolzen. Wenn ich zu den Bürgler-Bergen hochschaue, sehe ich bereits wieder satte, grüne Wiesen. Schaut womöglich bereits der Frühling vorbei? Meinem Mann wäre dies wohl mehr als recht. Ich möchte ihm auch einige stressfreie Weihnachtstage gönnen. Muss mal mit dem Weihnachtsmann reden und ihn bitten, er möge doch Frau Holle ein Navi schenken. Frau Holle könnte mit Hilfe des Navi‘s nur die Wiesen beschneien und die Strassen und Wege könnte sie frei halten. Damit wäre doch allen gedient. Mal schauen.
27. Der heutige Tag war nicht mehr gar so sonnig wie Gestern. Dafür haben die Vögel gezwitschert, man hätte meinen können, der Frühling sei am Erwachen.
Drei Vögel kamen mich sogar besuchen. Angelockt von den Meisen Knödel, welche mir mein Mann vor das Fenster gespannt hat. Zuerst kam eine Blaumeise vorbei und knabberte an den Ballen. Dann wurde es plötzlich etwas dunkler vor dem Fenster. Eine Alpendohle versuchte auf dem Draht mit den Knödeln zu landen, musste aber wieder abdrehen. Der Draht war ihr anscheinend zu wackelig. Dies kam einem Rotkehlchen gerade recht. Es war cleverer als die Dohle und setzte sich direkt auf den Meisen Knödel. Genüsslich fing es an, die feinen Körner herauszupicken. Grösse ist eben doch nicht alles.
29. Gestern Abend habe ich im Fernsehen eine Diskussionssendung mitverfolgt. Das Diskussionsthema war "Glauben Sie an Gott?". Die Sendung fand ich sehr interessant, ich konnte nicht wegzappen. Die Runde bestand aus Katholiken, Gläubigen, einem Rabbiner, einem Freidenker und einem Atheisten. Zu erfahren was und wie anders Gläubige denken und wie Sie betreffs ihrem Glauben argumentieren war aufschlussreich. Niemand konnte aber beweisen, ob es eine höhere Macht gibt oder nicht. Das ist wahrscheinlich auch gut so. Darum heisst es ja auch Glauben. Wir werden es, wenn überhaupt, erst nach dem Verlassen unserer Erde wissen.
30. Ja, auch dieses Jahr meinte es wieder gut mit mir. Ich musste nur geringe krankheitsbedingte Verschlechterungen hinnehmen. Sicher hat die Kraft an dem einen und anderen Ort nachgelassen. Meine Stimme wurde ein wenig leiser und unverständlicher. Dafür hat sich meine Puste nur unwesentlich verschlechtert. Meine Stimmungsschwankungen waren in diesem Jahr ein bisschen ausgeprägter. Ich merke auch, dass ich mehr Ruhepausen einlegen muss, um mich zwischendurch wieder zu ordnen.
Ich durfte schöne Rollitouren unternehmen und vielen interessanten Menschen begegnen. Durch Besuche, Mails und durch die Kommunikation über meine Homepage kam bei mir nie Langeweile auf. Ihr hieltet mich ganz schön auf trapp.
Ich wünsche mir, dass das nächste Jahr nur Gutes für mich und meine Lieben bereithält. Und dir wünsche ich, dass viele deiner Wünsche in Erfüllung gehen werden.