JANUAR 2011
5. Sie sind schön, die vielen Festtage. Es ist eine ruhige, friedliche Zeit. Die Familien rücken näher zusammen. Man nimmt sich Zeit für den andren.
So war es auch bei uns. Wir hatten einige liebe Besuche in diesen Tagen. Die Essen mit Dessert und Naschereien kamen auch nicht zu kurz. Mir scheint der 7. Bauchring von unten hat ein wenig zu viel vom Süssen abbekommen. Nach Sixpack sieht das nicht aus. Also, neues Jahr, neue Vorsätze.
Dieses Jahr ist für mich ein besonderes Jahr. Ich habe was zu feiern. Vor zehn Jahren, Mitte Januar 2001 machten sich bei mir die ersten ALS – Symptome bemerkbar. Und am 21. August 2001 wurde mir dann die Diagnose bekannt gegeben.
Soll ich das nun feiern. Da haben sich wohl auch schon andere ALS’ler gefragt. Ich für mich sehe das so.
Als ich mich mit der ALS konfrontiert sah, begann ich Informationen zu sammeln. Ich las, dass die Lebenserwartungen sehr unterschiedlich sind. Einige sterben nach wenigen Monaten. Der Überlebensdurchschnitt nach der Diagnose liegt hingegen zwischen 3 – 5 Jahren. Einige schaffen es noch länger und ca. 5% aller Betroffenen schaffen es sogar die 10 Jahres Grenze zu knacken.
Obwohl ich eigentlich kaum Einfluss nehmen kann, wie schnell die Krankheit fortschreitet, habe ich mir heimlich immer Ziele gesetzt. Zuerst drei Jahre, dann fünf, dann sieben Jahre und nun will ich dieses Jahr die 10 Jahre abschliessen.
Ich feiere nicht meine Krankheit. Ich feiere die Rundensiege, welche ich ihr abgerungen habe. Ich werde ihr weiterhin die Stirn bieten, solange bis kein einziger Kraftfunke mehr in mir steckt.
Wäre natürlich schon schön, wenn ich dann im November mit meiner Familie und meinen Freunden auf meinen 50. Geburtstag anstossen könnte. Ich freue mich jetzt schon darauf.
6. Ich bin euch noch eine Erklärung schuldig, warum ich im neuen Jahr bis jetzt nur zwei Einträge geschrieben habe.
Ich sass an Silvester, 5 Minuten nach Mitternacht am PC und wollte für euch ein Feuerwerksbild hochladen. Leider hat sich aber meine Mediendatenbank geweigert, meine Daten freizugeben.
Da der Support mal wieder überlastet war und ich von ihnen mal wieder keine Hilfe erwarten konnte, musste ich selbst nach einer Lösung suchen. Es wäre zu umständlich, euch meine unternommenen Schritte näher zu erläutern. Auf jeden Fall habe ich den Browser gewechselt. Am 2. Januar konnte ich wenigstens mein Neujahrsgruss an euch veröffentlichen.
Wahrscheinlich sass ich zu lange vor dem PC. Beim Sitzen werden Organe leicht zusammengepresst. Ich verspürte plötzlich Schmerzen unter dem rechten Brustkorb. Auch unter dem rechten Schulterblatt strahlte ein Punkt schmerzen aus. Da ich immer aufpassen muss, mir keine Lungenentzündung einzufangen, habe ich mich vorsichtshalber vermehrt im Bett oder im Fernsehstuhl aufgehalten. Natürlich mit meinen Bettflaschen und Hirsekissen.
Am Dienstag besuchte mich dann meine Physio. Sie rückte mit Hilfe von Dehnübungen, mit massieren und Atemübungen den Schmerzen zu Leibe. Mittlerweile geht es mir wieder ordentlich.
Habe beschlossen, nach zwei Stunden am PC, eine halbe Stunde auszuspannen, um meine Organe und Glieder zu entlasten.
14. Sorry liebes Tagebuch. Ich weiss, ich habe dich in letzter Zeit vernachlässigt. Irgendwie war mir einfach nicht drum, etwas zu schreiben. Und nur schreiben, damit Seiten gefüllt sind, will ich nicht.
Psychisch geht es mir aber gut. Was ich in letzter Zeit vermehrt habe, ist eine volle Nase. Drei bis viermal am Tag muss mir die Nase mittels Wattestäbchen gesäubert werden. Die volle Nase erschwert mir die Atmung. Ich bin nicht etwa erkältet. Sondern der Speichelfluss und die Verschleimung haben bei mir zugenommen. Diese Symptome gehören eben zur ALS. Momentan ermüden mich lange Gespräche. Darum bin ich froh, wenn mich meine Besucher nicht zu lange besuchen, dafür aber öfters.
Ich werde mir nun einen Verdampfer ins Zimmer stellen, damit ich feuchtere Luft einatmen kann. Mitte Februar muss ich ohnehin zur halbjährlichen Kontrolle in die St. Galler ALS-Klinik. Werde schauen, was sie dort meinen. Aber es geht mir immer noch sehr, sehr gut.
Wie sollte es mir auch nicht gut gehen, wenn ich mit feinstem Kuchen, wärmenden Socken und einem Frühlingssträusschen versorgt werde. Ihr tut mir so gut, danke.
Heute hat sich Piet den Nachmittag frei genommen und wir sind mit Rolli und Mountainbike zum See gefahren. Dort haben wir die Kaffeekanne ausgepackt und uns mit Urner Schwarzem gewärmt. Der See war sehr ruhig und viele Arten von Wasservögeln schwammen an uns vorbei. Auf einer Insel stand ein Kormoran mit ausgebreiteten Flügeln auf einem Stein. Wahrscheinlich wärmt er sich so auf.
Dieser Trip an den See hat mir sehr gutgetan. Und ich glaube, ich habe schon ein wenig den Frühling gespürt. Auch die Vögel pfeifen bereits anders. Ich freue mich auf die nächsten Tage, die sollen ja auch mit frühlingshaften Temperaturen daherkommen.
15. Was für ein schöner Tag. Von mir aus müsste es jetzt im Flachland auch keinen Schnee mehr geben. Bald ist es ohnehin Fassnacht und ohne Schnee ist es einfacher mit den Trommeln, Pauken und Trompeten durch die Strassen zu ziehen. Unsere Guggenmusik gibt bereits heute Abend ihr Eröffnungskonzert.
Heute habe ich mir nun einen Verdampfer gekauft. Nimmt mich wunder, ob ich etwas merke, wenn die Luftfeuchtigkeit von meinen 30% auf 50% steigt. Es nützt nämlich nichts, wenn man das Fenster öffnet und denkt durch die frische Luft käme auch feuchte Luft herein. Denn, je kälter die Luft, desto weniger Feuchte enthält diese.
Soeben sehe ich, wie die Schneefelder auf den Berggipfeln in der Abendsonne glühen und wie die Wolkenschleier in verschiedenen Rottönen strahlen. Es ist so eine friedliche, wunderschöne Stimmung. Auch unsere alte Burgruine wird von warmem Licht angestrahlt. Früher überwachten die Burgherren unsere Strassen. Heute hingegen habe ich die totale Kontrolle über „meine“ Kreuzung. Vielleicht bin ich ja ein verloren gegangenes Burgfräulein. Zum Glück hat mich mein Prinz schon gefunden.
Damit ihr wisst, wie meine Kreuzung aussieht, habe ich euch hier ein Foto.
15. Eine Zeitlang hatte ich einen Traum, welcher in regelmässigen Abständen wiederkehrte. In diesem Traum bin ich eine grazile Balletttänzerin. Ich wirble mit weissen, dünnen Strümpfen und einem Tüllröckchen durch den Saal und vorführe elegante Sprünge. Das Beste ist jedoch: Ich kann fliegen. Ich brauche lediglich meine Arme anzuwinkeln und diese hoch und runter zu bewegen. So kann ich Minutenlang in der Luft bleiben.
Diesen Traum hatte ich jetzt lange nicht mehr. Trotzdem ist dieser Traum für mich so schön, dass ich ihn nie vergessen werde. Ich finde, jeder sollte auf seine Träume hören. Vielleicht wollen uns die Träume etwas sagen.
16. Piet und ich machen 1. Mal in der Woche einen Grosseinkauf. Wir bevorzugen Geschäfte, in welchen ich mich mit dem Rollstuhl frei durch die Regale bewegen kann. Eines davon ist der Seewenmarkt. Dort hat es genügend Behindertenparkplätze. Gegenüber diesen Parkplätzen befindet sich eine Reihe Frauenparkplätze. Was man da alles so beobachten kann. Ich glaube einige haben den Sinn dieser Parkplätze nicht verstanden. Es kommt immer wieder vor, dass Frauen zwar am Steuer sitzen, aber auf dem Beifahrersitz sitzt der Mann. Der müsste sie doch eigentlich beschützen können. Und müssten daher nicht den alleinfahrenden Frauen den Platz wegnehmen. Noch krasser ist, wenn ein männlicher Lenker den Platz beansprucht. Ich muss dann so zusammennehmen, um ihnen nicht zuzurufen: War heute wohl zu kalt für ein Röckchen.
Also passt in Zukunft auf, auf welchen Parkplatz ihr euer Auto abstellt.
19. Ich habe schon seit zwei Tagen gespürt, dass das Wetter umschlagen wird. Ich war so müde. Gestern hat nicht viel gefehlt und ich wäre während der Physio eingeschlafen. Ich verspürte auch leichte Kopfschmerzen. Darum entschloss ich mich einen Fernsehnachmittag einzulegen. Lange konnte ich die Sendungen jedoch nicht mitverfolgen. Ich bin eingeschlafen und habe sicher 3 Stunden durchgepennt. Aber damit nicht genug. Um 20.00 Uhr war ich bereits wieder im Bett.
Jetzt bin ich aber fit und ausgeschlafen. Seit ich den Luftbefeuchter in Betrieb habe, fällt mir das Atmen wieder leichter und auch die Nase ist nicht mehr so oft verstopft. Ich würde ja lieber mit offenem Fenster schlafen, die Gefahr einer Erkältung wäre aber zu hoch. Probieren wir es vorerst mal mit dem Verdampfer. Jetzt habe ich wenigstens eine Luftfeuchtigkeit von ca. 45%.
Den Wetterumbruch merke nicht nur ich. Heute waren zeitweise sechs Blaumeisen miteinander an meinen Meisenknödel. Und beim Vogelhaus im Freien sah ich Kohlmeise, Blaumeise, Buchfink, Grünfink, Rotkehlchen, Haussperling (Spatz) und Amsel. Auch die Alpendohlen haben wieder mit einer grossen Gruppe unser Dorf überflogen.
Judihui, jetzt 14.50 Uhr fängt es an zu schneien. Ich hätte ja gerne den Frühling gehabt. Wenn ich jedoch sehe, wie sich die Regentropfen in Wattebäuschchen verwandeln, freut mich das einfach. Eigentlich hat jede Jahreszeit ihre Schönheit. Und ich bin froh, dass ich diese Naturwunder sehe kann.
23. Es ist Samstagnachmittag. Ich befinde mich in einem Raum in Zürich, welcher sich in einem Behindertenheim befindet. Ich bin als erste eingetroffen und warte nun auf die anderen. Langsam treffen nun nacheinander weitere Personen ein. Einige kommen mit ihrem Rollstuhl angebraust. Ein anderer läuft an einem Stock. Einige betreten hinkend den Raum. Anderen sieht man von aussen nicht an, dass sie ein Gebrechen haben. Erst wenn man ihnen zur Begrüssung die Hand reichen will, merkt man, dass sie ihre Hände nicht mehr hochheben können. Oder sie symbolisiert mit den Fingern, das sie nicht mehr sprechen können.
Ja, heute ist wieder ein Treffen der ALS-Selbsthilfegruppe. Die Tische werden zusammengestossen und wir, die Betroffenen und die Angehörigen, nehmen ringsherum Platz. Wir sind eine buntgemischte Truppe, welche eine Sache verbindet. Unsere Krankheit die ALS. Hier diskutieren jüngere und ältere miteinander. Wir tauschen Erfahrungen und Tipps untereinander aus. Wir befinden uns in den unterschiedlichen Stadien der Krankheit. Einer lebt schon seit 26 Jahren mit der ALS und der andere hat die Diagnose grad mal eine Woche.
Wir kommen immer wieder auf unsere Hilfsmittel zu sprechen und demzufolge auf dessen Kostenträger, die IV und die KK. Mich macht es wütend, wie einige um die Kostenübernahme kämpfen müssen. Oder wenn sie ein halbes Jahr auf ein Ok für ein Hilfsmittel warten müssen. Wer sich ein wenig mit der Krankheit befasst und das erwarte ich von den Entscheidungsträgern, sollte wissen das wir mit so einer Krankheit keine Zeit zum Vergeuden haben. Meistens sind wir nach 3 – 5 Jahren weg vom Fenster. Also, warum müssen wir und unsere Angehörigen so viel Energie und Zeit in solche Kämpfe investieren. Diese Zeit und Energie würden wir lieber anderes einsetzen.
Es ist eigenartig, aber ich fühle mich mit jedem in der Gruppe eng verbunden und ich bin immer froh, wenn ich alle wieder antreffen darf.
Was ich ebenfalls noch interessant finde; es kommt niemals die Diskussion auf, warum wir wohl diese Krankheit bekommen haben. Wahrscheinlich macht sich jeder seine eigenen Gedanken darüber.
Bei uns geht es aber nicht nur ernst zu. Wir können auch herzhaft lachen und mal einen gelungenen Spruch fallen lassen. „Andy, dinä mit liebi züäbereititi Kaffee het wunderbar gschmeckt.“
Nach zweieinhalb Stunden machen wir uns alle wieder auf den Heimweg. Der Rucksack ist mit Anregungen und Ideen gefühlt. Wir dürfen nur nicht vergessen diesen auch auszupacken.
26. Als ich Gestern Abend im Bett lag, sah ich durchs Fenster wie sich die Nacht in einen rötlichen Schimmer verwandelte. Das ist ein Anzeichen, dass Draussen etwas im Gange ist. Heute Morgen dann die Überraschung. Die Schneeflocken haben über Nacht die Gegend in ein eine Winterlandschaft verwandelt. Ein weisser Flaumenteppich liegt über allem.
Ich kann mich noch gut erinnern wie wir uns schon als Kinder über die Schneeflocken gefreut haben. Nichts konnte uns damals im Haus halten. Mit wollenen Mützen und Handschuhen ging es nach draussen. Ich kann mich noch genau an den zu Herzen gehenden Duft erinnern, welcher entstand, wenn es sehr kalt war und Schnee in der Luft lag. Ich sehe, wie wir unsere roten Gesichter zum Himmel recken und mit der Zunge versuchen die herunterfliegenden Schneeflocken aufzufangen.
Manchmal bauten wir auch Schneehüten. In die Fenster steckten wir jeweils rote Kerzen (bei uns gab es Früher nur rote oder auch mal weisse Kerzen). Es sah so schön aus, unsere beleuchteten Schneehütten.
Irgendwann, als wir unsere Finger kaum noch spürten, ging es wieder ins Haus. Obwohl wir es eigentlich wussten, dass wir unsere gefühllosen Finger nicht direkt an den Kachelofen legen sollten, könnten wir es nicht lassen. Die Einsicht folgte postwendend. Die Finger fingen an zu schnell aufzutauen. In den Fingern fing es an zu „klimsen“, das tat gewaltig weh und wir hätten weinen können. Leider vergassen wir dies bis zum nächsten Mal wieder und das gleiche wiederholte sich immer wieder.
Diese Kinderwinterzeit war so eine verzaubernde Zeit. Wie in einem Märchen.
27. Ich bin immer wieder bereit mitzuhelfen, wenn es darum geht die Krankheit ALS bekannter zu machen. So stand ich letztes Jahr drei Lehrlingen Rede und Antwort zum Thema ALS. Ich war sehr erstaunt und beeindruckt von diesen Jugendlichen, welche für ihre Vertiefungsarbeit eine so unbekannte und ernste Krankheit als Thema wählten. Vor kurzem erhielt ich nun ein Exemplar der Vertiefungsarbeit. Ich bin beeindruckt von dieser Arbeit. Sie haben gut recherchiert und sich intensiv mit der Krankheit auseinandergesetzt. Jetzt hoffe ich, dass die Drei zum Dank mit einer guten Note belohnt werden.
Ebenfalls im Herbst wurde ich angefragt, ob ich bereit wäre, das Vorwort für die jährlich erscheinende Dorfzeitung zu schreiben. Da ich schon in der Gemeinde Attinghausen geboren wurde und den grössten Teil meines Lebens hier verbracht habe, war es für mich eine Ehre, mein Herz sprechen zu lassen. Anfang 2011 hielt ich dann die neue Ausgabe unserer Dorfzeitung in den Händen. Hier könnt ihr nachlesen, was letztes Jahr in Attinghausen so abgegangen ist.
31. Eigentlich wollte ich am Wochenende einen Beitrag ins Tagebuch schreiben. Aber jedes Mal kam ich nur bis zum Datum. Mir fehlten einfach die Worte. Ich starrte nur auf das leere Blatt. Seit ich am Freitagmorgen im Tagebuch einer Internet-Freundin lesen musste, dass ihr Mann nun endlich einschlafen konnte, hat mich das doch sehr berührt. Durch die regelmässigen Tagebucheinträge wusste ich zwar, dass es nicht gut um ihn steht. Wenn man es dann aber Schwarz auf Weiss liest, geht das nicht einfach spurlos an einem vorbei. Obwohl ich in einer 10-jährigen ALS-Laufbahn schon von vielen Betroffenen Abschied nehmen musste, berührt mich das immer noch jedes Mal tief. Es fühlt sich an, als würde ein Schatten übers Herz ziehen. Ein Trost bleibt: Den Reisenden geht es nun sicher besser. Und irgendwann werden die Angehörigen, welche eine unvorstellbare schwere Zeit hinter sich haben, auch wieder die Sonne sehen.
Soeben hat sich ein Rotkehlchen auf meine Fensterbank gesetzt und schaut ganz vertraut in mein Zimmer. Es lässt sich auch nicht von der Amsel mit den orangen umrandeten Knopfaugen vertreiben, welche sich ebenfalls auf der Fensterbank niedergelassen hat. Das ist genau das, was ich brauche. Diese Vögel geben mir so viel. Sie lassen mein Herz wieder lachen.
FEBRUAR
1. Es ist wieder viel Unruhe in unserer Welt. Menschen gehen auf die Strasse und demonstrieren für Freiheit und Demokratie. Warum gibt es immer noch Oberhäupter, welche meinen, über ihr Volk herrschen zu müssen. Warum gibt es immer noch Menschen, welche meinen, Anderen eine Lebensweise oder eine Religion aufzwingen zu müssen. Wir wurden alle als freie Menschen geboren. Niemand hat das Recht, den Anderen zu unterdrücken oder seine Ideen aufzuzwingen. Ein Oberhaupt muss mit dem Volk regieren und nicht gegen das Volk. Es kann doch nicht so schwer sein, um miteinander leben zu können. Wir haben so eine wunderschöne Welt. Sie beherbergt alles was nötig ist, um zu leben. Wir müssen nur lernen zu teilen.
3. Wie soll eigentlich Frieden endstehen, wenn wir es nicht mal fertig bringen mit unseren Nächsten, unseren Nachbarn in Frieden zu leben. Sollten wir nicht versuchen, in unserem Umfeld Frieden herzustellen. Wie soll uns der Weltfrieden je gelingen, wenn wir es nicht mal vor unserer eigenen Haustüre schaffen.
Aber beginnen wir doch zuerst in der eigenen Familie. In so manchen Familien herrscht auch eine Art Krieg. Es finden verbale Verletzungen statt. Familienmitglieder gehen sich aus dem Wege. Man grüsst einander kaum noch. Es herrscht ein sogenannter kalter Krieg.
Aber, was ist mit unseren Kindern. Bieten wir ihnen einen geschützten Rahmen, um aufwachsen zu können. Lassen wir ihnen aber auch so viel Freiheit, um eigene Ideen auszuprobieren. Fangen wir sie auf, wenn sie scheitern.
Aber, was ist mit jedem Einzelnen. Wie steht es um mich. Wie lebe ich mein Leben? Habe ich mich gefunden oder suche ich immer noch? Bin ich bereit für diese Welt? Fühle ich mich im Stande, anderen zu helfen? Oder muss ich zuerst mit mir selbst ins Reine kommen? Packen wir es an. Für eine friedlichere Welt.
4. Mein Herz frohlockt. Es ist so schönes Wetter draussen. Die Sonne strahlt vom Himmel. Die Fahnen bewegen sich leicht im Wind. Man könnte meinen der Frühling ist im Anzug.
Bin gespannt, ob die Schneeglöckchen schon irgendwo ihre Köpfchen aus dem Boden zwängen. Muss das am Wochenende mal nachschauen gehen. Es soll ja in den nächsten Tagen ja wärmer werden. Den See will ich ebenfalls besuchen. Habe nämlich im Fernsehen gehört, dass sich diesen Winter aussergewöhnlich viele verschiedene Arten von Gänsen in der Schweiz aufhalten. Ich meine gehört zu haben, es seien 5 Arten. Wie die wohl alle ausschauen?
Diese Woche geht es mir überhaupt sehr gut. Angefangen hat es mit einer kurzen Traumsequenz. Ich stehe in unserem Treppenhaus und sehe verwundert auf meine Füsse. Ich trage meine hellblauen Adiletten und meine Zehennägel sind mit rotem Nagellack überzogen. Warum ich so verwundert bin? Meine Füsse haben soeben drei Stufen erklungen. Wunderschönes Gefühl.
An einem anderen Tag hatte ich am Morgen das Gefühl, meine Beine wären stark genug, um selbst aufstehen zu können. Auch bei den Physioübungen fühlte ich mehr Kraft in den Muskeln. Sogar eine meiner Schwestern fragte mich diese Woche, seit wann ich meine Beine so bewegen könne. Ich weiss, es ist unwahrscheinlich, dass ich mich jemals wieder ohne Rollstuhl fortbewegen kann. Ein schönes Gefühl ist es trotzdem. Seit neuestem besucht mich meine Physiotherapeutin zweimal in der Woche. Das trägt sicher dazu bei, dass ich mich körperlich stark fühle.
Mit der Psyche ist es so eine Sache. Mal geht’s hinauf, mal hinunter. Mit der Gewissheit, dass ich diese Krankheit habe und dadurch meine Lebenszeit verkürzt ist, kann ich gut umgehen. Was mir gelegentlich den letzten Nerv raubt ist diese Hilflosigkeit. Ich möchte so vieles erledigen oder angehen. Menschen bräuchten meine Hilfe. Ich kann ihnen nicht so helfen, wie es nötig wäre. Das macht mich manchmal traurig und belastet mich. Manchmal steigt Wut in mir hoch auf jene Menschen, welche die Möglichkeit hätten zu helfen aber es nicht tun. Aus welchen Gründen auch immer. Manche gehen auch freiwillig blind durchs Leben.
Ich glaube, diese Woche habe ich doch dem einen und anderen einen Seitenhieb verpasst. Ich bin mit meinem Spiegelbild auch noch nicht zufrieden. Ich muss noch vieles Verbessern und Angehen, damit mich ein offenes, lächelndes Gesicht aus dem Spiegel anstrahlt.
Soeben habe ich den Frauenriesenslalom im Fernsehen mitverfolgt. Evi, eine fleissige Leserin aus Bayern hat mich darauf aufmerksam gemacht. Die Rennen finden ganz in ihrer Nähe statt. Diesmal habe ich mich zwar weniger auf die Fahrerinnen konzentriert, vielmehr hielt ich Ausschau nach einer roten Flitzerin mit Urnerfahnen. Evi, wo warst du? Hattest wohl doch zu sehr Angst vor der Gummizelle? Oder war es dir zu kalt. Das hat ja gestürmt. Bei euch scheint noch kein Frühlingserwachen zu sein.
9. Seit Anfang Oktober halte ich mich vorwiegend im Haus auf. Es ist mir in den Wintermonaten einfach zu kalt, um nach draussen zu gehen. In den letzten Jahren habe ich mein Eisbärenfell immer mehr verloren und bin zu einer frierenden Nacktkatze mutiert.
Auch in der Wohnung brauche ich meine 20°/21° sonst friere ich. Früher, als noch Muskeln meinen Körper zierten, reichten 18° völlig aus. Mittlerweile teile ich sogar mit zwei Wärmeflaschen mein Bett. Hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt. Aber wenigstens wärmen sie mich. Man wird eben bescheiden.
Liebe Besucher beleben meinen Alltag. Sie erzählen mir den neuesten Klatsch und Tratsch von der Strasse. Übers Weltgeschehen informiere ich mich übers Internet. Einmal die Woche begleite ich meinen Mann beim Wocheneinkauf. Und an manchen Wochenenden unternehmen wir mit dem Auto Ausflüge.
Das ist ja alles schön und gut. Ich bin ja auch dankbar dafür. Aber ich vermisse meine Freiheit. Ich vermisse die Spontanität. Ich vermisse den Duft der Natur. (Sofern nicht gerade ein Bauer die Jauche verteilt.) Ich vermisse meine Blumen. Ich vermisse meine Tiere. Ich vermisse das Plätschern des Wassers. Ich vermisse das Streicheln des Windes auf meiner Haut. Ich vermisse die Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht. Ich will wiedersehen, riechen, hören und fühlen. Ich will wieder auf meine Rollitouren.
Frühlingssonne, wärme doch die Luft ein bisschen schneller auf. Denn dann kann ich auch wieder endlich raus.
10. Leute ich sag euch was. Morgen mache ich meine erste Rollitour dieses Jahr. Von mir aus kann es Katzen hageln, ich lasse mich nicht zurückhalten. Enten, Gänse, Schwäne versammelt euch, ich komme euch besuchen. Mein Mann hat soeben den restlichen Gletscher bei der Auffahrt beseitigt. Sonst wäre ich Morgen bereits an der ersten Steigung gescheitert.
Bevor ich aber den Morgigen Ausflug in Angriff nehmen darf, steht am Morgen zuerst noch eine Stunde Physio auf dem Programm. Mir tun die Übungen, Dehnungen und Massagen sehr gut. Es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn ich meine Muskeln spüre. Es scheint mir fast so, als würden sich einige strickt weigern aufzugeben. Ich bin stolz auf diese Kämpfer. Ja ich wähle die männliche Form. Ich finde die Muskeln sind das einzig männliche was einen Frauenkörper durchzieht. Und mehr muss es auch nicht sein, hihi.
Ich hätte schon immer gern mal gemeinsam mit anderen ALS-Betroffenen eine Ferienwoche verbracht. Für MS-Betroffene gibt es solche Angebote schon länger. Heute bei einem Mailverkehr wurde ich auf so ein Angebot aufmerksam gemacht. Die ALS-Vereinigung.ch möchte so eine Woche realisieren. Wenn genügend Personen Interesse haben, steht der Realisierung nichts im Wege. Wie schön wäre es doch, einander persönlich kennenzulernen. Ich weiss zwar auch noch nicht wie alles bei unseren starken Körpereinschränkungen funktionieren wird. Ich bin aber voller Zuversicht, denn die ALS-Vereinigung wurde von Betroffenen und Angehörigen ins Leben gerufen. Habe ich euer Interesse geweckt, dann fragt doch unverbindlich bei der ALS-Vereinigung an. Könnte ein riesen Spass werden.
Wenn jemand unsere Vereinigung unterstützen möchte, dann nichts wie ran ans Portemonnaie. Der Sommer kommt und das Ticino ruft.
11. Kalte Zehen, stabige Finger und ein Nasentröpfli. Das bin ich. Doch das ist mir so was von egal. Leute, ich war draussen. Ich war am See, bei meinen Wasservögeln. Die Rufe der Vögel, das Plätschern des Wassers, die frische Luft, Erholung pur. Habe ich das genossen. Zum Aufwärmen richtete ich den Rolli jeweils für kurze Zeit gegen Süden aus. So konnte mich die Sonne mit ihren Strahlen wieder aufwärmen.
Als ich wieder Zuhause ankam, machte ich noch eine Erkundungstour ums Haus. Und was ich da alles spriessen und blühen sah, weckt meine Vorfreude auf den Frühling noch mehr.
Wenn Rita eine Reise tut, sieht der Rolli nachher schmutzig aus. Wen der wieder putzt?
16. Viele junge Menschen demonstrieren momentan für ein Leben in Freiheit. Sie wollen ihr Leben nicht mehr von Diktatoren bestimmen lassen. Sie wollen eine Regierung, in der sie mitbestimmen können. Ich hoffe so sehr, dass es ihnen gelingt ihr Ziel zu erreichen. Sollte es gelingen, so hoffe ich sehr, dass sie von den demokratisch gewählten Regierungen nicht enttäuscht werden. Es darf nicht sein, dass sich Politische Gruppierungen oder Religionsgruppen die Macht unter den Nagel reissen. Das wäre nicht die erstrebte Freiheit. Sie sollen mitbestimmen dürfen, welchen Weg ihr Land in Zukunft einschlagen wird. Ich glaube nämlich, dass die meisten ihre Heimat lieben und auch dort leben möchten. Wenn man ihnen Zukunftsaussichten gibt, werden die jungen Menschen sicher weniger zu Emigranten. Sicher werden einige im Ausland studieren und später in ihre Heimat zurückkehren, um ihr Wissen in die Gemeinschaft einzubringen. Es ist klar, es wird immer schwarze Schafe geben. Ich hoffe einfach, dass man den Jungen Menschen die Zeit gibt, beweisen zu können, dass auch in ihrem Land die Demokratie funktioniert.
Ich wollte mich in meinem Tagebuch eigentlich nie politisch äussern. Aber diese Freiheitskämpfer sind so fest in meinen Gedanken, dass ich darüberschreiben will. Ich bin so gespannt, in wie fern sich einige Länder zum positiven Verändern.
Ich hoffe sehr, der Umbruch gelingt ohne grossen Gewalteinsatz.
Ich weiss, einige sind da anderer Ansicht als ich. Wer meine politischen Ansichten stören, darf mein Tagebuch ruhig schliessen. Auf eine freie Welt.
17. Freiheit heisst nicht, dass jeder machen darf was er will. In jedem Land, Staat gibt es Gesetze, an denen man sich orientieren sollte. Das kann aber nur funktionieren, wenn ein Staat auf demokratische Weise regiert wird. Das Volk muss mitbestimmen können, wie eine Regierung zusammengesetzt wird. Das Volk muss ein Mitspracherecht haben, wenn es um Gesetze, Verordnungen, Abkommen mit andern Staaten usw. geht. Ich finde, grosse Staatenverbünde bergen eine Gefahr. Die einzelnen Stimmen, die Minderheiten gehen in der Masse unter. Sicher, es ist viel schwieriger ein grosses Land zu führen als ein Kleines. Mein Land hat eine ideale Grösse. Alles ist überschaubar. Die direkte Demokratie stellt für mich die idealste Regierungsform dar. Ich hoffe, dass sich auch andere Staaten dazu entschliessen können die Demokratie einzuführen. Aber am wichtigsten finde ich, dass man die Menschenrechte beachtet. Ich habe mich diese Woche mal mit Artikeln über Menschenrechte befasst. Hier könnt ihr nachlesen was Menschenrecht bedeutet.
Vor kurzem hat Jemand zu mir gesagt: Wenn ich deine Texte so lese, veranlasst mich das, zu glauben du seist eine Grüne. Ich kann da nur erwidern, dass mir eine Farbe allein nicht reicht. Ich bin bunt wie der Regenbogen. Ich bin bunt wie eine Alpenwiese.
18. Wenn die Zeit Richtung Frühling zeigt, geht es mir nicht anders als vielen anderen Frauen. Ich sehe an mir herunter und stelle fest, die Bikinifigur ist weg. Nach dieser ernüchternden Feststellung rechne ich mir sogleich aus, wie viel Zeit mir zum Abnehmen bleibt, bis die Bikinisaison beginnt.
Gleich am Abend bitte ich meinen Mann, mir zum Nachtessen nur einen geraffelten Apfel mit ein wenig Rahm zuzubereiten. Voller Genuss nehme ich den ersten Löffel in den Mund. Hm, schmeckt irgendwie komisch. Nun versuche ich es mit dem zweiten Löffel, leider schmeckt auch der nicht besser. Ich kann das nicht essen. Ich vermute, diese Apfelsorte harmoniert nicht mit dem Rahm. Vielleicht ist es ja gerade gut so, dann nehme ich auch schneller ab.
Leider ist da jemand nicht miteinverstanden. Mein Mann kommt mit zwei Joghurts und sagt ich könne zwischen Mocca und Haselnuss wählen. Da ich schon länger kein Haselnussjoghurt mehr gegessen habe, entscheide ich mich für dieses. Voller Erwartung nehme den ersten Löffel in den Mund und lasse das Joghurt auf der Zunge wirken. Hm, das schmeckt irgendwie komisch. Ich probiere noch einen zweiten Löffel, aber der schmeckt nicht besser. Ich entschuldige mich bei meinem Mann und sage ihm, ich kann das Joghurt nicht essen. Ich glaube, er ist sauer. Nun nimmt mein Mann das Joghurt in die Hand und während er nach dem Datum sucht bemerkt er, dass sich die abgebildeten Haselnüsse als Maroni entpuppen. Nun haben wir die Lösung. Ich kann Maroni-Joghurt nicht ausstehen. Beim dritten Versuch, diesmal mit dem Mocca-Joghurt, klappt es dann doch noch.
Zum Abnehmen wären solche Pannen natürlich ideal. Aber ich glaube, ich versuche es lieber mit FDH.
Für diejenigen Frauen, die es mit einer Diät versuchen wollen, sollten gleich drei gleichzeitig beginnen. Denn, nur mit einer hat man doch nur immer Hunger. Diese humorvolle Aussage habe ich letzthin im TV gehört.
Es ist natürlich nicht einfach abzunehmen, wenn einem ein feiner Apfelkuchen vor die Türe gelegt wird, bei dem der Vanilleguss fast 1 cm hoch ist. Ich denke, ich behalte meinen Winterspeck noch ein wenig und beisse lieber nochmals genussvoll in den Kuchen. Schliesslich soll es in diesen Tagen wieder Minus-Temperaturen geben und dafür sind Fettreserven ganz gut geeignet.
19. Habt ihr schon das schöne Wetter gesehen. Die Sonne lacht vom Himmel. Die Weidenkätzchen an der Kummetböschung strecken ihre silbernen Köpfchen aus den Ästen. Die Vögel pfeifen und fliegen von Baum zu Baum. Ob sie wohl schon beim Nestbau sind. Ich muss mich wohl beeilen. Ich möchte nämlich dieses Jahr 1 - 2 Nistkästen aufhängen. Beim Kauf eines Nistkastens muss ich einige Details beachten. Möglichst unbehandeltes einheimisches Holz bevorzugen. Der Nistkasten sollte für die Reinigung im Winter zu öffnen sein. Und je nach Vogelart muss das Einflugloch kleiner oder grösser sein. Die Blaumeisen benötigen mit einem Durchmesser von ca. 2.60 cm ein relativ kleines Loch. Erhältlich sind auch Universalnistkästen. Da heisst es dann wohl, der schnellere ist der gleitigere.
Wir haben letztes Jahr zwei Vogelhäuschen bekommen. Diese dienen zwar eher zur Zierde. Ich bin aber trotzdem gespannt, ob sich was im roten oder blauen Häuschen tut.
Die beiden Meisen Knödel vor meinem Fenster musste ich entfernen. Sie waren ja für die kleinen Vögel gedacht. Da die Vögel das Futter für das Futterhäuschen aufgebraucht haben, machten sich die Bergdohlen auf die Suche nach anderen Futterquellen. Dabei haben sie die Meisen Knödel entdeckt. Mir hat es zwar gefallen, wie die Bergdohlen mit schräggestelltem Kopf in mein Zimmer schielten. Aber den Kot an der Hauswand muss ich dann doch nicht haben.
Es ist sowieso an der Zeit, dass sich die Vögel ihr Futter selbst in der Natur suchen. Bald kann ich sie ja wieder im Freien beobachten.
Letztlich habe ich geschrieben, ich wünsche mir eine freie Welt. Ich habe da was verwechselt. Wenn ich mit Welt unseren Planeten die Erde meine, dann stelle ich fest, dass sie seit jeher frei ist. Wer nicht frei ist, sind wir Menschen. Manche Menschen leben in Ländern, in denen sie nicht frei leben können. Sie werden der Meinungsfreiheit beraubt. Sie werden wegen ihrer Glaubens- oder Völkerzugehörigkeit diskriminiert. Aber ist daran das Land schuld. Nein, es sind Menschen welche andere Menschen unterdrücken und ihnen die Freiheit rauben. Das müsste alles nicht sein. Wir werden als freie Menschen geboren.
Wir dürfen einen wunderbaren Planeten bewohnen. Unsere Erde gibt uns alles was wir für unser Leben brauchen. Mir ist es eigentlich egal, ob ich aus einer männlichen Rippe entstanden bin oder ob ich im Laufe der Evolution entstanden bin. Ich darf hier sein und das genügt mir.
Ich rede jeden Tag mit Gott, obwohl ich nicht weiss ob es ihn gibt. Das ist für mich auch nicht wichtig. Vielleicht war es einfach ein weiser Mann, der damals lebte. Das was über ihn aufgeschrieben wurde, imponiert mir. Weil er so unnahbar und von Menschen nicht beeinflussbar ist, ist er mein unsichtbarer Begleiter. Jeder Mensch muss seine Religion und was er Glauben kann frei wählen können. Kein Mensch darf einem anderen Menschen seine Religion, seinen Glauben, noch die eigene Lebensweise aufzwingen. Unsere Erde ist frei. Wann werden wir es sein?
21. Vor drei Wochen brauchte mein Rollstuhl vier neue Schuhe. Beim Montieren der Schuhe ist uns aufgefallen, dass die Vollgummipneus, neu aus einem Kunststoffgemisch bestehen. Auf Anfrage hin wurde uns mitgeteilt, die Neuen seien nun so. Mein Mann war den Neuen gegenüber skeptisch. Er meinte, diese Räder könne man für Rollatoren verwenden. Aber sicher nicht für die Steuerräder eines Rollstuhls. Aber was soll man machen. Die müssen es ja schliesslich wissen.
Nun sitz ich da und habe einen Platten. Besser gesagt, ich habe gleich zwei. Meine beiden Vorderräder des Rollstuhles haben übers Wochenende Risse bekommen. Ich muss ganz vorsichtig fahren. Bei jeder Kurve reissen die Pneus noch mehr auf. Zum Teil fahre ich bereits auf den Felgen. Zum Glück haben wir die Alten aufbewahrt. So wird mir mein Mann nach der Arbeit wieder die alten montieren müssen.
Nun, die Ersatzpneus sind bestellt. Der Lieferant meinte, so was habe es noch nie gegeben. Ich hoffe nur, es kommen nicht wieder die Selbigen. Mein Mann hat nämlich ausdrücklich Pirelli-Pneus bestellt.
Zum Glück ist mein Mann handwerklich begabt. Ich wüsste nicht wie ich mit meiner Behinderung solche Sachen selber erledigen könnte.
Es ist gewaltig, was Angehörige wie mein Mann, nebst ihrem Beruf leisten müssen. Und das alles ohne Entlohnung. Ohne ihren Einsatz, würden dem Staat gewaltige Kosten entstehen.
Gut gibt es noch solche Menschen, die ihre eigenen Wünsche und Träume, zu Gunsten anderen zurückstecken.
Ich kann heute leider nicht mitfahren zum Einkaufen. Brauche zuerst neue Schuhe.
Hei, ei, ei. Ich sehe erst jetzt, nachdem sich der Nebel verzogen hat, wie weit es hinuntergeschneit hat. Ich glaube, ich muss doch noch Schneeketten für meinen Rolli posten. Und eine Rolli-Heizung wäre auch nicht ohne.
Hoffentlich hat es in St. Gallen nicht zu viel Schnee gegeben. Ich muss nämlich Morgen in die ALS-Klinik zur Verlaufskontrolle. Diese Woche habe ich einiges auf dem Programm.
23. Nachdem ich nun den ganzen Nachmittag geruht habe, will ich euch nun schnell vom gestrigen Untersuch berichten. Als wir von Zuhause losfuhren, war noch alles im grünen Bereich. Je weiter wir fuhren, desto schneller wechselte die Farbe Grün auf die Farbe Weiss. Durch die Minus Grade wurden die Strassenverhältnisse an manchen Orten kritisch. So war es auch nicht verwunderlich, dass es zu Unfällen kam. Wir standen deswegen eine Stunde lang im Stau.
Endlich angekommen wurde auch sogleich mit den Untersuchungen begonnen. Auf die Waage, dann Zunge raus, Augen verdrehen, Kopf-, Bein- und Armkraft mittels Widerstands messen. Mit dem Hämmerchen Reflexe auslösen. Atmung mittels Sniff Test messen. Dann die Auswertung mit dem Ergebnis: Es ist alles beim Alten. Keine relevante Verschlechterung ausser, dass ich seit 2008 wieder 3,5 Kilo zugenommen habe. Ich habe gedacht, ich hätte eher abgenommen. Schei……..e.
Im Verlaufe meiner Krankheit wurden meine Sinneswahrnehmungen verstärkt. Das finde ich fantastisch. So kann ich zum Beispiel Gerüche riechen, die viele gar nicht wahrnehmen. Leider gibt es Düfte die für mich weniger gut riechen. Das kann Schweiss sein oder ein Parfüm. Das kann bei mir Brechreiz auslösen.
Beim Zähneputzen habe ich auch so meine Mühe. Sobald die Zahnbürste dem Gaumen oder der Zunge zu nahe kommt, löst dies ebenfalls einen Brechreiz aus. Nun hab ich ein Rezept für zwei Mittel bekommen. Das eine betäubt ein wenig den Mundbereich. Das andere sollte den Brechreiz ein wenig unterdrücken. Muss die beiden nacheinander ausprobieren und schauen ob eines von beiden bei mir eingesetzt werden kann. Ich bin mein eigenes Versuchskaninchen.
Danach machten wir uns wieder auf den Heimweg. Unterwegs bat ich meinen Mann, mir an der nächsten Raststätte ein möglichst grosses Sandwich zu holen. Aus Frust, wegen meiner Gewichtszunahme, biss ich voller Genuss in das Sandwich.
Zu Hause angekommen, konnte ich kaum auf meinen rechten Fuss stehen. Der tat auf einmal so weh. Mein Mann konnte mich nur noch mit dem Drehteller transferieren. Heute sind die Schmerzen etwas weniger geworden. Wahrscheinlich wurde der Fuss bei den Untersuchungen zu sehr manipuliert. Deshalb habe ich mir vorgenommen, an der Fasnacht so ein Gummihämmerchen zu kaufen, um dies nächstes Mal an meinem Neurologen auszuprobieren.
26. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, heute mal richtig auszuschlafen. Doch, es ging nicht. So um 8.00 Uhr veranlasste mich irgendetwas meine Augen zu öffnen. Und was ich dann sah, war wunderschön. Das ganze Zimmer strahlte in einem leichten Orangeton. Beim Blick aus den Fenstern sah ich, wie der Schnee auf den Berge in der Sonne rötlich glänzen. Und unterhalb der Berge verkünden die sonnenbeschienenen grünen Grasflächen den Frühling.
Bei so einem überwältigenden Anblick, kann ich die Augen einfach nicht mehr schliessen. So liege ich einfach da und lasse diese Morgenstimmung in mir wirken.
Ich mag es, einfach so im Bett zu liegen, den Vögeln zuzuhören und die erwachenden Geräusche wahrzunehmen. In dieser Zeit kann ich meinen Gedanken freien Lauf lassen. Ich kann über das Leben, über mein Leben nachdenken. Die Krankheit steht da nicht mal im Vordergrund. In meinen Gedankengängen geht es vielmehr um den Lebenssinn selber. Wo komm ich her, wo geh ich hin. Diese Fragen haben sich schon viele gestellt. Die Antworten darauf muss jeder für sich selber finden.
Schon manchmal glaubte ich, Antworten gefunden zu haben. Im Laufe meines Lebens musste ich schon einige Antworten wieder revidieren und mich auf eine neue Suche begeben.
Diese Woche besuchte uns ein Theologe aus Basel. Mein Mann und ich haben vor einem Jahr zugestimmt, an einer Studie teilzunehmen. Bei dieser Studie soll festgestellt werden, inwieweit sich bei ALS-Betroffenen und dessen Angehörigen, sich innerhalb eines Jahres die Ansichten, die das Leben und Sterben betreffen verändert. Es gibt Fragen über Religion und Spiritualität. Fragen zu Suizidalität und Sterbehilfe. Fragen über das Leben mit der Krankheit und das Leben im Allgemeinen.
Es sind schon noch happige Fragen. Fragen, die man sich so noch nicht gestellt hat. Für mich ist das sehr interessant. Es gibt mir noch mehr Ansporn über mein Leben nachzudenken. Ich freue mich, wenn ich auf der Suche, auf meine Antworten treffe.
MÄRZ
2. Nun ist sie da die närrische Zeit
Kostüm und Maske übergestreift
Somit bereit für jeden Streich
Pauke, Trommel, Trompete bereit
Stramm in Kolonnen eingeteilt
Zum Abmarsch alle nun bereit
Zum Starten nun der Vorderste pfeift
Nun geht sie los die Narrenreis
3. Das Gestrige Eintrommeln hat Spuren hinterlassen. Unser Badezimmerboden ist übersät mit Fasnachtsflöhen (Konfettis). Ein kleines, vorwitziges Prinzesschen machte sich einen Spass, mich mit Konfettis einzudecken. Als mir am Abend die Kleider ausgezogen wurden, staunte ich nicht schlecht. Die Flöhe befanden sich an den unmöglichsten Orten. Aber was soll’s? Ist ja schliesslich Fassnacht.
Heute habe ich zum ersten Mal seit vielen Jahren, den Beginn des Morgenstreichs verpennt. Obwohl die Fasnachtstruppe jeweils direkt an unserem Haus vorbeizieht, habe ich sie nicht gehört.
Da heute der Schmutzige Donnerstag ist, werden den ganzen Tag Maskeraden und die Katzenmusik durch die Strassen ziehen. Ich werde daher noch genug von ihnen zu hören und zu sehen bekommen.
Am liebsten wäre ich natürlich mittendrin. Mir gefällt dieser alte Brauch.
4. Manche Träume bräuchte ich eigentlich nicht. Träume, bei denen ich schweissgebadet aufwache oder wie in dieser Nacht, wo ich frierend im Bett erwachte.
Es war wieder mal einer jener Träume, bei denen ich mich verlaufe und mich immer weiter vom Ziel entferne.
Im heutigen Traum arbeite ich wieder an meinem alten Arbeitsplatz. Heute scheint sich alles gegen mich zu verschwören. Zuerst lege ich mich mit der Laden-Dekorateurin an. Ich kann es nicht ab, wenn Dekorateure meinen, sie hätten die Kreativität gepachtet. Denn nicht jeder der eine kreative Ader hat wird gleich Dekorateur.
Kurz darauf werde ich noch von einer gestressten, überforderten Personalchefin angefaucht.
Später begebe ich mich in einen anderen Gebäudetrakt, um dort nach dem Rechten zu sehen.
Und da passiert es wieder. Ich verlaufe mich. Im Traum bin ich mir völlig bewusst, dass mir dies schon in anderen Situationen passiert ist. In manchen Träumen bin ich tagelang unterwegs ohne das Ziel je zu erreichen.
Beim heutigen Traum befinde ich mich plötzlich im Freien. Es liegt Schnee auf der Strasse und es ist kalt. Als ich da so laufe hüpft plötzlich eine Kröte aus meinem Schuh und verschwindet im Schnee. Das ist sicher jene Kröte, der ich als Kind ein Leid zugefügt habe. Dies bedaure ich aus tiefstem Herzen. Seit diesem Tag bin ich ein inniger Tierfreund geworden.
Leider habe ich auch im heutigen Traum mein Ziel nicht erreicht. Frierend bin ich aus meinem Traum erwacht. Diese Träume sind wirklich doof.
Traumdeuter würden mir wahrscheinlich sagen, dass sie in den Träumen meine Suche nach dem Lebenssinn sehen. Wird wahrscheinlich auch etwas Wahres dran sein. Ich beschäftige mich in den letzten Jahren vermehrt mit dem Thema „woher möchte ich kommen, wohin möchte ich gehen“.
Meine Gedanken und Überlegungen werden durchlesen von Büchern bereichert. Meine letzten Bücher waren; Die Päpstin und Illuminati. Und heute lagen in der Post der bestellte DVD mit dem Titel „Schmetterling und Taucherglocke" und 5 CDs über die Weltreligionen. Beim Lesen solcher Literatur kann ich mich schon mal verirren. Aber, es macht mich auch offener und toleranter.
Meine Träume haben übrigens schon vor dem Lesen dieser Bücher angefangen. Sie haben kurz nach der ALS-Diagnose begonnen.
Heute träume ich sicher vom Frühling.
7. Es fällt mir Momentan nicht so leicht Tagebucheinträge zu schreiben. Es wäre eigentlich die Zeit der Clowns, des Lachens, des Ausgelassen sein.
Wie aber kann ich meine Freude am Leben, mit dem momentanen Blutvergiessen in den arabischen Ländern vereinbaren?
Vielleicht versuche ich es vorerst mit einer harmlosen Geschichte.
Manchmal frage ich mich ja schon, weshalb manche Personen einkaufen gehen. Während wir in den Laden gehen, um Lebensmittel zu kaufen, treffen sich andere zum Smalltalk zwischen den schmalen Gängen von den Lebensmittelregalen. Da könnte ich manchmal ausflippen. Aber nein, man soll ja freundlich bleiben und höfflich um Platz bitten.
Letztlich habe ich mich auch ein wenig gewundert. Wir fuhren mit unserem Einkaufswagen durch die Gänge. Mal vorwärts und auch mal retour. Auf einmal muss ich ausweichen, damit meine Rolliräder nichts abbekommen. Auf dem Boden befindet sich eine rote Tropfspur. Ob da jemand wohl Sirup ausgeschüttet hat? Aber das würde einem doch auffallen und man würde das doch aufputzen. Menschen gibt’s. Ich habe mir noch überlegt, ob ich das Verkaufspersonal darauf aufmerksam machen soll. Ich liess es dann doch bleiben.
Während mein Mann an der Kasse anstand, schaute ich mich bei den Blumen um.
Etwas später kam mein Mann zu mir und sagte. Es hat etwas länger gedauert. Die Kassiererin musste mir einen neuen Beutel Randen Salat holen. Unserer Beutel hatte nämlich ein Loch und hat das ganze Förderband vertropft.
Sachen gibt’s.
8. Was kann einem schöneres passieren, als im sonnendurchfluteten Zimmer aufzuwachen. So ein wunderschöner Morgen. Obwohl die Spitex heute nicht mehr im Clowngwändli zur Pflege erscheint, kommt Freude in mir auf. Denn, wenn die Spitex schon am Morgen in kurzärmlig erscheint, kann die Wärme nicht mehr weit sein. Ju di hui, der Frühling ist da. Bald werden die Blumenzwiebeln sich strecken und ihre Köpfe aus dem Erdreich strecken. Bereits haben Geissenblümchen, Schneeglöckchen, einige Krokusse, Schlüsselblümchen und Primelchen ihr Winterquartier verlassen und wärmen sich an der Frühlingssonne. Ich freue mich so auf die erwachende Natur mit ihren Farben, den verschiedenen Düften und ihren Lauten.
Ich liebe den Frühling.
9. Leute, ich war gestern Draussen. Ich bin zum See gefahren. Auf dem Weg dorthin sind mir bereits zwei Schmetterlinge begegnet. Mein Herz hat gejubelt. Das schöne Wetter hat einige Leute zum Spazieren veranlasst. Als ich meinen Lieblingsplatz am See anpeile, sehe ich meinen Vater dort stehen. Gemeinsam haben wir dann die Wasservögel beobachtet. Später sind wir dann gemeinsam Richtung Feldli (Elternhaus) gefahren. Ich mit meinem E-Rolli und mein 85-jähriger Vater mit seinem E-Velo.
Luzia, die Frau von Siebenloch hat uns dann im Feldli mit einem heissen Urnerkaffee verwöhnt. Aufgewärmt machte ich mich dann auf den Heimweg.
Später am Abend konnte ich noch mitverfolgen, wie vor unserem Haus, der Winter endgültig vertrieben wurde. Der Fasnachtsböög am Galgen brannte lichterloh.
Ade kalter Winter und herzlich willkommen du warmer Frühling.
19.00 Uhr
Ich bin wieder unterwegs. Heute bin ich Richtung Süden gefahren. Über den Hochweg nach Erstfeld. Die Weidenkätzchen schimmerten silbern in der Sonne und ein Schmetterling saugte genüsslich an einer Huflatichblüte. Früher mal, als wir die Zigaretten noch selber drehten, mischten wir gelegentlich getrocknete Huflatichblätter unter den Tabak. Sollte angeblich den Raucherhusten mildern.
Zum Glück haben wir mit dem Rauchen vor Jahren aufgehört. Heute nehme ich die Düfte und Gerüche wieder viel intensiver war. Wäre unendlich schade, wenn ich die zarten Düfte der Frühlingsblumen nur eingeschränkt wahrnehmen könnte.
An der Sonne war es heute richtig warm. Ich konnte sogar die Kappe zu Hause lassen. Heute Abend habe ich bereits einen leichten Sonnenbrand auf meinem Gesicht entdeckt.
Das kann für mich nur eines heissen. Meine Rollitourenzeit hat diese Woche begonnen.
Damit der Winter weiss, dass jetzt Schluss ist, habe ich meiner Homepage vorsorglich einen Frühlingsfarbenanstrich verpasst.
10.Als heute meine Schwester Bernadette anrief, um sich mit mir für die Nachmittagstour zu verabreden, meinte mein Sohn zu mir: "Du hast es eigentlich schon schön, kannst den Nachmittag geniessen und unser eins muss arbeiten gehen". Wo er Recht hat, hat er Recht.
Ich bin ein kleiner Pascha. Das Essen wird mir zurechtgeschnitten und eingegeben. Ich werde gewaschen und gepflegt. Ich muss nicht mal mein Füdli selbst putzen. Wenn ich etwas brauche muss ich nur läuten und das gewünschte wird mir gebracht. Ich muss nicht mal arbeiten gehen und trotzdem bekomme ich jeden Monat etwas Lohn. Ich muss sagen, hört sich eigentlich sau gut an. Möchte vielleicht jemand mit mir tauschen?
11. Beim gestrigen Ausflug habe ich mich mit abgeschnittenen Weidenkätzchen eingedeckt. Diese werden Zuhause zusammen mit den abgeschnittenen Ästen unseres Kirschbaumes in eine Vase gestellt. Mal schauen, ob ich sie zum Blühen bringe.
Bei meinen Ausflügen fällt mir auf, dass sehr viel Holz geschlagen wird. Wälder und Böschungen werden stark ausgeholzt. Viel stärker als in den vorangegangenen Jahren. Ob dies wohl etwas mit der Zunahme von Schnitzelheizungen hat?
Einige Insekten sind auch bereits aus dem Winterschlaf erwacht. So musste ich schon vor Mücken- Fliegenschwärmen fliehen. Schön ist es zu beobachten wie kleine Bienen bereits emsig dabei sind, Nektar aufzunehmen. Sie sehen so herzig aus, mit ihren von Blütenstaub bepackten Beinchen.
18.00 Uhr
So, jetzt bin ich wieder retour. Heute habe ich auf meiner Tour die Geschäfte abgeklappert. Da ich der Ansicht bin, dass unserem Garten nach dem langen Winter einige Farbtupfer ganz gutstehen würden, habe ich mich nach Blumen umgeschaut. Als ich die vielen bunten Blumen sah, hätte ich am liebsten gleich losgelegt mit kaufen. Da ich leider keinen Anhänger am Rolli habe, muss ich den Kauf auf Morgen verschieben. Dann kann ich auch gleich neue Kräuter dazu kaufen.
Mein nächster Besuch führte mich in ein Stoffgeschäft. Ich will meine Rollibeindecke mit einem winddichten Innenfutter versehen. Es gibt zwar Rollidecken und Rollifusssäcke zu kaufen, aber diese sind mir zu gestabig und unbequem. Und ausserdem bin ich kein Michelin-Männchen. Ich weiss genau wie meine Decke aussehen muss. Das Material habe ich heute bereits gekauft. Nun bräuchte ich nur noch Jemand der mir dies nähen würde. Gesucht wird ein tapferes Schneiderlein.
Es war ein abwechslungsreicher Tag. Ich liebe es, wenn ich Sachen selbstständig erledigen oder organisieren kann.
12. Obwohl Heute milde Temperaturen herrschen, kann ich nicht nach draussen gehen. Der Föhn bläst so stark, dass ich mit dem Atmen mühe bekommen könnte. Unangenehm wäre auch der aufgewirbelte Staub, welcher sich gerne in die Augen verirrt.
Den Blümchenkauf habe ich somit auf nächste Woche verschoben. Also, widme ich mich heute dem Fernseher. Schliesslich steht heute noch eine Abfahrt auf dem Programm. Hoffentlich sind unsere Ski-Asse wieder so gut, wie gestern.
Da ich auch alleine Fernsehen kann, hat sich mein Mann kurzerhand entschlossen, seine erste Töfftour für dieses Jahr zu starten. Und da es in den Bergen noch genügend Schnee hat, hält sich mein Sohn seit zwei Tagen auf den Skipisten auf.
Und ich mach’s mir jetzt vor dem Fernseher gemütlich.
14. Der heutige Eintrag ist nur kurz. Wie viele andere Menschen auch, schaue ich nach Japan. Meine so geliebte Natur hat mal wieder auf brutale Weise zugeschlagen. Da ich keine Worte sagen mag, lasse ich einen Song spielen.
15. Gestern fuhr ich mal wieder über den Höhenweg. Der Weg führt an einer Felswand entlang nach oben. In einigen Felsnischen haben Leute Engelchen und Muttergottesstatuen hingestellt. Letztes Jahr hat jemand sogar den Weg als Engelsweg beschriftet. Manche Personen werden sicher ihre Freude daran haben. Mir selbst gefällt das nicht so. Ich erfreue mich eher an den Wildveilchen, welche an den kargen Felswänden wachsen. Oder dem Wasser, welches über die Felsen tropft.
Der Weg ist für einen Rollstuhlfahrer schon sehr steinig und stotzig. Auch manche Regenrinnen sind mit Vorsicht zu befahren. Mit einem guten Rollstuhl ist das aber kein Problem. Was mir auf diesem Weg so gut gefällt sind die Ruhe und die Aussicht. Unterhalb des Weges fliesst die Reuss und neben ihr ist die A2 mit der Raststätte. Gestern war ich anscheinend die Attraktion einiger Reisenden, die sich an der Reuss die Beine vertreten haben. Plötzlich haben sie mich auf dem Hochweg entdeckt. Nun wurde auf mich gezeigt und mir zugewunken. Sicher sieht man nicht jeden Tag, einen Rolllifahrer in solch einem Gelände. Gerne hätte ich ihnen zurück gewunken doch wie, wenn man die Arme nicht heben kann. Doch, nichts ist unmöglich. Benutzte ich doch einfach meinen Kopf zum Winken.
Schon fast unheimlich ist es, durch das aus dem Felsen geschlagene Tunnel zu fahren. An manchen Stellen ist es stockdunkel, man sieht nicht mal auf den Boden. Besonders dann nicht, wenn eine Sonnenbrille auf der Nase sitzt und man diese nicht abnehmen kann. Zum Glück ist mein Rolli mit Lichtern ausgestattet. Sonst müsste ich blind fahren.
Auf meiner weiteren Reise entdeckte ich plötzlich einen fremden Passagier an. Eine kleine braune Spinne hat auf meiner Schulter platzgenommen. Es war mir doch, ich hätte ein Spinnennetz gestreift. Da ich ja bekanntlich meine Arme nicht hochheben kann und meine Puste zu schwach ist um sie wegzuscheuchen, nahm ich sie ein Stück des Weges mit. Als ein wunderschöner gelber Schmetterling um mich herum flog hatte ich sowieso nur noch Augen für diesen. Leider konnte ich trotz meinen späteren Recherchen nicht herausfinden, um welchen Falter es sich da gehandelt hat. Der Zitronenfalter hat viel ein blasseres Gelb.
Weil auf dem Reussdamm gearbeitet wurde, musste ich meinen Nachhauseweg anders wählen. Es gab da eine Abkürzung. Nur diese Abkürzung ist für meinen Behinderungsgrad mit vielen Barrieren versehen. Gestern wollte ich mal ausprobieren, wie ich mit meiner eher undeutlichen Aussprache Leute dazu bewegen kann, mir durch solche Hindernisse zu helfen.
Ich musste irgendwie auf die andere Seite der Autobahn kommen. Auf beiden Seiten der Autobahn steht eine Raststätte. Aber wie komme ich von aussen in die Raststätte. Zwei schwere Eisentüren versperren mir den Weg. Also warte ich bis Fussgänger vorbeikommen. Zwei Frauen kommen meiner Aufforderung nach und lotsen mich durch die zwei Türen. Nun fahre ich über die Parkplätze zum Rastätteeingang. Drinnen bitte ich eine Passantin mir den Lift zu öffnen. Weil ich im Inneren des Liftes die Tasten nicht drücken kann begleitet sie mich nach unten. Unten angekommen versperrt mir eine Glastür den weiteren Weg. Meine vorgängige Helferin erfasst sofort die Situation und öffnet mir auch noch diese Tür. Nun fahre ich in der Fussgängerunterführung unter der Autobahn durch. Auf der anderen Seite wieder das gleiche Spiel. Diesmal in umgekehrter Reihenfolge. Diesmal steht ein Herr in der Nähe des Liftes. Ich muss zweimal Hallo rufen, bis er reagiert. Als er anfängt zu sprechen, denke ich „oh mein Gott“, ein Franzose. Aber irgendwie versteht er trotzdem was ich möchte und begleitet mich nach oben. Nun befinde ich mich in der gegenüber liegender Raststätte und fahre durch eine Drehtür ins Freie. Ich fahre wieder an Parkplätzen vorbei und begebe mich an die Seitenausfahrt, welche für das Personal bestimmt ist. Die Ausfahrt ist durch ein Rolltor gesichert. Der Knopf, um das Tor zu öffnen ist für mich nicht bedienbar. Jetzt heisst es warten, bis jemand Feierabend hat. Kurze Zeit später sehe ich mein nächstes Opfer. Der junge Mann ist sehr nett und öffnet mir sogleich das Tor. Uff, nun habe ich es geschafft. Jetzt sollte ich ohne weitere Barrieren nach Hause kommen. Die Trottoirauffahrt, welche mir in den vorangegangenen Jahren noch Sorgen bereitet hatte, wurde letzten Herbst durch die Trottoirabsenkung behoben. Dem Kanton sei Dank.
Wo ein Wille ist, ist meistens auch ein Weg.
17. Hallo Leute. Wie geht’s euch Heute? Ich glaube, nach all dem was in letzter Zeit auf unserer Erde geschieht, tut uns ein wenig Aufhellung gut.
In meiner Familie hat Musik einen hohen Stellenwert. Wir hören sie nicht nur, mein Mann und mein Sohn greifen gelegentlich selbst in die Seiten. Ich habe es leider nur bis zur Blockflöte geschafft. Doch diesem Instrument konnte ich wunderschöne Töne entlocken. Ich glaube, ich war eine ganz passable Spielerin.
Als ich bei meinem letzten Rolliausflug auf dem Reussdamm unterwegs war, hörte ich plötzlich von irgendwoher seltsamer Musik. Auf der Höhe des Erstfelder Biotopes sah ich eine Frau im Gras sitzen und ein Mann mit Dudelsack stand etwas abseits. Ich musste einfach anhalten und ein wenig verweilen. Die Laute, die der Mann mit dem Piep aus dem Dudelsack hervorbrachte, versetzte mich in eine andere Zeit. Leider sah ich nicht, ob der Mann einen Kilt getragen hat. Weiss man jetzt eigentlich, was Mann darunter trägt?
Jetzt muss ich mich wieder den Geburtstagsvorbereitungen meines Vaters widmen. Er wird am Samstag 85. Jahre alt. Ich muss noch die Einkaufsliste für die Fleischblatten erstellen. Da fällt mir sicher noch dies und jenes ein, was noch zu besorgen ist. Also, an die Arbeit.
21. Es ist Frühlingsanfang. Alles will raus. Die Wiesen werden immer grüner und an den Sträuchern treiben kleine, feine Blättchen hervor. Einige Forsythien tragen bereits ihr gelbes Kleid und werden von einzelnen Schmetterlingen umworben. Auch die Vögel sind hellwach und singen ihre wunderschönen Lieder. Heute lag ein Stück Schnur auf unserer Terrasse. Diese hat sicher die Amsel verloren, welche unter unserem Hausfirst am Nest bauen ist. Ob sie das Nest wohl anbinden wollte?
Es ist einfach herrlich zuzusehen, wie die Natur erwacht. Der Frühling bringt so kräftige, leuchtende Farben hervor, wie keine andere Jahreszeit. Wie gerne würde ich jetzt in den Garten werkeln gehen. Ich habe die Gartenarbeit geliebt. Für mich war das stundenlange Unkraut jäten reine Entspannung. Zum Glück bringt die Natur auch ohne mein Zutun wunderschöne Blumen und Sträucher zum Blühen. Nun heisst es für mich staunen und geniessen.
23. Während ich am Samstag den Geburtstag meines Vaters feiern durfte, musste mein lieber Internet-Freund Piero, seinen Kampf gegen die Krankheit ALS mit nur 43 Jahren aufgeben.
Piero, ich und alle ALS‘ler wünschen dir eine wunderschöne Reise.
24. Rote, gelbe, blaue und noch viele andere Farben stechen mir in die Augen. Ich fahre mit meinem Rolli zwischen den Blumenregalen eines Geschäftes hin und her. Eine meiner Schwestern schiebt unterdessen meinen Einkaufswagen in eine günstige Position. Die Stiefmütterchen versuchen uns mit ihren Augenfarben zu bezirzen und die Primeln locken mit ihren kräftigen Farben zum Kauf.
Also legen wir los mit dem Blumeneinkauf. Osterglocken, Hyazinthen, Stiefmütterchen und Primeln werden sorgsam ausgewählt und in den Einkaufwagen gelegt. Langsam füllt sich der Wagen. Jetzt brauche ich noch Schnittlauch, Blattpetersilie und einen Rosmarinstock und dann geht’s an die Kasse.
Da wir mit Rolli und Velo die Blumen schlecht nach Hause befördern können, kommt eine Nichte mit dem Auto und übernimmt diesen Job.
Schnell machen wir uns nun auf den Nachhauseweg. Die Blumen wollen schliesslich so schnell wie möglich ihr neues Zuhause kennenlernen. Zwei Stunden später haben alle Blumen ihren Platz im Garten gefunden. Es blüht und strahlt ums Haus. Ich kann mich nun für eine lange Zeit an ihnen erfreuen.
Danke für eure Hilfe und den butterzarten Schoggikuchen. Mmm!
25. War das ein schöner Tag heute. Meine Backen sind immer noch rot und warm von der Sonne. Endlich brauche ich beim Rolli fahren keine Beindecke mehr. Auch die Kappe und die Handschuhe haben vorerst ausgedient. Ich habe sie in den Schrank gelegt. Dort können sie nun gemütlich ihren Sommerschlaf abhalten. Eine Warnung an alle Motten: lasst meine Kappen und meine Handschuhe einfach in Ruhe und knabbert sie nicht an. Sonst komm ich mit dem Lavendelsträusschen und verdufte euch. Ich will schliesslich nicht, dass mir im Herbst der Wind um die Ohren pfeift.
Eigentlich wollte ich heute gemächlich zum See fahren und dort den Wasservögeln zuschauen. Auf dem Weg dorthin bemerke ich im Rückspiegel wie sich ein Velofahrer in rasantem Tempo nähert. Als er auf gleicher Höhe mit mir ist, stoppt er abrupt. Jetzt erst sehe ich wer es ist. Völlig ausser Atem steigt meine Blumensetzende, Kuchenbackende Schwester vom Rad. Sie sei am Bügeln gewesen und habe mich gesehen, wie ich auf dem Reussdamm Richtung See fahre. Kurz entschlossen zog sie das Bügeleisen aus, zog die Jacke an und schwang sich aufs Velo und startete die Verfolgungsjagt. Habe ich nicht liebe Schwestern.
Wir haben dann entschlossen, die Biotope im Bodenwald aufzusuchen. Wir wollten nachschauen, ob wir die Schlange vom letzten Jahr wieder antreffen. Ausser einem Frosch und vielen Froschlaich hat sich da noch nichts bewegt. Ist wahrscheinlich noch zu früh.
Dafür reichte die Zeit, um beim Elterlichen-Bauernhof vorbeizuschauen. Der Hof gehört mittlerweile einem meiner Brüder.Dort lassen wir uns mit Urnerkaffee und Urnerpastete verwöhnen.
Bis zum nächsten Besuch, kommt meinem Bruderherz sicher in den Sinn, die Gartenmöbel aus dem Keller zu holen und aufs Sonnenplätzli zu stellen. Der nächste Kaffeehalt kommt bestimmt.
28. Müde, Gähnen, Schlapp und schlafen. So sah mein Wochenende aus. Ich habe mich richtig kraftlos gefühlt. Schuld hat sicher auch die Mens, welche sich nach Jahren der Ruhe in den letzten Monaten wieder gemeldet hat. Da ich Blutverdünnungsmittel einnehmen muss, fällt sie dem entsprechend stärker aus. Ich fühle mich in dieser Zeit jeweils auch ausgelaugt und schwächer. Mein Brechreiz nimmt in dieser Zeit so intensiv zu, dass ich nicht am Hals tragen kann. Parfümdüfte, Zigarettengeruch oder sonst welche unangenehmen Gerüche können bei mir extremen Brechreiz auslösen. Reinster Horror, während dieser Zeit, ist das Zähneputzen. Allein der Gedanke, dass die Zahnbürste meinen Gaumen berühren könnte, reicht schon aus, um einen Brechreiz auszulösen.
Von der ALS-Klinik bekam ich zum Ausprobieren zwei Medikamente verschrieben. Das erste, welches ich ausprobiert habe, ist ein Medikament, welches meine Mundhöhle leicht betäuben sollte. Wir beträufelten ein Wattestäbchen mit dem Medi und bestrichen damit die rechte Mundhöhle. Leider entsprach der Geschmack der Flüssigkeit überhaupt nicht meinen Geschmacksnerven und schon war der Brechreiz da.Diese Woche werde ich das zweite Medi ausprobieren. Dieses muss ich zum Glück nur herunterschlucken. Hoffe sehr, dass dieses wirkt. Sonst muss ich dies doch noch untersuchen lassen.
Heute fallen kleine, glänzende Tropfen vom Himmel. Die Erde nimmt den Regen dankbar an. Ich freue mich zu beobachten, wie die Wiesen in den nächsten Tagen immer grüner werden und die Gräser in die Höhe wachsen werden. Bald wird sich auch der Löwenzahn zeigen. Wie schön werden die Wiesen leuchten, wenn die Sywblüemä (Löwenzahn) ihre sonnengelben Köpfe öffnen und mit den saftigen Gräsern wegeifern.
Ich möchte euch Heute auf eine weitere Homepage eines ALS-Betroffenen aufmerksam machen. Mir gefällt Marcels HP sehr gut.
APRIL
3.Die letzte Woche brachte mir einige Hochs und Tiefs. Anfangs Woche fühlte ich mich ausgelaugt und kraftlos. Ich hatte keine Lust zu schreiben. Dann kam am Donnerstag noch aus, dass der Gesundheitszustand meines Mannes nicht optimal ist. Er muss in den nächsten Wochen operiert werden. Und bis dahin muss er sich ein wenig schonen. Aber was heisst hier schonen, mit einer ALS-Betroffenen Frau zu Hause.
Jetzt heisst es organisieren, um meine Betreuung sicher zu stellen und somit meinen Mann zu entlasten. Er wird nach der OP noch für mindestens 2 -3 Monate ausfallen.
Etwas Gutes hat das Ganze aber doch. Mein Mann und ich werden gemeinsam viele schöne Tage im Liegestuhl geniessen können. Fehlt uns nur noch ein Buttler, der uns die kühlen Drinks mixt.
Momentan ist das Wetter phänomenal. Darum haben wir Gestern auch den Grill rausgepackt. Meine heissgeliebten Cervelats haben sich auf dem heissen Grillrost geräkelt, bevor sie ihrer Bestimmung zugeführt wurden.
Auch Heute war wieder so ein schöner Tag. Am Morgen machten wir eine Velo- und Rollitour durch die Natur. Piet hat den Ausflug gefilmt. Ich werde das Filmchen nächstens ins Netz stellen. Am Nachmittag taten wir es den Cervelats gleich und liessen uns auf dem Liegestuhl bräunen.
Was schönes Wetter doch so alles bewirken kann. Ich jedenfalls bin wieder frohen Mutes.
6. Sobald es Draussen schön ist, hält mich bekanntlich nichts mehr im Haus. So unternahm ich Gestern mit einer Freundin eine Tour in der Natur. Quatschend radelnd und rollend fuhren wir so nebeneinander her. Manchmal hielten wir an, um ein Thema genauer zu erörtern. Mir fällt vermehrt auf, dass der Gegenwind meine Sprechkondition beeinträchtigt. Um unsere Kehlen zu benetzen besuchten wir wieder die Cafeteria eines Alters- und Pflegeheimes.
Diesmal war die Gartenterasse gut besucht. Einige Bewohner haben an der Sonne einen Jass geklopft. Andere unterhielten sich mit ihren Besuchern. Aber am besten gefiel mir der ältere Herr, der sich eine grosse Portion Dessert schmecken liess. Recht hat er. Man soll sich auch im Alter Freuden gönnen.
Beim Nachhauseweg blies uns die Biese entgegen. Wir mussten unsere Jacken hoch schliessen um nicht ein Nasentröpfchen einzufangen.
In den nächsten Tagen soll es ja Sonnenschein pur geben und die Temperaturen werden laut Meteo steigen. Also nichts wie raus.
Im Fotoalbum habe ich einige Frühlingsbilder eingefügt.
7. Der Frühling ist eine wunderschöne Zeit für mich. Ich kann wieder nach der langen kalten Winterzeit nach Draussen. Ich schaue den Blumen zu wie eine nach der Anderen ihr Köpfchen zur Schau stellt. Diese Artenvielfalt einfach wunderbar. Der Boden wird durch die Sonne immer stärker erwärmt. Die Gräser wachsen von Tag zu Tag stärker. Auf den grünen Wiesen weiden bereits die Kühe. An Bäumen und Sträucher spriessen zarte, hellgrüne Blätter und einige zieren sich mit hellen Blüten.
Bereits surren Wespen und Bienen um die nektarreichen Blüten. Auch die Ameisen sind fleissig bei der Arbeit. Ob einige Vögel schon Nachwuchs in ihren Nestern haben, weiss ich nicht. Ihren Pfeifkonzerten zufolge sollte man es meinen. Ihr Pfeifen klingt so fröhlich.
Ich selbst kann schon seit einiger Zeit nicht mehr pfeifen. Ich kann auch nicht mehr im Garten werkeln. Meine Flügel sind zu schwach geworden. Ich kann nicht mehr durch frisches Gras laufen. Meine Beine tragen mich nicht mehr.
Der Frühling ist in der Tat wunderschön. Trotzdem macht er mich manchmal melancholisch und eine tiefe Traurigkeit erfasst mich. Soviel sehen, soviel wollen und nichts mehr können.
Die Natur gibt mir aber auch immer wieder die Kraft, nicht zu verzweifeln.
11. Ich weiss, meine Einträge sind in letzter Zeit spärlich. Obwohl ich einiges auf meinen Ausflügen erlebt habe, musste ich eine kleine Pause einlegen. Es gibt Erlebnisse die ich einfach still verarbeiten will.
Am Donnerstag war ich am See bei meinen Seevögeln. Dort kann ich mich so richtig entspannen, dort find ich meine innere Ruhe.
Danach fuhr ich beim Bauernhof meines Bruders vorbei. Das Bild, was mir dort geboten wurde, war schon gewöhnungsbedürftig. Seit Jahrzehnten grasen nur schwarzweisse Kühe auf „unseren“ Weiden. Doch dieses Mal sehe ich auch vier braune Kühe. Die Schwarzweissen grasen am unteren Ende der Wiese, die braunen am oberen Ende. Schön getrennt. Mein Neffe Franc, der ein Auge auf die Kühe hält, erklärt mir warum die Kühe nicht beieinanderstehen. Er glaube, die braunen Kühe seien Rassisten. Sie hätten nämlich die schwarzweisen Kühe ans untere Ende der Wiese vertrieben.
Beim Käfälä bei einer meiner Schwestern habe ich mir an diesem Donnerstag doch glatt den ersten Sonnenbrand eingefangen. Meine Hände waren am Abend und auch noch am Freitag knallrot. Typisch ich.
Am Samstag ging es dem Rasen an den Kragen. Ich hielt ein wachsames Auge darauf, dass mein Mann und mein Sohn einige Flecken mit Wiesenblumen stehen liessen. Den Männern muss man da schon ein wenig auf die Finger schauen. Nun sieht es wieder gepflegt. Der Rolli lässt sich auf kurzem Rasen auch besser fahren.
Nach getaner Arbeit gönnte sich Piet eine kleine Töff-Runde. Er kam aber nicht weit. Nach 10 Minuten kehrte er zurück. Ich dachte mir, er habe sicher das Portemonnaie vergessen. Aber nein, weit gefehlt. Seine Füsse steckten in zwei verschiedenen Stiefeln. Ich konnte mich kaum noch erholen vor lauter Lachen. Mit zwei identischen Toni Lama Stiefeln begab er sich dann doch noch mal auf seine Tour. Zum Glück sitzt der Kopf fest auf den Schultern.
12. Der Himmel hat seine blaue Farbe verloren. Dunkle Wolken versperren der Sonne den Durchblick. Ein grauer Schleier überzieht das Tal. Ganz leise schickt der Regen zuerst seine Boten zu uns hinunter. Sachte klopfen kleine Wassertropfen an die Fenster. In feinen Rinnsalen gleiten sie an den Scheiben herunter. Die Tropfen werden nun immer grösser. Die Stimmen der einzelnen Tropfen mit ihrem „plitsch, platsch“ werden immer lauter. Langsam bilden die einzelnen Regentropfen eine Perlenkette, die vom Himmel bis zum Boden reicht. Ihr Gesang hat sich mittlerweile zu einem warmen, weichen Rauschen entwickelt.
Die Natur atmet auf und nimmt das kostbare Nass dankbar an. Die Blätter fangen an zu glänzen und die Blumen strecken ihre Köpfchen freudig gegen den Himmel. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich auch die Tiere über das Nass freuen. Die Regenwürmer führen sicher einen Freudentanz auf und wälzen sich im Erdmatsch. Die Vögel legen heute einen Ruhetag ein und schonen ihre Stimmen. Die Luft wird durch den Regen gesäubert und die Natur erholt sich beim Trinken. Am liebsten würde ich jetzt nach draussen „gehen“ und einen Regentanz aufführen.
13. Hei, het das wieder abbä gschnit. Alli Bärgä ringsum träget wieder wys. Dr Schnee het sich so bi 700 m feschtgsetzt. Obwou jetzt d’Sunnä schient, isches Dussä chaut. Äs ghat nähmli d‘ Biesä. Damit ich mich nit tüä verchältä, müess ich Hyt dinnä bliebä.
Ich hoffe, ihr versteht mittlerweile genügend Urner-Dialekt und ich muss es nicht übersetzen.
Wenn mein Mann heute von der Arbeit zurückkehrt, fahren wir gemeinsam Einkaufen. Ich muss mich beeilen, denn meine Aufgabe ist es, die Einkaufliste zu erstellen.
Bei unserem letzten Einkauf musste mein Mann noch etwas in einer Drogerie besorgen. Währenddessen fuhr ich durch die Regale und sah mir alles an. Plötzlich zog ein Artikel meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Ich steuerte meinen Rolli ganz nah ans Regal. Ich traute meinen Augen nicht. Da stand doch tatsächlich mein heissgeliebter Milchzusatz aus meiner Kindheit. Die Grundfarben der Verpackung sind immer noch wie Früher Blau und Gelb. Ich hatte geglaubt, die Heliomalt gebe es gar nicht mehr.
Früher gab es Familien bei denen die Ovomaltine favorisiert wurde. Bei uns jedoch stand immer die Heliomalt auf dem Tisch. Sie war körniger als die Ovi. Wir füllten den weissen Masslöffel natürlich immer reichlich, damit ja genügend vom Granulat oben auf der Milch schwimmen blieb. Im Mund fühlte sich dies, wie das heutige Chrispy an. Manchmal streuten wir die Heliomalt auch auf ein Butterbrot. Das schmeckte ähnlich wie Nutella. Einer meiner Brüder gewann sogar mal einen Plastik-Heliomalt-Helm.
Ich glaube, ich werde heute die Heliomalt auf die Einkaufsliste notieren.
15. Als erster der Urnerpässe wurde heute beim Oberalppass die Wintersperre aufgehoben. Seit 11.00 Uhr rollt der Verkehr wieder über den Pass. Die Töff-Fahrer werden sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen. Die Kurven werden am Wochenende so richtig getestet. Früher, als ich noch mitreiten konnte, waren wir bei den ersten, welche die geöffneten Pässe abfuhren. Bei manchen Pässen hat es auch nach der Öffnung noch hohe Schneemauern. Es ist meistens schon noch kalt beim Töfffahren. Die unberührte Wildheit, die nach dem Winter auf den Pässen anzutreffen ist, entschädigt jedoch jeden. Habe ich das Töfffahren geliebt.
Diese Woche konnte ich noch nicht mit dem Rolli raus. Ich habe mir glaub eine leichte Nieren-Beckenendzündung eingefangen. Der Magen tat weh und die Flanken schmerzten. Mit heissem Tee und Bettflaschen konnten wir jeweils ein wenig die Schmerzen lindern. Der plötzliche Temperatursturz war auch nicht gerade förderlich. In den nächsten Tagen soll es laut Meteo wieder wärmer werden und der Frühling soll wieder zurückkehren. Dann werde ich wieder wie Blümlein erstrahlen.
17. Ich sehe gerade, wie ein Flugzeug einen roten Kondensstreifen in den Abendhimmel zeichnet. Will uns da jemand ein Zeichen geben. Es sieht wunderschön aus. Wie eine Strasse der Freiheit und des Glücks.
Wie wird es wohl sein, wenn es mich mal nicht mehr gibt? Was wird aus mir? Wird ausser der Erinnerung und der Asche nichts mehr von mir übrig sein. Ich habe mir schon viele Gedanken darüber gemacht.
Mir hat man als Kind weissmachen wollen, dass ich später mal in den Himmel oder in die Hölle komme. Je nachdem, wie ich meinen Lebensweg beschreiten werde. Aber daran habe ich schon lange meine Zweifel.
Ich sehe nicht ein, warum ich unsere Erde verlassen soll. Für mich ist die Erde das Paradies. Najah, ein paar Störenfriede gibt’s immer noch. Aber auch diese werden noch feststellen, dass man Konflikte auch friedlich lösen kann. Also, warum soll ich diese Erde verlassen.
Meine Asche ist nicht einfach Asche. In ihr bin ich. Ich werde mit den Blumen eins werden und mit den Vögeln in andere Länder reisen. Mit den Fischen werde ich die Ozeane erforschen und der Wind wird mich tanzen lassen.
So schön stelle ich mir das Leben nach dem Leben vor.
Ein kleines Hintertürchen lasse ich mir aber noch offen. Ich bitte Gott jeden Tag, mir den richtigen Weg zu zeigen, falls ich mich irren sollte.
18. Ich muss mich beeilen mitschreiben. In zwei Stunden kommt bereits die Spitex, um mich ins Bett zu verfrachten. Obwohl mein Mann noch nicht im Spital ist, wird die Spitex ab heute auch am Abend eingesetzt. Da in der Spätschicht auch Mitarbeiter arbeiten, die mich bisher nicht betreut haben und die meinen Pflegeablauf nicht kennen, wird sie mein Mann einweisen. So hoffen wir, dass später der ganze Ablauf auch ohne meinen Mann gut über die Bühne geht. Eine gute Vorbereitung ist das A + O.
Jemand hat heute geschrieben, dass ich auf dem neuen Foto wie ein Maikäfer strahle. Das kommt wahrscheinlich daher, weil ich an diesem Tag tatsächlich einen jungen, verschlafenen Maikäfer auf meinen Jeans hatte.
So, jetzt muss ich mich beeilen und Schluss machen.
20. Bin soeben aufgestanden und hab mich vor den PC gesetzt. Als erstes checke ich meinen Posteingang. Danach lese ich mich durch die Tageszeitungen. Und wie jeden Morgen löse ich ein Kreuzworträtsel. Soll ja gut für die Hirnzellen sein.
Plötzlich sehe ich vor meinem Fenster einen grossen Brummer. Ja wer kommt mich denn da besuchen? Es ist ein Maikäfer. War wohl zu lange im Ausgang. Oder ist es ein Anzeichen, dass uns eine Maikäferplage droht, wie in den Zeitungen zu lesen ist. Mir gefallen diese Brummer. Wie man so schön sagt; des einen Freud, des andern Leid.
Das gleiche kann man auch übers derzeitige Wetter sagen. Für die meisten kann die Sonne nicht genug vom Himmel strahlen. Die Vegetation hingegen bräuchte dringend Regen. Ich wäre dafür, dass es in der Nacht regnen würde und am Tag die Sonnenstrahlen regieren.
18.00 Uhr
Da bin ich wieder. Ich war heute Nachmittag mit dem Raddampfer „URI“ unterwegs. Nach dem Mittagessen fuhr ich mit dem Rolli nach Flüelen. Um auf das Schiff zu gelangen, muss für die Rollifahrer am Anfang und am Ende des Landesteges eine Holzrampe angefügt werden. Heute schloss die Rampe jedoch nicht bündig, wodurch ein Absatz entstand. Ja nu dachte ich, muss wohl so gehen. Plötzlich stellte sich mein Rolli auf die Hinterräder. Zum Glück stand ein Matrose hinter mir. Der verhalf mir wieder in die richtige Position. Ich warf dem Schiffpersonal einen speziellen Blick zu und bin dann ohne Worte aufs Schiff gefahren. Die Schiffscrew wird meinen Blick schon verstanden haben. Gerne wäre ich heute die Gallionsfigur des Schiffes gewesen. Doch die kalte Biese veranlasste mich das Heck aufzusuchen. Wir fuhren nach Isleten, dann nach Bauen, zum Rütli und nach Brunnen. Auf dem See trieben bereits grosse Flächen von Blütenstaub. Das Panorama mit den immer noch verschneiten Berggipfeln und den immer grüner werdenden Wäldern war eine Augenweide.
In Brunnen angelangt machte ich mich wieder auf die Rückreise. Ich fuhr vom Schiff und nahm mit meinem Begleiter dem Rolli, die Axenstrasse in Angriff. Es ist zwar reger Verkehr auf dieser Strecke, aber der See und das Panorama entschädigen mich.
Ich lasse mir die Sonne von Süden her ins Gesicht scheinen. Und mein Fahrtwind und der, der Autos und LKWs wirbeln meine Haare durcheinander. Manchmal huschen Eidechsen vor meinem Rolli durch und manchmal ruft mir ein Vogel etwas zu.
Als ich Seedorf passiere merke ich, dass der Wind nicht mehr von Norden her weht, sondern, dass von Süden her der Föhn das Zepter in die Hand genommen hat. Zum Glück trage ich eine grosse, dichte Brille. Der Föhn konnte es nicht lassen, mich auf dem Rest der Strecke, mit vielen kleinen Staubkörnern einzudecken. Das war wieder mal ne tolle Ausfahrt und nun habe ich mir einen Kaffee verdient
25. Waren das wunderschöne Ostertage. Die Sonne hat uns schon früh morgens mit ihrem Licht geweckt. Sie hat alles überstrahlt und uns mit viel Wärme eingedeckt. Die Bauern konnten dank des super Wetters auch schon viel Gras zu Silo verarbeiten. Und wenn mich meine Nase nicht trügt, wurde auch bereits Heu in die Ställe geführt. Der Duft, der entsteht, wenn die Wiesen gemäht werden und das Gras sich langsam in Heu verwandelt, ist einfach betörend. Für mich ist es der Duft der Heimat.
Aber, an so einem Osterwochenende gibt’s nicht nur Heu und Gras. Nein, nein. Da wird zusammengesessen, der Grill wird angeworfen und ein Stück Fleisch darauf geworfen. Was denkt ihr, was ich am liebsten auf dem Grill hab.
28. Nun sind die sonnigen Ostertage vorbei. Die Eier sind gefunden, die Schoggihasen geköpft und einige Pfunde sind nun auch mehr auf der Waage. Aber was solls? Schoggi soll ja bekanntlich gut fürs Gemüt sein.
Momentan weiss das Wetter nicht was es will. Darum muss ich mich im Haus aufhalten. Manchmal scheint die Sonne, dann bläst wieder die kalte Biese und selten fallen einzelne Regentropfen vom Himmel. Mir wäre es lieber, es würde mal zwei Tage regnen, danach könnte die Sonne wieder ihr warmes Gesicht der Erde zu wenden. Diese Woche ist weder Fisch noch Vogel. Eben typisch Aprilwetter.
Dank dem schönen April ist die Vegetation weiter fortgeschritten als normal. Dadurch sind die Maikäfer wahrscheinlich auch zeitiger aufgewacht und besiedeln nun massenweise unseren Nussbaum. Ich glaube, ich rieche auch bereits den feinen Duft der Lindenblüte. Früher, wenn es Zeit war die Blüten zu ernten, kam unser Vater mit vielen Lindenblütenästen aus dem Wald und wir Kinder durften mit unserer Mutter zusammen die Blüten von den Ästen zupfen. Danach wurden die Blüten auf ein Leintuch verteilt und an der Sonne getrocknet. Später, wurden dann die Blüten in Leinensäcke abgefüllt und zur Aufbewahrung auf den Estrich gehängt. Beim Heuen kamen die Blüten dann wieder zum Einsatz. Unsere Mutter bereitete aus den Blüten, aus Zitronenschalen, aus Brustzucker und Wasser einen süffigen Lindenblütentee zu. Nach dem Erkalten war dieser Tee der allerbeste Durstlöscher.
Ich habe jetzt auch gerade einen Lindenblütentee neben mir. Nur mein Beuteltee kann dem Tee meiner Mutter nie das Wasser reichen.
Es gibt schon liebe Menschen. Vorhin kam meine Kuchenbackende Schwestern vorbei. Sie sagte zu mir sie habe mir schnell was in die Küche gestellt. Ich dachte an einen Kuchen. Weit gefehlt; das morgige Mittagessen steht schon bereit. Ein selbstgemachter Hackbraten mit Sauce. Mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen. Stellt euch vor; frischer Kartoffelstock mit einem Saucenseeli darauf und Hackbraten. Mmmh. Und das alles, um Piet zu entlasten. Dankeschön!
Weil der Schnee so stark geschmolzen ist werden dieser Tage zwei weitere Urner-Pässe geöffnet. Der Klausenpass 1948 m geht heute auf und der Gotthardpass 2106 m am Samstag. Nun kommen wir endlich wieder ohne Stau ins Tessin. werden. An Ostern überquerten Piet und ich den Oberalppass 2044 m und fuhren über Graubünden wieder nach Hause. In Chur, der ältesten Stadt der Schweiz, entdeckte ich eine Plastik. Ein drei Meter hoher Rollstuhlfahrer mit Weltkugel ziert als sichtbares Zeichen für alle
Menschen mit Behinderung den Churer Theaterplatz, um einen Beitrag zur Integration von Menschen mit Behinderung zu leisten.
29. Heute sass ich die meiste Zeit vor dem Fernseher. Gespannt verfolgte ich die heutige Royale Hochzeit von England. Die Spitex musste mir sogar mein morgendliches Joghurt vor dem TV eingeben. Das junge Paar war so schön anzuschauen. Und das Brautkleid, einfach wunderschön. Ich liebe solche Hochzeiten. Ich hoffe nur, dass mir nicht wieder jemand dieses Märchen zerstört. Das vorangegangene war traurig genug.
Psychologen fragen sich, warum solche Hochzeiten eine so grosse Faszination auf uns ausüben. Ist doch ganz einfach. Die meisten Kinder wachsen mit Märchenbüchern auf. Viele Geschichten handeln von Schlössern, von Gold und Edelsteinen, von Königen, Prinzen und Prinzessinnen. Als Kind glaubt man halt an solche Märchen. Und als Mädchen hofft man, auch im wirklichen Leben, seinen Märchenprinzen zu finden. Einen, bei dem man sich beschützt fühlt und der alle Wünsche erfüllt. Daran hat sich auch mit der Emanzipation nicht viel geändert.
Ich jedenfalls habe meinen Prinzen gefunden, auch wenn er mir nicht alle Wünsche erfüllen kann.
30. In der Ferne höre ich ein Grollen. Ich schaue zum Fenster hinaus. Am Himmel braut sich was zusammen. Die Wolken schieben sich immer dichter zusammen. Sie färben sich dunkel. Nun fährt ein Blitz durch die Wolken und erhellt den Abendhimmel. Und wieder ertönt ein dumpfes Grollen in weiter Ferne. Von einigen Wolken gehen helle Streifen ab. Ein Zeichen, dass es Andernorts bereits regnet. Und wieder ein Blitz. Wind kommt auf und bewegt die Baumkrone der Linde hin und her. Es wird immer dunkler. Es blitzt und donnert, aber die Strassen bleiben trocken. Bis jetzt hat nicht ein einziger Regentropfen den Boden berührt. Das Donnern und Blitzen werden nun wieder weniger. Momentan macht es gar nichts mehr. Es wäre sowieso besser, es würde erst morgen Abend regnen. Viele Bauern haben grosse Grasflächen gemäht und möchten es Morgen gerne trocken einbringen.
Schauen wir mal, was uns die Nacht Gutes bringt.
MAI
2. RotiRösli im Garte, Maierisli im Wald. Wänn de Wind chunt goge blase, so verwelked si bald. Röti Rösli im Garte, Maierisli im Wald. Oh wie schön is im Summer, und im winter so chalt. Roti Rösli im Garte, Maierisli im Wald. Ha de Gugu ghöre rüefe, ja de Summer chunt bald. (Autor unbekannt)
5. So, jetzt habe ich mir Zeit genommen, um wieder mal etwas in mein Tagebuch zu schreiben. Mir geht es weiterhin sehr gut. Habe nur immer öfters diesen lästigen Brechreiz. Ein komischer Duft, ein Kleidungsstück, das zu nahe am Hals liegt oder wenn ich langanhaltend spreche, dann passierts. Ich muss dann sehr viel Speichel rausgeben. Es hat nichts mit dem Magen zu tun. Ich glaube es hat etwas mit dem Schluckreflex und meinem Geruchsempfinden zu tun. Die vom Arzt verschriebenen Tabletten, zeigen auch kaum Wirkung.
Ein wenig spielt da auch die Psyche mit. Manchmal reicht schon der Gedanke, das Shirt könnte vorne am Hals ankommen und schon geht es los. Es reicht auch schon, wenn die Spitex nach einem fremden Parfum, nach Rauch riecht oder leicht transpiriert. Solche Situationen sind für alle nicht einfach.
Es ist momentan sowieso nicht so einfach. Piet lernt fasst jeden Abend eine neue Spitex-Mitarbeiterin auf mich ein. Das ist nötig, damit wir für seine Abwesenheit gewappnet sind. Es geben sich alle Mühe. Nur wer will schon von so vielen verschiedenen Personen betrachtet und angefasst werden. Es ist nicht so einfach und manchmal stinkt es mir gewaltig. Aber was soll ich machen, muss es einfach über mich ergehen lassen.
Mein Mann wäre bereit, seine Arbeit um 50% zu reduzieren, um meine Pflege ganz zu übernehmen. Nur das geht in der lieben Schweiz nicht. Die pflegenden Angehörigen werden nämlich nicht entschädigt. Mit den Fr. 1500.- von der Hilflosen Entschädigung findet kein Lohnausgleich statt. Viel lieber steckt man uns in Pflegeheime die Fr. 8000.- und aufwärts kosten. Mir geht da die Rechnung schon lange nicht mehr auf.
Aber sonst geht es mir gut. Ich geniesse die zurückkommende Sonne und mit ihr die steigenden Temperaturen.
6. Ich sollte mir endlich mal in den Arsch kneifen (würde, wenn ich könnte) und mich mit der englischen Sprache auseinander setzen. Es gibt so viele gute Songs und interessante Literatur. Es würde sich lohnen diese zu verstehen.
Letzthin schrieb mir eine Nichte aus Canada ein langes Mail. Natürlich alles auf Englisch (Junior hat es mir übersetzt). Sie hat ihre schweizerische Geburtssprache fasst verlernt. Sie ging in jungen Jahren als Au-pair nach Canada. Es hat ihr dort so gut gefallen, dass sie nicht mehr zurückkehrte. Sie hat inzwischen schon viele verschiedene Tätigkeiten ausgeübt. So arbeitete sie auf einer Ranch, oder unterrichtete Kinder beim Reiten. Sie kann zupacken und ist sich für nichts zu schade. Sogar ihr Essen kann sie selbst organisieren.
Ich liebe Fischgerichte. Wenn nur die Gräten nicht wären. Ich kann diese nämlich nicht selbst aus meinem Mund fischen. Und erkläre mal jemandem, wo in der dunklen Höhle sich die Gräte gerade versteckt. Darum muss ich auf die schmackhaften Ganzen Fische verzichten. Aber es gibt ja zum Glück noch die entgräteten Fischfilets.
Eveline, du machst das richtig. Lebe dein Leben so, wie es für dich stimmt.
Übrigens, ich war heute wieder unterwegs. Ich bin durch abgemähte Wiesen gefahren. Das hat wieder geduftet. Ich musste das Heu nur anschauen und ich wusste wie es sich mit den Händen anfühlen würde. Bei diesem Schnitt sind noch etliche Wildblumen darunter. Beim Laden des Heues und beim Transport in den Heu Stock hat es deshalb mächtig Staub gegeben. Die Sämlinge des Löwenzahnes machten sich einen Spass daraus durch die Luft zu wirbeln und jeden in der Nase zu kitzeln.
Wie lieb ich doch diese Jahreszeit habe.
8. Mein Mann und mein Sohn sind Goldschätze. Da kann es ihnen noch so schlecht gehen, sie versuchen es vor mir zu verbergen, um mich ja nicht zu belasten. So war es auch am Freitagabend.
Mein Mann kommt zu mir ins Büro und erzählt mir, dass sich unser Junior aus den Ferien gemeldet habe. Er ist nach Finale IT gefahren und macht dort die Downhill-Strecken unsicher. Sie hätten schönes Wetter und es gehe ihm gut. Er habe aber einen kleinen Sturz beim Biken gehabt. So könne er momentan nicht mehr fahren.
Also gingen wir ihn am Samstag holen. An Krücken gehend humpelte er uns entgegen. Inzwischen weiss ich, dass er im Spital beim Röntgen war. Dort stellten sie eine Hüftprellung und Quetschungen fest. Auch ein Daumen ist verstaucht und an den Armen hat er Schürfungen. Aber zum Glück ist nichts gebrochen.
Langsam müssen wir zu Hause ein Lazarett auftun. Nur, uns Drei wirft nichts so schnell aus der Bahn.
10. Ich sitze vor dem PC und habe das Fenster geöffnet. Von draussen ertönen Alphornklänge. Die Töne hören sich ruhig und weich an. Sie fügen sich perfekt in den lauen Frühlingsabend ein. Eine behagliche Wärme und Geborgenheit erfüllten meinen Körper. Es scheint mir, als würden die Alphornbläser dem schönen Tag danke sagen und ihm einen würdigen Abgang bereiten.
Heute war wieder ein Schönwettertag. Darum machte ich mich hemdsärmelig und mit kurzen Hosen Richtung See auf. Auf dem Reuss Damm ziehen die vielen Wildblumen meine Blicke auf sich. Es begegnen mir Schmetterlinge, Möwen, Schwalben, Finken und ich glaube, ich habe ein Kernbeisser Pärchen gesehen. Die Schnäbel haben jedenfalls so ausgesehen.
Am See unten angelangt, konnte ich einige Stockenten Paare mit ihrem Nachwuchs beobachten. Zehn Küken sind da keine Seltenheit. Manche waren munzig klein und ihr Gepiepe war kaum zu hören.
Danach besuchte ich noch die Biotope. Ich wurde von vielen grossen und kleinen, von braunen und blauen Libellen begrüsst. Sie sind in einem höllischen Tempo um mich herumgeflogen. Ich habe schon damit gerechnet, dass mir eine in meinen Kopf donnert. Aber sie sind so geschickte Flugakrobaten, da kann kaum was passieren.
Die Schlange habe ich wieder nicht gesehen, dafür gab mir ein Frosch ein Quak-Konzert. Er streckte seinen Kopf halb aus dem Wasser und plusterte rechts und links eine Schallblase auf. Hätte ich nicht schon ein Prinz zu Hause, so hätte ich ihn doch glatt geküsst.
So, jetzt mach ich Schluss mitschreiben und höre noch eine Weile den Alphornbläser zu.
11. Zum Glück bin ich heute Nachmittag zu Hause geblieben. Soeben hat noch die Sonne geschienen und nun prasseln grosse, schwere Tropfen vom Himmel. Hoffentlich kann der Boden diesen Sturzflugartigen Regen verarbeiten. Die Wassertropfen platschen zu Hauf auf die Strasse und spritzen in die Höhe. Es bilden sich bereits kleine Rinnsale auf der Strasse. Der Regen legt noch an Stärke zu und dadurch nimmt auch das Rauschen zu. Nun höre ich den ersten Donner. In nördlicher Richtung sehe ich immer noch die Sonne scheinen. Sicher hat sich irgendwo ein Regenbogen gebildet. Und was ist jetzt los? Als hätte jemand den Wasserhahn zugedreht. Es regnet nicht mehr. So schnell die Regentropfen gekommen sind, genauso schnell sind sie verschwunden. War das etwa schon alles? Die Natur hat Durst.
Ich bin heute zu Hause geblieben, weil ich immer noch dabei bin, Informationen über REHA-Kliniken einzuholen. Seit letzter Woche versuche ich eine REHA-Klinik zu finden, welche für die Nachbehandlung von Piets Herz-OP geeignet ist und welche ebenfalls für mich als ALS-Patient in Frage kommen würde.
Es wäre nämlich für Alle am besten, wenn ich meinen Mann begleiten könnte. Ich habe nun alle REHA-Kliniken in der Schweiz angeschrieben und auch von allen Antworten erhalten. Nun habe ich zwei Kliniken, welche uns aufnehmen würde. Jetzt muss nur noch meine KK mitspielen. Ich war in den 10 Jahren meiner ALS-Laufbahn weder in einer REHA noch in einer Kur.
Ich bin zuversichtlich das alles klappt. Zumal jetzt wieder die Sonne scheint.
16. Manchmal, wenn das Schicksal unbarmherzig zuschlägt, steht man unfassbar und traurig da. Es wird uns bewusst, wie machtlos wir gegen unser eigenes Schicksal sind.
Dieses Plätzchen in meinem Tagebuch schenke ich dem lieben Menschen, von dem wir uns am Samstag verabschieden mussten. Wir werden dich nie vergessen.
16.00 Uhr
Langsam bin ich müde. Seit ca. 2 Wochen bin ich auf der Suche nach einer geeigneten REHA die meinen Mann und mich gemeinsam aufnehmen würde. Ich habe sicher 40 Mails hin und her geschickt. Die meisten haben zu wenig pflegerische Kapazitäten um sich um meine doch zeitintensive Pflege zu kümmern. Einige haben auch einfach die Infrastruktur nicht. Ich bin auch ein wenig enttäuscht von einigen Institutionen, von denen hätte ich mehr Unterstützung erwartet. Am Schluss ist man doch auf sich allein gestellt.
Von allen angefragten REHA’S sind mir noch Zwei geblieben. Nun wird es sich zeigen, ob die Beiden auch noch abspringen. Dann müsste mein Mann halt allein in die REHA und ich müsste mich mit der Spitex über die Runden bringen. Und der Kampf mit der KK hat noch nicht mal begonnen.
Ich werde mich jedenfalls Morgen warm anziehen, um für weitere Kämpfe gerüstet zu sein. So schnell gebe ich mich nicht geschlagen. Es ist nur schade, dass so viel Kraft und Nerven drauf gehen.
Und was passiert jetzt? Wer ist mein Halt, wer bringt immer wieder Freude in mein Herz? Natürlich unsere wunderschöne Natur. Als ob sie geahnt hätte, was ich jetzt brauche, schickt sie mir zur Abendstunde die strahlende Sonne vorbei.
17. Ich habe mich heute tatsächlich warm angezogen. Aber weniger wegen den REHA Abklärungen, sondern weil es wieder arg kälter geworden ist. Wenn ich vor dem PC sitze und mich kaum bewege habe ich schnell kalte Füsse. Meine Nase scheint auch zu meinen es sei wieder Winter. Sie lässt den Nasentröpfli wieder freien Lauf.
Langsam bewegt sich was in Sachen REHA. Das Triemli-Spital meldet uns Beide in Hasliberg an, sobald ich die Kostengutsprache von meiner KK erhalten habe. Um diese Kostengutsprache kümmert sich nun die ALS-Klinik von St.Gallen. Jetzt heisst es warten und auf einen positiven Bescheid hoffen. Schön wäre, er würde bis Morgen eintreffen, zumal Piet am Donnerstag ins Spital einrücken muss.
Bis vor kurzem habe ich ständig zum Fenster hinausgeschaut. Mit Spannung habe ich auf meinen Mann gewartet. Piet hat sich nämlich entschlossen, seine wunderschönen, langen Haare vor der OP abzuschneiden. Seit ca. 20 Jahren war der Rossschwanz sein Markenzeichen. Und nun, da schau einer an, wie gut er auch in Kurz aussieht. Jetzt kommen seine blauen Augen noch mehr zur Geltung. Super, mir gefällt‘s. Der Zopf wird natürlich fein säuberlich aufbewahrt.
So, jetzt warten wir mal den Morgen ab. Nun ist die Anspannung auch ein wenig von mir abgefallen und ich kann noch bis Morgenabend ein wenig Zeit mit meinem Mann verbringen.
18. Ich warte auf den Bescheid der Krankenkasse.....................
Sollte am Nachmittag Bescheid bekommen...............................
15.50 Uhr: Schlechte Nachrichten: Die CSS rief gerade an und sagte es gäbe keine Leistungen..
Man müsse halt dann in einem Pflegeheim schauen.... oder privat jemanden aufbieten..
Ich könnte weinen. Mein Mann hat während 7 Jahren das meiste von meiner Pflege übernommen. So konnte die CSS 10'000 von Franken einsparen. Es ist erniedrigend, es ist unverständlich, zumal wir Beide von klein auf bei der gleichen Versicherung sind.
Ich höre jetzt auf. Dieser Abend gehört meinem Mann. Werde mich Morgen wieder in den Kampf stürzen.
19. Mein Mann ist nun im Spital und ich stürze mich wieder in den Kampf.
Ich habe gestern Abend noch ein Mail von der ALS-Klinik bekommen. Mir wurde mitgeteilt, dass die KK zumindest die Pflegekosten übernehmen müsste. Warte nun auf die die Bestätigung von Seitens der KK. Vielleicht kann mein Neurologe noch einige bezahlte Therapiestunden herausholen.
Das Zimmer und die Verpflegung werde ich nun selbst übernehmen. Ich betrachte es einfach als teure Ferien. Man leistet sich ja sonst nichts, hihihi. Ausserdem ist mir dies wert, um bei meinem Mann zu sein.
Also warte ich mal wieder......................
16.00 Uhr.............................................
Habe eben lieben Besuch bekommen. Eine meiner Schwestern ist mit Glace vorbeigekommen und hat mir zum Zabig gleich die Glace ein gelöffelt. So macht das Warten vor dem PC wenigstens Spass.
Aber es bleibt nicht bei dem einen Besuch. Soeben haben uns liebe Freunde frische Fische vorbeigebracht.
Und ausserdem tut sich wieder was. Nun hat mein Neurologe das Zepter in die Hand genommen. Er klärt das ganze nochmal mit der KK ab. Muss jetzt essen fahren. Werde gleich von meinem Sohn gefüttert. Werde Morgen wieder berichten. Bitte Daumen drücken. Mein Mann wird Morgen operiert.
20. Mein Mann hat die OP mit 5 Bypässen gut überstanden. Mehr weiss ich leider noch nicht. Kann eventuell Morgen mit ihm sprechen. Mir ist jetzt ein grosser Stein vom Herzen gefallen. Diesmal könnte ich weinen vor Glück.
Ich danke allen von Herzen, dass ihr die Daumen gedrückt habt, eine Kerze angezündet habt oder in Gedanken bei ihm wart.
21. Heute durften wir kurz meinen Mann besuchen. Es geht ihm nach so einer OP erstaunlich gut. Ich bin so glücklich und erleichtert darüber.
Piet lässt Alle ganz lieb grüssen und bedankt sich, dass ihr an ihn gedacht habt.
Die letzten Tage waren enorm belastend für mich. Nun kann ich heute endlich beruhigt schlafen. Gute Nacht, die Spitex ist im Anmarsch.
23. Ich glaube ihr habt einen kleinen Zwischenbericht verdient. Schliesslich habt ihr auch mitgefiebert. Piet geht es nach so einer grossen Operation recht gut. Was ihm noch zu schaffen macht, ist der noch immer niedrige Blutdruck. Er ist auch noch immer müde und manchmal steht er noch neben den Schuhen. Aber das kommt schon gut. Er lässt uns bereits wieder seinen Humor spüren. Ab Morgen werde ich mich wieder um die REHA kümmern. Mal schauen, ob die KK ein Einsehen hat. Jetzt gehe ich noch ein wenig an die Sonne, bevor wir zu meinem Mann fahren.
24. Heute ist so wunderschönes Wetter und ich wäre so gerne im Freien Unterwegs. Stattdessen sitze ich vor dem Compi und warte auf eine Antwort meiner KK. Eigentlich sollte ich heute Bescheid von der KK bekommen, ob sie nun die Pflege und einige Therapien übernehmen werden. Ich habe ihnen Gestern ein Mail geschrieben und heute zwei. Zurück kam jeweils nur die automatische Antwort, man werde sich so schnell wie möglich mit mir in Verbindung setzen Bla bla bla. Wo ist da der Kundenservice geblieben. Ich versuche trotz meiner Behinderung möglichst viele Dinge selbst zu erledigen und zu regeln. Aber man macht es mir nicht einfach. Manchmal möchte ich in den PC schreien, doch es hört mich ja niemand. Auch mein Neurologe hat sich noch nicht gemeldet. Die REHA bräuchte nämlich dringend den Einweisungsbescheid, die Pflegeanweisungen und die verordneten Therapien für mich. Ist das mühsam. Nun warte und warte ich halt wieder………………………
Aber ich habe auch gute Nachrichten. Meinem Mann geht’s von Tag zu Tag besser. Ein Marathonläufer ist er zwar noch nicht. Da müssen 200 – 300 m vorerst reichen. Auch mein Junior läuft mittlerweile ohne Krücken. Doch aufs Velofahren muss das Hinkebein noch verzichten.
Und jetzt kommt das Beste. Piet und ich werden am kommenden Samstag gemeinsam die REHA antreten. Ob mit KK oder ohne. Ich freue mich so.
Na dann warte ich doch noch ein weenäli……………………
18.00 Uhr
So, nun war eine meiner Schwestern da und hat für mich einige Telefonate geführt. Zuerst hat sie bei der KK nachgefragt. Ergebnis: Die KK ist immer noch am Abklären. Könne noch Tage dauern. Dann hat sie nachgefragt bei meinem Neurologen. Ergebnis: Er hatte heute noch keine Zeit sich um meine Sache zu kümmern. Er hat aber versichert, mir das benötigte Einweisungszeugnis auszustellen. Und weil meine Schwester gerade da war, konnte sie mir gleich noch andere Telefonate abnehmen. Meine armen Besucher werden von mir gleich mit Aufgaben eingedeckt. Wohlweisslich habe ich heute selbst mit der REHA-Pflegeleitung Kontakt aufgenommen, um ihnen mitzuteilen, welche Pflege ich benötige. Meine Packliste habe ich ebenfalls fertig erstellt. Und Piets Koffer haben wir schon vorgängig gepackt. Also, mag kommen was mag. Wir fahren gemeinsam in die REHA.
25. Mein Mann macht stetig Fortschritte. Trotzdem habe ich wohl Gestern etwas übertrieben. Mehr als 50 m am Stück schafft er noch nicht. Und nach 3 Treppenstufen geht dem Guten die Puste aus. Dafür hat er und sein lieber Zimmerkollege das Rollstuhlfahren entdeckt. Wenn die Beiden zum Röntgen müssen, kommt den Beiden nichts Schlaueres in den Sinn als Wettrennen zum Lift zu veranstalten. Das ist wieder mal typisch Mann.
26. Die vielen Abklärungen mittels Mail und das ständige Warten auf deren Antwort macht müde. Zum Glück habe ich einige Heinzelmännchen um mich rum, welche nebst ihrer eigenen Arbeit, auch noch einiges für mich erledigen. So hat z.B. heute Mittag eine meiner Schwestern nochmal bei der KK betreffs meiner REHA nachgehackt. Ergebnis: Ich erhalte Morgen im Verlaufe des Tages Bescheid, wie es mit der Kostenübernahme aussieht.
Mein Hausarzt war heute auch noch mal bei mir. Nun bin ich froh, dass die REHA bald losgeht. Mein Mann ist mittlerweile die verschiedenen Schläuche und Käbelchen losgeworden und kann sich frei bewegen. Das Gehen und die Physiotherapie verlangt einiges von ihm ab. Aber mit dem Lift die Cafeteria aufzusuchen klappt schon ganz gut.
Heute bleibe ich Zuhause. Um nach Draussen zu gehen ist mir das Wetter zu unbeständig. Es windet stark. Mal scheint die liebe Sonne und mal zeigen sich die dringend benötigten Regenwolken am Himmel. Warten wir mal ab, wer sich schlussendlich durchsetzt.
Morgen werden meine Sachen gepackt. An was man da nur alles denken muss. Zum Glück habe ich alles feinsäuberlich aufgeschrieben und brauche Morgen nur kleinere Anweisungen zu geben.
Ich weiss nicht wie oft ich vor der REHA noch in mein Tagebuch schreiben kann, darum benutze ich jetzt die Gelegenheit. um Danke zu sagen.
Ich danke allen, die uns in dieser Zeit unterstützt haben. Sei es durch aufmunternde Mails, gute Wünsche und durch Handreichungen. Besonders erwähnen möchte ich meinen Sohn. Was er in dieser Zeit, nebst seiner normalen Arbeit geleistet hat ist bewundernswert. Ich bin froh, so einen Sohn zu haben.
Ich weiss noch nicht, ob und wie oft ich von der REHA aus ins Tagebuch schreiben kann. Aber ich werde mich sicher mal melden.
27. Ich weiss nicht ob ich weinen oder lachen soll. Doch ich entscheide mich fürs Lachen. Meine Schwester und ich waren fast fertig mit packen, da schellt mein Telefon. Und wer meldet sich? Eine Vertrauensärztin meiner KK, der CSS. Ergebnis: Sie befinden eine REHA für mich indiziert und übernehmen deshalb die Kosten für 28 Tage. Da Hasliberg aber nicht den Leistungsauftrag für mich erfülle, oder was weiss ich, könnten sie die Kosten nicht übernehmen. Ich müsse also eine andere REHA suchen.
Wisst ihr was. Da kann ich nur noch Lachen. Mache ich halt in Hasliberg nur Ferien und unterstütze meinen Mann bei seinen Therapien. Wenigstens für meine Pflege müssen sie aufkommen.
Ich werde mich nach den Ferien wieder in den Kampf begeben.
Wir fahren jedenfalls Morgen gemeinsam in die REHA / Ferien.
JUNI
Meine lieben Leser. Gerne hätte ich euch auch während der REHA auf dem Laufenden gehalten. Doch bei der einzigen Internetstation waren die Benutzungszeiten so stark eingeschränkt und das XP lief so langsam, dass mir die Lust aufs Schreiben verging. Ausserdem war das Hochladen von Anwendungen, wie zb die benötigte Bildschirmtastatur gesperrt. Ein WLAN gab’s leider auch nicht. Darum dürft ihr nun alles rückwirkend lesen. Viel Spass.
28.05.11 Samstag –18.06.11 Samstag
REHA 1.Woche
Mein Sohn und ich fahren am Samstagmorgen zum Triemli-Spital um meinen Mann zur REHA abzuholen. Er erwartet uns bereits im Freien. Ein wenig blass und hager sieht er schon aus. Um wieder zu Kräften zu kommen, fahren wir auch gleich los zur REHA.
In Hasliberg werden wir freundlich empfangen. Es folgt eine kurze Info über die Gegebenheiten, dann werden wir in unser Zimmer begleitet. Das Zimmer und auch das Badezimmer sind schön gross. Kein Problem für meinen E-Rolli. Die grosszügig angelegten Fenster lassen viel Licht ins Zimmer. Aber wo ist der bestellte Balkon?
Nun geht der fast zwei tägige Stress los. Obwohl ich ein Südzimmer mit Balkon reserviert hatte, wurde uns ein Nordzimmer ohne Balkon zugewiesen. Da an diesem Wochenende niemand von den Entscheidungsträgern anwesend ist, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns in dem zugewiesenen Zimmer einzuquartieren.
Zum Glück ist unser Sohn bei uns. Er verstaut unser Gepäck und schaut, dass wir es gemütlich haben. Da wir den Eindruck haben das Pflegepersonal sei leicht unterbesetzt, gibt mir mein Sohn noch das Nachtessen ein. Bevor er dann nach Hause fährt, zeigt er der zuständigen Pflegerin wie meine Mobilisation mit Hilfe der Drehscheibe abläuft.
Meine Medikamente geben wir vertrauensvoll in die Hände der Pflegestation.
Leider gibt es bereits am ersten Abend mit meinen Medikamenten Unklarheiten. Das geht bis Montag so. Der Fehler liegt darin, dass die Medikamentenliste meines Arztes nicht mit meiner aktualisierten Liste übereinstimmt. Schade ist, dass das Pflegepersonal nicht auf meinen Hinweis eingeht und die Tabletten deswegen immer wieder ausgetauscht werden müssen. Da auch bei meinem Mann eine der Tabletten fehlt und er auf Sicher gehen will, nimmt er meine Medikamente wieder zu sich und richtet diese nun selbst.
Da unter anderen abgemachten Pflegezeiten, Arzttermine nicht eingehalten werden und der Informationsfluss nicht optimal funktioniert, überlegen wir ernsthaft am Montag abzureisen.
Am Montagmorgen bei der Arztvisite besprechen wir dann die Ungereimtheiten der vergangenen zwei Tage. Nach dem Gespräch dürfen wir auf Besserung hoffen.
Am Montagabend können wir dann auch unser Südzimmer mit Balkon beziehen. Das Problem war, dass wir nur allgemein versichert sind und kein Anrecht auf einen Balkon haben. Für mich als ALS-Rollifahrer ist es nicht möglich einen Lift zu bedienen, um ins Freie zu gelangen. Und weil mein Mann und ich unterschiedliche Therapiezeiten haben, kann mich mein Mann nicht immer nach Aussen begleiten. Bei einem Balkon hingegen, komme ich zu meiner Frischluft. Der Balkon kostet einfach pro Woche zusätzlich. Was soll‘s.
Inzwischen wissen wir auch, dass laut CSS mein Mann einen Tag früher in die REHA eingetreten ist als ich und auch einen Tag früher austreten wird. Wir sind jedoch beide gemeinsam eingetreten und werden nach drei Wochen auch gemeinsam wieder austreten.
Mittlerweile hat es die CSS geschafft, den vierwöchigen REHA-Aufenthalt meines Mannes auf einen dreiwöchigen zu verkürzen. Und aus meiner vierwöchigen REHA, welche die CSS bezahlt hätte, nur nicht im Hasliberg, wurde nun in einen dreiwöchigen Kuraufenthalt umgewandelt. Das heisst, ich muss die Hotellerie (Zimmer/Mahlzeit) selbst berappen. Die CSS übernimmt die Pflegekosten welche ich sowieso auch zu Hause durch die Spitex benötigt hätte. In der REHA bekomme ich pro Woche ca. 4 Stunden Therapien, welche die CSS übernimmt. Zuhause habe ich 2 Stunden Physiotherapie pro Woche, welche durch die CSS bezahlt wird. Ich glaube man muss kein guter Rechner sein um festzustellen, dass die CSS kaum mehr ausgeben muss, als wenn ich zu Hause geblieben wäre.
Übrigens, das mit der verkürzten REHA und der Kur haben wir erst in der REHA erfahren.
Ich erkläre euch mal den Ablauf wie ein Kurtag bei mir aussehen kann.
7.30 Uhr – 8.15 Uhr Morgentoilette
8.30 Uhr -- 9.00 Uhr Morgenessen
9.30 Uhr -- 9.50 Uhr Physiotherapie
11.45 Uhr – 13.00 Uhr Mittagessen
15.00 Uhr – 15.20 Uhr Lymphdrainage
Nachmittagstoilette
16.30 Uhr – 16.50 Uhr Atemtherapie
18.00 Uhr – 18.45 Uhr Nachtessen
21.00 Uhr -- 21.30 Uhr Abendtoilette mit Transfer ins Bett
Fernsehen
23.00 Uhr Mobilisation in Seitenlage durch Pflegepersonal.
Die Therapiezeiten sind jeden Tag unterschiedlich. Der Therapiepläne für die folgende Woche werden jeweils am Freitag erstellt und danach in die Postfächer der Patienten gelegt. Von Samstagmittag bis Montagmorgen finden keine Therapien statt.
Wenn es die Zeit und das Wetter erlauben, erkundige ich mit dem Rolli die Gegend. Mein Mann begleitet mich, sofern es sein intensives Trainingsprogramm zulässt. Ja mein Mann wird nicht geschont. Die Aufbautrainings sind schon happig. Aber es muss sein. Er macht täglich Fortschritte und auch die Farbe ist wieder in sein Gesicht zurückgekehrt
3. Mein Mann geht zum Krafttraining. Doch im Kraftkeller ist weder ein Therapeut noch Patienten. Na, wo sind sie denn alle hin? Also geht er auf die Suche nach einem der ihm Auskunft geben kann. Das Krafttraining wurde laut seinen Angaben vorverschoben. Leider hat man vergessen meinen Mann zu informieren. Also schickt man ihn zum Velokeller. Dort wartet er wieder eine ½ Stunde bis jemand kommt. Nach 10 min. auf dem Velo bricht bei Piet der kalte Schweiss aus und er muss den Arzt aufsuchen. Dort wird festgestellt, dass er einen viel zu hohen Puls hat. Als Folge muss er nun am Abend eine ½ Tablette zusätzlich einnehmen. Zum Glück kontrolliert mein Mann jedes Mal die hergerichteten Medikamente. Anstelle seiner neuen ½ Tablette war am Abend mal wieder eine ganze Tablette gerichtet.
REHA 2.Woche
6. Es ist Montagmorgen und mein Therapieplan liegt immer noch nicht in meinem Postfach. Nun suche ich das Büro der Physiotherapie auf. Dort teilt man mir mit, dass mein Plan am Freitag erstellt wurde und im Fach liegen müsste. Es wird herumtelefoniert, herumgefragt aber mein Plan bleibt verschwunden. Ich frage nach, ob dies öfters vorkomme, dass Pläne verschwinden. Die Antwort: Es komme vor, dass manchmal Pläne auf mysteriöse Weise verschwinden. Man will der Sache nachgehen.
Mit den Postfächern ist es so eine Sache. Die Fächer bilden einen grossen Setzkasten der mit den Zimmernummern versehen sind. Nun müsste man einfach wissen, dass die oben angeschriebene Nummer massgebend ist und nicht die unten am Fach. Für manche gar nicht so einfach. Wir haben ja am Montag das Zimmer gewechselt. Trotzdem wurden bis Freitag die Infos immer wieder ins alte Postfach gelegt.
Da unser Zimmerwechsel noch immer nicht zu allen durchgedrungen ist, musste ich auf eine Physiostunde verzichten. Die Therapeutin suchte mich im alten Zimmer.
Dank den Anweisungen und der Mithilfe meines Mannes funktioniert meine Pflege mittlerweile recht gut. Ohne ihn würde es jedoch nicht gehen. Mit den meisten Pflegekräften funktioniert es sehr gut. Doch für zwei, drei Pflegekräfte, ist meine Pflege eine echte Herausforderung. Auch meine Mobilisation gelingt nicht allen gleich.
So, jetzt habe ich einen neuen Therapieplan bekommen. Nun kann es mit den Therapien gleich losgehen. Ich liege in meinem verstellbaren Rollstuhl und geniesse eine Doppelstunde Lymphdrainage. Währenddessen ist mein Mann auf einem Zweistündigen Spaziergang. Danach muss er noch aufs Velo und danach zur Entspannungstherapie. Weil mein Mann zwischendurch immer wieder einen zu hohen Puls hat und sein Herz immer noch sogenannte Stolperer macht, muss er nun ein Vierundzwanzigstunden EKG tragen.
7. Mittlerweile läuft alles rund. Die Pflege funktioniert und die Therapien finden reichlich statt. Vor allem mein Mann wird gefordert. Manchmal hat er nur gerade eine halbe Stunde zwischen den Therapien. Diese nutzt er meistens für ein Nickerchen. Ich frage mich, wie man nur so viel schlafen kann.
Da ich heute erst am späten Vormittag meine erste Therapie habe und das Wetter nicht zu einer Ausfahrt einlädt, lümmle ich im Zimmer herum.
Um 11.00 Uhr sitze ich dann mit anderen im Kreis und mache bei der Atemtherapie mit. Bei Übungen mit Lauten wie f-tsch- pf oder ähnlich, müssen wir uns schon zusammennehmen, um nicht loszulachen.
Am Nachmittag habe ich eine Doppelstunde Physiotherapie mit Schwerpunkt Kiefer (Zunge, Mundhöhle, Kehlkopf usw.). Ich lerne wie ich mit Übungen dem Krankheitsverlauf im Bullbären Bereich ein wenig gegenwirken kann. So zieht mir die Therapeutin z.b. meine Zunge aus dem Mund und zieht diese nach rechts und links. Ich merke sofort wie sich die Zunge über diesen Ausflug freut. Endlich darf sie mal ihre Höhle verlassen. Mit den Buchstaben P,T,K übe ich den Schluckvorgang beim Essen. Dies war eine sehr interessante und erfahrungsreiche Stunde. Ich freue mich schon auf die nächste Sitzung.
9. Ich habe eigentlich gedacht, dass ich bei der Lymphdrainage keine grosse Wirkung verspüre. Doch meine Blase hat mich eines Besseren belehrt. Normalerweise muss ich am Tag 3 – 4-mal Wasser lösen. Heute, einen Tag nach der Lymphdrainage muss ich das stille Örtchen doppelt so oft aufsuchen. Die Wassereinlagerungen haben einen Weg gefunden meinen Körper zu verlassen.
10. Piet ist heute Morgen auf einer 2 Stündigen Wanderung. Ich selbst darf mit einem Physiotherapeuten in den Kraftkeller. Hier steht eine Maschine ähnlich dem Power Plate. Ich bleibe im Rollstuhl sitzen und stelle meine Füsse auf das Gerät. In unterschiedlicher Stärke und Länge werde ich nun bis zu den Hüften durchgerüttelt. Ich spüre Muskeln, die ich völlig aus meinem Gedächtnis gestrichen hatte. Nun durfte ich erneut eine erfreuliche Erfahrung machen.
Es ist erstaunlich, welche Fortschritte Piet in den vergangenen zwei Wochen gemacht hat. Er konnte seine Kondition steigern und die Muskelkraft ist in der Aufbauphase. Sein Blutdruck ist noch ein wenig zu niedrig und der Puls schnellt noch zu schnell in die Höhe. Schmerzen hat er selten und die Schnitte verheilen gut. Sein Medikamentencocktail ist sehr reichhaltig und bunt. Mit der Zeit werden aber sicher einige Tabletten wegfallen. Eine bis Zwei wird er jedoch sein Leben lang nehmen müssen.
Obwohl wir hier eine hervorragende Vollwertküche geniessen dürfen, hat Piet noch kein einziges Kilo zulegen können. So fünf Kilo mehr könnte er schon vertragen.
Jetzt steht uns das Pfingstwochenende bevor. Piet muss nur am Samstag und am Montag für je 40 Min. aufs Velo. Ansonsten haben wir Frei.
REHA 3.Woche
14. An Pfingsten hatten wir liebe Besucher bei uns. Gerne haben wir ihnen unser momentanes Domizil vorgeführt. Natürlich durfte der grosse Zimmerbalkon mit Berg und See Sicht nicht fehlen. Auch die Umgebung mit den vielen, verschiedenen Wildblumen kann sich sehen lassen.
Wie ein jedes verlängertes Wochenende zu Ende geht, ist es auch diesmal nicht anders. Nehmen wir also die letzte Woche in Angriff.
15. Was für ein wunderschöner Tag. Die Sonne schickt ihr schönstes Lachen zur Erde. Es ist herrlich warm draussen. Doch plötzlich wird die Sonne von etwas hellem geblendet. Schnell richtet sie ihre Strahlen auf das weisse Ding, um es abzudunkeln. Es dauert nicht lange und das weisse Ding ist krebsrot. Auf 1000m Höhe und mit leichtem Wind ist es eben gefährlich sich der Sonne in den Weg zu stellen. Aber ihr kennt mich ja. Ein bis zwei Mal im Jahr fange ich mir immer einen Sonnenbrand ein.
Es ist so schön hier im Freien. Überall wachsen wunderschöne Wildblumen. Pelzige Hummeln mit weissem Hinterteil setzen sich auf die Blumenköpfe und sammeln fleissig Blütenstaub. Ihre Oberschenkel sind schon ganz gelb deswegen. Zwischen den Wildblumen befinden sich zwei Wasserbecken. In diesen wachsen einige wenige Wasserpflanzen. Ansonsten scheint da nichts drin zu sein. Bei genauerem Hinschauen entdecke ich jedoch auf der Wasseroberfläche viele kleine Spinnen. Wenn sie mit den Vorderbeinen angeben, können sie auf dem Wasser gleiten. Sobald sich ihnen jedoch eine grössere Spinne* (Männchen) nähert, fangen sie an über das Wasser zu hüpfen. Wenn die Sonne direkt ins Becken scheint, sieht man am Beckenboden den Schatten der Spinnen. Es sieht aus, als wären es Katzenpfotenabdrücke. Gibt es denn überhaupt Wasserspinnen? Es ist ebenfalls interessant. den zahlreich vorhandenen Waldameisen zuzuschauen, wie sie sich mit ihrem schwarzen, dicken Hinterteil fortbewegen.
Was mich natürlich besonders freut ist, die vielen verschiedenen Schmetterlinge zu beobachten, welche sich hier aufhalten. Zu erwähnen ist der Admiral, das Schachbrett und die Bläulinge.
Ich hätte nie gedacht, dass mein Mann in so kurzer Zeit wieder zu solchen Leistungen fähig ist. Das Zusammenspiel zwischen dem Arzt und den Therapeuten funktioniert hervorragend. Für Herzpatienten ist es hier in Hasliberg optimal.
Was sicher auch zur Gesundung beiträgt ist die Hotelatmosphäre und die traumhafte Umgebung. Hier sieht es nicht nach Spitalbetrieb aus, eher nach Ferien in einem Sterne Hotel.
*Nachtrag: Die sogenannten Wasser Spinnen haben sich nachträglich als Wasserläufer geoutet.
17. Heute ist Endspurt. Wir absolvieren noch unsere letzten Therapien. Piet ist soeben zur längsten Wanderung in seiner Therapie aufgebrochen. Ich finde es gut, wenn er mit Begleitung ans Limit geführt wird. Nur so weiss er für zu Hause, wo die Grenzen sind. Ich selbst habe noch zwei Therapien. Um 11.00 Uhr Atemtherapie und um 14.00 Uhr Physiotherapie. Sobald auch Piet all seine Therapien absolviert hat, werden wir bereits anfangen zu packen.
Die Therapien hier in der Reha - Klinik - Hasliberg waren für meinen Mann und mich ein voller Erfolg.
Peter kommt heute von seiner Geschäftsreise aus Tschechien retour und wird uns morgen früh hier abholen.
Es war hier zwar wunderschön, aber nun möchten wir wieder nach Hause. Wir freuen uns so darauf.
Ich danke allen Besuchern, Telefonierern und allen die uns während unserem REHA-Aufenthalt Grüsse und gute Wünsche zukommen liessen.
18. Auf Wiedersehen Hasliberg und willkommen zu Hause.
19. Es ist schön wieder Zuhause zu sein. Wieder in den eigenen vertrauten vier Wänden zu sein ist schon schön. Piet und ich waren nämlich noch nie so lange an einem Stück von Zuhause fort. Als wir Gestern Zuhause ankamen staunten wir nicht schlecht. Vor dem Haus waren die Blumenkisten frisch bepflanzt und der Rasen war gemäht. Im Haus innen wurden wir durch Plakate begrüsst. Überall standen frische Blumen auf den Tischen. Die ganze Wohnung erstrahlt in neuem Glanz. Alle Fenster, alle Vorhänge, überhaupt das ganze Haus wurde von oben bis unten geputzt. Was für eine gelungene Überraschung. Wir bedanken uns bei allen Heinzelfrauen für diesen grossartigen Einsatz. So lässt es sich leben.
Als wir mit Hilfe von Peter unser Gepäck verstaut hatten, machte ich mich an den PC. Zuerst musste ich die überfälligen Updates und Sicherheitsüberprüfungen laufen lassen. Danach konnte ich mich meinem Posteingang widmen. Nachdem ich mit der Bearbeitung durch war, konnte ich endlich meine angestauten Tagebucheinträge ins Netz stellen. Wie ihr lesen könnt, war ich in der Kur keineswegs schreibfaul.
Es ist doch schön wieder im eigenen Zimmer und im eigenen Bett zu schlafen. Leider lag ich um halb vier immer noch wach. Ich bin einfach kein Rückenschläfer. Trotzdem muss ich mich endlich daran gewöhnen, denn Piet wird mich noch längere Zeit nicht drehen dürfen. Aber irgendwann fallen die Augen dann doch von alleine zu. Da die Spitex bei mir erst nach 9 Uhr auftaucht, konnte ich dafür am Morgen länger schlafen. In der REHA standen wir in der Regel um 7.15 Uhr auf.
Heute nach langer Zeit hat Piet den Kochlöffel wieder selber in die Hand genommen. Nüdeli mit Blumenkohl und Rahmplätzli stand auf dem Menüplan. Wie haben wir uns die Rahmsauce schmecken lassen. Morgen werden wir uns wieder ein wenig zurückhalten und uns dem Gemüse und dem Salat widmen, welches von einer guten Seele vor unsere Haustür gestellt wurde. Das heutige Dessert war dafür sehr natürlich. Frisch gepflückte Kirschen vom eigenen Baum.
Soeben ist Piet schweissgebadet von einer 1 Stündigen Velotour retour gekommen. Ich freue mich, dass er das Training aus der REHA Zuhause weiterführt. So kann es ja nur besser werden. So jetzt brauch ich einen Kaffee.
20. Ich habe meinen Garten mit den vielen verschiedenen Bäumen, Sträuchern und den diversen Pflanzen schon ein wenig vermisst. Darum nehme ich mir heute die Zeit und Drive durch den Garten. Ich sehe, dass die Pfingstrosen und der Mohn bereits verblüht sind. Dafür strahlen die Buschröschen in wunderschönem Rotton. An den Miniapfelbäumchen entdecke ich mehrere Äpfel und die Johannesbeeren und die Stachelbeeren sind bereit für die Ernte. Beim weiteren Umschauen entdecke ich Walderdbeeren. Sie haben sich unter Büschen versteckt. Obwohl sie sicher sehr süss wären, lasse ich sie dort. Für ein Dessert reichen sie ohnehin nicht.
Auf Nachbars Grundstück steht mein geliebter Lindenbaum. Er steht da in sattem Grün. Seine Äste sind reichlich behängt mit seinen Früchten, den Lindenblüten. Die Blütenköpfchen sind aufgesprungen und färben sich bereits braun. Die Ernte wäre überfällig. Ich finde es schade, dass niemand die Früchte erntet, welche vom Baum so grosszügig dargeboten werden. Ich kann leider nicht mehr klettern.
Im Garten entdecke ich Gartenrotschwänzchen und auf den Bäumen sitzen Spatzen, die miteinander quatschen. Nun kann ich beobachten, wie eine Bachstelze unter unseren Dachgiebel fliegt und ihr Nest aufsucht. Ich frage mich, ob die wohl zweimal im Jahr brüten.
Ich höre sehr gerne dem Vogelgezwitscher zu. Da ich aber in der REHA mit Klaviermusik, mit Trachtenchörli und Ländlerkapelle eingedeckt wurde, geniesse ich es nun umso mehr, eine etwas andere Musik durch die Lautsprecher dröhnen zu lassen.
21. Judihui der Sommer ist da. Wenn der Sommer so bleibt, wie er angefangen hat, werden wir uns nicht beklagen können. Heute habe ich mir mal keinen Sonnenbrand eingefangen. Ich habe mich brav unter dem Sonnenschirm aufgehalten. In Hasliberg wäre ich wahrscheinlich wieder zu einer Tomate mutiert.
24. Manchmal sehe und höre ich Dinge die mich sehr traurig machen. Es gibt Menschen die immer wieder andere mit Worten, mit Mimik oder durch Handlungen verletzen. Ich muss hilflos zusehen wie solche Dinge passieren. Meine Kraft, um Streitigkeiten zu schlichten wird immer geringer. Und meine Stimme wird kaum noch wahrgenommen. Ich habe mir mal eingebildet, meine Krankheit sei brutal genug, um mein näheres Umfeld zum Umdenken zu bewegen. Für mich ist es unbegreiflich, wie man mit seinem Leben und mit dem Leben eines Anderen so umgehen kann.
Wie soll es uns jemals gelingen, dass Frieden unsere wunderbare Welt dominiert, wenn wir nicht mal in der Lage sind, den Frieden zum Nächsten zu tragen.
So viele Menschen glauben an einen Gott. Sie nennen sich Katholiken, Christen usw. Wenn ich sehe wie solche Menschen manchmal agieren, bleibe ich doch lieber bei „meinem“ der Natur zugewandten Glauben. Er ist erfüllt mit Achtung für jedes Lebewesen und die wunderschöne Natur. Wenn ich finde, dass es mal wieder an der Zeit ist, jemandem für all das wunderschöne auf dieser Welt danke zu sagen, dann richte ich dies gegen den Himmel. Wer auch immer dort oben ist, wird sich sicher freuen.
28. Scheens Wätter und ä wunderbarä Maa a dr Sittä. Ja was wot mä de nu meh?
Ich geniesse die gemeinsamen Tage mit meinem Mann. Es ist schön, jemand den ganzen Tag in der Nähe zu haben. Piet ist immer noch dabei seine verlorenen Kräfte und seine Kondition aufzubauen. Er geht aufs Velo und unternimmt kurze Wanderungen. Manchmal begleite ich ihn auf meinem Rolli. Ich muss schliesslich achtgeben, dass er es nicht übertreibt.
Heute war es wieder so heiss. Wie gerne wäre ich in einen See gehüpft. Ich hätte meine Arme und Beine in Position gebracht und wäre weit in den See hinausgeschwommen. Der See hat an solchen Tagen einen ganz bestimmten, anziehenden Duft. Ich ziehe ihn jeweils tief in meine Lungen hinab. Einfach herrlich. An so einem Tag würde ich gerne mit einer Seeforelle tauschen. Oder gibt es etwa noch Meerjungfrauen?
Auf jeden Fall muss ich jetzt aufhören zu schreiben. Mir kleben schon wieder die Kleider am Leib. Dadurch fühle ich mich richtiggehend eingeengt und unbeweglich. Trotzdem freue ich mich u mär an dem wunderschönen Sommerwetter.
JULI
1. Es ist Sommerzeit und somit auch Reisezeit. Auch ich werde wieder vermehrt mit dem Rolli unterwegs sein. Ich geniesse es durch Wälder und Wiesen zu fahren. Mit meinem Rolli mache ich auch nicht vor Bergtouren halt. Ich erklimme Berge soweit und so steil wie es mein Rolli eben schafft. Es berührt mein tiefstes Inneres, wenn ich die vielfältige Alpenflora sehe und deren Duft einatmen kann. Meine Bewunderung haben auch jene Bauern, welche in steilsten Börtern (Hängen) das Heu für den Winter zusammentragen.
Bei grosser Hitze nehme ich gerne das Schiff. Die Seeluft und der Fahrtwind kühlen mich wunderbar ab.
5. So ein Sommer. Ich komme kaum noch zum Schreiben. Ich halte mich fast den ganzen Tag im Freien auf. Ich lasse mich so richtig von der Sonne verwöhnen.
Wenn es um die Mittagszeit nach gegrilltem riecht, dann bin das nicht etwa ich. Es ist das Fleisch, welches auf dem Hausgrill brutzelt. Wäre das nämlich ich, würde viel mehr Rauch aufsteigen, wenn sich mein Eigen-Fett langsam verflüssigt. Das Fleisch von heute hat mir besonders gut geschmeckt. Es gab Hähnchenoberschenkel. Und da Piet kein fettiges Fleisch mehr essen sollte, musste ich die ganze knusprige Poulet Haut selbst essen. Da kann ich aber nichts dafür, wenn die Wage mal wieder mehr anzeigt. Weil ich nicht gerne halbe Sachen mache, gab es nach der Radtour gleich noch einen Hotbeeren-Coup.
Das Leben kann so schön sein. Geniessen wir es solange wir es können.
6. So dicht liegt Freud und Leid beisammen. Gestern Abend erhielt ich die Nachricht, dass wieder einer meiner ALS-Freunde Adieu sagen musste. Franz ist an seinem 40. Geburtstag zur grossen Reise aufgebrochen. Für seine Reise hat er den Weg über den Regenbogen gewählt. Ich sehe ihn schon wie er von Farbe zu Farbe hüpft und jedes Mal wird der Regenbogen noch bunter.
Franz, ich wünsche dir eine wunderschöne bunte Reise. Geniesse sie.
11. Was für Sommertage! Da zieht sich Mann an den besten kurzen Schläuchen an und die Frau trägt Rock. Ein Novum für mich. Ich habe zum ersten Mal seit ich im Rollstuhl sitze ein Kleid angezogen. Die Spitex meinte zwar am Morgen ich dürfte das Kleid nicht zu weit nach oben schieben, Mann würde sonst Zuviel sehen. Da konnte ich sie jedoch beruhigen. Für etwas habe ich ja meine strammen Oberschenkel. Die lassen keine Blicke passieren. Ich fühle mich sauwohl mit dem Kleid. Es ist luftig, nichts klebt am Körper, nichts zwickt und nichts engt ein. Ich glaube ich erweitere meine Sommergarderobe mit eins, zwei weiteren Kleidern. Der Sommer macht halt einfach Spass.
Piet und ich mussten heute Einkäufe tätigen. Nur von der Sonne wird man ja auch nicht satt. Als wir so zwischen den Regalen stehen, spricht uns ein Herr an und fragt uns ob ich auch ein Hirnschlag gehabt hätte. Meine Stimme würde ähnlich tönen wie die seiner Frau. Wir kommen so in ein Gespräch über Krankheiten, Diagnosen und über die Ratlosigkeit mancher Ärzte. Auf dem Nachhauseweg mussten Piet und ich uns eingestehen, dass diese zwei Personen irgendwie Hilfe gebraucht hätten. Wir vermuten, dass viele ältere Menschen unzureichend an Informationen kommen. Sie wissen nicht wo sie Hilfe herbekommen. Unsere Generation hat es da schon leichter. Wir holen uns die Infos einfach aus dem Netz. Piet und ich haben uns vorgenommen, bei solchen Begegnungen in Zukunft sensibler zu reagieren und das Gespräch nach Möglichkeit bei einem Kaffee auszudehnen. Manchmal ist man froh, wenn jemand einfach nur da ist und zuhört.
Übrigens, mein Sommerkleid musste ich bereits wieder in die Wäsche geben. Ich war nämlich noch bei meinem Bruder im Stall. Und ihr wisst ja sicher wie man nach so einem Besuch riecht. Als Entschädigung durfte ich zwei ganz junge Katzen beäugen. So schöne Dreifärber habe ich doch noch nie gesehen. Wenn es nach mir ginge, hätte ich gleich Beide mitgenommen. Aber die Arbeit bliebe an jemand anderem hängen. Also, Katze nur anschauen. Sobald ich ein Bild von den Büssis habe, werde ich es einfügen.
So, jetzt muss ich ins Bett. Ich habe Morgen noch einiges vor.
12. Ich sitze vor meinem PC und bin am Verfassen des heutigen Tagebucheintrages. Draussen ist es immer noch recht warm. Der Föhn / Südwind treibt das Thermometer nochmals etwas in die Höhe. In der Ferne höre ich ein dumpfes Grollen und ein Blick aus dem Fenster verrät mir, dass ein Gewitter im Anmarsch ist. Auf einmal rührt sich kein Blatt mehr an den Bäumen. Es kommt eine weisse Front auf uns zu. Blitze sausen vom Himmel zum Boden nieder. Plötzlich setzt Wind ein. Die Bäume wippen hin und her. Die Blätter an den Ästen scheinen vor Angst zu zittern. Nun setzt starker Regen ein. Die Regentropfen peitschen über den warmen Asphalt und führen freudig ihren Regentanz auf.
Das Ganze dauert knappe 15 Minuten und die Sonne macht sich hinter den Bergen schon wieder bemerkbar.
In dem Fall kommt ihr doch noch in den Genuss meines Tagesberichtes.
Güätä Morgä Rita, tönt es von der geöffneten Zimmertür her. Ebenfalls einen Guten Morgen murmle ich verschlafen der Spitexmitarbeiterin zu. Weil ich immer am Dienstagmorgen Physiotherapie habe, kommt die Spidi an diesem Tag jeweils früher vorbei.
Nach zwei Stunden habe ich die Spitex hinter mir und auch die 50-minütige Lymphdrainage abgeschlossen. Nun noch schnell einen Kaffee getrunken und dann nichts wie los. Wir wollen nämlich den Tierpark in Arth-Goldau aufsuchen.
Im Tierpark treffen wir uns mit Schwager und Schwägerin, mit Nichte und ihrem Mann und deren zwei Kindern. Es wird ein wunderschöner Nachmittag in der Natur. Viele Tiere laufen frei im Park herum. Die Kinder können die Tiere füttern und anfassen. Ganz gespannt können wir einen Bären beobachten, wie er aus dem Wasser steigt und im Dickicht verschwindet. Im gleichen Gehege enddecken wir auch noch einen Wolf. Es gibt hier so viele verschiedene Tiere, die man beobachten kann. Sehr beeindruckend sind natürlich die Bartgeier mit ihrer Flügelspannweite von 2.7 m. Der Park ist sehr naturgetreu belassen worden. Es gibt viele Feuerstellen, die zum Grillieren einladen. Rehe und Dammhirsche gesellen sich gerne dazu und wenn man nicht aufpasst, ist man schnell das Brot los. Oder ein Dammhirsch klaut. wie heute bei uns, aus dem offenen Rucksack einen Apfel und lässt es sich schmecken. Es gibt auch zwei Restaurant, Kinderspielplätze, genügend Toiletten / Behinderten-WC und die meisten Wege sind Kinderwagen und Rollstuhl tauglich.
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13. Ein bisschen Urner-Mundart für meine Leser aus Deutschland.
Kei Sunnä meh. Bärgä verstecket sich hinter dickä Wulchä. Äs schiffet vo obä nach abbä und vo lings nach rächts. Aues isch nass. Bäch rühsched wiä verruckt. Mängisch ghert mä, wiä ä Stei durs Bachbett durab rugälet. Meinsch, herts ächt nimmä üf rägnä? Isches midem Summer ächt verbi?
Vielleicht wisst ihr es. Viel Spass beim Übersetzen.
16. Ich sitze in einer Gartenbeiz und schaue zu wie sich der grosse Platz vor mir mit Motorrädern füllt. Ich habe mir einen super Platz geangelt. Von hier aus habe ich Sicht auf die ankommenden Bikes. Es sind vorwiegend Harley Davidson Maschinen. Eine schöner als die andere. Einige wurden mit viel Liebe fürs Detail umgerüstet. Keine Maschine ist gleich wie die andere. Immer mehr Biker fahren auf den Platz. Das Motorengedröhn ist Musik in meinen Ohren. Die Maschinen werden nun ordentlich in Reihen parkiert. Somit wird gewährleistet, dass man zwischen den Bikes flanieren kann. Einige fahren mit ihren Pocket-Bikes die Strasse rauf und runter. Später stossen auch noch die Speedfighterfahrer mit ihren Maschinen dazu. Den Lärm, den sie dabei verursachen ist ohrenbetäubend. Plötzlich steigt weiter oben in der Strasse Rauch auf und es stinkt nach Gummi. Das bedeutet, ein Biker malträtiert seinen hinteren Motorradreifen so lange, bis der Pneu platzt. Das nennt man einen Burnout.
Als ich später die Motorräder anschauen fahren will, habe ich keine Chance mit meinem Rolli durchzukommen. Das Städtchen Willisau ist total in den Händen der Motorradliebhaber.
Es war wunderschön mal wieder solch eine Veranstaltung zu besuchen und in alten Erinnerungen zu schwelgen. Sogar Petrus scheint die Biker zu mögen. Er lässt die Sonnenstrahlen direkt auf die Bikes zielen und dadurch kommen die verchromten Teile und die aufwändigen Tankmalereien erst recht zur Geltung.
19. Ich bin gefrustet. Das Bearbeiten meiner Homepageseiten funktioniert momentan nicht wie gewünscht. Manche Bilder lassen sich nicht einfügen und die Vorwort Seite wechselt beim Titel und beim Text die Position und die Farbe wie von Geisterhand. Irgendetwas geht da vor, nur weiss ich nicht was, wer, wie. Ich vermute, dass die Swisscom dahintersteckt. In den letzten Tagen hat diese nämlich Updates beim Homepagetool gemacht. Seither ist wie so oft der Wurm drin. Ich warte auch schon mehr als ein halbes Jahr darauf, dass sie die Kompatibilität (schwieriges Wort, aber tönt gut) zwischen der Windowsbildschirmtastatur und dem Homepagetool verbessern. Manche Funktionen kann ich gar nicht nutzen.
Als ich damals einen Homepagetool Anbieter suchte, schaute ich mich nach vertrauenswürdigen, langjährigen Firmen um. Ich entschied mich für die Swisscom, welche eine Schweizer Vorzeigefirma ist. Bei ihr dachte ich an Qualität, Know-how Effizienz und natürlich an guten Kundenservice. Leider ist ihr Image bei mir in letzter Zeit arg ins Wanken geraten.
Ich vermisse immer mehr die Qualität, die Verlässlichkeit und die Kundenorientierung bei unseren Schweizer Firmen. Was haben wir dann noch, wenn wir diese Werte verlieren.
Mein Sohn sagte mir letzthin. Weisst du, viele Arbeiter könnten schon Qualität abliefern. Doch mittlerweile wird wegen dem Kostendruck so viel Arbeit auf den Einzelnen abgewälzt, dass es kaum noch möglich ist den hohen Qualitätsstandart zu halten. Schade um unsere geschätzten Markenzeichen.
Werde mal abwarten. Vielleicht bewegt sich der Swisscom Support doch noch vorwärts. Ich kann jetzt nur hoffen, dass sich dieser Text veröffentlichen lässt.
20. Regen, Regen, Regen. Da bleibt man am besten im Haus. Und was macht so im Haus. Nei, nei, nid uder Bettdecki schlieffä. Aufräumen ist angesagt. Ihr denkt sicher wie ich das mache, da ich selbst keine Dinge aufheben und wegräumen kann. Wollt ihr Wissen wie ich das mache? Ich scheuche einfach meinen Mann von einer Ecke in die andere. Nein, nein, Spass beiseite. Aufräumen heisst für mich meinen Arbeitsplatz auf Vordermann bringen. Mein Arbeitsplatz ist für mich mein liebgewonnener PC. Ihr kennt das sicher alle. Man findet im Netz eine interessante Seite und denkt, man könnte diese noch mal brauchen und speichert sie ab. Mit der Zeit sammeln sich so Unmengen von Dokumenten an. Darum muss man halt zwischendurch ausmisten und Ordnung in die Ablagen bringen. Für solch eine Arbeit kommt so ein Regentag genau richtig.
Durch die Umstellung auf Explorer 9 funktionierte nebst anderen Dingen auch die Ansicht von meinem Google-Mail nicht mehr korrekt. Was habe ich nicht alles ausprobiert. Als alle meine Versuche fehlschlugen, kontaktierte ich das Google-Hilfeforum. Dort helfen User anderen Usern. Und sie hatten eine Lösung zu meinem Problem. Inzwischen weiss ich, dass Google-Mail noch nicht kompatibel mit Explorer 9 ist. Damit die Seite trotzdem korrekt angezeigt werden kann, hat man mir empfohlen Google-Chrom als Plug-In zu installieren. Und später hat mir auch noch mein Mann zwei, drei wertvolle Tipps gegeben. He Leute, ihr seid spitze. So funktioniert es. Ich freu mich richtig. Jetzt müsste nur noch die Swisscom die Probleme mit meiner Homepage lösen, dann wäre wieder alles Paletti.
Morgen gönne ich mir einen freien Tag und gehe die Sonne suchen. Bin gespannt, hinter welchem Hügel sie sich versteckt.
22. Konnte Gestern leider keine Sonne aus dem Süden bringen. Sie hat sich leider nur spärlich gezeigt. Wenn ich euch etwas abgegeben hätte, wäre ich selbst ohne Sonne dagesessen. Sorry, aber manchmal muss man Egoist sein.
Heute Morgen erhielt ich ein Mail von Swisscom, ich möge mit ihnen doch telefonisch Kontakt aufnehmen, um das Homepage Problem zu lösen. Wenn ich ihnen nicht schon öfters mitgeteilt hätte, dass ich wegen meiner Behinderung weder telefonieren noch mit ihnen sprechen könne, hätte ich mich vielleicht weniger aufgeregt. Ich möchte so viel wie möglich selbst erledigen. Es bräuchte manchmal einfach ein einfühlsames Gegenüber. Piet hat dann, nachdem ich ihm das Problem geschildert habe, liebenswürdigerweise für mich das Telefonieren übernommen. Faxit: Bei ihnen läuft alles korrekt, es müsse also an meinem PC liegen. Vorschlag Windows neu Installieren oder wieder mal den Browser wechseln. Letztes Jahr habe ich extra von Firefox zu Explorer gewechselt, weil die Homepage dort besser funktionierte. Mir ist die ständige Wechslerei zu blöd. Jetzt arbeite ich halt mit drei unterschiedlichen Browsern. Je nach Programm kommt der eine oder andere zum Zuge. Kommt halt davon, wenn man’s nicht gelernt hat. Aber so funktioniert es wenigstens wieder.
Ich weiss, dies ist zu PC-Spezifisch. Aber um meine Homepage betreiben zu können, muss ich mich mit solchen Technischen Dingen befassen. Und ihr wollt doch sicher wissen, wie ich meine Tage vertrödle.
Am Nachmittag habe ich mir einen Coiffeur Besuch gegönnt. Meine fertiggestylte Frisur gefällt mir danach nicht besonders. Ich sehe so brav und geschleckt aus. So will ich nicht sein. Dafür war die Kopfmassage ein Genuss und die Silberlocken sind verschwunden. Ja, ja, das Alter nagt halt. Meine Nachbarin war ebenfalls im Salon. Wir sprachen über den Sommer und dessen Temperaturen. Ich erzählte ihr, dass ich mich momentan mit zwei Bettflaschen ins Bett lege. Sie erwiderte wiederum, sie hätte Gestern beim Stricken kalt gehabt. Daher habe sie den Backofen eingeschaltet und dessen Tür geöffnet. Na ja, man muss sich zu helfen wissen.
In letzter Zeit bin ich ein wenig zum Nörgler mutiert. Ich rege mich über Dinge auf, die ich früher Gelassen hingenommen oder darüber hinweggesehen hätte. Ich glaube das hat mit meiner Krankheit zu tun. Mich nervt, wenn Dinge die zu erledigen wären, lange auf sich warten lassen. Mir geht vieles zu langsam. Es lässt mich manchmal fasst verzweifeln, dass ich in solche Prozesse nicht eingreifen kann. In solchen Momenten wird mir meine Behinderung und somit meine Hilflosigkeit stark bewusst. Solche Momente halten zwar nicht lange an, aber sie sind da.
Meine Aussprache lässt mich auch immer mehr im Stich. Ich kann mich nicht mehr so Wortgewand ausdrücken wie ich es gerne möchte. Ein Wort bedeutet nicht immer dasselbe. Die Tonlage, in welcher man das Wort ausspricht, ist von grosser Bedeutung. Das Wort kann dadurch eine andere Bedeutung erhalten. Bei einem Gespräch nehme ich die Wörter aus meinem Wortschatz, die ich noch einigermassen deutlich aussprechen kann. Damit man mich auch hört, muss ich die Wörter mit viel Luft aus der Kehle pressen. Das ich dabei nicht noch auf die Tonlage achten kann, ist wohl klar. Es kann vorkommen, dass es bei manchmal Leuten ein solches Wort in den falschen Hals gerät. Manchmal fehlt mir dann einfach die Luft, um dies klarzustellen. So bin ich heute unbeabsichtigter Weise auf die Füsse getreten (gerollt). Leider hatte ich keine Puste mehr, um das Ganze zu retten. Mein Besuch ist verstimmt aufgebrochen und ich blieb frustriert zurück. So fühle ich mich Behindert.
Früher habe ich gedacht, dass ich mit meinem Durchhaltewillen alles ändern könne. In letzter Zeit ist mir diese Magie jedoch abhandengekommen. Ob ich nochmal Kraft aufwenden soll, um diese Magie wieder aufzubauen weiss ich noch nicht. Sicher nicht mehr für alle Dinge.
23. Ich habe euch doch von den jungen Katzen berichtet, die auf dem Hof meines Bruders geboren wurden. Ich hätte sie doch am liebsten in meinen Rucksack gesteckt und mitgenommen. Doch das ging ja nicht. Dafür bekam ich Gestern ein Foto zugeschickt. Zu sehen ist die Kätzin mit ihren zwei dreifarbigen Jungen auf dem Obergaden (Heuboden).
Ich weiss noch nicht ob es Jungs oder Mädels sind. Aber so wie die Beiden aussehen tippe ich auf Mädchen.
Wenn ich zum Fenster hinaus schaue sehe ich die vielen Autos auf der Autobahn stehen. Mittlerweile beträgt der Stau vor dem Gotthardstrassentunnel 16 Km. Auch die Fahrt über den Gotthardpass geht nur schleppend vorwärts und die Alternativroute über den San Bernardino ist ebenfalls überlastet. Ich kann ja verstehen, dass alle in den Süden wollen. Bei uns schneit es in den Bergen bis 2000 m hinunter und im Tal bläst ein Wind. Der lässt Blätter von den Bäumen schneien. Man könnte meinen der Herbst halte Einzug.
Ich sehe gerade wie wieder ein Auto mit ausländischem Nummernschild in unsere Strasse einbiegt. Ich muss nicht lange warten bis das Auto wendet und wieder retour kommt. Das passiert schon den ganzen Tag so. Ich wohne nämlich an einer Sackgasse. Ich glaube, diese Autofahrer orientieren sich nach dem Navi. Da Heute alles verstopft ist und die Durchfahrt durch unseren Kantonshauptort Altdorf wegen einer Fernsehveranstaltung gesperrt ist, sucht das Navi nach Alternativen. Anscheinend ist das Navi dabei nicht wählerisch. Da muss halt auch mal ein Fussweg herhalten.
25. Judihui, war das heute ein herrlicher Tag. Die Sonne hat sich endlich mal wieder durch die Wolken gekämpft. Sie musste zwar immer wieder ihre Ellbogen einsetzen, um die Wolken beiseite zu schieben.
Als ich heute die Sonne bemerkt habe, steuerte ich meinen Rollstuhl sofort nach draussen, positionierte ihn in Richtung Sonne und nahm die Liegeposition ein. Endlich konnte ich wieder Sonne tanken. Das tut so gut. Leider habe ich nicht bemerkt wie intensiv die durchbrechenden Sonnenstrahlen sind. Daher sehe ich heute Abend wieder mal einer Tomate verdächtig ähnlich. Könnte ich nicht mal eine andere Frucht sein. Wie wäre es mit einer Nektarine. Die hätte mein Mann sowieso lieber als die Tomate. Ich glaube, ich verwandle mich schnell. Sonst muss ich heute sicher ohne Gutenachtkuss ins Bett.
27. Gestern war ich nach langer Zeit mal wieder in der Luzerner Altstadt. Es hat mich durch das Befahren der Pflastersteine ganz schön durchgeschüttelt. Ich habe schon befürchtet, dass ich Morgen vermehrt Faszikulationen (Muskelzuckungen) habe. Doch halb so schlimm. Ich habe heute nur leichten Muskelkater in den Oberschenkeln. Der Vorteil davon ist, ich weiss, dass da noch Muskeln vorhanden sind.
Als ich gestern so durch die Gassen fuhr fiel mir erst so richtig auf, wie viele Häuser mit Malereien und Stuck verziert sind. Manchmal ist man einfach blind und verpasst dadurch Bewundernswertes. Ich besuchte natürlich auch die vielen Geschäfte. Am liebsten stöbere ich in Krimskrams-Shops. In Kleidergeschäften halte ich mich nur kurz auf. Da meine Kleider und auch die Schuhe kaum abgenutzt werden benötige ich kaum Neues. Ich weiss, gar nicht typisch Frau.
Später habe ich noch das Seebecken aufgesucht. Diese Woche ist in Luzern das Blue Balls Festival. Ich hatte gehofft, etwas Musik aufschnappen zu können. Leider spielten die diversen Bands erst später auf. Dafür konnte ich durch die Stände streunen, welche rings ums Becken stehen. Diverse Waren- und Essstände ziehen mich in ihren Bann. Die vielen verschiedenen Gerüche stammen von den Multikulturellen Gerichte, welche angeboten werden. Am liebsten hätte ich von allem ein wenig probiert. Schlussendlich blieb es aber bei einem Kaffee. Als es dann zu regnen begann, sagte ich Luzern Auf Wiedersehen.
Gestern hatte mein Bruder wieder Glück im Stall. Dieses Mal müsste man zwar sagen, Glück auf der Wiese. Die trächtige Kuh Inertie wollte wohl mal was Neues ausprobieren und entschloss sich zu einer Freiluft-Geburt. Auf den folgenden Bildern sieht man, mit welcher Hingabe sich die Mutter um den Nachwuchs kümmert. Sie lässt ihren kleinen Muni nicht mal aus den Augen, als meine Schwägerin den Kleinen in den warmen Stall befördert.
29. Ich bin dabei meine Hilfsmittel zu aktualisieren. Das heisst mein Blattwendegerät und der Badewannenlift gebe ich der IV retour. Artikel, welche durch die IV bezahlt werden, müssen nämlich bei nicht mehr Gebrauch wieder beim IV Depot abgegeben werden. Somit können wiederum andere mit diesen Hilfsmitteln ausgestattet werden.
Mein Pflegebett wurde auch von der IV finanziert. Ich liess es vor ca. 2 Jahren auf eigene Rechnung auf Infrarotbedienung umrüsten, damit kann ich die Bettverstellungen mit meinem Umfeld-Kontrollgerät bedienen. Tasten kann ich schon seit geraumer Zeit nicht mehr drücken. Dafür fehlt mir einfach die Kraft in den Fingern. Da ich zusätzlich auf einer Wechseldruckmatratze liege und die Liegefläche dadurch unstabiler ist, besteht die Gefahr, dass ich beim Drehen aus dem Bett falle. Ich kann mich immer noch von der Seitenlage auf den Rücken drehen. Umgekehrt funktioniert es jedoch nicht mehr. Ich benötige nun ein Pflegebett welches zu meiner Sicherheit mit Seitenholmen (Gitter) ausgestattet ist. Da kein solches Bett im IV Depot vorhanden ist, muss ich selbst bei Hilfsmittelfirmen Offerten einholen und diese an die zuständige IV Stelle schicken. Diese entscheiden dann, ob sie einen Teil übernehmen. Ich hoffe sehr, sie erkennen, dass ich die Spezial-Ausführungen benötige.
Ich bin sehr froh, dass ich einen PC bedienen kann. So ist es mir möglich mit den Firmen und Behörden zu kommunizieren. Telefonieren geht schon lange nicht mehr. Das Gegenüber würde nur Bahnhof verstehen. Ich frage mich, wie dies die älteren Betroffenen machen, welche keine PC-Kenntnisse haben. Ist das ALS-Netz in der Schweiz schon so weit, um solche Menschen auffangen zu können?
Mein Mann benutzt seit dem REHA-Aufenthalt ebenfalls ein Hilfsmittel. Bei ihm ist es das Velo. Er ist fast täglich damit unterwegs. Leider hapert es immer noch mit der Belastbarkeit des Herzens. Nächste Woche werden wir sehen, ob sich immer noch Wasser auf dem Herzen befindet. Dies könnte vielleicht der Grund für die immer noch auftretenden Stolperer sein. Wenigstens sind die Wunden von der Operation sehr gut verheilt. Das andere bringen wir auch noch hin. Es braucht eben alles seine Zeit.
AUGUST
1. Heute wehen wieder viele kleine und grossen Kantons- und Schweizerfahnen in unserem Land. Vielerorts finden Märkte und musikalische Veranstaltungen statt. Es werden Reden geschwungen und Vorträge zum Besten gegeben. In den Bergen werden Höhenfeuer angezündet. Und am Abend, wenn es dann dunkel wird, erhellen tausende Feuerwerkskörper den Himmel.
Heute wird nicht gearbeitet. Die Geschäfte bleiben geschlossen. Wir feiern unseren Nationalen-Feiertag. Und ich feiere mit.
Ich wünsche mir, dass die Schweiz immer eine Insel sein wird, um jene Menschen aufnehmen zu können welche in ihrem eigenen Land unschuldig verfolgt und vertrieben werden.
Ich wünsche mir, dass sich die Schweiz ihrer Neutralität besinnt und somit Platz bietet für Kommunikationen zwischen anderen Staaten.
Ich wünsche mir, dass uns Schweizern steht’s bewusst ist, wie gut wir es getroffen haben indem wir in dieses Land hineingeboren wurden.
Was für ein schöner Morgen. Die Sonne lacht mit all ihren Strahlen in mein Zimmer. Ich würde gern noch länger mit ihr flirten, doch ich habe heute ein vollgepacktes Programm. Die Spitex erscheint bereits um 7.45 Uhr um mich zu duschen. Danach besucht mich meine Physiotherapeutin und malträtiert meinen Körper eine Stunde lang. Nun endlich komme ich zu meinem Kaffee und zu meinem Konfibrot. Es dauert nicht lange und mein Mann drängt zum Aufbruch. Also rein ins Auto und losgefahren. Es geht Richtung St.Gallen in die ALS-Klinik. Dort werde ich von meinem Neurologen und einer Pflegefachfrau zu meiner halbjährlichen Verlaufskontrolle erwartet.
Bevor wir aber dort eintrudeln, müssen wir unseren Hunger stillen. Da ein IKEA direkt an der Strecke liegt und wir so gerne diese Köttbullar (Fleischbällchen) verspeisen, kehren wir dort ein.
Die Untersuchungen und die Besprechungen bei der Verlaufskontrolle dauern rund 2 Stunden. Das Fazit; keine nennenswerten Verschlechterungen, ausser bei der Sprache. Die wird von Mal zu Mal undeutlicher und leiser. Wir haben auch noch mal über meinen lästigen Brechreiz gesprochen, welcher an manchen Tagen das Zähneputzen verunmöglicht. Ausserdem sollte ich mal wieder zur Zahnkontrolle. Wenn ich jedoch nur daran denke, man könnte mit irgendeinem Gerät zu nahe an den Gaumen geraten löst dies bei mir bereits Brechreiz aus. Ich versuche es jetzt noch mal mit der Tablette Temesta und mit Körperbeherrschung. Es ist nämlich meistens reine Kopfsache. Ich kann nur allen ALS-Betroffenen raten, so früh wie möglich alle Zähne in Ordnung zu bringen. Eventuell könnte man die Zähne sogar versiegeln lassen. Müsste man nachfragen.
Ansonsten probiere ich Neu ein Medikament für die Blase aus. Meistens funktioniert sie ja mustergültig. Es kann aber schon hin und wieder vorkommen, dass sie sich spontan bemerkbar macht und es dann kaum mehr ein Halten gibt. Das kann ebenfalls zur ALS gehören. Ich werde das Medi mal testen. Mal schauen was es bewirkt.
Zum Schluss haben wir noch über das unverständliche Verhalten meiner Krankenkasse der CSS, betreff meines nicht bewilligten REHA Aufenthaltes gesprochen.
Dann ging es wieder in zweistündiger Fahrt Nachhause. Nun bin ich todmüde und habe kaum noch Stimme. Ob ich mir wohl Zuviel zugemutet habe? Ich denke, eine Nacht Schlaf und ich bin wieder topfit.
5. Ich wollte heute Nachmittag wieder mal eine Rolli -Tour an den See machen. Doch, wie könnte es auch anders sein, es hat wieder angefangen zu regnen. Langsam wird es mühsam. Ich wünschte mir mal wieder zwei, drei sonnige Tage am Stück. Es könnte ja in der Nacht regnen, da hätte sicher niemand was dagegen. He Petrus, wäre dies nicht machbar?
Gestern haben wir nochmals die Gelegenheit genutzt und sind in den Süden gefahren. War das herrlich. Die Sonne schien von Frühmorgens bis Spätabends. Es war sehr warm und wir durften dauernd trinken. So gerne hätte ich grosse Schlucke aus einem Glas genommen und das kühle Nass die Kehle runter laufen lassen. Doch nix da. Schön langsam und sachte muss ich die Erfrischung mittels eines Trinkhalmes in den Mund befördern. Um meinen Durst löschen zu können muss ich etliche Male am Trinkhalm ziehen. Andere wären in der Zwischenzeit schon längst verdurstet. Ich glaube, unsere Krankheit lehrt uns, uns in Geduld zu üben und unser Verlangen zu unterdrücken.
Ich verliere in letzte Zeit vermehrt Haare. Diese fallen nicht einfach auf den Boden. Nein, nein. Bei mir klammern sie sich am liebstem im Gesicht, in den Ohren, an den Augenbrauen, am Hals und auf den nackten Armen fest. Solche Haare können mich Piesacken. Ich würde sie ja gerne entfernen, doch dies kann ich nicht mehr. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als solche Dinge zu ignorieren. Wenn ich Leute beobachte und sehe wie oft sie sich kratzen oder ein Haar wegstreifen denke ich zu mir; ich habe meine Körperempfindungen gar nicht schlecht im Griff. Gestern Abend konnte ich sogar, ohne dass sich wieder dieser doofe Brechreiz bemerkbar gemacht hat, alle meine Zähne auf Hochglanz polieren. Und dies ohne entsprechende Medis. Werde weiter an mir arbeiten.
Nächste Woche geht wieder der Alltag los. Mein Mann beginnt wieder mit der Arbeit. Vorerst einmal 50%. Beim heutigen Untersuch hat sich gezeigt, dass das Wasser in den Herzschleimbeuteln leicht zurückgegangen ist. Bis alles weg ist, könne es laut Arzt, noch lange dauern. Aber eine Verbesserung ist da. Ich vermisse jetzt schon die frischen Gipfeli mit Anken, Konfi und Käse am Morgen. Muss ich mich wohl oder übel wieder mit Joghurt zufriedengeben. Naja, solange es Mocca- oder Schoggijoghurt sind ist’s in Ordnung.
Jedenfalls geniesse ich jetzt noch den Rest der Woche mit meinem Mann und bin froh, dass alles so gut für ihn gelaufen ist.
7. Ich würd ja gärn vo mienä Üsflig brichdä, nur bi dem Sch….wetter chan ich ja gar nid Früsä. Aber ich chend ich einischt zeigä wiä mis Zimmer und mis Bürö üsgsehnt. Mit griäner Farb a dä Wänd han ich miär Natürfieling is Zimmer zäuberet. Diä vilä Fenster länd viü Liächt und Sunnä innä. Das riesä grossi Margritli vo a einerä Wand hanged, ziät ä ganz ä hüffä Flighouterä a. Ich has si zletsch mau zelt. Äs sind geneu 48 Stuck. Und sät sich einischt ä vorwitzigä Vogu i mis Zimmer verirrä, so hät ich ihm de nu äs wunderscheens Voguhysli zum bewohnä azbiätä. I mim Zimmer chan ich immer wieder üfdankä und mich samlä. Ich gläube, jedä brücht ä sonä Rückzugsort. Jedä brücht si Inslä.
Und jetzt alles noch mal in Hochdeutsch.
Ich würde ja gerne von meinen Ausflügen berichten, nur bei dem Sch….wetter kann ich ja gar nicht ins Freie. Aber ich könnte euch einmal zeigen wie mein Zimmer und mein Büro aussehen. Mit grüner Farbe an den Wänden habe ich mir Naturfeeling in das Zimmer gezaubert. Die vielen Fenster lassen viel Licht und Sonne herein. Die riesengrosse Margerite, welche an einer Wand hängt, zieht ganz viele Schmetterlinge an. Ich habe sie letzthin mal gezählt. Es sind genau 48 Stück. Und sollte sich einmal ein vorwitziger Vogel in mein Zimmer verirren, so hätte ich ihm dann noch ein wunderschönes Vogelhäuschen zum Bewohnen anzubieten. In meinem Zimmer kann ich immer wieder auftanken und mich sammeln. Ich glaube, jeder braucht einen solchen Rückzugsort. Jeder braucht seine Insel.
Seid ihr schon gespannt auf die Bilder? Hier sind sie.
11. Nachdem ich heute bereits am dritten Morgen mit Migräne aufwachen darf, beschliesse ich erst gar nicht aufzustehen. Ich muss mich erst mal kurieren. Damit mein Zimmer abgedunkelt bleibt. lassen wir die Jalousien geschlossen. Trotzdem schaffen es einige vorwitzige Sonnenstrahlen mich in meinem Zimmer zu besuchen. Im Laufe des Tages dringen wohlriechende Düfte durch die Ritzen der Jalousien. Es duftet nach Gras, welches sich von Stunde zu Stunde in knisterndes Heu verwandelt. Es duftet nach Sommer und ich möchte ein Teil davon sein.
Morgen fahre ich raus. Im Notfall lasse ich meinen Kopf auf dem Kissen liegen und fahre Kopflos durch den Sommer.
So, nun muss ich mich wieder etwas schonen. Im Liegen zu schreiben ist anstrengend.
12. Damit ich wieder zu Kräften komme und die nervige Migräne endlich verschwindet, hat mir Piet gestern Abend eine zünftige Haferflockensuppe mit viel Zwiebeln und Knoblauch zubereitet. Allem Anschein nach hat sie geholfen. Jedenfalls durfte ich heute Morgen ohne die Migräne aufwachen. Und was blinzelt durch die Jalousien; die Sonne natürlich.
Bevor ich aber ins Freie durfte musste ich zuerst mein Programm abarbeiten. Um halb Neun erschien meine Physiotherapeutin in Begleitung ihrer beiden Töchter. Wir haben den Mädels mal versprochen sie dürften einmal bei einer Therapiestunde dabei sein. Da noch Schulferien sind, hat dies heute gut geklappt. Die Beiden waren natürlich neugierig. Gerne habe ich ihnen den Nutzen der diversen Apparaturen und Geräte in meinen Räumen erklärt. Sehr gefreut hat mich, dass sie sich ohne Scheu in meinen Rollstuhl gesetzt haben. Das habe ich schon anderes erlebt. Für einige ist der Rollstuhl ein unangenehmes und unannehmbares Ding. Die beiden Mädels hatten jedoch keine Scheu sich mit den fremden Dingen auseinanderzusetzen. Nur wer fragt und sich traut neue Dinge auszuprobieren, kommt auch im Leben weiter. Ich fand diese Stunde zu viert sehr unterhaltsam und lebendig.
Schlag auf Schlag geht es weiter. Die Spitex macht mich für den Tag bereit und gibt mir das Morgenessen und meine Drogen ein. Dann muss ich noch schnell den IV-Antrag für das Pflegebett auf dem PC fertigstellen und ausdrucken. Aber immer, wenn man sich beeilen möchte, klemmt es sicher irgendwo. Mein Drucker spinnt, er will nicht drucken. Ich muss wohl oder übel auf meinen Mann warten. Selbst herum hantieren kann ich ja nicht.
Nach dem Mittagessen kann ich endlich an die Sonne. Doch Stopp, ich sollte nicht gleich an die pralle Sonne. Ich setze mich unter den Sonnenschirm. Das Risiko einer erneuten Migräne-Attacke will ich nicht eingehen. So blieb ich halt die meiste Zeit unter dem Schirm. Dabei hätte ich so gerne zugeschaut, wie mein Bruder mit seiner Familie das viele Heu im steilen Bord zusammenträgt. Ich hätte so gerne mitgeholfen, doch das geht jetzt nun mal nicht mehr. Aber ich denke, sie haben es auch ohne mich geschafft.
Jetzt hoffe ich, Morgen ist auch wieder ein Sonnentag. Viele Bauern haben immer noch viel Heu am Boden.
13. Heute lädt uns das Wetter zum Sünnelä ein. Also schnell die kurzen Schläuche angezogen, ein Caps auf den Kopf und nichts wie raus. Ich drehe meinen Rollstuhl Richtung Sonne und stelle ihn auf Liege Position. So lässt es sich leben. Doch auf einmal wird es dunkler. Es wird sich doch nicht etwa eine Wolke vor die Sonne geschoben haben. Langsam öffne ich meine Augen. Und was sehe ich da; mein Mann, die Spassbremse hat mir einen Sonnenschirm verpasst. Ich weiss schon warum er dies tut. Er will einmal in einem Sommer brauner sein als ich. Also lasse ich ihn gewähren.
Natürlich wurde am Mittag gegrillt. Der Cervelat mundete ausgezeichnet, obwohl es keine Ostschweizerische war. Am Nachmittag hatten wir Lust auf ein wenig Kreatives arbeiten. Als wir letzthin am See waren, sammelten wir flache Steine und Schwemmholzstücke. Mit diesen Materialien und einem Stück Schnur, hat Piet ein Mobile für Draussen gebastelt. Er weiss zwar noch nicht ob es ihm gefällt. Ich glaube aber, sobald er sieht wie sich die einzelnen Stücke vom Wind unterschiedlich drehen lassen, wird er ebenfalls begeistert sein. Da wir die meisten Materialien aufgebraucht haben, sind wir mit Velo und Rolli losgefahren, um Neues Material zu sammeln. Man weiss ja nie, vielleicht kommt Piet noch auf den Geschmack.
Bald neigt sich der Tag dem Ende zu. Ich drehe zum Abschluss noch eine Runde ums Haus. Plötzlich merke ich das mit meinem hinteren rechten Rollstuhlrad nicht stimmt. Ich fahre vorsichtig zu meinem Mann und bitte ihn nachzuschauen was los ist. Ich habe mir einen Plattfuss eingefangen. Piet sieht den Übeltäter sofort und zieht ihn heraus. Ich habe mir einen Nagel eingefahren. Aber es ist nicht einfach ein gewöhnlicher Nagel. Nein, es ist ein langer, gedrehter, wunderbar rostiger, alter Nagel. Was nun? Sollen wir jetzt ebenfalls dieselbe Flicktechnik anwenden wie unser Sohn vor zwei Wochen.
Er war auf einer Velotour. Geschlafen hat er im Bus auf einem Brett mit Luftbett darauf. In der Nacht wachte er auf, die Unterlage drückte. Das Luftbett war flach, die Luft war draussen. Also neu aufblasen und weiterschlafen. Kurze Zeit später die gleiche Situation. Nun wird nach dem Loch gesucht und auch gefunden. Das Loch in der Nacht professionell zu flicken stinkt ihm. Also kurz überlegt. Dann einen Kaugummi in den Mund und kräftig durchkauen. Herausnehmen, auf das Loch kleben und mit Klebestreifen fixieren. Nun das Luftbett erneut aufblasen und ohne Störung bis zum anderen Morgen ruhig schlafen. Da kann ich nur sagen; Mc Gyver lässt grüssen.
Da überlasse ich meinen Pneu dann doch lieber meinem Mann. Da gehe ich auf Nummer sicher.
15. Die Sonne scheint den heutigen Feiertag nicht zu mögen. Warum sollte sie sonst dem Regen den Vortritt lassen. Heute kann ich wenigstens das Fenster neben meinem PC gekippt lassen. Gestern hat es so geschmeitzt (D?), dass sogar mein PC einige Spritzer abbekommen hat. Auch mich sprangen einige Regentropfen an und benetzten meine Haut. Einigen Windböen gelang es sogar, sich an den Fensterscheiben vorbei zu schlängeln. Mit unbändiger Freude zerzausten sie darauf hin meine Haarfrisur. Aber was soll’s, ich habe es genossen bis meinen Mann kam und den Regen und den Wind aussperrte.
Während ich am PC sitze, höre ich den Dorfbach rauschen. Er fliesst direkt an unserem Grundstück vorbei. Nach dem intensiven Regen kann er sich endlich wieder einmal Gehör verschaffen. Er darf es nur nicht übertreiben.
Ich habe heute die neue Seite DGM Forum Forschung eingefügt. Hier geht es um Forschungsberichte mit Dialog. Des Weiteren wollte ich, dass Musik ertönt, sobald meine Startseite geöffnet wird. Damit könnte ich meine Besucher mit Musik begrüssen. Ich habe das leider noch nicht hingekriegt. Wenn ihr jedoch das Willkommen anklickt, spielt Musik. Ausserdem habe ich ein anderes Titelbild von mir eingestellt. Ihr seht, untätig bin ich fast nie. Es macht mir einfach Spass Neues auszuknobeln auch wenn ich manchmal die Wände hochkönnte. Zum Glück sieht mich niemand, wenn ich gerad in solch einer Situation stecke.
17. Geniest ihr das herrliche Wetter auch so wie ich. Ich habe den ganzen Nachmittag in der Sonne gelegen. Natürlich halb unter dem Sonnenschirm. Schliesslich war der Chef anwesend. Um mir etwas Abkühlung zu verschaffen, drehte mein Mann den Gartensprinkler auf. Ich platzierte meinen Rolli extra daneben. So bekam ich immer wieder einige Wassertröpfchen auf die Haut. Das fühlte sich fantastisch an. Am liebsten wäre ich samt dem Rolli unter den Sprinkler gefahren. Nur das wollte ich dann doch nicht riskieren. Ich muss mir für Morgen überlegen, wie ich sonst noch zu meiner Freiluftdusche komme.
Soeben, um 20.30 Uhr bin ich retour von meiner Abend-Tour zum See. Mensch, waren da Leute unterwegs. Einige schwammen, einige spielten Beachvolleyball und andere beteiligten sich an den Urner-Abendläufen. Viele sassen auch einfach nur zusammen am See oder grillierten gemeinsam. Es war eine lockere, friedliche Stimmung. Eigenartig, wie schönes Wetter auf uns Menschen wirken.
Bei mir wirkt es auch langsam. Schnell noch meinen Milchkaffee austrinken und dann ab in die Heia.
18. Irgendwie sind die Insekten in diesen Tagen stechfreudiger geworden. Vorgestern hat mich so ein Viech unterhalb des linken Knöchels gestochen. Nun schwelt der Fuss von Tag zu Tag mehr an. Es juckt und brennt. Momentan habe ich einen kalten Lappen auf dem Fuss und halte ihn hochgelagert. Das Blut pocht dann weniger im Fuss. Dann hat mich Gestern auch noch ein zweites Ungeheuer in den Bauch gebissen. Wahrscheinlich war es eine zänkische Ameise. Jedenfalls hatte ich heute Morgen eine mit Flüssigkeit gefüllte Blase auf dem Bauch. Also, ich bin ja wirklich ein Tierfreund. Aber wenn ich gekonnt hätte, hätte es diesmal Klatsch gemacht. Heute habe ich vorgesorgt. Ich wurde von Kopf bis Fuss mit Antibrum eingesprüht.
Am Nachmittag war ich noch kurz auf dem Bauernhof meines Bruders. Unter dem Nussbaum zu sitzen und zusammen Kaffee zu trinken und zu quatschen geniesse ich sehr. Es hätte heute auch frisch gepressten Most gegeben. Mir als Rollifahrer erschien das Risiko zu hoch, schnell auf die Toilette gehen zu müssen. Also blieb ich beim Ürner Schwarzem. Bei geselliger Runde kann es schon vorkommen, dass der eine oder andere auf spezielle Ideen kommt und zur Unterhaltung beiträgt.
21. Heute vor 10 Jahren hat sich mein Leben auf einen Schlag verändert. Nachdem ich während einem halben Jahr diverse Untersuchungen über mich ergehen lassen musste, teilte mir damals der Neurologe aus Luzern die Diagnose ALS mit. Ich hatte null Ahnung was diese Diagnose bedeuten würde.
Heute, nach über 10 Jahren des Betroffen seins, weiss ich was es bedeutet an ALS erkrankt zu sein. Ich musste meine Zukunftspläne komplett über den Haufen werfen. Das ging aber nicht nur mir so. Mein Mann und mein Sohn waren genauso betroffen. Was soll man da noch planen, wenn man mit grösster Wahrscheinlichkeit in 3 – 5 Jahren nicht mehr da ist. Sicher, niemand weiss wann er gehen muss. Ich glaube jedoch, es ist schon noch ein wenig anders, wenn einem der ungefähre Todeszeitpunkt bekannt gegeben wird.
Anhand der überlebten Jahre weiss ich mittlerweile, dass ich eine langsam fortschreitende Form der ALS habe. Ich zähle zu den ca. 5% Betroffenen, welche diese Krankheit 10 Jahre und mehr überleben. Obwohl die Behinderungen in den vergangenen Jahren stets zugenommen haben, bin ich doch überglücklich über die geschenkten Jahre. Meine Zukunftswünsche nach der Diagnose gingen dahin, zuerst einmal die 3 Jahre zu überleben. Mittlerweile durfte ich auch das Fünf- und das Siebenjährige Etappenziel hinter mir lassen. Und heute durchtrenne ich das 10-jährige Ziel und nehme die nächste Etappe in Angriff.
Hier sind einige Eckdaten in meiner ALS Laufbahn.
2001: Im Januar bemerkbare Schwäche in der linken Hand
2001: Im August die Diagnose ALS
2002: Reduktion des Arbeitspensums
2003: Aufgabe der Arbeitsstelle, 100% IV-Rentnerin
2004: Beine verlieren an Kraft, Anschaffung eines Rollstuhls
2005: Spitex übernimmt Teil der Pflege
2008: Finger sehr schwach, Anschaffung eines Umfeld-Kontrollgerätes
2009: Atemmuskulatur wird schwächer.
2000: Nachlassen der Stimme.
Heute im Jahr 2011 atme ich immer noch selbstständig. Ich komme noch ohne einen Atem unterstützendes Hilfsmittel aus. Das Essen und Trinken, welches mir eingegeben wird, kann ich noch kauen und schlucken. Ich kann ein Teil meiner Korrespondenz mittels Bildschirmtastatur selbstständig übers Internet erledigen. Und mit meinem E-Rollstuhl kann ich alleine diverse Streifzüge in der Natur unternehmen.
Meiner Psyche geht es meistens gut. Wenn nicht, liegt es meistens an meiner Ungeduld. Ich möchte am liebsten alles sofort. Vergesse dabei manchmal, dass andere auch nur zwei Hände haben. Und wer meint, bei uns in der Familie sei immer alles Heile Welt, der irrt. Diese Krankheit verlangt enormes Engagement und Einfühlungsvermögen von den Angehörigen. Mein Mann beteiligt sich nebst seinem 100% Job, noch bei meiner Pflege und Betreuung. Mein Sohn unterstützt ihn so gut es geht.
Heute möchte ich meinen liebsten Beiden einmal von Herzen Danke sagen. Wenn ich euch nicht an meiner Seite hätte, wüsste ich nicht, ob ich so lange durchgehalten hätte. Ich liebe euch.
Ich danke auch all jenen Menschen, die mich bis hierher begleitet haben. Dankeschön.
So, nun stosse ich auf die nächsten 10 Jahre an und hoffe, die Forscher finden bald ein Pülverchen gegen diese Krankheit.
22. Gestern am Abend schickte mir ein "Neffe" ein Mail mit einem Link. Als ich den Link öffnete keimte in mir Hoffnung auf. Sollte tatsächlich der Durchbruch in der ALS-Forschung gelungen sein? Wenn ja, wie viele Jahre wird es brauchen, um ein wirksames Mittel herzustellen? Werde ich es noch erleben dürfen? Jedenfalls war diese Nachricht das schönste Geschenk zu meinem Jubiläum. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zu Letzt.
23. Läck isch das ä Hitz. Und uber d‘Nacht isch nu dr Feen innäghit. Das cha ja heiter wärdä. Ich hangä jetz scho bständig am Rehrli und la mi mit Ice-Tee voll läuffä. Chänd mä diä Wärmi doch nur irgendwiä ifah, um sie de a chälderä Täg wieder üsä zla.
Ich habe sehr gerne warm. Doch jetzt ist es sogar mir zu heiss. Ich habe das Gefühl, alle Poren auf meiner Haut haben sich geöffnet und entladen die überschüssige Flüssigkeit über meinen ganzen Körper. Heute habe ich extra nur wenig angezogen. Doch das scheint noch zu viel zu sein. Die Kleider fühlen sich feucht an und kleben am Körper. Schön wäre es, ich könnte schnell zum See fahren, um hinein zu jucken. Träumen darf man ja.
Wenigstens ist es am Abend in meinem Zimmer ein wenig kühler. Wir mussten, in dem wir die Jalousien und die Fenster geschlossen halten, meine geliebte Sonne aussperren. Dafür hält sich schon seit drei Tagen ein Marienkäfer in meinem Zimmer auf. Es lässt sich nicht bewegen das Freie aufzusuchen. Mir soll’s recht sein.
Am Freitag wurde mein neues Pflegebett geliefert. Nun kann ich mich in der Nacht herumwälzen ohne Angst zu haben, ich könnte aus dem Bett fallen. Piet hat zusätzlich den Bettgalgen mit einer Halterung für mein Umfeld Kontrollgerät Tobii versehen. Nun kann ich das Ganze hin und her schwenken, sodass es weder der Spitex noch der Physiotherapeutin im Weg steht. Ist eine tolle Sache. Nun bin ich nur noch gespannt, ob die IV die Kosten für das Pflegebett übernehmen wird. Wir werden sehen.
Für alle Interessierten. Das Pflegebett Belluno ist bei der Firma Sodimed auch mit einer Infrarotsteuerung erhältlich.
Bald sind die gemeinsamen Nachmittage mit meinem Mann vorbei. Das Belastungs-EKG war soweit zufriedenstellend, dass er im September wieder 100% arbeiten gehen kann. Es ist natürlich erfreulich, dass es ihm wieder so gut geht. Doch ich bräuchte ihn auch bei mir zu Hause.
Zum Glück lies es das Wetter zu, dass wir doch den einen und anderen Ausflug zusammen unternehmen konnten. Wie am letzten Samstag, wo wir mal wieder mit dem Schiff unterwegs waren. Wir waren aber nicht allein auf dem See. Es tuckerten und tummelten sich allerlei Arten von Fortbewegungsmittel auf dem See herum.
Nachtrag: Als wir an diesem Tag auf dem Schiff waren spielte sich vor unseren Augen eine Szene ab, die uns so zum Lachen brachte, dass sogar mein Mann Tränen in den Augen hatte. Zwei junge Mütter sassen mit ihren 3 und 6-jährigen Mädchen auf der Schiffsbank uns gegenüber. Die beiden Mädchen löffelten ihre Glace in den Mund. Plötzlich musste das Jüngere niesen. Das andere Mädchen erstarrte zur Salzsäule. Sein Gesicht, sein Hals und seine Oberarme waren voll von Glace Spritzern. Das alles hat so komisch ausgesehen, wir mussten einfach loslachen. Zum Glück fand es das betroffene Mädchen gar nicht so schlimm, sodass es nach einer Weile selbst darüber lachen konnte. Ich selbst musste mich danach ständig mit etwas ablenken, damit ich die Szene nicht ständig vor den Augen hatte und gleich wieder loslachen musste. Meinen Mann durfte ich erst gar nicht anschauen, sonst hätten wir Beide wieder losgelacht.
Wie sagt man noch gleich. Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist …………?
27. Den gestrigen Nachmittag verbrachte ich auf dem Balkon. Ich positionierte mich dicht hinter den Windschutz. Bei uns hat sich nämlich der Föhn (Südwind) mit über 100 Km/h kräftig ausgetobt. Er trieb die Temperaturen nochmals so richtig in die Höhe. Mir hat unser Nussbaum leidgetan. Immer wieder fuhr eine Böe in den Baum und hat ihn kräftig durchgerüttelt. Er wurde auf alle Seiten gebogen und manchmal dachte ich, gleich bricht ein Ast. Doch dank seiner Biegsamkeit schaffte es der Föhn lediglich, ihm ein paar Nüsse zu entreissen. Ein kräftiger Baum ist eben nicht hart. Er ist weich und biegsam.
Als ich so im Rollstuhl lag, konnte ich am Himmel die herannahenden Wolken beobachten. Zuerst waren es nur kleine, unschuldig weisse Schleierwolken die sich kurz zeigten. Sie kamen mir vor, als wären sie Späher. Einige Zeit später tauchten dann schon etwas grössere, weissgrau gemischte Wolken auf. Es könnte die Vorhut gewesen sein. Stunden später tauchen immer mehr Wolken am Himmel auf. Sie verdichten sich und ziehen in gemächlichem Tempo über mich hinweg. Es kommt mir vor wie in den UFO Filmen, wo sich die Raumschiffe über einen Ort legen. Doch die Wolken ziehen weiter und bis auf ein paar Tropfen kriege ich nichts ab.
Dafür werde ich in der Nacht aus dem Schlaf gerissen. Draussen blitzt und donnert es unaufhörlich. Anscheinend sind die Raumschiffe zurückgekehrt. Ich liege lange wach und höre gespannt dem Spektakel zu.
Am Morgen dann die Überraschung. Ein Blick aus den Fenstern genügt. Die Bergspitzen haben über Nacht die Farbe gewechselt. Die Schneeflocken haben sie weiss überzogen. Und der Temperatursturz von 20% hat die Luft gewaltig abgekühlt. Also sind heute wieder lange Hosen angesagt.
Doch der Sommer ist sicher noch nicht vorbei. Auch wenn das Bild unten was anderes zeigt.
Damit ich auch jetzt die Wärme des Sommers in mir spüre, habe ich mir während des Schreibens einen 30% Manderinenlikör genehmigt. Mmh der ist aber süss und klebrig. Den mag ich.
31. Da der Sommer wieder zurückgekehrt ist sitze ich mehr draussen als vor dem PC.
Ganz untätig war ich aber doch nicht. Heute habe ich z.B. die Navigationsleiste auf meiner Homepage ein wenig umgestellt. Ich habe manche Artikel entfernt (Musik) oder neu zugeordnet.
Am besten klickt ihr euch mal wieder durch die Navigationsleisten.
Ansonsten, bis bald.
SEPTEMBER
1.Äs herbstelet immer meh. Wenn ich am Morgen aus den Fenstern schaue realisiere ich, dass der Herbst nicht mehr fern ist. Langsam verwandelt sich die Natur. Das satte Grün verblasst zunehmend. Die Blätter an den Bäumen und Sträuchern schmücken sich mit den Farben gelb, orange und mit diversen Brauntönen. Auch unser alter Pflaumenbaum sieht täglich anders aus. Und die Linde an der Strasse bekommt immer mehr gelbe Flecken am Laub. Viel braucht es nicht um diese Blätter vom Baum fallen zu lassen. Da genügt schon ein kleiner Windhauch. In dieser Zeit müssen wir auch aufpassen, wenn wir uns unter unserem Nussbaum aufhalten. Immer mehr Nüsse lösen sich von den Ästen und fallen zu Boden. Wer fängt sich schon gerne eine Kopfnuss ein. Aua!
Man fühlt schon, dass es am Morgen und am Abend kühler wird. Es wird auch bereits wieder früher dunkel. Aber während des Tages, wenn die Sonne scheint, sind die Temperaturen noch immer sommerlich warm. Ich hoffe sowieso auf einen wunderschönen Indian-Summer.
Damit ich ja nicht vergesse mich der Jahreszeit entsprechend anzuziehen und um mich in die farbenfrohe Zeit einzustimmen, hat mein Mann meinem Monitor einen Herbstblätterrahmen verpasst. Ich war total überrascht und freue mich jeden Tag an diesen farbigen Blättern.
Weil ich gerade so in Herbststimmung bin, habe ich die Farben meiner Homepage gleich der Jahreszeit angepasst.
7. Manchmal sitze ich nur da und schaue aus dem Fenster. Es tut mir gut, meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Ich kann über das Leben und die Welt nachdenken. Manche Gedanken können mich schon auch traurig stimmen. Meine Krankheit hat mir schon vieles aus meinem Leben weggenommen. Wie gerne würde ich einfach vom Rollstuhl aufstehen und dorthin laufen, wohin es mich gerade zieht. Ich möchte etwas aus dem Kühlschrank nehmen können, auf was ich gerade Lust habe. Wie würde ich es geniessen, wieder mal einen Apfel in die Hand nehmen zu können, um danach genussvoll reinzubeissen. Oder wenn ich Durst habe, den Wasserhahn aufzudrehen, um ein Glas zu füllen. Dieses kühle Nass könnte ich dann, ohne Angst vor dem Verschlucken, die Kehle hinunterlaufen lassen. Wie gerne würde ich meine Familie mit einem guten Essen oder einem selbst gebackenen Kuchen verwöhnen. Es macht mich traurig, dass ich sie nicht mehr hegen und pflegen kann.
Aber diese traurigen Gedanken halten meistens nicht lange an. Es genügt, wenn ein überreifes Lindenblatt vor meinem Fenster, die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ich sehe, wie es sich vom Ast löst und kunstvoll zum Boden schwebt. Das zaubert sofort ein Lächeln in mein Gesicht und meine Gedanken fangen an zu träumen. Ich stelle mir dann einfach vor, ich könne all die Dinge wieder machen, die mir die Krankheit genommen hat. Mir tun diese Tagträume sehr gut. Sie heilen meine Seele und meinen Geist.
13. Hello Leute, ich bin wieder am Schreiben. Ich hatte mir eine Tagebuch-Auszeit genommen, um über gewisse Dinge in Ruhe nachdenken zu können und zu verarbeiten. Es gibt Dinge im Leben, die sind nicht immer so schön. Aber auch mit solchen Ereignissen muss ich lernen fertig zu werden. Ich lasse mir die Freude am Leben nicht durch Streithähne zerstören. Das Leben und der Planet auf dem wir Leben ist so wunderbar. Am liebsten würde ich für immer hierbleiben.
Gestern begleitete mich der Vollmond in den Schlaf und heute Morgen wurde ich von der Sonne aufgeweckt. Ich dachte gleich, heute würde wieder ein herrlicher, warmer Herbsttag sein. Für mich war somit klar, dass kurze Hosen angesagt sind. Die Spitex hat mir dann auch gleich die Sommersachen zusammengestellt. Ich weiss nicht, ob es Nachwirkungen vom Vollmond waren. Beim Anziehen der Kleider viel mir plötzlich auf, dass ich meinem Slip vorne nicht ausfüllte. Als ich realisierte, dass ich einen Slip meines Mannes anhatte, kamen mir sofort Tennissocken in den Sinn. Aber ich habe mich dann doch umentschieden. Dem warmen Wetter sei Dank.
Ich kam dann aber doch noch zum Schwitzen. Meine Physio hat mit meiner Hilfe eine halbe Stunde lang alle meine Gelenke durch bewegt. Es ist wichtig, auch mit wenig Kraft, beweglich zu bleiben. Die zweite halbe Stunde wurde meine Lymphe aktiviert. Seit bei mir regelmässig Lymphdrainagen durchgeführt werden, habe ich kaum noch geschwollene Füsse.
Am Nachmittag machte ich mich wieder Richtung See auf. Unterwegs suchte ich die Biotope auf. Von der Schlange war nichts zu sehen. Dafür umflogen mich viele grün-blau schillernde Libellen.
Das Wasser am See hatte sich ein wenig zurückgezogen. Dadurch wurden einige Sandbänke freigelegt. Ich wusste, diese zu befahren war ein Risiko. Da ich aber so gerne, so nah wie möglich am Wasser sein wollte, fuhr ich los. Vorne angekommen stellte ich mich in den Wind. Das Wasser war heute glasklar. Ich konnte die Steine am Grund sehen. Die Wellen rollten ans Ufer und es war ein weiches Rauschen zu hören. Ich kam mir vor, als sässe ich am Meer. Nur, statt Muscheln waren die Sandbänke mit viel Treibholz gespickt. So ein Stück Holz wurde mir beim Verlassen der Sandbank fasst zum Verhängnis. Eines hat sich quer vor meine Vorderräder gelegt. Beim Versuch retour zu fahren, gruben sich die Hinterräder in den Sand ein. Ich dachte mir, nur keine Panik. Mir kam in den Sinn, wie man vorgeht, wenn dies bei einem Auto passiert. Ich fuhr langsam Vorwärts und langsam rückwärts. Drehte die Vorderräder leicht zur Seite. Als ich dann spürte, dass die Räder auf festeren Boden kamen, gab ich langsam Gas und plötzlich rollte mein Rolli wieder. Ich war schon froh, dass ich nicht meinen Mann anrufen musste.
14. Seit ich mein neues Bett mit den Seitenholmen habe, traue ich mich wieder eher im Bett zu drehen. Leider habe ich mich heute Morgen zu stark gedreht. Ich bin halbseitig auf dem Bauch gelandet und auf dem Brustkorb gelandet. Leider fehlte mir die Kraft, um mich wieder retour zu drehen. Je mehr ich es versuchte, desto mehr verhedderten sich meine Füsse in der Decke. Ausserdem rutschte dabei die Bettdecke immer weiter über meinen Kopf. Also hiess es wieder mal, keine Panik und ruhig weiter atmen. War ich froh als ich die Haustüre ins Schloss fallen hörte. Das Zeichen, dass die Spitex im Anmarsch ist. Endlich wurde ich aus meiner misslichen Lage befreit. Nun musste ich mich erstmals gerade hinlegen, damit der Druck auf meiner Schulter abklingen konnte. Ich werde mich hüten, mich nochmals so stark zu drehen.
Die Spitex ist heute in neuem Outfit erschienen. Die Spitex Uri hat die privaten Arbeitskleider abgeschafft. Nun tragen alle Mitarbeiter dunkelblaue Hosen und ein hellblaues Shirt dazu. Ergänzt wird das Ganze mit dunkelblauer Jacke, Mütze und Schal für die kühlere Jahreszeit. Sieht schick und professionell aus.
Um 10.00Uhr hatte ich einen Termin mit einer Mitarbeiterin der Invaliden-Versicherung. Sie hat mich zu Hause aufgesucht, um die Abklärungen für die Hilflosenentschädigung zu erneuern und um den Antrag für die Kostenübernahme meines neuen Pflegebettes direkt vor Ort zu prüfen. Ich finde gut, dass solche Entscheide nicht von einem Bürotisch aus entschieden werden. Ich habe ein gutes Gefühl, dass die Kosten des Bettes übernommen werden. Die Mitarbeiterin fand ich sehr sympathisch und menschlich. Wir sprachen auch das Thema Assistenz an, welches nächstes Jahr eingeführt wird. Ich habe ihr unter anderem mitgeteilt, dass die beste Assistenz für mich mein Mann wäre. Leider sieht es das „Gesetz“ nicht vor, dass wir Angehörige anstellen dürfen. Höchstwahrscheinlich käme es die IV sogar günstiger, wenn sie die Angehörigen entlohnen würde. Doch weil man befürchtet, einige könnten das System ausnützen, werden gleich alle zurückgebunden. Mein Mann hat für mich schon viele Hilfsmittel abgeändert und optimiert, ohne dass die IV einen Rappen Entschädigung bezahlen musste. Würde ich jedes Mal Externe beauftragen, ginge dies in tausende von Franken. Nehmen wir nur mal das Beispiel vom Bettgalgen. Mein Mann hat diesen kurzerhand umfunktioniert. Nun dient er mir als schwenkbare Halterung für meine Umfeldsteuerung. Wäre mein Mann nicht so kreativ und nicht handwerklich geschickt, hätte ich eine Halterung mit Ständer bestellen müssen. Diese würde die IV sicher an die Fr. 1000. — kosten.
Also, wir kosten nicht nur, wir helfen auch Kosten einsparen. Halt jeder nach seinen Möglichkeiten. Ich hoffe sehr, dass die Verantwortlichen noch einsichtig werden und die Vorteile sehen, welche sich bei der Pflege und Betreuung durch die Angehörigen ergeben.
Ich habe meinem Mann aufgetragen heute einen Lottoschein auszufüllen. Es soll ja so viel drin sein im Jackpot. Da wären wir dann auf das Geld der IV nicht mehr angewiesen und ich hätte meinen Traummann als Pfleger. Also die Kreuze richtig setzen.
18. Dieser Sonntag zeigt heute so richtig sein Herbstgesicht. Es regnet und ein kühler Wind pfeift um die Häuser. Ein Tag zum Drinnen sitzen und zu faulenzen. Ne, das ist uns zu langweilig. Also steigen wir in unseren Subaru und nehmen eine Dreipässe Fahrt unter die Räder. Zuerst fahren wir bei Nebel über den Gotthardpass (2108). Je weiter wir in den Süden fahren umso schöner wird es. Bei den 21° komme ich mit meinem Pullover fast ins Schwitzen. Ich beneide meinen Mann um seine kurzen Ärmel. Nicht ahnend, dass sich dies bald ändern wird. Der nächste Pass, den wir erklimmen ist der Lukmanier (1914). Je näher wir zur Passhöhe kommen, desto mehr fängt es an zu regnen. Die Temperatur ist merklich gefallen. Auf einmal sehe ich das etwas Weisses den Strassenrand ziert. Hier muss es vor kurzem geschneit haben. Ich freue mich über das erste Schäumchen Schnee. Der dritte Pass, den wir überqueren wollen, ist der Oberalp (2044). Auf dem Weg dorthin regnet es immer heftiger. Die Tropfen werden immer grösser und schwerer. Langsam verwandeln sich die Regentropfen in Schneeflocken. Je höher wir fahren, desto mehr haftet der Schnee auf der Strasse. Die Entgegenkommenden Autos haben einen Gang retour geschaltet. Und die sieben englischen Oldtimer welche den Pass befahren sind nur noch im Kriechtempo unterwegs. Trotzdem verpatzt einer die Kurve und fährt gerade Aus. Zum Glück ist an dieser Stelle ein Ausweichplatz. Weiter oben treffen wir auf abgestellte Motorräder mit ratlosen Fahrern, die sich die kalten Hände reiben. Mittlerweile ist es 0° geworden. Wir sind froh, dass wir mit dem 4 x 4 unterwegs sind. Mit dem Bus hätten wir keine Chance gehabt und hätten umkehren müssen. Mir hat der heutige Tag riesig Spass gemacht. Ich liebe die verschiedenen Jahreszeiten.
26. Hallo liebe Leute. Ich weiss, ich habe schon länger nichts mehr geschrieben. Ich werde das nächstens nachholen. Ich bin viel Unterwegs und geniesse das traumhafte Herbstwetter. Ich will euch trotzdem schnell mitteilen, dass es mir sehr gut geht. Bis bald.
28. Eigentlich wollte ich heute einmal zuhause bleiben und mich auf der Terrasse in die Sonne legen. Unser Balkon befindet sich auf der Ostseite. Und da die Sonne mittlerweile kürzere Kreise zieht, ist sie bereits um 14.00 Uhr hinter dem Hausdach verschwunden. Sobald der Schatten da ist und die Biese weht, wird es sofort frisch. Also verziehe ich mich ins Haus und setze mich vor den PC. Das gibt mir die Gelegenheit wieder mal in mein Tagebuch zu schreiben.
Letzte Woche war viel los. Ich hatte viele liebe Besucher, die mit mir einige Stunden verbrachten. Am Mittwoch mussten wir noch mal ins Triemli-Spital zur Abschlusskontrolle von Piets Herz-OP. Alles verläuft wie gewünscht. Ich bin so froh, dass mein Mann alles so gut überstanden hat und ich mir nicht mehr so Sorgen machen muss.
Dann war ich natürlich auch viel mit dem Rolli unterwegs. Es ist jetzt so herrlich durch den Wald zu fahren. Die Baumblätter befinden sich in unterschiedlichen Herbststadien. Sie strahlen in warmes Gelb,- Rot,- und Braun-Tönen. Einige haben diesen Welk Prozess bereits abgeschlossen und liegen nun zu Fusse des Baumes. Es knistert so herrlich, wenn meine Rollstuhlräder über die getrockneten Blätter fahren. Und manchmal kommt es vor, dass sich ein vorwitziges Blatt kurz auf meiner Schulter ausruht, bevor es sich tänzelnd auf den Boden legt.
Am letzten Freitag zog es mich in die Höhe. Ich fuhr mit dem Rolli in eine Nachbargemeinde und steuerte dort die Haldi-Luftseilbahn an. Beim Billett lösen musste ich dem Bahnführer zuerst klarmachen, dass sich meine Geldbörse im Rucksack befindet und er das Geld selbst herausnehmen müsste. Er sagte zu mir, er mache dies nicht gerne. Als ich ihm dann klarlegte, dass ich meine Hände nur eingeschränkt nutzen kann und ich den Menschen vertrauen müsse, die mir behilflich sind, klappte es wunderbar. Danach brachte mich die Luftseilbahn auf 1080 m.ü.M. Oben angekommen genoss ich zuerst einmal den grandiosen Blick ins Tal hinunter. Die Talfahrt absolvierte ich dann mit dem Rolli. Ich fuhr an immer noch blühenden Wiesen vorbei und durch bunte Herbstwälder. Ich genoss das Rauschen der Bergbäche und das Vogelgezwitscher. Auf meinem Weg ins Tal hinunter begegneten mir Schmetterlinge, Eidechsen und sogar ein Eichhörnchen sauste vor mir über den Weg. Ich mag diese Strecke. Es ist so ruhig hier. Man hört mehrheitlich nur Naturgeräusche. Da ich alles in mich aufnehmen wollte, bin ich nur im Schritttempo gefahren. Nach etwa zwei Stunden bin ich dann im Tal unten angekommen und musste nur noch nach Hause rollen. Herrlich, ich liebe solche Touren.
Am Montag-Abend waren "meine" beiden Männer draussen am Werkeln. Mein Sohn widmete sich dem Rasen. Plötzlich machte der Rasenmäher komische Geräusche und stellte ab. Es wurde Benzin nachgefüllt und neu gestartet. Danach lief er wieder, jedoch sehr hochtourig. Das Gas liess sich nicht mehr regulieren. Also musste Öl für die Schmierung her. Kurz darauf der nächste Versuch. Er lief kurze Zeit, doch dann gab er nach einem komischen Geräusch den Geist komplett auf. Mein Junior wusste sofort Bescheid und rief uns zu. Ich habe soeben einen Kolbenfresser fabriziert. Ja da standen wir nun, mit halb abgeschnittenem Rasen und abgeschnittenen Hosen da. Aber ich dachte es gibt Schlimmeres. Oder etwa doch nicht.
30. Beim Anblick unserer Asternstöcke wird es mir warm ums Herz. Die Blüten strahlen, als wären sie viele kleine Sonnen. Es gibt viele Blumen, die noch im Herbst blühen. Auch viele Sträucher sind momentan eine Augenweide. Manche zieren sich mit knallroten und mit tiefschwarzen Beeren. Der Mahlzeitentisch für die Tiere ist noch reichlich gedeckt. Einige legen bereits Vorräte an. Darum ist es auch wichtig, nicht gleich alles abzuschneiden was verwelkt ist. Die Sämlinge, welche sich noch in den Pflanzen befinden, bereichern das Nahrungsangebot der Tiere. Ich weiss, ich habe auch gerne Ordnung und würde am liebsten mit dem zurückschneiden beginnen. Doch ich warte noch damit. Ich möchte ja, dass viele Tiere den Winter überstehen. So kann ich mich nächstes Jahr wieder an ihnen erfreuen. Man darf ruhig irgendwo eine «Schmudelecke» stehen lassen. Ich habe gezwungener Weise mehrere. Trotzdem sieht es in meinem Garten wunderschön aus.
Hier noch ein Nachtrag. Letzt Woche flatterte ein Brief von der IV (Invalidenversicherung) ins Haus. Darin wurde mir mitgeteilt, dass die Kosten für mein neues Pflegebett von der IV übernommen werden. Gute Nachrichten soll man auch verbreiten.
OKTOBER
3. Der September hat das schöne Herbstwetter an den Oktober weitergegeben. Die Sonne scheint von morgen-früh bis spätabends. Es soll ja bis Mittwoch so weiter gehen. Die Temperaturen laden immer noch zum Sonnenbaden ein. Und ich kann, ohne frieren zu müssen weitere Herbsttouren unternehmen.
Heute muss ich allerdings einen Ruhetag einlegen. Auch sollte ich nicht zu lange am PC schreiben. Seit einigen Tagen fühlt sich mein Körper an, als hätte ich Schwerstarbeit verrichtet. Faszikulationen durchziehen meinen Körper. So wie in den ersten Jahren meiner ALS. Besonders stark betroffen ist mein rechter Arm. Die Faszikulationen / Tremor sind gelegentlich so stark, dass mein Arm regelrecht zittert. Es wird in solchen Momenten schwierig mit der Maus zu schreiben. Es kommt mir vor, als hätte ich am ganzen Körper Muskelkater. Leider kann ich seither auch nicht mehr durchschlafen. Eventuell habe ich wieder irgendwelche Störungen im Zimmer. Es könnte sein, dass die neue Heizunterlage zu viel Strahlung abgibt. Da muss wohl wieder mal mein Radiästhesist /Geopath vorbeikommen bevor ich es mit Medis versuche. Eigentlich ist es nicht schlimm. Ich bin mir das einfach nicht gewohnt. Bin bisher eben ein bisschen verwöhnt worden.
Also werde ich mich schonen und höre für heute auf mit Schreiben.
4. Ich weiss nicht wer da am Werk war. Ich kann euch nur eins berichten. Meine tagelangen Muskelzuckungen sind heute kaum noch spürbar. Mysteriös, mysteriös.
Heute ist mein Sohn für mich zuständig. Am Mittag kommt er nach Hause und kocht für uns zwei. Danach verabreicht er mir das Essen, bringt mich auf die Toilette und stellt sicher, dass ich am Nachmittag mit allem Nötigen versorgt bin. Für all dies hat er lediglich eine Stunde Zeit. Da wir so ein eingespieltes Team sind, klappt das auch. Weil es so gut klappt, kann sich mein Mann, wie heute geschehen, eine Auszeit nehmen und sich auf eine Töff Tour begeben. Und für Morgen hat mein Mann gleich noch einen Ferientag eingezogen, um mit mir einen Herbstausflug zu machen. Habe ich nicht zwei tolle Männer an meiner Seite?
Da sich Morgen der Todestag von Steve Lee jährt und ich Morgen keinen Beitrag schreibe werde, stelle ich heute ein Andenken an ihn ins TG. Ich vermisse es sehr, nicht mehr an seine Konzerte gehen zu können. Er war ein wundervoller Musiker und seine Lieder lassen bei mir immer noch die Hühnerhaut spriessen.
8. Schnee bedeckt die Berge. Nebel umhüllt das Tal. Regen prasselt vom Himmel. Wind pfeift durch die Gassen. Bäume wiegen sich im Wind. Es ist kälter geworden.
Nun ist er da der Herbst und zeigt sein wahres Gesicht. Nicht das er mir nicht gefällt. Nur, jetzt werde ich meine Rollitouren wieder einschränken müssen. Denn, je kälter es wird, je wärmer muss ich mich für Draussen anziehen. Und je mehr ich anziehen muss, desto ungelenker werde ich. Da meine Muskelkraft eingeschränkt ist fällt es mir z.B. beim Tragen einer Winterjacke schwer meine Arme zu bewegen. Am schnellsten friere ich an die Füsse, Hände und Nase. Für die Füsse habe ich mit den Akku-Wärmeeinlegesohlen eine Lösung gefunden. Um meine tropfende Nase zu verstecken werde ich mir dieses Jahr eine Roger Staub Mütze zulegen. Vermummungsverbot hin oder her. Leider habe ich noch nichts Gescheites für die rechte Hand gefunden. Da ich die Tetragabel und die Taster am Rollstuhl bedienen muss, kann ich keinen wärmenden Fäustling anziehen. Und Fingerlinge anziehen bei gekrümmten Fingern ist schwierig. Ich hoffe einfach noch auf eine zündende Idee meines Mannes.
Am liebsten würde ich mich jetzt gleich nach draussen begeben, um durch den Regen zu fahren. Ich liebe es, wenn der Wind in mein Gesicht bläst und die Regentropfen meine Haut berühren. Es ist interessant jedes Jahr die jeweiligen Jahreszeiten neu zu entdecken, um die Schönheiten und Besonderheiten mitzuerleben.
Einige Menschen mögen den Herbst und den Winter nicht besonders. Die Tage sind kürzer und das Licht ist kälter. Der Nebel setzt sich aufs Gemüt und Gedanken fangen an zu spriessen. Manchmal ist es gut Dinge, die im Laufe des Jahres passiert sind, Revue passieren zu lassen. Manches scheint gut gelaufen zu sein, wiederum Anderes würde man im Nachhinein anders machen. Schöne Erlebnisse machen uns glücklich. Erinnerungen an Streitigkeiten und Abschiede hingegen machen uns Traurig. Auch in meinen Gedanken kommen schöne und traurige Ereignisse vor. Besonders traurig macht es mich, dass sich meine Verständigung im Gespräch mit andern verschlechtert hat. Ich beteiligte mich sehr gerne an Diskussionen. Manchmal ging es ganz schön kontrovers zu und her. Ich habe mich mit meinen Argumenten und Sichtweisen nicht zurückgehalten. Damit eine Diskussionen nicht aus dem Ruder läuft, sollte auf einige Punkte geachtet werden. So sollte z.B die Aussprache deutlich sein. Man muss Zuhören können und den Andern Ausreden lassen. Meinungen müssen respektiert werden und man sollte einen langen Atem haben. Ich scheute mich auch nicht Probleme anzugehen. Ich versuchte Parteien zusammen zu bringen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Andere Meinungen versuchte ich steht‘s zu verstehen und zu respektierten. Mit grosser Freude habe ich auch mitgeholfen Familienfeste zu organisieren.
In diesem Jahr musste ich erkennen, dass ich als Troubleshooter nicht mehr geeignet bin. Es fehlt mir einfach der Atem für lange Diskussionen und meine Argumente kann ich nicht mehr richtig vorbringen. Ich werde in Diskussionen nicht oder falsch verstanden. Dies wiederum belastet meine Psyche und ich bringe dann kaum mehr ein Wort hervor. Die Unfähigkeit in solchen Momenten nicht sprechen zu können, ist für mich so frustrierend, dass ich manchmal zu weinen anfange. Dies wiederum stösst auch bei engen Angehörigen auf Unverständnis und Ratlosigkeit. In solchen Momenten fühle ich mich richtig hilflos und ergreife die Flucht. Wahrscheinlich können dies nur ALS- Betroffene, welche ebenfalls unter diesem Symptom leiden, nachvollziehen.
Eigentlich wusste ich schon lange, dass ich diesen Job abgeben muss. Doch es war kein geeigneter Nachfolger in Sicht, der mit viel Herzblut, Geduld und Fingerspitzengefühl sich solchen Sachen angenommen hätte. Vielleicht habe ich mich auch einfach nur zu wichtig genommen. Die Zukunft wird es weisen. Ich jedenfalls bin draussen und kann mich getrost und mit Freude anderen Dingen widmen. Zum Beispiel meiner Homepage. Hier kann ich schreiben was ich sagen möchte. Habe Zeit die richtigen Worte zu wählen. Vielleicht kann ich mir und Andern durch meine Offenheit Mut machen, sich der Krankheit zu stellen, um mit ihr leben zu können. Da ich diese Angelegenheit für mich bereinigt habe, fühle ich mich wieder glücklich und zufrieden.
9. Wann ist ein Traum ein Traum und wann ist es die Wirklichkeit. Reicht es, wenn ich mich kneife, um feststellen zu können, ob ich mich gerade in einem Traum aufhalte oder ob es die Wirklichkeit ist. Könnte ich mich nicht auch im Traum kneifen. Was unterscheidet den Traum von der Wirklichkeit. Eigentlich gar nichts. In einem Traum kommen all die Dinge vor, die es auch in der Wirklichkeit gibt. Vielleicht befinde ich mich während ich dies schreibe, in Wirklichkeit in einem Traum. Vielleicht ist auch meine Krankheit nur ein Traum und in der Wirklichkeit springe ich frischfröhlich herum. Vielleicht besteht unser Leben aus lauter träumen. Eventuell müssen wir verschiedene Träume durchlaufen, um in der Wirklichkeit anzukommen. Bist du dir wirklich sicher, dass du dies gerade liest. Na, dann kneif dich mal ordentlich.
Ja ich habe mich mit meiner Krankheit im Laufe der Jahre arrangiert. Trotzdem wünschte ich, ich könnte aus diesem Alptraum erwachen. Meine Sehnsucht nach Selbstständigkeit ist schon gross. Am Morgen selbst aufstehen zu können. Meinen Körper selbst pflegen zu können. Essen wenn ich Lust habe. Trinken, wenn ich Durst habe. Einer Arbeit nachgehen zu können, wie viele andere auch. Sport zu treiben oder einem Hobby nachzugehen. Ich möchte nicht auf andere Personen und dessen Geduld und Verständnis angewiesen sein. Ich möchte wieder die stolze, starke Frau von Früher sein. Ich sehne den Tag herbei, wo ich aus diesem Traum erwachen darf. Der Traum hat jetzt lange genug gedauert. Es wäre jetzt Zeit für einen Neuen. Darum kneif mich mal.
Ich war schon immer eine Träumerin und wie mein Bruder Siebenloch sagen würde, eine Märchentante. Aber sagt mal, gibt es schöneres als Märchen. Märchen sind nicht nur für Kinderherzen bestimmt. Ich liebe diese auch immer noch. Auch wenn ich bereits ein grosses Mädchen bin. In meinem Herzen und in meinen Ansichten bin ich immer noch sehr jung.
10. Ist das schön. Ich sitze am PC und mein Blick schweift zum halb geöffneten Fenster. Ich atme die kühle, frische Luft tief in meine Lunge ein. Was ich vor dem Fenster sehe und höre fasziniert mich. Es regnet in Strömen vom Himmel. Die Regentropfen kleben förmlich aneinander und bilden einen Perlenvorhang. Durch das viele Wasser wurde der Dorfbach aus dem Schlaf gerissen. Nun spricht er mit lauter Stimme und lässt die Steine in ihm tanzen. Die Bäume und Sträuchern lassen wegen dem vielen Nass ihre Arme hängen. Der Nebel, welcher in der Luft hängt, verleiht dem ganzen einen mystischen Tatsch. Jetzt fehlen eigentlich nur noch die Nebelnymphen, die Wasserfeen und die Baumelfen, um das Bild abzurunden.
Oje, mein Mann ist gerade von der Arbeit Nachhause gekommen und seine Mimik spricht Bände. Ihm scheint das nasse Wetter gar nicht zu gefallen. Da kann ich nur eines sagen: Spielverderber.
Nachmittag
So schön es aussieht und so schön es sich anhört, so hoffe ich doch, dass es die Bäche nicht zu bunt treiben. Denn soeben musste nämlich die Gemeindefeuerwehr ausrücken.
Unsere Gemeinde und der Kanton Uri im Allgemeinen, wurden schon mehrmals vom Hochwasser heimgesucht. Es wird zwar eifrig am Hochwasserschutz gearbeitet. Doch vollendet ist noch nichts. Vieles muss mit den NEAT-Baustellen (Alpentransversale) koordiniert werden.
Ich hoffe nun einfach, dass meine Bäche friedlich rausch
11. Ja, meine geliebte Natur kann manchmal ganz schön ihr Unwesen treiben. Gestern hat sie sich mal wieder richtig ausgetobt. Mehrere Bäche haben sich ihre eigenen Wege gesucht. Auf ihren Abwegen wurden sie von Steinen und Holzstämmen begleitet. Gemeinsam wurden sie so zur Bedrohung und an manchen Orten wurde es gefährlich ihnen zu begegnen. Gestern hätte ich es jedenfalls nicht gewagt, meine gewohnte Rollistrecke auf dem Reussdamm zu befahren.
Heute hat sich zum Glück die Lage in vielen Orten wieder stabilisiert. Und die Sonne lacht vom Himmel, als wäre nie was passiert. Die hinterlassenen Spuren sprechen jedoch eine andere Sprache.
10. Die Sonne vertreibt langsam den Nebel. Ich glaube, heute gibt’s einen wunderschön farbigen Herbsttag. Wenn sich die Biese ein wenig zurückhält, könnte ich sogar für kurze Zeit nach Draussen.
Mir geht’s momentan sehr gut. Ich habe weder Kopfschmerzen noch starke Muskelzuckungen. Meine Psyche scheint sich auch wieder zu normalisieren. Nachdem ich auf Geheiss von Leo (Radiästhesist /Geopath) meine heissgeliebte Heizunterlage aus dem Bett entfernt habe, schlafe ich auch wieder besser. Die Heizunterlage hatte enorme Strahlen freigesetzt. Ich habe sie gar nicht gerne hergegeben. Ein ungestörter Schlaf bringt mir jedoch mehr als Wärme. Nun muss ich mich halt wieder mit den Wärmflaschen begnügen. Die Umwelt wird’s freuen.
18. Je, ich ha scho länger nimmä gschriebä. Aber ich hatte einen Grund. Während in vielen Gegenden der Nebel bis zum Boden reichte, schien bei uns in den letzten Tagen die Sonne fast den ganzen Tag. Also musste ich mich einfach draussen aufhalten, um die letzten schönen Herbsttage in mich aufzunehmen. Ohne Jacke wäre es für mich allerdings bereits zu kalt gewesen. Ich bin einfach der Sonne nach gerollt und bin dem Schatten ausgewichen. Ab Morgen soll es mit dem schönen Herbstwetter vorübergehend vorüber sein. Es ist Regen angesagt. Angeblich soll es sogar bis auf 900 m. M. hinunter schneien. Brrrr! Und das soll ich nun ohne meine Heizdecke überstehen! Nochmals Brrrr!
Man soll ja angeblich nicht Jammern. Darum werde ich mich bemühen, das Schöne der kälteren Zeit zu entdecken. Ich freue mich auf die Regentropfen, die an mein Fenster klopfen. An den Blättern, welche vom Sturm durch die Luft gewirbelt werden. Es wird sicher eine spannende Zeit.
21. Um 10.00 Uhr heute Morgen erreichten die ersten Sonnenstrahlen mein Zimmerfenster. Und da wusste ich, ich Drive heute nach Draussen. Ich wollte endlich mal wieder die Sonne auf dem Gesicht spüren. An den vorangegangenen Tagen war es mir Draussen mit der Biese einfach zu kalt. Also habe ich mich heute Morgen von der Spitex gleich warm anziehen lassen. Das ist auch etwas was die ALS mit sich bringt. Ich muss vorrauschauend agieren. Je nachdem, wie mein Tagesprogramm aussieht, muss ich z. B. schon am Morgen meine Kleiderwahl treffen. Mein Mann hat keine Zeit, mich in der „Mittagspause“ umzuziehen.
Also sass ich am Nachmittag draussen an der Sonne. Diesmal hielt ich mich jedoch nicht unter dem Nussbaum auf. Letzthin, als ich unter dem Nussbaum lag, viel mir doch tatsächlich eine Nuss auf den Bauch. Ich sage euch, das hat schon ordentlich gefitzt. Wenn ich mir vorstelle, die Nuss wäre auf meine Stirn gefallen, dann hätte ich jetzt eine Delle im Kopf oder stampfte als Einhorn durch die Gegend.
Heute stampfe ich aber nirgends mehr hin. Nachdem ich mich nun zwei Stunden im Freien aufgehalten habe, machen sich meine kalten Füsse und Hände bemerkbar. Die Kälte kriecht sogar in meine Hosenbeine und schleicht sich bis zu den Knien hoch. Ich friere und muss dringend an die Wärme. Eine Erkältung kann ich mir nicht leisten. Nun sitze ich wieder in meinem warmen Kämmerlein, schlürfe einen heissen Kaffee durchs Röhrchen und döggele belangloses Zeug in mein Tagebuch.
Ich habe mich endlich beim Zahnarzt angemeldet. Vorerst nur für ein Gespräch. Ich möchte mit ihm besprechen, wie wir das mit meiner Berührungsempfindlichkeit im Mund angehen wollen. Narkosen sind bei meiner Krankheit nicht zu empfehlen und die Tabletten und Sprays, welche ich getestet habe, zeigen bei mir keine Wirkung. Bin gespannt ob es eine Lösung für mein Problem gibt. Am Montag ist es soweit.
Vielleicht schaffe ich es Morgen doch wieder hinaus. Es wäre wieder mal Zeit nachzuschauen, wie weit mein Bruder bei der Stallerweiterung ist. Ich freue mich so, dass die Tiere mit dem Laufstall mehr Freiheit und Lebensqualität bekommen. Ja richtig gehört. Auch Tiere haben ein Recht darauf. Vielleicht kann ich euch mal ein Foto zeigen wie es mit dem Stallbau so voran geht. Ich hoffe, dass es Morgen ein bisschen wärmer ist und mir beim Kaffeetrinken unter dem Nussbaum meines Bruders keine Nuss auf den Kopf fällt.
22. Heute habe ich es doch tatsächlich geschafft, ein paar Fotos von der Stall-Baustelle zu ergattern. Auf dem 1. Foto sieht man wie weit der Bau schon fortgeschritten ist. Auf dem 2. Foto sieht man meinen Bruder Franz mit seinen drei Söhnen, Franc, Sven und Ralf beim Arbeiten.
Doch halt, beim genauen Betrachten des zweiten Bildes sehe ich nur einer arbeiten. Zwei schauen zu und einer ist am Referieren. Ist doch irgendwie immer so, oder?
So schön die Sonne momentan auch scheint, so bin ich doch nach zwei, drei Stunden froh wieder im Haus zu sein, um mich aufwärmen zu können. Ich bin ein richtiges Weichei geworden. Das kann ja noch heiter werden.
24. Ich wünsche uns allen eine gute Woche mit vielen positiven Ereignissen und schönen Begegnungen. Mit offenen Augen und weit geöffnetem Herzen sieht manches gar nicht so schlimm aus und unlösbar Dinge scheinen plötzlich lösbar zu sein. Wie sagt man so schön. Jeden Tag eine gute Tat.
Die Sonne scheint und keine einzige Wolke verziert den blauen Himmel. Die Temperaturen sind auch wieder angenehmer. Das schöne Wetter haben wir unserem Föhn zu verdanken. In der Nacht hat er sich heimlich ins Tal geschlichen, um zuerst ganz sachte an den Läden zu rütteln. Mittlerweile hat er ganz schön an Stärke zugenommen. Die Bäume biegt er hin und her und die Blätter lässt er an den Ästen tanzen. Manch ein Blatt hat nicht mehr genügend Saft und Kraft, um dem Föhn Paroli zu bieten. Es muss sich vom Föhn davontragen lassen. Wo es wohl zu liegen kommen wird?
Bei Wind-Böen zwischen 90 und 110 km/h, ist heute kein Tag, um im Freien herum zu rollen. Da könnte mir ja womöglich noch so ne fiese Nuss auf den Kopf fallen. Und ausserdem muss ich mich nun sowieso sammeln, um dem Zahni ruhig entgegen fahren zu können.
26. Ich bin schon wieder Zuhause. Mein Brechreiz hielt sich bei der Untersuchung und beim Röntgen einigermassen in Grenzen. Wir gehen nun folgendermassen vor. Zuerst versuchen wir es mit der Zahnreinigung. Dafür habe ich Mitelchen nach Hause bekommen welche ich eine halbe Stunde vor dem nächsten Termin einnehmen muss. Sie sollen meinen Brechreiz herabsetzen damit in meinem Mund gearbeitet werden kann. Bin gespannt, ob es funktioniert. So und nun gönne ich mir einen Kaffee
28. Ich betrachte jeden Tag „meine Linde“ vor meinem Fenster. Sie steht da wie ein Fels in der Brandung. Kein Sturm kann ihr etwas anhaben. Sie strahlt so viel Stärke und Ruhe aus. Wenn ich sie betrachte, habe ich das Gefühl, als wenn sie mir etwas von ihrer Stärke abgeben würde. Heute strahlt sie mich besonders freundlich an. Ich glaube sie lächelt. Ihr goldgelbes Blätterkleid strahlt so wunderschön in der Sonne. Ihre Umgebung ist erfüllt mit Wärme und Geborgenheit. Ich fühle mich wohl bei „meiner Linde“.
Ich habe mich schon des Öfteren gefragt, warum ich mich, im Gegensatz zu manch andern in meinem Alter, immer noch so jung fühle. Vielleicht liegt es daran, wie ich mein eigenes Leben sehe und wie ich es lebe. Vielleicht bleibe ich im Geiste jung, weil ich versuche in der Gegenwart zu leben und die Vergangenheit zurücklasse. Ich versuche mich den Gegebenheiten anzupassen. Das mit der Vitalität meines Körpers ist ganz was Spezielles. Obwohl ich in meinen Bewegungen stark eingeschränkt bin, habe ich das Gefühl, mein Körper sei nicht gealtert. Ich bin der Überzeugung, sollte meine Krankheit von heute auf Morgen verschwinden, wäre mein Körper genau so fit wie vor Beginn der Krankheit. Ich glaube, da ich keiner körperlichen Tätigkeit nachgehe, machen sich bei mir auch nur wenige der natürlichen Abnutzungserscheinungen bemerkbar. Mein Körper durchlebt eine andere Art des Älterwerdens. Und da der Körper diese Empfindungen an das Hirn weiterleitet, fühle ich mich vielleicht auch so jung.
31. Geschafft! Habe gerade meine zweite Sitzung beim Zahnarzt hinter mir. Letztes Mal hat der Zahnarzt die Zähne nur kurz überflogen und einige Röntgenaufnahmen gemacht. Diesmal ging es ans Eingemachte. Eine achtsame Dentalhygienikerin hat bei mir die Zahnreinigung durchgeführt. Damit ich diese Sitzung überstehe, gab mir der Zahnarzt beim letzten Mal zwei Medis mit nach Hause. So musste ich heute 30 Minuten vor dem Termin mit einer Art Salzlösung gurgeln. Leider funktioniert bei mir das Gurgeln nicht mehr so gut. So konnte ich lediglich ein paarmal den Mund spülen. Dann durfte ich noch eine Tablette (Sedagul) auf der Zunge zergehen lassen. Diese Tablette hatte es in sich. Sie hat meine Zunge und meinen Rachen leicht betäubt. War nicht ganz ungefährlich. Ich musste mich total auf das Schlucken des Speichels konzentrieren. Der Speichel durfte ja nicht in die Luftröhre gelangen. Doch die Einnahme musste eben sein. Sonst hätte ich wegen meinem Würgereiz die 45-minütige Sitzung nicht über mich ergehen lassen können. Bin ich froh, dass es einigermassen gut gelaufen ist und hoffe nun, die nächsten Termine gehen auch gut über die Bühne.
NOVEMBER
1. Der November fängt genauso schön an wie der Oktober geendet hat. Das Herbstwetter lässt kaum Wünsche offen. Jetzt ist es so herrlich durch die Wälder zu fahren. Die Bäume leuchten förmlich und strahlen Wärme aus. Je nach Baumart verfärben sich die Blätter der Bäume unterschiedlich. Die Buchenblätter durchlaufen viele Farbnuancen. Viele Ahornsorten lieben die Farbe Rot. Manchmal scheint es, als würde der Ahorn-Baum brennen. So intensiv kann sein rot leuchten. Der Ginkgo hingegen verwandelt seine hell-grünen Blätter in ein sanftes Gelb. Der Baum stammt ursprünglich aus China. Mittlerweile wird er weltweit angepflanzt. Er gilt als lebendes Fossil und kann mehr als 1000 Jahr alt werden. Mit seinen 40 Metern und mehr überragt er manch anderen Baum. Auch die Lärche, die ebenfalls eine Höhe von 40 Meter erreicht, färbt ihre Nadeln im Herbst goldgelb. Im Winter wirft sie ihre Nadeln ab und diese bilden einen goldenen Teppich auf dem Boden. Nicht zu verachten ist der Wilde Wein, welcher sich an Mauern und an Häuserfassaden empor hangelt und mit seinen Rottönen manch Betrachter Augen entzückt. Ich staune immer wieder über das Farbspektakel welches uns die Natur bietet
Ich werde diese wärmenden Farben tief in mir speichern, um sie an kalten Wintertagen wieder aus meinen Erinnerungen zu holen.
3. Heieiei, was isch de da vor mim Fenschter gangä? Als ich heute Morgen aus meinem Bürofenster schaue, erschrecke ich nicht schlecht. Meine geliebte Linde, ich erkenne sie kaum wieder. Sie steht da, fast nackt. Die wenigen verbliebenen Blätter versuchen verzweifelt ihre Blösse zu bedecken. Der Föhn hat in der Nacht alles gegeben und meine Linde buchstäblich entblättert. Zum Glück ist es heute, wie auch in den nächsten Tagen an die 20°. So kann sie sich wenigstens langsam an die Temperaturen gewöhnen.
Ich glaube, ich gönne mir Morgen auch noch mal eine Rolli-Ausfahrt. Ausgerüstet mit Brille, welche mir den aufwirbelnden Staub von den Augen fernhält, sollte es eigentlich funktionieren. Und wenn ich darauf achte, nicht direkt gegen den Wind zu fahren, sollte ich auch mit der Atmung keine Schwierigkeiten bekommen. Der Gegenstoss bei über 100 km/h ist schon gewaltig. Ans Sprechen darf ich da nicht mal denken. Das würde mir so viel Kraft abverlangen, dass ich in kürzester Zeit keine Stimme mehr hätte. Aber solange ich meine Augen, meine Nase und meine Ohren habe, die alles für mich wahrnehmen, genügt mir das. Ich freue mich, wieder mal durch den Herbst zu fahren.
5. War das herrlich Gestern. Ich wagte mich trotz Föhn nach draussen. Es war angenehm warm. Ich benötigte nicht mal Handschuhe. Eine Windstopperjacke und ein Schal genügten. Natürlich hatte ich noch eine extra enganliegende Brille auf der Nase. So ausgerüstet fuhr ich mit meinem Rolli auf dem Reussdamm Richtung See. Unterwegs bekam ich eine Ahnung, wie hoch die Reuss beim letzten grossen Regen war. Viel Holz ist an den Sträuchern der Dammböschung hängen geblieben. An mancher Stelle liegt Sand auf dem Damm. Ein Anzeichen dafür, dass hier die Reuss über die Ufer getreten sein muss. Hier war ich froh, eine gut schliessende Brille anzuhaben. Trotzdem haben es einige Sandkörner in mein linkes Auge geschafft. Da ich meine Hände nicht bis zu den Augen hochheben kann, mussten ein paar Augenzwinker genügen. Ausserdem habe ich ja zwei Augen. Das Reussdelta hat sich ebenfalls verändert. Ein Teil der Reuss hat sich glaube ich einen neuen Weg gebahnt. Dort wo sie früher war, liegen jetzt viele Steine und ein Bagger versucht ihnen Herr zu werden. Aber meinen Wasservögeln konnte das Wasser nichts anhaben. Es ist jetzt auch keine Brutzeit, wo das Wasser ihre Nester hätte unter Wasser setzen können. Die meisten Schilfmatten entlang des Sees wurden geschnitten und die Stoppeln haben sich in ein warmes Gelb verwandelt. Die einzelnen Schilfhalme, die man stehen liess, verzaubern nun die Gegend mit ihren silber- braunen Wedeln.
Nachdem ich am See war, fuhr ich auf dem Weg der Schweiz Richtung Bauen. Leider musste ich auf halber Strecke umkehren. Meine Rolli-Batterie wies mich darauf hin, dass ich auch noch Saft für die Rückfahrt brauche. Schade reichen die Batterien nur etwa 50 km weit. Ich glaube, ansonsten wäre ich ganze Tage unterwegs. Auf das Essen könnte ich verzichten. Schwierig wäre es jedoch, jemanden zu finden, der mit mir aufs WC käme. Trinken wäre kein Problem, da weiss ich mir zu helfen.
Also machte ich mich wieder auf den Heimweg. Bei der letzten Steigung wollten die Batterien doch tatsächlich den Geist aufgeben. Doch mit ein paar Tricks schaffte ich es dann doch noch nach Hause.
Was ich aber am Abend erleben musste, schlägt dem Fass den Boden aus. Ich sitze zufrieden vor dem PC. Da nähert sich langsam ein Auto auf der Strasse und hält auf „meine“ Linde zu. Das Auto wird neben der Linde parkiert, zwei Personen steigen aus und gehen auf die Linde zu. Leider ist es schon dunkel und ich kann nur vermuten was sie an der Linde zu schaffen haben. Am Morgen sehe ich es dann. Wie ich es vermutet habe, hängt mit Reissnägeln befestigt ein Wahl-Plakat am Stamm der Linde. Ich bin wütend. Wie kann man nur so oberflächlich, so gedankenlos sein und so was einem stolzen Baum antun. Wissen diese Menschen den nicht, dass die Natur ganz gut ohne uns zurechtkommt. Wir jedoch nicht ohne sie. Ich habe dem Chef der Ortspartei ein Mail mit folgendem Text geschrieben.
„Gestern Abend musste ich beobachten, wie zwei Personen bei Dunkelheit ein Plakat mit Reissnägel an die lebende Linde bei der Kummetbrücke angebracht haben. Heute habe ich gesehen, dass es sich um ein … Plakat handelt. Mir ist es ja egal, welche Gesinnung ihr habt. Aber wer Schäden an der Natur anrichtet, dem traue ich nicht zu, ihm Guten für die Bevölkerung zu handeln.
Da du der Chef der … Seedorf und Umgebung bist, möchte ich dich bitten, zum Wohle der Natur das Plakat abzuhängen. Fordere deine Mitglieder bitte auf, rücksichtsvoller mit der Natur umzugehen.“
Ich denke aber, das lässt sie kalt. Einen Versuch ist es jedenfalls wert. Werde es ja dann sehen, ob etwas unternommen wird.
7. Ich freu mich so für die Linde. Sie sieht nicht mehr aus wie eine Litfaßsäule und auch nicht wie ein Wettläufer mit einer Startnummer am Bein. Seit heute Morgen darf die Linde wieder Baum sein. Ein einsichtiger Politiker erteilte den Auftrag, das Plakat zu entfernen. Nun kann die Linde in sich kehren und dem Winter gelassen entgegen schauen. Danke im Namen der Natur.
Bei unserem Grundstück wurde früher auch eine Linde gepflanzt. Sie wuchs wunderschön in die Höhe. Mit den Jahren traten die Wurzeln jedoch so stark an die Oberfläche, dass der Boden hügelig wurde. Da ich während der Wachstumsphase des Baumes zur Rollstuhlfahrerin wurde und die Wurzeln des Baumes mir immer mehr das Befahren des Weges erschwerten, mussten wir uns notgedrungen durchringen, die Linde zu entfernen. Deshalb halte ich seither ein Auge auf die andere Linde.
Auch ich verhalte mich noch lange nicht Naturgerecht. Bei mir hängt nämlich schon seit Jahren ein Vogelnisthäuschen am Nussbaum. Ich weiss nicht für wie schlau mich der Baum hält. Aber da die Vögel immer weniger Nistplätze finden, tue ich wenigstens für die Vögel etwas Gutes.
11. Judihui! Ich bin soeben vom Zahnarzt retour. Er hat heute, nachdem ich beim letzten Mal eine Zahnreinigung über mich ergehen lassen musste, nochmals meine Zähne genauer kontrolliert. Und das Ergebnis lautet: Ein kleines Löchlein an einem seitlichen vorderen Zahn. Weit weg vom Gaumen, welcher bei Berührung sofort einen Brechreiz bei mir auslöst. Ich brauche für die Zahnreparatur weder eine Spritze, noch muss ich vorgängig eine Pille gegen Überempfindlichkeit einnehmen. Diese Pille ist nämlich nicht ganz ungefährlich. Sie hemmt den Schluckreflex und dadurch kann ich den Speichel kaum mehr kontrollieren. Gelangt der Speichel in die Luftröhre, löst das einen heftigen Hustenanfall aus. Das bedeutet für das geschwächte Zwerchfell enorme Kraftanstrengung. Weil es wegen meinem Brechreiz schwierig ist, mir die Zähne gründlich zu reinigen, haben wir beschlossen, nun an alle drei Monate eine Zahnreinigung beim Zahnarzt durchführen zu lassen. Ich bin froh, dass nicht schlimmeres zum Vorschein gekommen ist. Manchmal denke ich schon, dass jemand ein Auge auf mich hält.
Ich hatte sowieso eine gute Woche. Es fing schon am Sonntag an. Meine Mutter hat uns bei unserer Abwesenheit einen selbst gebackenen Kuchen vor die Türe gehängt. Den Mittwochnachmittag verbrachte ich mit meinem fünfundzwanzig jährigen Patenjunge. Wir haben geplaudert und uns Filme angeschaut, die uns zum Lachen brachten. Dann am Donnerstag besuchte uns eine Schwester von Piet. Natürlich wie immer liebevoll vollgepackt mit vielen guten Sachen. Und heute kam eine meiner Schwestern vorbei. Sie hat mich ein wenig vom Zahnarzttermin abgelenkt.
Ich habe es wirklich gut. Bei mir läuft immer was. So wird es mir auch nie langweilig.
12. Heute hat es die Sonne nicht ins Tal geschafft. Der Nebel hat ihr den Weg versperrt. Ich konnte nicht mal einen Blick auf die Berge werfen. Sie haben es vorgezogen, ihre Gipfel oberhalb des Nebels zu sonnen. Wenn die Sonne fehlt, ist es sofort kälter. Trotzdem habe ich mich heute den ganzen Nachmittag im Garten aufgehalten. Mein Mann musste noch die letzten Sträucher zurückschneiden und die Terrakotta-Töpfe und Figuren frostsicher unterstellen. So eine Umgebung macht eben schon Arbeit. Die Belohnung für all diese Mühe folgt dann im nächsten Jahr. Wenn alles wieder wunderbar blüht und die Bienen und Schmetterlinge unseren Garten besuchen, weiss man warum man diese Arbeit jedes Jahr wieder auf sich nimmt. In den nächsten Tagen muss nun noch unsere Vogelvilla aufgestellt werden und dann sind wir für den Winter gerüstet. Sogar die Grippeimpfung haben wir schon intus. Heute hatte es einige Pilze im Rasen und unter den Sträuchern. Einige haben wie „Pilzblumen“ ausgesehen. Die musste mir mein Mann unbedingt ablichten. Sehen sie nicht schön aus?
So, jetzt muss ich mich auf die Suche nach meinem Mann machen. Ich brauche eine heisse Bettflasche für meine noch immer kalten Füsse.
15. Die Sonne zeigt sich in diesen Tagen äusserst spärlich. Der Nebel sitzt wie eine Glocke über uns. Wäre es nicht zu kalt, würde ich in eine Luftseilbahn steigen und in die Höhe fahren. Oberhalb des Nebels ist nämlich wunderbar, sonniges Bergwetter. Wie schön, zeigt das unten eingefügte Foto. Mein Sohn hat am Samstag dem Nebel ein Schnippchen geschlagen und sich mit dem Bike in die Berge begeben. Zum Glück sehe ich nicht, wie und wo er an allen Orten hinunterfährt.
Es kommt mir vor, als würde alles stillstehen. Draussen weht kein Lüftchen. Die Natur verharrt in eisigem Schweigen. Auch die morgendlichen Vogelstimmen sind verstummt.
Dafür sehe und höre ich täglich eine Schar von kreischenden Möwen, welche in gekonnter Formation Richtung See fliegen. Manchmal kann ich auch Raben beobachten, wie sie Nüsse von unserem Baum stibitzen und mit einer Nuss im Schnabel das Weite suchen. Ob sie ihren Nahrungs-Vorrat im Wald verstecken? Sie müssen sehr aufpassen, dass sie beim Verstecken der Nüsse nicht von Tannenhähern und anderen Tieren beobachtet werden. Sonst ist ihr Vorrat schneller weg als ihnen lieb ist. Langsam zeigen sich auch wieder die Meisen. Sie picken die noch reichlich vorhandenen Samen von den Sträuchern. Vogelfutter gibt es nämlich erst wenn der erste Schnee fällt. Wenn ich die Natur und auch uns Menschen beobachte, kommt es mir vor, als würden alle gespannt den Winter erwarten. Ich denke, so lange müssen wir gar nicht mehr warten, bis uns die ersten Schneesterne besuchen kommen.
17. Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät? (pink panther)
Kriege ich jetzt doch noch Panik? Ist es nicht üblich, vor so einem Tag auf die zurückgelegten Lebensjahre zurückzublicken, um ein Resümee zu ziehen. Sollte ich das womöglich auch machen? Da muss ich aber mein Hirn gewaltig anstrengen. Es sind ja schliesslich einige Jahre. Dafür brauche ich ein wenig Zeit. Haltet mal kurz die Zeit für mich an.
Wo fängt man da an? Etwa bei der Zeugung? Wenn ich richtig rechne, hatten meine Eltern im Februar 1961 wohl mächtig Spass zusammen. Denn neun Monate später purzelte ein Mädchen an einem kalten Novembernachmittag in die Welt. Damit ich sofort jemanden zum Spielen hatte, dafür haben meine Eltern vorgearbeitet. In den Jahren zuvor sind fünf Spielgefährten auf die Welt gekommen. Aber die Jüngste zu sein ist auch nicht immer lustig. Also gesellten sich mit den Jahren noch drei weitere Spielgefährten hinzu. Bei so vielen Kindern tut sich die Frage auf, hatten die den kein Fernseher Zuhause? Antwort, nein hatten wir nicht. Wir bekamen erst einen Schwarz-weiss-Fernseher als ich die vierte Primarklasse besuchte. Dafür hatten wir viele Tiere und Landwirtschaftsfahrzeuge Zuhause. Unser erstes Auto war ein cooler alter Jeep. Dafür gehörte mein Vater zu den ersten Traktorbesitzern der Gegend. Im Telefonbuch stand noch lange Zeit der Zusatz “Landwirt und Traktorhalter“. Bei uns wurde schon zuerst in den Hof investiert und danach in den Haushalt. Ist ja auch logisch. Der Hof war ja unsere Einnahmequelle. Hat mir deswegen in meiner Kindheit was gefehlt? Nein, auf keinen Fall. Ich hatte Kleider zum Anziehen, hatte immer genug zu essen, auch wenn mir das Sonntägliche Hasenvoressen manchmal zu den Ohren hinaus hing. Unsere Eltern haben uns immer satt gekriegt. Ich wuchs in den damals üblichen traditionellen Familie-Verhältnisse auf. Der Vater traf die Entscheidungen und die Mutter schaute, dass es allen gut ging. Sie haben beide ihr Bestes gegeben. Ich habe meine Mutter bewundert. Wie sie alles unter einen Hut brachte. Die Kinder, den Mann, die Hausarbeit und die viele Arbeit auf dem Hof. Ich habe Sie selten böse erlebt. Sie hielt die ganze Familie zusammen. Also ihr seht, ich hatte eine gute Kindheit. Und wenn man so etwas erlebt hat, sucht man immer wieder gerne sein Zuhause auf.
Ich hatte nicht viel Zeit, meine Teenagerjahre auszuleben. Ein junger Mann hat mir damals mit seiner roten Firestonejacke den Kopf verdreht. Ich war damals 17 Jahre alt. Und weil ich noch nie gut im Rechnen war, kam im darauf folgenden Jahr unser über alles geliebter Sohn zur Welt. Mittlerweile weiss ich, dass mir nichts Besseres passieren konnte, als so früh Mutter zu werden. Ein Jahr später habe ich meinen Piet geheiratet. In all den Ehejahren hat mich mein Mann nie im Stich gelassen. Auch jetzt, wo ich an ALS erkrankt bin, lässt er seine Zukunftspläne sausen und kümmert sich um mich. Mein Leben war und ist lebenswert. Ich durfte in Liebe aufwachsen und in all den Jahren in Liebe weiterleben. Ich kehre immer wieder gerne in den elterlichen Horst zurück, in welchem ich Liebe und Geborgenheit fand.
So, jetzt könnt ihr die Uhr wieder laufen lassen.
19. Jetzt ist es offiziell. Es steht schwarz auf weiss in der Zeitung. Ich durfte Gestern dem Club der 50-Jährigen beitreten.
Das Fest mit den lieben Gästen war wunderschön. Ich durfte viele Hände drücken und dabei in liebevolle Augen blicken. Es wurde mir Liebe und Wärme entgegengebracht. Ich habe mich unter meinen Gästen so wohl gefühlt.
Ich bedanke mich von ganzem Herzen für all die lieben Worte, die Glückwunschkarten, die elektronischen Grüsse, die Telefonate, die Leckereien, die Geschenke, die ALS-Spenden, und für den Besuch. Besonders danke ich meinem Mann, meinem Sohn und meiner Schwester Bernadette für die Organisation meines Festes und die Bewirtung meiner Gäste. Danke vielmals. Es war ein wunderschönes, gelungenes Fest. Ich werde noch lange davon zehren können.
22. Herrjemine, war das eine Nacht. Meine Muskeln haben anscheinend erst in dieser Nacht den Geburtstag gefeiert. Ist irgendwie auch logisch. Sie sind ja auch ein wenig Jünger als einige der anderen Bestandteile von mir. Ich bin ja schliesslich nicht mit so einem grossen Muskelpacket auf die Welt gekommen. Als Lokalität haben sich die Muskeln meinen linken Oberarm ausgewählt. Da wurde gejuckt, gezuckt und gezittert. Das ist der typische Faszikulations-Tanz der Muskeln. Es ging so bewegend zu und her, dass ich ständig aus dem Schlaf gerissen wurde. Die haben wohl noch nie was von Nachtruhestörung gehört. Der Besitzer hat sie wohl gar schlecht erzogen. Irgendwann in den Morgenstunden wurden der Muskel dann doch noch müde und die Party wurde beendete. Nun endlich konnte auch ich noch ein wenig in Ruhe schlafen bevor die Spitex kam.
Ich habe mal gelesen, wenn die Muskeln solche Tänze aufführen, dies ihr letztes Aufbäumen sei, bevor sie sich verabschieden müssen. Zum Glück habe ich noch ein paar von diesen Muskelpaketen. Diese müssen nun eben die Arbeit der andern auch noch übernehmen. Also, ran an die Arbeit und keine Müdigkeit vorschützen. Wer festen kann, kann auch arbeiten.
Und sollte in der folgenden Nacht wieder jemand auf die Idee kommen Party zu feiern, dem erteile ich umgehend Hausverbot. Gute Nacht.
26. Endlich scheint mal wieder so richtig die Sonne. Das tage andauernde Nebelwetter wurde mir langsam zu langweilig. Ich glaube, es tat meinen Körper auch nicht so gut. Anfangs Woche hinderten mich starke Muskelzuckungen am Schlafen und danach legten mich meine Kopfschmerzen für drei Tage lahm. Gestern hatte ich genug davon und bin mit meinem Mann, trotz den doofen Kopfschmerzen, auf Einkaufstour gegangen. Ich habe ihn in bestimmter Absicht begleitet. Sollte sich nämlich in irgendeinem Geschäft, in irgendeinem Gestell ein einigermassen passender Kopf befinden, würde ich ihn glatt gegen meinen austauschen. Ich habe mir vorgängig schon mal Gedanken gemacht in welcher Abteilung ich mit der Suche beginnen sollte. Vielleicht in die Früchte und Gemüse Abteilung. Dort hat es sicher Kopfartiges. Nehmen wir da nur mal die Kartoffel. Sie ist oval und zeichnet sich durch Stärke aus. Doch, wie sieht es denn aus, mit so einer kleinen Kartoffel auf dem Hals. Dann würde ich mich dann schon eher für ein Ei entscheiden. Das wird im Alter wenigstens nicht schrumpelig. Wie würde sich denn ein Kabiskopf eignen. Die Grösse könnte hinkommen. Und wenn man ihn halbiert, sieht er aus wie unser Hirn. Aber möchte ich mit Kabisblätter herumrennen? Die Melone wäre auch noch ein Kandidat. Doch mit so viel Wasser im Kopf komme ich auch nicht weit. Würde ich mich für den Brokkoli oder den Blumenkohl entscheiden, hätte ich am Morgen wenigstens keine Frisur Probleme mehr. Aber täglich mit einem Afrolook herumfahren? Dasselbe Frisurproblem gäbe es mit der Ananas und ihrer Punker-Frisur. Wäre ich eine Asiatin oder eine Squaw, würde ich mich für einen Kürbis entscheiden. Diese haben verschiedene Grössen und Farben und sind nicht so schwer wie eine Wassermelone.
Mein Mann hat mir die Entscheidung zum Glück abgenommen und mich in die Kissenabteilung entführt. Und oh Wunder, ich habe die ganze Nacht durchgeschlafen und bin ohne Kopfschmerzen aufgewacht. Das neue Kissen ist traumhaft. Und ich habe mir schon gedacht, solche Blessuren gehörten zum Fünfzigsten dazu.
27. Ein Heinzelfrauchen hat uns Heut, einen wunderschönen Adventskranz vor die Tür gelegt. Nun steht er stolz auf unserm Tisch und leuchtet mit dem einen Kerzenschein den ersten Advent nun für uns ein. Ich wünsche allen eine schöne Erst-Advents-Woche.
28. Obwohl die Natur immer noch ihr buntes Herbstkleid trägt und sie allem Anschein auch noch gar keine Lust auf ihr weisses Winterkleid hat, beginnen die Menschen sich auf Weihnachten vorzubereiten. Die Wohnungen werden mit Kerzen, Tannenzweigen und diversen Weihnachtsgegenständen dekoriert. Und immer mehr Weihnachtslichter erhellen die Fenster oder schmücken Hauseingänge. Mancherorts sieht man sogar wie fleissige Nikoläuse Tag täglich die Hausfassaden rauf und runter klettern. Mich würde mal wundernehmen, wie viele Kinder in diesen Häusern wohnen. Ob da wohl jahrelang der Fernseher kaputt war? Jä mä weiss es nit, ja man weiss es nicht.
Wenn ich am PC bin, brennt auch immer eine Kerze auf meinem Tisch. Irgendwie fühle ich mich mit ihr nicht so allein. Man könnte fast meinen, durch ihr Flackern möchte sie mit mir kommunizieren. Und irgendwie tut sie das auch. Sie schenkt mir Wärme und Geborgenheit und regt meine Fantasie an. Jetzt bräuchte ich nur noch einen Glühwein und die Stimmung wäre perfekt. Ich glaube ich hole mir einen Punsch. Ist ja fast das gleiche, nur der Wein fehlt. Ist auch besser so. Sonst würde ich noch zu singen beginnen und bekäme rote Backen wie der Bratapfel. Geniesst lieber das folgende Lied vom Licht. Ich widme es all jenen Personen, welche immer wieder still und leise andern Mitmenschen Gutes tun.
30. Endlich hat sich der Winter hervorgewagt. Zumindest bei mir im Büro hat es über Nacht geschneit. Auf meinem Monitor haben sich Schneeflöckchen niedergelassen und Rentiere rennen so schnell um den Bildschirmrand, dass sie sogar die mitgeführten Geschenke verlieren. Zum Glück hängen auch noch Handschuhe am Monitor. Meine Finger könnten ja bei dem unerwarteten Wintereinbruch in meinem Büro, so gstabig (starr) werden, dass ich kaum mehr die PC-Maus bedienen könnte. So langsam kommt jetzt doch Weihnachtsstimmung auf. Ich weiss zwar nicht, ob mir mein Mann mit seiner Deko einen Wink geben wollte, langsam an die Weihnachtsgeschenke zu denken.
Dieses Jahr ist Weihnachten für unsere Familie sowieso ein wenig anders als die anderen Jahre. Normalerweise haben wir den Heiligabend immer gemeinsam gefeiert. Doch dieses Jahr feiern wir einen Tag früher. Auch der Christbaum wird bereits eine Woche früher aufgestellt. Unser Sohn fliegt nämlich am 24. Dezember für 3 Monate nach Canada. Er will dort in einer Sprachschule sein Englisch verbessern. Vom Geschäft aus muss er verschiedene Länder besuchen und da ist es unabdingbar, sich in Englisch perfekt ausdrücken zu können. Dieses Jahr war er schon öfters in Deutschland, in Italien, in der Tschechoslowakei, in Mexiko, kommuniziert mit China und nächstens muss er noch auf Holland. Also, ich bin es ja eigentlich gewohnt, dass er öfters unterwegs ist und genug alt ist er ja auch. Aber vermissen werde ich ihn trotzdem. Ich bin eben auch nur eine Mutter.
Jetzt warten wir vorerst mal ab und schauen wie lange es noch dauert, bis sich auch Draussen die ersten Schneeflöckchen zeigen.
DEZEMBER
1.Ja man hat es nicht einfach wenn man mit ALS zum Zahnarzt muss. Heute habe ich gedacht, es gehe sicher besser als beim letzten Mal. Musste ja nur ein kleines Loch flicken. Das Bohren ohne Spritze war kein Problem für mich. Doch als sie mir Watteröllchen und div. anderes Material in den Mund stopfen, um die Füllung im Trockenen verarbeiten zu können, meldete sich mein Würgereflex. Dadurch wurde die Füllung nass und die Füllung musste nochmals neu gemacht werden. Bei zweiten Mal hat es dann geklappt. Nun ziert eine schneeweisse Füllung meinen Zahn. Sieht wie neu aus. Sollte ich in Zukunft weitere Zähne behandeln müssen, so werde ich mich trotz des bestehenden Risikos wegen meiner Atemschwäche einer Narkose unterziehen. Es ist dann einfacher für den Zahnarzt und ich muss mich nicht solchem Martyrium aussetzen. Aber jetzt habe ich vorerst Ruhe.
Diese Woche habe ich von der CSS-KK die Gutschrift für meinen REHA Aufenthalt bekommen. Sie haben mir tatsächlich nur die Therapiestunden zurückerstattet. Das sind ca. Fr. 200.- mehr als wenn ich die Therapiestunden wie normal Zuhause gehabt hätte. Sie haben sich nicht mal an den Pflegekosten beteiligt. Meine Krankenkasse hat somit während meinem dreiwöchigen REHA-Aufenthalt über Fr. 2000.- eingespart. Denn die normalerweise anfallenden Spitex-Kosten entfielen ja während dieser Zeit. So sind sie eben, die lieben Versicherungen. Aber ihr kennt mich ja. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Das Beste jedoch ist, dass es Piet wieder so gut geht.
5. Nein, Nein, ich habe den 2. Advent nicht vergessen. Es läuft momentan einfach so viel. Und die Abreise meines Sohnes rückt immer näher und macht mir mein Herzel immer schwerer. Aber Bscht!
Ich denk, die 2. Adventskerze widme ich darum unseren kleinen und grossen Kindern.
Und trotzdem jubelt mein Herz. Wenn ich nämlich zum Fenster hinausschaue, sehe ich wie der Wind mit der Sonne und dem Regen Karussell fährt. Ich glaube die Drei haben mächtig Spass dabei. Es ist aber auch höchste Zeit das wieder etwas Bewegung in die Natur kommt. Dass es in den Bergen bereits geschneit hat, sieht man nicht nur, man hört es auch. Die Bergdohlen sind heute Morgen nämlich zu Dutzenden ins Tal gekommen und haben sich lautstark bemerkbar gemacht. Die haben wohl in den Bergen kalte Füsse bekommen. Ich weiss, diese schwarzen Vögel mit den gelben Schnäbeln werden nicht von allen geliebt. Ich hingegen mag sie. Sie bringen Leben in die Bude.
Zum Glück waren wir Gestern noch an zwei Weihnachtsmärkten. Normalerweise friere ich immer, wenn ich diese Märkte besuche. Doch gestern schien die Sonne. Es war trocken und sehr mild. Demzufolge hatte es auch sehr viele Leute. Es wurde rechts und links an mir vorbei gedrängt. Zigaretten glimmten auf meiner Augenhöhe und ich wartete nur darauf, dass mir jemand den Glühwein über den Kopf schüttet. Von der angebotenen Ware sah ich nicht sehr viel. Aber wie sagt man so schön; Dabei sein ist alles. Da musste ich durch. Spass hatte ich jedenfalls. Meine Weihnachtsstimmung wurde dann am Abend durch den Chlaus-Einzug in unserer Gemeinde noch gedopt. Wie ihr lest, es läuft wieder einiges.
7. Jeden Tag setze ich mich nach der Morgentoilette und dem Morgenessen an den PC. Zuerst durchstöbere ich die Tageszeitungen nach News. Danach besuche ich ALS-Betroffene auf ihren Homepages. Damit bin ich einigermassen auf dem Laufenden wie es ihnen Gesundheitlich geht und was bei ihnen gerade aktuell läuft. Nicht immer sieht man es kommen. Manchmal wird man einfach überrumpelt. Diese Woche musste Marcel den Kampf gegen diese Krankheit aufgeben. Obwohl ich im Laufe meiner ALS-Karriere schon von einigen ALS-Bekannten Abschied nehmen musste, so erfüllt mich immer noch jeder Abschied mit Traurigkeit. Ich frage mich, wann endlich wird unser Schicksal ein Ende haben, wann wird man uns endlich helfen können? Wir warten schon seit über 140 Jahren.
Marcel ich wünsche dir eine schöne Reise und grüss mir die Schneeflocken im Himmel.
9. Nach meinem letzten Tagebuch-Eintrag fällt es mir schwer, wieder den Einstieg in mein Tagebuch zu finden. Obwohl ich schon seit Jahren mit der Krankheit ALS lebe, kann ich immer noch mit dem PC schreiben. Für mich ist das ein Privileg und gleichzeitig auch eine Pflicht. Mit meiner Homepage kann ich anderen Menschen unsere Krankheit näherbringen und sie ermutigen mit uns für unsere Anliegen zu kämpfen. Gemeinsam sind wir stark.
So, jetzt muss ich euch mal was fragen. Habt ihr euch schon gefragt, warum es oben an einer Rolltreppe manchmal zu Stockungen kommt. Meistens ist ein zu wenig schnell weg geschobener Einkaufswagen schuld. Manchmal bleiben Personen auch einfach nach der Rolltreppe stehen und fangen an zu quatschen. Auch bei unserer letzten Rolltreppenfahrt gab es einen Stau. Leute, welche auf der rollenden Treppe standen, mussten rückwärtslaufen. Sogar mit den Einkaufswagen. Der Stauverursacher, ein Rollstuhlfahrer. Er steht halb quer am oberen Ende der Treppe und kann nicht hinausfahren. Nach einiger Zeit gelingt es der Begleitperson den Rollstuhl samt Fahrer von der Treppe zu schieben. Ein Elektrorollstuhl wiegt so an die 100 kg und dann kommt noch das Gewicht des Fahrers dazu. Könnt ihr euch vorstellen wie viel Kraft es braucht, um so ein blockiertes Vehikel wegzuschieben. Nachdem der Begleiter den Rolli wieder einigermassen zum Fahren gebracht hat, suchten die Beiden beschämt das Weite. Fragt ihr euch auch, was ein Rollifahrer auf der Rolltreppe verloren hat. Vielleicht waren ja wieder mal die Lifte durch junge Personen mit gesunden Beinen besetzt. Ihr fragt euch jetzt sicher, warum ich das alles so genau weiss. Soll ich es euch sagen? Ich weiss nicht, ich bekomme gleich wieder beschämende, rote Backen. Ja es ist wahr. Die Hauptakteure waren mein Rollstuhl, mein Mann und natürlich ich. War dies peinlich. Ich glaube, vorerst werde ich die Rolltreppen meiden.
Leider macht mein Rollstuhl seither komische Geräusche. Wenn es blöd geht, gibt es für meinen sieben jährigen Rolli nicht mal mehr Ersatzteile. Einen anderen Rolli zu finden, der auch wieder auf die kleine Plattform meines Treppenliftes passt, wird nicht einfach sein. Aber momentan habe ich ja noch Räder unterm Hintern. Und um den Christbaum zu umrunden, reicht er alle mal.
Und trotzdem; zum Glück gibt es sie. Sonst müsste ich doch wieder zu laufen anfangen.
12. Mir kommt es vor als befände ich mich mitten im Hitchcock-Film „die Vögel“. Soeben sind nämlich aus dem Nichts, hunderte von Bergdohlen am Himmel aufgetaucht. Nun kreisen sie über unserem Dorf. Ob sie wohl einen grossen Kamin suchen, um hinein fliegen zu können. Zum Glück haben wir kein Cheminée. Auf so viele Besucher wäre ich dann doch nicht vorbereitet. Nun sehe ich auch warum sie aufgetaucht sind. Die Bäume, welche vorhin noch ruhig dastanden, haben zu wippen angefangen. Und die Fahnen an den Masten zeigen nach Südosten. Das bedeutet der Nordwestwind ist abgeflaut. Er führt Kälte, Regen und in den Bergen Schnee mit sich. Kein Wunder haben die Bergdohlen Reissaus genommen. Mich friert es nur schon, wenn ich zum Fenster hinausschaue. Zum Glück sind wir schon in der 3.Adventswoche. Somit kann ich gleich drei Kerzen anzünden, um mich an ihnen zu wärmen. Habt ihr eigentlich gewusst, dass manche Personen die Kerzen auf dem Adventskranz nach den Liturgischen Farben aussuchen. In der Katholischen Kirche ist die dritte Adventskerze Rosafarben und steht für „Freuet euch“.
14. Als ich heute Morgen erwachte schien die Sonne in mein Zimmer. Ich dachte, ich könnte demnach am Nachmittag noch ein paar Rolli Runden im Freien drehen. Ich müsste nämlich meinen Ersatzrollstuhl auf seine Geländetauglichkeit testen. Meiner musste ja nach meinem Manöver zur Reparatur. Also wurden mir am Montag drei Rollstühle zum Testen gebracht. Leider waren zwei davon zu lang für meinen Plattformlift. Darunter war auch mein Kronfavorit. Er wäre der ideale Stuhl für Drinnen und Draussen gewesen. Aber es nützt ja nichts. Nun muss ich bis Montag mit dem Zweinummern kleineren vorliebnehmen. Am nächsten Montag sollte ich dann Bescheid bekommen, ob es sich noch lohnt, meinen alten Rolli zu reparieren. Wenn nicht, muss ich mich nach einem andern umsehen. Darum bin ich bereits am Testen. Leider sind am Nachmittag immer mehr Wolken aufgezogen und nun hat es auch noch angefangen zu regnen. Also wird es heute nichts mit dem Ausseneinsatz. Im Notfall schicke ich eben meinen Mann mit dem Rolli ins Gelände. Er ist wetterfester als ich. Wegen dem Wetter darf ich mich eigentlich gar nicht beklagen. Das schöne Herbstwetter hat sich ja weit in die Winterzeit hinein erstreckt. Und ausserdem wird es langsam Zeit, dass die Schneeflöckchen auch im Tal vorbeischauen.
16. Es ist 11.000 Uhr. Langsam zieht der Sturm an. Es rumort im Gebälk und ein Geheul zieht um die Häuser. Hoffentlich bleiben unsere Ziegel auf dem Dach und die Weihnachtsdekoration kommt nicht zu schaden. Die Windböen werden nun stärker und rütteln die Bäume aus ihrer Lethargie. Mittlerweile haben auch dir Regentropfen Zuwachs bekommen und klatschen mitunter an meine Fensterscheiben. Ich liebe ja die zarten, zerbrechlichen Tropfen. Doch ich möchte mal wieder ihre grösseren Schwestern die Schneeflocken sehen. Wäre ja auch an der Zeit, dass sie sich blicken lassen.
momentan, kann ich beobachten, wie der Föhn die Regentropfen vor sich her bläst, um sie nach einer Weile auf den Boden fallen zu lassen. Ich weiss nicht ob es draussen kälter geworden ist oder ob mich der Anblick des Wetters frieren lässt. Jedenfalls zieht eine schleichende Kälte meine Beine hoch. Ich frage mich ob ich schon so empfindlich geworden bin, sodass ich auch im Haus lange Unterziehhosen anziehen muss. Ich versuche es erstmals mit einer brennenden Kerze. Der Schein der Flamme strahlt so viel Wärme aus, dass es für den Körper und die Seele reichen sollte.
Jetzt ist es 22.00 Uhr und ich mag nicht mehr auf die Schneeflocken warten. Vielleicht ist es auch besser, wenn es noch nicht schneit Mein Mann und ich nehmen Morgen an einer Infoveranstaltung der IV teil. Wir möchten uns über das Assistenzbudget welches nächste Jahr eingeführt wird informieren. Und da die Veranstaltung in der Ostschweiz stattfindet, wären trockene Strassen von Vorteil. Schauen wir mal, wie es Morgen aussieht.
17. Endlich hat es ein wenig Schnee gegeben und schon ist er wieder weg. Die Regentropfen haben den Schnee wieder in Wasser umgewandelt. Trotzdem bekam ich heute bei der Fahrt in die Ostschweiz genug von der weissen Pracht zu sehen. Immer wieder trafen wir auf verschneite Landschaften und fuhren durch aber Billionen von Schneeflöckchen. Einfach wunderschön. Zum Glück konnten die zum Teil mit Eis und Schnee bedeckten Strassen gut befahren werden. Sonst hätte ich aus Solidaritätsgründen dem Fahrer gegenüber meiner Freude nicht so frönen dürfen.
Wenn der Schnee die Häuser mit Sahne überzogen hat und die Landschaft mit Puderzucker bestreut ist, dann erst kommen die Weihnachtslichter so richtig zur Geltung.
Ich wünsche allen einen gemütlichen 4.Advent.
Tausend und abertausende Schneeflocken fallen gerade wieder vom Himmel und überziehen alles mit einem weichen weissen Teppich. Ich liebe es den Flocken zuzuschauen. Sie scheinen so zart und zerbrechlich zu sein. Wie sie sich leise und unschuldig auf den Boden setzen. Man sollte meinen sie könnten kein Wässerchen trüben. Man darf die Schneeflocken aber nie unterschätzen. Wenn sie in Massen auftreten können sie gewaltige Kräfte freisetzen. Ich hoffe nun, mein Sohn der Globetrotter ist bei diesen Strassenverhältnissen rechtzeitig am Flughafen angekommen und der Flug nach Tschechien funktioniert reibungslos. Es ist nun mal Winter und dazu gehört eben auch der wunderschöne Schnee. Mir jedenfalls gefällt er.
Nun ist gerade die Kerze ausgegangen und das Glas mit dem Punsch ist ebenfalls leer. Ich glaube es ist nun auch Zeit mit dem Schreiben aufzuhören. Geniesst den Abend.
21. War das Gestern schön. Es hat geschneit und geschneit und es wollte nicht mehr aufhören. Alles verschwand unter einer dicken Schneedecke. Ich hätte jubeln können. Doch andere fanden es glaube ich weniger lustig. Da wären mal die Strassenräumdienste. Diese hatten so viel zu tun, dass sie sogar die Kehrichtabfuhr auf heute verschieben mussten. Auch mein Rollstuhllieferant hatte mit dem Schnee zu kämpfen. Die Rollstühle mussten zuerst den Schnee vor unserer Haustür überwinden, bevor sie in die warme Stube einfahren konnten. Und meine sportliche Physiotherapeutin hat es diesmal vorgezogen ihr Velo den Hang hinauf zu schieben, anstatt hinauf zu treten. Ich habe mir noch überlegt, ob ich ihr zurufen soll, sie möge sich doch, anstelle meiner Therapie, eine Stunde auf unseren Rasen stellen. Dann käme ich zu meinem Schneemann, besser gesagt zu meiner Schneefrau. Aber so gemein wollte ich kurz vor Weihnachten auch nicht sein. Am strengsten hatte es aber mein Mann. Von früh am Morgen bis spät am Abend gab es nichts anderes als schaufeln, schaufeln und noch mal schaufeln. Er hatte nicht mal Zeit, unsere Einfahrt frei zu schaufeln. Aber zum Glück gibt es liebe Nachbarn und andere kleine Helferlein die ab und zu helfend einspringen. Ich hätte meinen Mann auch gerne entlastet. Doch ich muss noch auf meinen umgebauten Pflug warten.
22. Draussen regnet es ununterbrochen. Aus dem lockeren, weichen Schnee von gestern wird langsam eine schwere, durchnässte Masse. Die Strassen sind mittlerweile voll von Schneematsch. Ich hoffe trotzdem, dass sich ein Rest des Schnees bis Weihnachten behaupten kann.
Gestern war es nun an der Zeit die Maisen-Knödel vor meinem Fenster aufzuhängen. Ich bin schon neugierig, welche Vögel mich vor dem Fenster besuchen kommen. Vorhin hat bereits eine Blaumeise kurz vorbeigeschaut.
Damit unser Sohn auch etwas von Weihnachten mitbekommt, hat mein Mann den Christbaum bereits gestern Abend aufgestellt. Er hat ihn wieder wunderschön hergerichtet. Mit den Farben Gold, Orange, Braun und Cognac verbreitet der Christbaum eine warme, gemütliche Atmosphäre in unserer Stube. Und der Duft des echten Tannenbaumes ist bereits im Treppenhaus zu riechen. Ich liebe den Duft von frischem Griess.
Ja die Zeit läuft und läuft und bald ist Heiligabend. Obwohl ich nicht unbedingt an alles von der heiligen Geschichte glaube, so will ich doch einen weisen Mann ehren, der uns aufgezeigt hat, wie wir am besten auf unserer Welt zurechtkommen. Die Leitplanken, die er gesetzt hat, sind gar nicht mal so übel. Und das Ausschmücken der Weihnachtsgeschichte durch andere kann ich sehr gut nachvollziehen. Das praktiziere ich ja selber auch. Das Ausschmücken macht doch einen Text oder eine Geschichte erst interessant und lesenswert. Eine der schönsten und eindrücklichsten Geschichten finde ich ist der Film „Die unendliche Geschichte“. Dort geht es darum, eigene Fantasien zu entwickelt und Träumereien zuzulassen. Ich bin halt ein totaler Märchenfan und liebe Geschichten von Elfen und Feen und liebe Mystische Geschichten. Während der Weihnachtszeit werden ja gehäuft Märchen im Fernsehen ausgestrahlt. Ich gebe offen zu, dass ich diese Märchen mit Freude und Spannung anschaue. Vielleicht entwickelt sich nicht nur mein Körper zur Kindheit Retour, sondern auch mein Geist. Ich finde, ein wenig von der kindlichen Naivität würde uns allen manchmal ganz guttun.
24. So jetzt bin ich einigermassen wach, um einige Worte in mein Tagebuch zu schreiben. Da wir diese Nacht bereits um 2.30 Uhr aufstehen mussten, um unseren Sohn zum Flughafen zu fahren, habe ich erst gar nicht versucht zu schlafen. Dafür habe ich heute unter Tage ein paar Stunden geschlafen. Peter wird jetzt höchstwahrscheinlich den Atlantik überqueren und am späten Abend (MEZ) in Montreal eintreffen, um den nächsten Flieger nach Vancouver zu nehmen. Wenn ich dann Morgen die Meldung von Peter bekomme, dass er gut an seinem Ziel angekommen ist, dann kann ich die Festtage auch anfangen zu geniessen.
Ich musste heute feststellen, dass ich mich am Flughafen nicht allein zurechtfinden würde. Für mich sind die Infrastruktur und die Abläufe am Flughafen unübersichtlich und unlogisch. Vielleicht kommt es auch einfach daher, dass ich ausser einem Helikopterflug noch nie geflogen bin. Aber nächstes Jahr soll es soweit sein. „Meine“ Männer wollen mit mir nach Rom fliegen. Bin dann gespannt, wie es mir dabei so ergeht. Ich freue mich jedenfalls darauf.
Nun wünsche ich euch allen einen wunderschönen Weihnachtsabend und erholsame Festtage.
25. Heute haben wir einen richtig faulen Tag eingelegt. Obwohl die Sonne vom wolkenlosen Himmel herunter gestrahlt hat, haben wir es uns in der Stube vor dem Fernseher gemütlich gemacht. Wir haben abwechslungsweise von den Chräpflis und den Weihnachtsschöggelis genascht und haben zwischendurch ein Nickerchen eingelegt.
Soeben hat sich Peter gemeldet. Er ist gut in Vancouver gelandet. Nach 11 Stunden Schlaf ist er nun auf dem Weg, sich ein anständiges Frühstück zu ergattern. Na dann, en Güetä.
Und ich mache es mir wieder vor dem Fernseher gemütlich. Mal schauen, ob mir Piet der Naschkater etwas von den Gutzis übriggelassen hat.
27. Gar mystisch sieht es heute aus. Der Nebel schleicht durch Strassen und Gassen. Er umhüllt uns mit Kälte und macht den Tag zur Nacht. Doch so lange es Lichter gibt, die uns durch den Nebel leiten, wird auch bald wieder der Himmel voller Sterne sein.
Auch dieses Jahr mussten wieder einige ALS-Betroffene von diesem Leben Abschied nehmen. Und viele Angehörige mussten einen lieben Menschen gehen lassen. Doch vergessen werden sie nie.
28. Heute heisst es bei uns, Unten grau und Oben blau. Wenn ich könnte wie ich grad möchte, würde ich meine Räder gegen zwei Holzlatten tauschen und eine Skipiste runter sausen, Yippie! Besonders das Carven auf breiten Pisten würde ich geniessen. Ich war zwar früher keine überaus gute Skifahrerin. Ich bin aber überall runtergekommen. Ob mit Spitzkehre oder Pflug, was spielt das schon für eine Rolle. Hauptsache es hat Spass gemacht. Damals wusste ich am Abend zumindest, wo meine Muskeln sitzen. Mittlerweile muss ich froh sein, wenn sich meine Muskeln durch Faszikulationen melden. Aber eigentlich kann ich mich nicht beklagen. Mir geht es immer noch relativ gut. Ich kann nach 10 Jahren ALS immer noch für kurze Zeit stehen und mit Hilfe 4 – 5 Schritte gehen. Den PC bediene ich immer noch mit einer Bildschirmtastatur und der Maus. Flüssigkeiten nehme ich mittels Trinkhalmes zu mir und das Essen wird mir zerkleinert eingegeben. Ich konnte bis jetzt auf die PEG-Sonde den Cystofix und auf die mechanische Atemunterstützung verzichten. In letzter Zeit war ich zwar viele Male müde und hatte am Morgen Kopfschmerzen. Was ein Zeichen für unzureichende Atem / Lungenfunktionstätigkeit wäre. Es könnte aber auch einfach an zu trockener Luft im Zimmer liegen. Jedenfalls haben wir Gestern wieder meinen Luftbefeuchter installiert. Und siehe da, keine Kopfschmerzen und keine tränenden Augen mehr. Dafür sind die Fensterscheiben von oben bis unten angelaufen. Doch das ist das kleinere Übel. Meine Stimme hat dieses Jahr wieder leicht abgebaut. Aussenstehende haben des Öfteren Mühe mich zu verstehen. Mein Nuscheln nimmt zu. Trotzdem kann ich noch laut weinen und noch intensiver Lachen. Gelegentlich geht mir dabei die Puste aus und dies führt wiederum zum Brechreiz. Es gibt noch andere Vorkommnisse, welche den Brechreiz auslösen können. Es genügt schon die Vorstellung, ein Rollkragenpulli könnte zu nah an meinem Hals liegen und schon folgt die Reaktion. Worauf ich ebenfalls stark reagiere sind starke Düfte. Aber das schlimmste ist der Brechreiz beim Zahnarzt. Ich weiss, ich muss dies in den Griff bekommen. Das spielt sich nämlich alles im Kopf ab. Mal schauen, wie ich mich selbst manipulieren kann. Was ich natürlich auch noch kann und das ist sehr wichtig, ich kann immer noch alleine auf meine Rollitouren gehen. So gesehen kann ich ja noch einiges.
Mittlerweile hat sich der Nebel verzogen und nun scheint es, als würden die Schleierwolken am Himmel brennen. Sieht wirklich gut aus. Es könnte sogar sein, dass wir heute eine sternenklare Nacht bewundern können. Das wiederum würde bedeuten, es wird kalt, eiskalt. Brrrr!
31. Der letzte Tag dieses Jahres. Was gibt‘s da noch zu schreiben. Eigentlich habe ich schon alles was ich erlebt habe niedergeschrieben. Es war wiederum ein sehr ereignisreiches und interessantes Jahr. Mal ging‘s Berg auf und mitunter Berg ab. Die schönen Dinge haben aber eindeutig die Nase vorn. Ich durfte wieder einiges in der Natur bestaunen und einiges dazu lernen. Zu meiner grossen Freude haben sich neue Freunde zu meinen bisherigen treuen Wegbegleitern dazu gesellt. Liebe Freunde, ich danke euch, dass ihr da seid. Auch allen Helfern die mich mitunter tagtäglich unterstützen, ein herzliches Dankeschön. Trotz meiner Abhängigkeit von anderen Personen liebe ich mein Leben immer noch sehr. Das kann ich auch nur sagen, weil mein Mann und mein Sohn meine Krankheit mittragen. Ich liebe euch unendlich dafür.
Nun wünsche ich allen einen guten Rutsch ins Neue Jahr und wir lesen uns im Neuen.
5. Sie sind schön, die vielen Festtage. Es ist eine ruhige, friedliche Zeit. Die Familien rücken näher zusammen. Man nimmt sich Zeit für den andren.
So war es auch bei uns. Wir hatten einige liebe Besuche in diesen Tagen. Die Essen mit Dessert und Naschereien kamen auch nicht zu kurz. Mir scheint der 7. Bauchring von unten hat ein wenig zu viel vom Süssen abbekommen. Nach Sixpack sieht das nicht aus. Also, neues Jahr, neue Vorsätze.
Dieses Jahr ist für mich ein besonderes Jahr. Ich habe was zu feiern. Vor zehn Jahren, Mitte Januar 2001 machten sich bei mir die ersten ALS – Symptome bemerkbar. Und am 21. August 2001 wurde mir dann die Diagnose bekannt gegeben.
Soll ich das nun feiern. Da haben sich wohl auch schon andere ALS’ler gefragt. Ich für mich sehe das so.
Als ich mich mit der ALS konfrontiert sah, begann ich Informationen zu sammeln. Ich las, dass die Lebenserwartungen sehr unterschiedlich sind. Einige sterben nach wenigen Monaten. Der Überlebensdurchschnitt nach der Diagnose liegt hingegen zwischen 3 – 5 Jahren. Einige schaffen es noch länger und ca. 5% aller Betroffenen schaffen es sogar die 10 Jahres Grenze zu knacken.
Obwohl ich eigentlich kaum Einfluss nehmen kann, wie schnell die Krankheit fortschreitet, habe ich mir heimlich immer Ziele gesetzt. Zuerst drei Jahre, dann fünf, dann sieben Jahre und nun will ich dieses Jahr die 10 Jahre abschliessen.
Ich feiere nicht meine Krankheit. Ich feiere die Rundensiege, welche ich ihr abgerungen habe. Ich werde ihr weiterhin die Stirn bieten, solange bis kein einziger Kraftfunke mehr in mir steckt.
Wäre natürlich schon schön, wenn ich dann im November mit meiner Familie und meinen Freunden auf meinen 50. Geburtstag anstossen könnte. Ich freue mich jetzt schon darauf.
6. Ich bin euch noch eine Erklärung schuldig, warum ich im neuen Jahr bis jetzt nur zwei Einträge geschrieben habe.
Ich sass an Silvester, 5 Minuten nach Mitternacht am PC und wollte für euch ein Feuerwerksbild hochladen. Leider hat sich aber meine Mediendatenbank geweigert, meine Daten freizugeben.
Da der Support mal wieder überlastet war und ich von ihnen mal wieder keine Hilfe erwarten konnte, musste ich selbst nach einer Lösung suchen. Es wäre zu umständlich, euch meine unternommenen Schritte näher zu erläutern. Auf jeden Fall habe ich den Browser gewechselt. Am 2. Januar konnte ich wenigstens mein Neujahrsgruss an euch veröffentlichen.
Wahrscheinlich sass ich zu lange vor dem PC. Beim Sitzen werden Organe leicht zusammengepresst. Ich verspürte plötzlich Schmerzen unter dem rechten Brustkorb. Auch unter dem rechten Schulterblatt strahlte ein Punkt schmerzen aus. Da ich immer aufpassen muss, mir keine Lungenentzündung einzufangen, habe ich mich vorsichtshalber vermehrt im Bett oder im Fernsehstuhl aufgehalten. Natürlich mit meinen Bettflaschen und Hirsekissen.
Am Dienstag besuchte mich dann meine Physio. Sie rückte mit Hilfe von Dehnübungen, mit massieren und Atemübungen den Schmerzen zu Leibe. Mittlerweile geht es mir wieder ordentlich.
Habe beschlossen, nach zwei Stunden am PC, eine halbe Stunde auszuspannen, um meine Organe und Glieder zu entlasten.
14. Sorry liebes Tagebuch. Ich weiss, ich habe dich in letzter Zeit vernachlässigt. Irgendwie war mir einfach nicht drum, etwas zu schreiben. Und nur schreiben, damit Seiten gefüllt sind, will ich nicht.
Psychisch geht es mir aber gut. Was ich in letzter Zeit vermehrt habe, ist eine volle Nase. Drei bis viermal am Tag muss mir die Nase mittels Wattestäbchen gesäubert werden. Die volle Nase erschwert mir die Atmung. Ich bin nicht etwa erkältet. Sondern der Speichelfluss und die Verschleimung haben bei mir zugenommen. Diese Symptome gehören eben zur ALS. Momentan ermüden mich lange Gespräche. Darum bin ich froh, wenn mich meine Besucher nicht zu lange besuchen, dafür aber öfters.
Ich werde mir nun einen Verdampfer ins Zimmer stellen, damit ich feuchtere Luft einatmen kann. Mitte Februar muss ich ohnehin zur halbjährlichen Kontrolle in die St. Galler ALS-Klinik. Werde schauen, was sie dort meinen. Aber es geht mir immer noch sehr, sehr gut.
Wie sollte es mir auch nicht gut gehen, wenn ich mit feinstem Kuchen, wärmenden Socken und einem Frühlingssträusschen versorgt werde. Ihr tut mir so gut, danke.
Heute hat sich Piet den Nachmittag frei genommen und wir sind mit Rolli und Mountainbike zum See gefahren. Dort haben wir die Kaffeekanne ausgepackt und uns mit Urner Schwarzem gewärmt. Der See war sehr ruhig und viele Arten von Wasservögeln schwammen an uns vorbei. Auf einer Insel stand ein Kormoran mit ausgebreiteten Flügeln auf einem Stein. Wahrscheinlich wärmt er sich so auf.
Dieser Trip an den See hat mir sehr gutgetan. Und ich glaube, ich habe schon ein wenig den Frühling gespürt. Auch die Vögel pfeifen bereits anders. Ich freue mich auf die nächsten Tage, die sollen ja auch mit frühlingshaften Temperaturen daherkommen.
15. Was für ein schöner Tag. Von mir aus müsste es jetzt im Flachland auch keinen Schnee mehr geben. Bald ist es ohnehin Fassnacht und ohne Schnee ist es einfacher mit den Trommeln, Pauken und Trompeten durch die Strassen zu ziehen. Unsere Guggenmusik gibt bereits heute Abend ihr Eröffnungskonzert.
Heute habe ich mir nun einen Verdampfer gekauft. Nimmt mich wunder, ob ich etwas merke, wenn die Luftfeuchtigkeit von meinen 30% auf 50% steigt. Es nützt nämlich nichts, wenn man das Fenster öffnet und denkt durch die frische Luft käme auch feuchte Luft herein. Denn, je kälter die Luft, desto weniger Feuchte enthält diese.
Soeben sehe ich, wie die Schneefelder auf den Berggipfeln in der Abendsonne glühen und wie die Wolkenschleier in verschiedenen Rottönen strahlen. Es ist so eine friedliche, wunderschöne Stimmung. Auch unsere alte Burgruine wird von warmem Licht angestrahlt. Früher überwachten die Burgherren unsere Strassen. Heute hingegen habe ich die totale Kontrolle über „meine“ Kreuzung. Vielleicht bin ich ja ein verloren gegangenes Burgfräulein. Zum Glück hat mich mein Prinz schon gefunden.
Damit ihr wisst, wie meine Kreuzung aussieht, habe ich euch hier ein Foto.
15. Eine Zeitlang hatte ich einen Traum, welcher in regelmässigen Abständen wiederkehrte. In diesem Traum bin ich eine grazile Balletttänzerin. Ich wirble mit weissen, dünnen Strümpfen und einem Tüllröckchen durch den Saal und vorführe elegante Sprünge. Das Beste ist jedoch: Ich kann fliegen. Ich brauche lediglich meine Arme anzuwinkeln und diese hoch und runter zu bewegen. So kann ich Minutenlang in der Luft bleiben.
Diesen Traum hatte ich jetzt lange nicht mehr. Trotzdem ist dieser Traum für mich so schön, dass ich ihn nie vergessen werde. Ich finde, jeder sollte auf seine Träume hören. Vielleicht wollen uns die Träume etwas sagen.
16. Piet und ich machen 1. Mal in der Woche einen Grosseinkauf. Wir bevorzugen Geschäfte, in welchen ich mich mit dem Rollstuhl frei durch die Regale bewegen kann. Eines davon ist der Seewenmarkt. Dort hat es genügend Behindertenparkplätze. Gegenüber diesen Parkplätzen befindet sich eine Reihe Frauenparkplätze. Was man da alles so beobachten kann. Ich glaube einige haben den Sinn dieser Parkplätze nicht verstanden. Es kommt immer wieder vor, dass Frauen zwar am Steuer sitzen, aber auf dem Beifahrersitz sitzt der Mann. Der müsste sie doch eigentlich beschützen können. Und müssten daher nicht den alleinfahrenden Frauen den Platz wegnehmen. Noch krasser ist, wenn ein männlicher Lenker den Platz beansprucht. Ich muss dann so zusammennehmen, um ihnen nicht zuzurufen: War heute wohl zu kalt für ein Röckchen.
Also passt in Zukunft auf, auf welchen Parkplatz ihr euer Auto abstellt.
19. Ich habe schon seit zwei Tagen gespürt, dass das Wetter umschlagen wird. Ich war so müde. Gestern hat nicht viel gefehlt und ich wäre während der Physio eingeschlafen. Ich verspürte auch leichte Kopfschmerzen. Darum entschloss ich mich einen Fernsehnachmittag einzulegen. Lange konnte ich die Sendungen jedoch nicht mitverfolgen. Ich bin eingeschlafen und habe sicher 3 Stunden durchgepennt. Aber damit nicht genug. Um 20.00 Uhr war ich bereits wieder im Bett.
Jetzt bin ich aber fit und ausgeschlafen. Seit ich den Luftbefeuchter in Betrieb habe, fällt mir das Atmen wieder leichter und auch die Nase ist nicht mehr so oft verstopft. Ich würde ja lieber mit offenem Fenster schlafen, die Gefahr einer Erkältung wäre aber zu hoch. Probieren wir es vorerst mal mit dem Verdampfer. Jetzt habe ich wenigstens eine Luftfeuchtigkeit von ca. 45%.
Den Wetterumbruch merke nicht nur ich. Heute waren zeitweise sechs Blaumeisen miteinander an meinen Meisenknödel. Und beim Vogelhaus im Freien sah ich Kohlmeise, Blaumeise, Buchfink, Grünfink, Rotkehlchen, Haussperling (Spatz) und Amsel. Auch die Alpendohlen haben wieder mit einer grossen Gruppe unser Dorf überflogen.
Judihui, jetzt 14.50 Uhr fängt es an zu schneien. Ich hätte ja gerne den Frühling gehabt. Wenn ich jedoch sehe, wie sich die Regentropfen in Wattebäuschchen verwandeln, freut mich das einfach. Eigentlich hat jede Jahreszeit ihre Schönheit. Und ich bin froh, dass ich diese Naturwunder sehe kann.
23. Es ist Samstagnachmittag. Ich befinde mich in einem Raum in Zürich, welcher sich in einem Behindertenheim befindet. Ich bin als erste eingetroffen und warte nun auf die anderen. Langsam treffen nun nacheinander weitere Personen ein. Einige kommen mit ihrem Rollstuhl angebraust. Ein anderer läuft an einem Stock. Einige betreten hinkend den Raum. Anderen sieht man von aussen nicht an, dass sie ein Gebrechen haben. Erst wenn man ihnen zur Begrüssung die Hand reichen will, merkt man, dass sie ihre Hände nicht mehr hochheben können. Oder sie symbolisiert mit den Fingern, das sie nicht mehr sprechen können.
Ja, heute ist wieder ein Treffen der ALS-Selbsthilfegruppe. Die Tische werden zusammengestossen und wir, die Betroffenen und die Angehörigen, nehmen ringsherum Platz. Wir sind eine buntgemischte Truppe, welche eine Sache verbindet. Unsere Krankheit die ALS. Hier diskutieren jüngere und ältere miteinander. Wir tauschen Erfahrungen und Tipps untereinander aus. Wir befinden uns in den unterschiedlichen Stadien der Krankheit. Einer lebt schon seit 26 Jahren mit der ALS und der andere hat die Diagnose grad mal eine Woche.
Wir kommen immer wieder auf unsere Hilfsmittel zu sprechen und demzufolge auf dessen Kostenträger, die IV und die KK. Mich macht es wütend, wie einige um die Kostenübernahme kämpfen müssen. Oder wenn sie ein halbes Jahr auf ein Ok für ein Hilfsmittel warten müssen. Wer sich ein wenig mit der Krankheit befasst und das erwarte ich von den Entscheidungsträgern, sollte wissen das wir mit so einer Krankheit keine Zeit zum Vergeuden haben. Meistens sind wir nach 3 – 5 Jahren weg vom Fenster. Also, warum müssen wir und unsere Angehörigen so viel Energie und Zeit in solche Kämpfe investieren. Diese Zeit und Energie würden wir lieber anderes einsetzen.
Es ist eigenartig, aber ich fühle mich mit jedem in der Gruppe eng verbunden und ich bin immer froh, wenn ich alle wieder antreffen darf.
Was ich ebenfalls noch interessant finde; es kommt niemals die Diskussion auf, warum wir wohl diese Krankheit bekommen haben. Wahrscheinlich macht sich jeder seine eigenen Gedanken darüber.
Bei uns geht es aber nicht nur ernst zu. Wir können auch herzhaft lachen und mal einen gelungenen Spruch fallen lassen. „Andy, dinä mit liebi züäbereititi Kaffee het wunderbar gschmeckt.“
Nach zweieinhalb Stunden machen wir uns alle wieder auf den Heimweg. Der Rucksack ist mit Anregungen und Ideen gefühlt. Wir dürfen nur nicht vergessen diesen auch auszupacken.
26. Als ich Gestern Abend im Bett lag, sah ich durchs Fenster wie sich die Nacht in einen rötlichen Schimmer verwandelte. Das ist ein Anzeichen, dass Draussen etwas im Gange ist. Heute Morgen dann die Überraschung. Die Schneeflocken haben über Nacht die Gegend in ein eine Winterlandschaft verwandelt. Ein weisser Flaumenteppich liegt über allem.
Ich kann mich noch gut erinnern wie wir uns schon als Kinder über die Schneeflocken gefreut haben. Nichts konnte uns damals im Haus halten. Mit wollenen Mützen und Handschuhen ging es nach draussen. Ich kann mich noch genau an den zu Herzen gehenden Duft erinnern, welcher entstand, wenn es sehr kalt war und Schnee in der Luft lag. Ich sehe, wie wir unsere roten Gesichter zum Himmel recken und mit der Zunge versuchen die herunterfliegenden Schneeflocken aufzufangen.
Manchmal bauten wir auch Schneehüten. In die Fenster steckten wir jeweils rote Kerzen (bei uns gab es Früher nur rote oder auch mal weisse Kerzen). Es sah so schön aus, unsere beleuchteten Schneehütten.
Irgendwann, als wir unsere Finger kaum noch spürten, ging es wieder ins Haus. Obwohl wir es eigentlich wussten, dass wir unsere gefühllosen Finger nicht direkt an den Kachelofen legen sollten, könnten wir es nicht lassen. Die Einsicht folgte postwendend. Die Finger fingen an zu schnell aufzutauen. In den Fingern fing es an zu „klimsen“, das tat gewaltig weh und wir hätten weinen können. Leider vergassen wir dies bis zum nächsten Mal wieder und das gleiche wiederholte sich immer wieder.
Diese Kinderwinterzeit war so eine verzaubernde Zeit. Wie in einem Märchen.
27. Ich bin immer wieder bereit mitzuhelfen, wenn es darum geht die Krankheit ALS bekannter zu machen. So stand ich letztes Jahr drei Lehrlingen Rede und Antwort zum Thema ALS. Ich war sehr erstaunt und beeindruckt von diesen Jugendlichen, welche für ihre Vertiefungsarbeit eine so unbekannte und ernste Krankheit als Thema wählten. Vor kurzem erhielt ich nun ein Exemplar der Vertiefungsarbeit. Ich bin beeindruckt von dieser Arbeit. Sie haben gut recherchiert und sich intensiv mit der Krankheit auseinandergesetzt. Jetzt hoffe ich, dass die Drei zum Dank mit einer guten Note belohnt werden.
Ebenfalls im Herbst wurde ich angefragt, ob ich bereit wäre, das Vorwort für die jährlich erscheinende Dorfzeitung zu schreiben. Da ich schon in der Gemeinde Attinghausen geboren wurde und den grössten Teil meines Lebens hier verbracht habe, war es für mich eine Ehre, mein Herz sprechen zu lassen. Anfang 2011 hielt ich dann die neue Ausgabe unserer Dorfzeitung in den Händen. Hier könnt ihr nachlesen, was letztes Jahr in Attinghausen so abgegangen ist.
31. Eigentlich wollte ich am Wochenende einen Beitrag ins Tagebuch schreiben. Aber jedes Mal kam ich nur bis zum Datum. Mir fehlten einfach die Worte. Ich starrte nur auf das leere Blatt. Seit ich am Freitagmorgen im Tagebuch einer Internet-Freundin lesen musste, dass ihr Mann nun endlich einschlafen konnte, hat mich das doch sehr berührt. Durch die regelmässigen Tagebucheinträge wusste ich zwar, dass es nicht gut um ihn steht. Wenn man es dann aber Schwarz auf Weiss liest, geht das nicht einfach spurlos an einem vorbei. Obwohl ich in einer 10-jährigen ALS-Laufbahn schon von vielen Betroffenen Abschied nehmen musste, berührt mich das immer noch jedes Mal tief. Es fühlt sich an, als würde ein Schatten übers Herz ziehen. Ein Trost bleibt: Den Reisenden geht es nun sicher besser. Und irgendwann werden die Angehörigen, welche eine unvorstellbare schwere Zeit hinter sich haben, auch wieder die Sonne sehen.
Soeben hat sich ein Rotkehlchen auf meine Fensterbank gesetzt und schaut ganz vertraut in mein Zimmer. Es lässt sich auch nicht von der Amsel mit den orangen umrandeten Knopfaugen vertreiben, welche sich ebenfalls auf der Fensterbank niedergelassen hat. Das ist genau das, was ich brauche. Diese Vögel geben mir so viel. Sie lassen mein Herz wieder lachen.
FEBRUAR
1. Es ist wieder viel Unruhe in unserer Welt. Menschen gehen auf die Strasse und demonstrieren für Freiheit und Demokratie. Warum gibt es immer noch Oberhäupter, welche meinen, über ihr Volk herrschen zu müssen. Warum gibt es immer noch Menschen, welche meinen, Anderen eine Lebensweise oder eine Religion aufzwingen zu müssen. Wir wurden alle als freie Menschen geboren. Niemand hat das Recht, den Anderen zu unterdrücken oder seine Ideen aufzuzwingen. Ein Oberhaupt muss mit dem Volk regieren und nicht gegen das Volk. Es kann doch nicht so schwer sein, um miteinander leben zu können. Wir haben so eine wunderschöne Welt. Sie beherbergt alles was nötig ist, um zu leben. Wir müssen nur lernen zu teilen.
3. Wie soll eigentlich Frieden endstehen, wenn wir es nicht mal fertig bringen mit unseren Nächsten, unseren Nachbarn in Frieden zu leben. Sollten wir nicht versuchen, in unserem Umfeld Frieden herzustellen. Wie soll uns der Weltfrieden je gelingen, wenn wir es nicht mal vor unserer eigenen Haustüre schaffen.
Aber beginnen wir doch zuerst in der eigenen Familie. In so manchen Familien herrscht auch eine Art Krieg. Es finden verbale Verletzungen statt. Familienmitglieder gehen sich aus dem Wege. Man grüsst einander kaum noch. Es herrscht ein sogenannter kalter Krieg.
Aber, was ist mit unseren Kindern. Bieten wir ihnen einen geschützten Rahmen, um aufwachsen zu können. Lassen wir ihnen aber auch so viel Freiheit, um eigene Ideen auszuprobieren. Fangen wir sie auf, wenn sie scheitern.
Aber, was ist mit jedem Einzelnen. Wie steht es um mich. Wie lebe ich mein Leben? Habe ich mich gefunden oder suche ich immer noch? Bin ich bereit für diese Welt? Fühle ich mich im Stande, anderen zu helfen? Oder muss ich zuerst mit mir selbst ins Reine kommen? Packen wir es an. Für eine friedlichere Welt.
4. Mein Herz frohlockt. Es ist so schönes Wetter draussen. Die Sonne strahlt vom Himmel. Die Fahnen bewegen sich leicht im Wind. Man könnte meinen der Frühling ist im Anzug.
Bin gespannt, ob die Schneeglöckchen schon irgendwo ihre Köpfchen aus dem Boden zwängen. Muss das am Wochenende mal nachschauen gehen. Es soll ja in den nächsten Tagen ja wärmer werden. Den See will ich ebenfalls besuchen. Habe nämlich im Fernsehen gehört, dass sich diesen Winter aussergewöhnlich viele verschiedene Arten von Gänsen in der Schweiz aufhalten. Ich meine gehört zu haben, es seien 5 Arten. Wie die wohl alle ausschauen?
Diese Woche geht es mir überhaupt sehr gut. Angefangen hat es mit einer kurzen Traumsequenz. Ich stehe in unserem Treppenhaus und sehe verwundert auf meine Füsse. Ich trage meine hellblauen Adiletten und meine Zehennägel sind mit rotem Nagellack überzogen. Warum ich so verwundert bin? Meine Füsse haben soeben drei Stufen erklungen. Wunderschönes Gefühl.
An einem anderen Tag hatte ich am Morgen das Gefühl, meine Beine wären stark genug, um selbst aufstehen zu können. Auch bei den Physioübungen fühlte ich mehr Kraft in den Muskeln. Sogar eine meiner Schwestern fragte mich diese Woche, seit wann ich meine Beine so bewegen könne. Ich weiss, es ist unwahrscheinlich, dass ich mich jemals wieder ohne Rollstuhl fortbewegen kann. Ein schönes Gefühl ist es trotzdem. Seit neuestem besucht mich meine Physiotherapeutin zweimal in der Woche. Das trägt sicher dazu bei, dass ich mich körperlich stark fühle.
Mit der Psyche ist es so eine Sache. Mal geht’s hinauf, mal hinunter. Mit der Gewissheit, dass ich diese Krankheit habe und dadurch meine Lebenszeit verkürzt ist, kann ich gut umgehen. Was mir gelegentlich den letzten Nerv raubt ist diese Hilflosigkeit. Ich möchte so vieles erledigen oder angehen. Menschen bräuchten meine Hilfe. Ich kann ihnen nicht so helfen, wie es nötig wäre. Das macht mich manchmal traurig und belastet mich. Manchmal steigt Wut in mir hoch auf jene Menschen, welche die Möglichkeit hätten zu helfen aber es nicht tun. Aus welchen Gründen auch immer. Manche gehen auch freiwillig blind durchs Leben.
Ich glaube, diese Woche habe ich doch dem einen und anderen einen Seitenhieb verpasst. Ich bin mit meinem Spiegelbild auch noch nicht zufrieden. Ich muss noch vieles Verbessern und Angehen, damit mich ein offenes, lächelndes Gesicht aus dem Spiegel anstrahlt.
Soeben habe ich den Frauenriesenslalom im Fernsehen mitverfolgt. Evi, eine fleissige Leserin aus Bayern hat mich darauf aufmerksam gemacht. Die Rennen finden ganz in ihrer Nähe statt. Diesmal habe ich mich zwar weniger auf die Fahrerinnen konzentriert, vielmehr hielt ich Ausschau nach einer roten Flitzerin mit Urnerfahnen. Evi, wo warst du? Hattest wohl doch zu sehr Angst vor der Gummizelle? Oder war es dir zu kalt. Das hat ja gestürmt. Bei euch scheint noch kein Frühlingserwachen zu sein.
9. Seit Anfang Oktober halte ich mich vorwiegend im Haus auf. Es ist mir in den Wintermonaten einfach zu kalt, um nach draussen zu gehen. In den letzten Jahren habe ich mein Eisbärenfell immer mehr verloren und bin zu einer frierenden Nacktkatze mutiert.
Auch in der Wohnung brauche ich meine 20°/21° sonst friere ich. Früher, als noch Muskeln meinen Körper zierten, reichten 18° völlig aus. Mittlerweile teile ich sogar mit zwei Wärmeflaschen mein Bett. Hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt. Aber wenigstens wärmen sie mich. Man wird eben bescheiden.
Liebe Besucher beleben meinen Alltag. Sie erzählen mir den neuesten Klatsch und Tratsch von der Strasse. Übers Weltgeschehen informiere ich mich übers Internet. Einmal die Woche begleite ich meinen Mann beim Wocheneinkauf. Und an manchen Wochenenden unternehmen wir mit dem Auto Ausflüge.
Das ist ja alles schön und gut. Ich bin ja auch dankbar dafür. Aber ich vermisse meine Freiheit. Ich vermisse die Spontanität. Ich vermisse den Duft der Natur. (Sofern nicht gerade ein Bauer die Jauche verteilt.) Ich vermisse meine Blumen. Ich vermisse meine Tiere. Ich vermisse das Plätschern des Wassers. Ich vermisse das Streicheln des Windes auf meiner Haut. Ich vermisse die Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht. Ich will wiedersehen, riechen, hören und fühlen. Ich will wieder auf meine Rollitouren.
Frühlingssonne, wärme doch die Luft ein bisschen schneller auf. Denn dann kann ich auch wieder endlich raus.
10. Leute ich sag euch was. Morgen mache ich meine erste Rollitour dieses Jahr. Von mir aus kann es Katzen hageln, ich lasse mich nicht zurückhalten. Enten, Gänse, Schwäne versammelt euch, ich komme euch besuchen. Mein Mann hat soeben den restlichen Gletscher bei der Auffahrt beseitigt. Sonst wäre ich Morgen bereits an der ersten Steigung gescheitert.
Bevor ich aber den Morgigen Ausflug in Angriff nehmen darf, steht am Morgen zuerst noch eine Stunde Physio auf dem Programm. Mir tun die Übungen, Dehnungen und Massagen sehr gut. Es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn ich meine Muskeln spüre. Es scheint mir fast so, als würden sich einige strickt weigern aufzugeben. Ich bin stolz auf diese Kämpfer. Ja ich wähle die männliche Form. Ich finde die Muskeln sind das einzig männliche was einen Frauenkörper durchzieht. Und mehr muss es auch nicht sein, hihi.
Ich hätte schon immer gern mal gemeinsam mit anderen ALS-Betroffenen eine Ferienwoche verbracht. Für MS-Betroffene gibt es solche Angebote schon länger. Heute bei einem Mailverkehr wurde ich auf so ein Angebot aufmerksam gemacht. Die ALS-Vereinigung.ch möchte so eine Woche realisieren. Wenn genügend Personen Interesse haben, steht der Realisierung nichts im Wege. Wie schön wäre es doch, einander persönlich kennenzulernen. Ich weiss zwar auch noch nicht wie alles bei unseren starken Körpereinschränkungen funktionieren wird. Ich bin aber voller Zuversicht, denn die ALS-Vereinigung wurde von Betroffenen und Angehörigen ins Leben gerufen. Habe ich euer Interesse geweckt, dann fragt doch unverbindlich bei der ALS-Vereinigung an. Könnte ein riesen Spass werden.
Wenn jemand unsere Vereinigung unterstützen möchte, dann nichts wie ran ans Portemonnaie. Der Sommer kommt und das Ticino ruft.
11. Kalte Zehen, stabige Finger und ein Nasentröpfli. Das bin ich. Doch das ist mir so was von egal. Leute, ich war draussen. Ich war am See, bei meinen Wasservögeln. Die Rufe der Vögel, das Plätschern des Wassers, die frische Luft, Erholung pur. Habe ich das genossen. Zum Aufwärmen richtete ich den Rolli jeweils für kurze Zeit gegen Süden aus. So konnte mich die Sonne mit ihren Strahlen wieder aufwärmen.
Als ich wieder Zuhause ankam, machte ich noch eine Erkundungstour ums Haus. Und was ich da alles spriessen und blühen sah, weckt meine Vorfreude auf den Frühling noch mehr.
Wenn Rita eine Reise tut, sieht der Rolli nachher schmutzig aus. Wen der wieder putzt?
16. Viele junge Menschen demonstrieren momentan für ein Leben in Freiheit. Sie wollen ihr Leben nicht mehr von Diktatoren bestimmen lassen. Sie wollen eine Regierung, in der sie mitbestimmen können. Ich hoffe so sehr, dass es ihnen gelingt ihr Ziel zu erreichen. Sollte es gelingen, so hoffe ich sehr, dass sie von den demokratisch gewählten Regierungen nicht enttäuscht werden. Es darf nicht sein, dass sich Politische Gruppierungen oder Religionsgruppen die Macht unter den Nagel reissen. Das wäre nicht die erstrebte Freiheit. Sie sollen mitbestimmen dürfen, welchen Weg ihr Land in Zukunft einschlagen wird. Ich glaube nämlich, dass die meisten ihre Heimat lieben und auch dort leben möchten. Wenn man ihnen Zukunftsaussichten gibt, werden die jungen Menschen sicher weniger zu Emigranten. Sicher werden einige im Ausland studieren und später in ihre Heimat zurückkehren, um ihr Wissen in die Gemeinschaft einzubringen. Es ist klar, es wird immer schwarze Schafe geben. Ich hoffe einfach, dass man den Jungen Menschen die Zeit gibt, beweisen zu können, dass auch in ihrem Land die Demokratie funktioniert.
Ich wollte mich in meinem Tagebuch eigentlich nie politisch äussern. Aber diese Freiheitskämpfer sind so fest in meinen Gedanken, dass ich darüberschreiben will. Ich bin so gespannt, in wie fern sich einige Länder zum positiven Verändern.
Ich hoffe sehr, der Umbruch gelingt ohne grossen Gewalteinsatz.
Ich weiss, einige sind da anderer Ansicht als ich. Wer meine politischen Ansichten stören, darf mein Tagebuch ruhig schliessen. Auf eine freie Welt.
17. Freiheit heisst nicht, dass jeder machen darf was er will. In jedem Land, Staat gibt es Gesetze, an denen man sich orientieren sollte. Das kann aber nur funktionieren, wenn ein Staat auf demokratische Weise regiert wird. Das Volk muss mitbestimmen können, wie eine Regierung zusammengesetzt wird. Das Volk muss ein Mitspracherecht haben, wenn es um Gesetze, Verordnungen, Abkommen mit andern Staaten usw. geht. Ich finde, grosse Staatenverbünde bergen eine Gefahr. Die einzelnen Stimmen, die Minderheiten gehen in der Masse unter. Sicher, es ist viel schwieriger ein grosses Land zu führen als ein Kleines. Mein Land hat eine ideale Grösse. Alles ist überschaubar. Die direkte Demokratie stellt für mich die idealste Regierungsform dar. Ich hoffe, dass sich auch andere Staaten dazu entschliessen können die Demokratie einzuführen. Aber am wichtigsten finde ich, dass man die Menschenrechte beachtet. Ich habe mich diese Woche mal mit Artikeln über Menschenrechte befasst. Hier könnt ihr nachlesen was Menschenrecht bedeutet.
Vor kurzem hat Jemand zu mir gesagt: Wenn ich deine Texte so lese, veranlasst mich das, zu glauben du seist eine Grüne. Ich kann da nur erwidern, dass mir eine Farbe allein nicht reicht. Ich bin bunt wie der Regenbogen. Ich bin bunt wie eine Alpenwiese.
18. Wenn die Zeit Richtung Frühling zeigt, geht es mir nicht anders als vielen anderen Frauen. Ich sehe an mir herunter und stelle fest, die Bikinifigur ist weg. Nach dieser ernüchternden Feststellung rechne ich mir sogleich aus, wie viel Zeit mir zum Abnehmen bleibt, bis die Bikinisaison beginnt.
Gleich am Abend bitte ich meinen Mann, mir zum Nachtessen nur einen geraffelten Apfel mit ein wenig Rahm zuzubereiten. Voller Genuss nehme ich den ersten Löffel in den Mund. Hm, schmeckt irgendwie komisch. Nun versuche ich es mit dem zweiten Löffel, leider schmeckt auch der nicht besser. Ich kann das nicht essen. Ich vermute, diese Apfelsorte harmoniert nicht mit dem Rahm. Vielleicht ist es ja gerade gut so, dann nehme ich auch schneller ab.
Leider ist da jemand nicht miteinverstanden. Mein Mann kommt mit zwei Joghurts und sagt ich könne zwischen Mocca und Haselnuss wählen. Da ich schon länger kein Haselnussjoghurt mehr gegessen habe, entscheide ich mich für dieses. Voller Erwartung nehme den ersten Löffel in den Mund und lasse das Joghurt auf der Zunge wirken. Hm, das schmeckt irgendwie komisch. Ich probiere noch einen zweiten Löffel, aber der schmeckt nicht besser. Ich entschuldige mich bei meinem Mann und sage ihm, ich kann das Joghurt nicht essen. Ich glaube, er ist sauer. Nun nimmt mein Mann das Joghurt in die Hand und während er nach dem Datum sucht bemerkt er, dass sich die abgebildeten Haselnüsse als Maroni entpuppen. Nun haben wir die Lösung. Ich kann Maroni-Joghurt nicht ausstehen. Beim dritten Versuch, diesmal mit dem Mocca-Joghurt, klappt es dann doch noch.
Zum Abnehmen wären solche Pannen natürlich ideal. Aber ich glaube, ich versuche es lieber mit FDH.
Für diejenigen Frauen, die es mit einer Diät versuchen wollen, sollten gleich drei gleichzeitig beginnen. Denn, nur mit einer hat man doch nur immer Hunger. Diese humorvolle Aussage habe ich letzthin im TV gehört.
Es ist natürlich nicht einfach abzunehmen, wenn einem ein feiner Apfelkuchen vor die Türe gelegt wird, bei dem der Vanilleguss fast 1 cm hoch ist. Ich denke, ich behalte meinen Winterspeck noch ein wenig und beisse lieber nochmals genussvoll in den Kuchen. Schliesslich soll es in diesen Tagen wieder Minus-Temperaturen geben und dafür sind Fettreserven ganz gut geeignet.
19. Habt ihr schon das schöne Wetter gesehen. Die Sonne lacht vom Himmel. Die Weidenkätzchen an der Kummetböschung strecken ihre silbernen Köpfchen aus den Ästen. Die Vögel pfeifen und fliegen von Baum zu Baum. Ob sie wohl schon beim Nestbau sind. Ich muss mich wohl beeilen. Ich möchte nämlich dieses Jahr 1 - 2 Nistkästen aufhängen. Beim Kauf eines Nistkastens muss ich einige Details beachten. Möglichst unbehandeltes einheimisches Holz bevorzugen. Der Nistkasten sollte für die Reinigung im Winter zu öffnen sein. Und je nach Vogelart muss das Einflugloch kleiner oder grösser sein. Die Blaumeisen benötigen mit einem Durchmesser von ca. 2.60 cm ein relativ kleines Loch. Erhältlich sind auch Universalnistkästen. Da heisst es dann wohl, der schnellere ist der gleitigere.
Wir haben letztes Jahr zwei Vogelhäuschen bekommen. Diese dienen zwar eher zur Zierde. Ich bin aber trotzdem gespannt, ob sich was im roten oder blauen Häuschen tut.
Die beiden Meisen Knödel vor meinem Fenster musste ich entfernen. Sie waren ja für die kleinen Vögel gedacht. Da die Vögel das Futter für das Futterhäuschen aufgebraucht haben, machten sich die Bergdohlen auf die Suche nach anderen Futterquellen. Dabei haben sie die Meisen Knödel entdeckt. Mir hat es zwar gefallen, wie die Bergdohlen mit schräggestelltem Kopf in mein Zimmer schielten. Aber den Kot an der Hauswand muss ich dann doch nicht haben.
Es ist sowieso an der Zeit, dass sich die Vögel ihr Futter selbst in der Natur suchen. Bald kann ich sie ja wieder im Freien beobachten.
Letztlich habe ich geschrieben, ich wünsche mir eine freie Welt. Ich habe da was verwechselt. Wenn ich mit Welt unseren Planeten die Erde meine, dann stelle ich fest, dass sie seit jeher frei ist. Wer nicht frei ist, sind wir Menschen. Manche Menschen leben in Ländern, in denen sie nicht frei leben können. Sie werden der Meinungsfreiheit beraubt. Sie werden wegen ihrer Glaubens- oder Völkerzugehörigkeit diskriminiert. Aber ist daran das Land schuld. Nein, es sind Menschen welche andere Menschen unterdrücken und ihnen die Freiheit rauben. Das müsste alles nicht sein. Wir werden als freie Menschen geboren.
Wir dürfen einen wunderbaren Planeten bewohnen. Unsere Erde gibt uns alles was wir für unser Leben brauchen. Mir ist es eigentlich egal, ob ich aus einer männlichen Rippe entstanden bin oder ob ich im Laufe der Evolution entstanden bin. Ich darf hier sein und das genügt mir.
Ich rede jeden Tag mit Gott, obwohl ich nicht weiss ob es ihn gibt. Das ist für mich auch nicht wichtig. Vielleicht war es einfach ein weiser Mann, der damals lebte. Das was über ihn aufgeschrieben wurde, imponiert mir. Weil er so unnahbar und von Menschen nicht beeinflussbar ist, ist er mein unsichtbarer Begleiter. Jeder Mensch muss seine Religion und was er Glauben kann frei wählen können. Kein Mensch darf einem anderen Menschen seine Religion, seinen Glauben, noch die eigene Lebensweise aufzwingen. Unsere Erde ist frei. Wann werden wir es sein?
21. Vor drei Wochen brauchte mein Rollstuhl vier neue Schuhe. Beim Montieren der Schuhe ist uns aufgefallen, dass die Vollgummipneus, neu aus einem Kunststoffgemisch bestehen. Auf Anfrage hin wurde uns mitgeteilt, die Neuen seien nun so. Mein Mann war den Neuen gegenüber skeptisch. Er meinte, diese Räder könne man für Rollatoren verwenden. Aber sicher nicht für die Steuerräder eines Rollstuhls. Aber was soll man machen. Die müssen es ja schliesslich wissen.
Nun sitz ich da und habe einen Platten. Besser gesagt, ich habe gleich zwei. Meine beiden Vorderräder des Rollstuhles haben übers Wochenende Risse bekommen. Ich muss ganz vorsichtig fahren. Bei jeder Kurve reissen die Pneus noch mehr auf. Zum Teil fahre ich bereits auf den Felgen. Zum Glück haben wir die Alten aufbewahrt. So wird mir mein Mann nach der Arbeit wieder die alten montieren müssen.
Nun, die Ersatzpneus sind bestellt. Der Lieferant meinte, so was habe es noch nie gegeben. Ich hoffe nur, es kommen nicht wieder die Selbigen. Mein Mann hat nämlich ausdrücklich Pirelli-Pneus bestellt.
Zum Glück ist mein Mann handwerklich begabt. Ich wüsste nicht wie ich mit meiner Behinderung solche Sachen selber erledigen könnte.
Es ist gewaltig, was Angehörige wie mein Mann, nebst ihrem Beruf leisten müssen. Und das alles ohne Entlohnung. Ohne ihren Einsatz, würden dem Staat gewaltige Kosten entstehen.
Gut gibt es noch solche Menschen, die ihre eigenen Wünsche und Träume, zu Gunsten anderen zurückstecken.
Ich kann heute leider nicht mitfahren zum Einkaufen. Brauche zuerst neue Schuhe.
Hei, ei, ei. Ich sehe erst jetzt, nachdem sich der Nebel verzogen hat, wie weit es hinuntergeschneit hat. Ich glaube, ich muss doch noch Schneeketten für meinen Rolli posten. Und eine Rolli-Heizung wäre auch nicht ohne.
Hoffentlich hat es in St. Gallen nicht zu viel Schnee gegeben. Ich muss nämlich Morgen in die ALS-Klinik zur Verlaufskontrolle. Diese Woche habe ich einiges auf dem Programm.
23. Nachdem ich nun den ganzen Nachmittag geruht habe, will ich euch nun schnell vom gestrigen Untersuch berichten. Als wir von Zuhause losfuhren, war noch alles im grünen Bereich. Je weiter wir fuhren, desto schneller wechselte die Farbe Grün auf die Farbe Weiss. Durch die Minus Grade wurden die Strassenverhältnisse an manchen Orten kritisch. So war es auch nicht verwunderlich, dass es zu Unfällen kam. Wir standen deswegen eine Stunde lang im Stau.
Endlich angekommen wurde auch sogleich mit den Untersuchungen begonnen. Auf die Waage, dann Zunge raus, Augen verdrehen, Kopf-, Bein- und Armkraft mittels Widerstands messen. Mit dem Hämmerchen Reflexe auslösen. Atmung mittels Sniff Test messen. Dann die Auswertung mit dem Ergebnis: Es ist alles beim Alten. Keine relevante Verschlechterung ausser, dass ich seit 2008 wieder 3,5 Kilo zugenommen habe. Ich habe gedacht, ich hätte eher abgenommen. Schei……..e.
Im Verlaufe meiner Krankheit wurden meine Sinneswahrnehmungen verstärkt. Das finde ich fantastisch. So kann ich zum Beispiel Gerüche riechen, die viele gar nicht wahrnehmen. Leider gibt es Düfte die für mich weniger gut riechen. Das kann Schweiss sein oder ein Parfüm. Das kann bei mir Brechreiz auslösen.
Beim Zähneputzen habe ich auch so meine Mühe. Sobald die Zahnbürste dem Gaumen oder der Zunge zu nahe kommt, löst dies ebenfalls einen Brechreiz aus. Nun hab ich ein Rezept für zwei Mittel bekommen. Das eine betäubt ein wenig den Mundbereich. Das andere sollte den Brechreiz ein wenig unterdrücken. Muss die beiden nacheinander ausprobieren und schauen ob eines von beiden bei mir eingesetzt werden kann. Ich bin mein eigenes Versuchskaninchen.
Danach machten wir uns wieder auf den Heimweg. Unterwegs bat ich meinen Mann, mir an der nächsten Raststätte ein möglichst grosses Sandwich zu holen. Aus Frust, wegen meiner Gewichtszunahme, biss ich voller Genuss in das Sandwich.
Zu Hause angekommen, konnte ich kaum auf meinen rechten Fuss stehen. Der tat auf einmal so weh. Mein Mann konnte mich nur noch mit dem Drehteller transferieren. Heute sind die Schmerzen etwas weniger geworden. Wahrscheinlich wurde der Fuss bei den Untersuchungen zu sehr manipuliert. Deshalb habe ich mir vorgenommen, an der Fasnacht so ein Gummihämmerchen zu kaufen, um dies nächstes Mal an meinem Neurologen auszuprobieren.
26. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, heute mal richtig auszuschlafen. Doch, es ging nicht. So um 8.00 Uhr veranlasste mich irgendetwas meine Augen zu öffnen. Und was ich dann sah, war wunderschön. Das ganze Zimmer strahlte in einem leichten Orangeton. Beim Blick aus den Fenstern sah ich, wie der Schnee auf den Berge in der Sonne rötlich glänzen. Und unterhalb der Berge verkünden die sonnenbeschienenen grünen Grasflächen den Frühling.
Bei so einem überwältigenden Anblick, kann ich die Augen einfach nicht mehr schliessen. So liege ich einfach da und lasse diese Morgenstimmung in mir wirken.
Ich mag es, einfach so im Bett zu liegen, den Vögeln zuzuhören und die erwachenden Geräusche wahrzunehmen. In dieser Zeit kann ich meinen Gedanken freien Lauf lassen. Ich kann über das Leben, über mein Leben nachdenken. Die Krankheit steht da nicht mal im Vordergrund. In meinen Gedankengängen geht es vielmehr um den Lebenssinn selber. Wo komm ich her, wo geh ich hin. Diese Fragen haben sich schon viele gestellt. Die Antworten darauf muss jeder für sich selber finden.
Schon manchmal glaubte ich, Antworten gefunden zu haben. Im Laufe meines Lebens musste ich schon einige Antworten wieder revidieren und mich auf eine neue Suche begeben.
Diese Woche besuchte uns ein Theologe aus Basel. Mein Mann und ich haben vor einem Jahr zugestimmt, an einer Studie teilzunehmen. Bei dieser Studie soll festgestellt werden, inwieweit sich bei ALS-Betroffenen und dessen Angehörigen, sich innerhalb eines Jahres die Ansichten, die das Leben und Sterben betreffen verändert. Es gibt Fragen über Religion und Spiritualität. Fragen zu Suizidalität und Sterbehilfe. Fragen über das Leben mit der Krankheit und das Leben im Allgemeinen.
Es sind schon noch happige Fragen. Fragen, die man sich so noch nicht gestellt hat. Für mich ist das sehr interessant. Es gibt mir noch mehr Ansporn über mein Leben nachzudenken. Ich freue mich, wenn ich auf der Suche, auf meine Antworten treffe.
MÄRZ
2. Nun ist sie da die närrische Zeit
Kostüm und Maske übergestreift
Somit bereit für jeden Streich
Pauke, Trommel, Trompete bereit
Stramm in Kolonnen eingeteilt
Zum Abmarsch alle nun bereit
Zum Starten nun der Vorderste pfeift
Nun geht sie los die Narrenreis
3. Das Gestrige Eintrommeln hat Spuren hinterlassen. Unser Badezimmerboden ist übersät mit Fasnachtsflöhen (Konfettis). Ein kleines, vorwitziges Prinzesschen machte sich einen Spass, mich mit Konfettis einzudecken. Als mir am Abend die Kleider ausgezogen wurden, staunte ich nicht schlecht. Die Flöhe befanden sich an den unmöglichsten Orten. Aber was soll’s? Ist ja schliesslich Fassnacht.
Heute habe ich zum ersten Mal seit vielen Jahren, den Beginn des Morgenstreichs verpennt. Obwohl die Fasnachtstruppe jeweils direkt an unserem Haus vorbeizieht, habe ich sie nicht gehört.
Da heute der Schmutzige Donnerstag ist, werden den ganzen Tag Maskeraden und die Katzenmusik durch die Strassen ziehen. Ich werde daher noch genug von ihnen zu hören und zu sehen bekommen.
Am liebsten wäre ich natürlich mittendrin. Mir gefällt dieser alte Brauch.
4. Manche Träume bräuchte ich eigentlich nicht. Träume, bei denen ich schweissgebadet aufwache oder wie in dieser Nacht, wo ich frierend im Bett erwachte.
Es war wieder mal einer jener Träume, bei denen ich mich verlaufe und mich immer weiter vom Ziel entferne.
Im heutigen Traum arbeite ich wieder an meinem alten Arbeitsplatz. Heute scheint sich alles gegen mich zu verschwören. Zuerst lege ich mich mit der Laden-Dekorateurin an. Ich kann es nicht ab, wenn Dekorateure meinen, sie hätten die Kreativität gepachtet. Denn nicht jeder der eine kreative Ader hat wird gleich Dekorateur.
Kurz darauf werde ich noch von einer gestressten, überforderten Personalchefin angefaucht.
Später begebe ich mich in einen anderen Gebäudetrakt, um dort nach dem Rechten zu sehen.
Und da passiert es wieder. Ich verlaufe mich. Im Traum bin ich mir völlig bewusst, dass mir dies schon in anderen Situationen passiert ist. In manchen Träumen bin ich tagelang unterwegs ohne das Ziel je zu erreichen.
Beim heutigen Traum befinde ich mich plötzlich im Freien. Es liegt Schnee auf der Strasse und es ist kalt. Als ich da so laufe hüpft plötzlich eine Kröte aus meinem Schuh und verschwindet im Schnee. Das ist sicher jene Kröte, der ich als Kind ein Leid zugefügt habe. Dies bedaure ich aus tiefstem Herzen. Seit diesem Tag bin ich ein inniger Tierfreund geworden.
Leider habe ich auch im heutigen Traum mein Ziel nicht erreicht. Frierend bin ich aus meinem Traum erwacht. Diese Träume sind wirklich doof.
Traumdeuter würden mir wahrscheinlich sagen, dass sie in den Träumen meine Suche nach dem Lebenssinn sehen. Wird wahrscheinlich auch etwas Wahres dran sein. Ich beschäftige mich in den letzten Jahren vermehrt mit dem Thema „woher möchte ich kommen, wohin möchte ich gehen“.
Meine Gedanken und Überlegungen werden durchlesen von Büchern bereichert. Meine letzten Bücher waren; Die Päpstin und Illuminati. Und heute lagen in der Post der bestellte DVD mit dem Titel „Schmetterling und Taucherglocke" und 5 CDs über die Weltreligionen. Beim Lesen solcher Literatur kann ich mich schon mal verirren. Aber, es macht mich auch offener und toleranter.
Meine Träume haben übrigens schon vor dem Lesen dieser Bücher angefangen. Sie haben kurz nach der ALS-Diagnose begonnen.
Heute träume ich sicher vom Frühling.
7. Es fällt mir Momentan nicht so leicht Tagebucheinträge zu schreiben. Es wäre eigentlich die Zeit der Clowns, des Lachens, des Ausgelassen sein.
Wie aber kann ich meine Freude am Leben, mit dem momentanen Blutvergiessen in den arabischen Ländern vereinbaren?
Vielleicht versuche ich es vorerst mit einer harmlosen Geschichte.
Manchmal frage ich mich ja schon, weshalb manche Personen einkaufen gehen. Während wir in den Laden gehen, um Lebensmittel zu kaufen, treffen sich andere zum Smalltalk zwischen den schmalen Gängen von den Lebensmittelregalen. Da könnte ich manchmal ausflippen. Aber nein, man soll ja freundlich bleiben und höfflich um Platz bitten.
Letztlich habe ich mich auch ein wenig gewundert. Wir fuhren mit unserem Einkaufswagen durch die Gänge. Mal vorwärts und auch mal retour. Auf einmal muss ich ausweichen, damit meine Rolliräder nichts abbekommen. Auf dem Boden befindet sich eine rote Tropfspur. Ob da jemand wohl Sirup ausgeschüttet hat? Aber das würde einem doch auffallen und man würde das doch aufputzen. Menschen gibt’s. Ich habe mir noch überlegt, ob ich das Verkaufspersonal darauf aufmerksam machen soll. Ich liess es dann doch bleiben.
Während mein Mann an der Kasse anstand, schaute ich mich bei den Blumen um.
Etwas später kam mein Mann zu mir und sagte. Es hat etwas länger gedauert. Die Kassiererin musste mir einen neuen Beutel Randen Salat holen. Unserer Beutel hatte nämlich ein Loch und hat das ganze Förderband vertropft.
Sachen gibt’s.
8. Was kann einem schöneres passieren, als im sonnendurchfluteten Zimmer aufzuwachen. So ein wunderschöner Morgen. Obwohl die Spitex heute nicht mehr im Clowngwändli zur Pflege erscheint, kommt Freude in mir auf. Denn, wenn die Spitex schon am Morgen in kurzärmlig erscheint, kann die Wärme nicht mehr weit sein. Ju di hui, der Frühling ist da. Bald werden die Blumenzwiebeln sich strecken und ihre Köpfe aus dem Erdreich strecken. Bereits haben Geissenblümchen, Schneeglöckchen, einige Krokusse, Schlüsselblümchen und Primelchen ihr Winterquartier verlassen und wärmen sich an der Frühlingssonne. Ich freue mich so auf die erwachende Natur mit ihren Farben, den verschiedenen Düften und ihren Lauten.
Ich liebe den Frühling.
9. Leute, ich war gestern Draussen. Ich bin zum See gefahren. Auf dem Weg dorthin sind mir bereits zwei Schmetterlinge begegnet. Mein Herz hat gejubelt. Das schöne Wetter hat einige Leute zum Spazieren veranlasst. Als ich meinen Lieblingsplatz am See anpeile, sehe ich meinen Vater dort stehen. Gemeinsam haben wir dann die Wasservögel beobachtet. Später sind wir dann gemeinsam Richtung Feldli (Elternhaus) gefahren. Ich mit meinem E-Rolli und mein 85-jähriger Vater mit seinem E-Velo.
Luzia, die Frau von Siebenloch hat uns dann im Feldli mit einem heissen Urnerkaffee verwöhnt. Aufgewärmt machte ich mich dann auf den Heimweg.
Später am Abend konnte ich noch mitverfolgen, wie vor unserem Haus, der Winter endgültig vertrieben wurde. Der Fasnachtsböög am Galgen brannte lichterloh.
Ade kalter Winter und herzlich willkommen du warmer Frühling.
19.00 Uhr
Ich bin wieder unterwegs. Heute bin ich Richtung Süden gefahren. Über den Hochweg nach Erstfeld. Die Weidenkätzchen schimmerten silbern in der Sonne und ein Schmetterling saugte genüsslich an einer Huflatichblüte. Früher mal, als wir die Zigaretten noch selber drehten, mischten wir gelegentlich getrocknete Huflatichblätter unter den Tabak. Sollte angeblich den Raucherhusten mildern.
Zum Glück haben wir mit dem Rauchen vor Jahren aufgehört. Heute nehme ich die Düfte und Gerüche wieder viel intensiver war. Wäre unendlich schade, wenn ich die zarten Düfte der Frühlingsblumen nur eingeschränkt wahrnehmen könnte.
An der Sonne war es heute richtig warm. Ich konnte sogar die Kappe zu Hause lassen. Heute Abend habe ich bereits einen leichten Sonnenbrand auf meinem Gesicht entdeckt.
Das kann für mich nur eines heissen. Meine Rollitourenzeit hat diese Woche begonnen.
Damit der Winter weiss, dass jetzt Schluss ist, habe ich meiner Homepage vorsorglich einen Frühlingsfarbenanstrich verpasst.
10.Als heute meine Schwester Bernadette anrief, um sich mit mir für die Nachmittagstour zu verabreden, meinte mein Sohn zu mir: "Du hast es eigentlich schon schön, kannst den Nachmittag geniessen und unser eins muss arbeiten gehen". Wo er Recht hat, hat er Recht.
Ich bin ein kleiner Pascha. Das Essen wird mir zurechtgeschnitten und eingegeben. Ich werde gewaschen und gepflegt. Ich muss nicht mal mein Füdli selbst putzen. Wenn ich etwas brauche muss ich nur läuten und das gewünschte wird mir gebracht. Ich muss nicht mal arbeiten gehen und trotzdem bekomme ich jeden Monat etwas Lohn. Ich muss sagen, hört sich eigentlich sau gut an. Möchte vielleicht jemand mit mir tauschen?
11. Beim gestrigen Ausflug habe ich mich mit abgeschnittenen Weidenkätzchen eingedeckt. Diese werden Zuhause zusammen mit den abgeschnittenen Ästen unseres Kirschbaumes in eine Vase gestellt. Mal schauen, ob ich sie zum Blühen bringe.
Bei meinen Ausflügen fällt mir auf, dass sehr viel Holz geschlagen wird. Wälder und Böschungen werden stark ausgeholzt. Viel stärker als in den vorangegangenen Jahren. Ob dies wohl etwas mit der Zunahme von Schnitzelheizungen hat?
Einige Insekten sind auch bereits aus dem Winterschlaf erwacht. So musste ich schon vor Mücken- Fliegenschwärmen fliehen. Schön ist es zu beobachten wie kleine Bienen bereits emsig dabei sind, Nektar aufzunehmen. Sie sehen so herzig aus, mit ihren von Blütenstaub bepackten Beinchen.
18.00 Uhr
So, jetzt bin ich wieder retour. Heute habe ich auf meiner Tour die Geschäfte abgeklappert. Da ich der Ansicht bin, dass unserem Garten nach dem langen Winter einige Farbtupfer ganz gutstehen würden, habe ich mich nach Blumen umgeschaut. Als ich die vielen bunten Blumen sah, hätte ich am liebsten gleich losgelegt mit kaufen. Da ich leider keinen Anhänger am Rolli habe, muss ich den Kauf auf Morgen verschieben. Dann kann ich auch gleich neue Kräuter dazu kaufen.
Mein nächster Besuch führte mich in ein Stoffgeschäft. Ich will meine Rollibeindecke mit einem winddichten Innenfutter versehen. Es gibt zwar Rollidecken und Rollifusssäcke zu kaufen, aber diese sind mir zu gestabig und unbequem. Und ausserdem bin ich kein Michelin-Männchen. Ich weiss genau wie meine Decke aussehen muss. Das Material habe ich heute bereits gekauft. Nun bräuchte ich nur noch Jemand der mir dies nähen würde. Gesucht wird ein tapferes Schneiderlein.
Es war ein abwechslungsreicher Tag. Ich liebe es, wenn ich Sachen selbstständig erledigen oder organisieren kann.
12. Obwohl Heute milde Temperaturen herrschen, kann ich nicht nach draussen gehen. Der Föhn bläst so stark, dass ich mit dem Atmen mühe bekommen könnte. Unangenehm wäre auch der aufgewirbelte Staub, welcher sich gerne in die Augen verirrt.
Den Blümchenkauf habe ich somit auf nächste Woche verschoben. Also, widme ich mich heute dem Fernseher. Schliesslich steht heute noch eine Abfahrt auf dem Programm. Hoffentlich sind unsere Ski-Asse wieder so gut, wie gestern.
Da ich auch alleine Fernsehen kann, hat sich mein Mann kurzerhand entschlossen, seine erste Töfftour für dieses Jahr zu starten. Und da es in den Bergen noch genügend Schnee hat, hält sich mein Sohn seit zwei Tagen auf den Skipisten auf.
Und ich mach’s mir jetzt vor dem Fernseher gemütlich.
14. Der heutige Eintrag ist nur kurz. Wie viele andere Menschen auch, schaue ich nach Japan. Meine so geliebte Natur hat mal wieder auf brutale Weise zugeschlagen. Da ich keine Worte sagen mag, lasse ich einen Song spielen.
15. Gestern fuhr ich mal wieder über den Höhenweg. Der Weg führt an einer Felswand entlang nach oben. In einigen Felsnischen haben Leute Engelchen und Muttergottesstatuen hingestellt. Letztes Jahr hat jemand sogar den Weg als Engelsweg beschriftet. Manche Personen werden sicher ihre Freude daran haben. Mir selbst gefällt das nicht so. Ich erfreue mich eher an den Wildveilchen, welche an den kargen Felswänden wachsen. Oder dem Wasser, welches über die Felsen tropft.
Der Weg ist für einen Rollstuhlfahrer schon sehr steinig und stotzig. Auch manche Regenrinnen sind mit Vorsicht zu befahren. Mit einem guten Rollstuhl ist das aber kein Problem. Was mir auf diesem Weg so gut gefällt sind die Ruhe und die Aussicht. Unterhalb des Weges fliesst die Reuss und neben ihr ist die A2 mit der Raststätte. Gestern war ich anscheinend die Attraktion einiger Reisenden, die sich an der Reuss die Beine vertreten haben. Plötzlich haben sie mich auf dem Hochweg entdeckt. Nun wurde auf mich gezeigt und mir zugewunken. Sicher sieht man nicht jeden Tag, einen Rolllifahrer in solch einem Gelände. Gerne hätte ich ihnen zurück gewunken doch wie, wenn man die Arme nicht heben kann. Doch, nichts ist unmöglich. Benutzte ich doch einfach meinen Kopf zum Winken.
Schon fast unheimlich ist es, durch das aus dem Felsen geschlagene Tunnel zu fahren. An manchen Stellen ist es stockdunkel, man sieht nicht mal auf den Boden. Besonders dann nicht, wenn eine Sonnenbrille auf der Nase sitzt und man diese nicht abnehmen kann. Zum Glück ist mein Rolli mit Lichtern ausgestattet. Sonst müsste ich blind fahren.
Auf meiner weiteren Reise entdeckte ich plötzlich einen fremden Passagier an. Eine kleine braune Spinne hat auf meiner Schulter platzgenommen. Es war mir doch, ich hätte ein Spinnennetz gestreift. Da ich ja bekanntlich meine Arme nicht hochheben kann und meine Puste zu schwach ist um sie wegzuscheuchen, nahm ich sie ein Stück des Weges mit. Als ein wunderschöner gelber Schmetterling um mich herum flog hatte ich sowieso nur noch Augen für diesen. Leider konnte ich trotz meinen späteren Recherchen nicht herausfinden, um welchen Falter es sich da gehandelt hat. Der Zitronenfalter hat viel ein blasseres Gelb.
Weil auf dem Reussdamm gearbeitet wurde, musste ich meinen Nachhauseweg anders wählen. Es gab da eine Abkürzung. Nur diese Abkürzung ist für meinen Behinderungsgrad mit vielen Barrieren versehen. Gestern wollte ich mal ausprobieren, wie ich mit meiner eher undeutlichen Aussprache Leute dazu bewegen kann, mir durch solche Hindernisse zu helfen.
Ich musste irgendwie auf die andere Seite der Autobahn kommen. Auf beiden Seiten der Autobahn steht eine Raststätte. Aber wie komme ich von aussen in die Raststätte. Zwei schwere Eisentüren versperren mir den Weg. Also warte ich bis Fussgänger vorbeikommen. Zwei Frauen kommen meiner Aufforderung nach und lotsen mich durch die zwei Türen. Nun fahre ich über die Parkplätze zum Rastätteeingang. Drinnen bitte ich eine Passantin mir den Lift zu öffnen. Weil ich im Inneren des Liftes die Tasten nicht drücken kann begleitet sie mich nach unten. Unten angekommen versperrt mir eine Glastür den weiteren Weg. Meine vorgängige Helferin erfasst sofort die Situation und öffnet mir auch noch diese Tür. Nun fahre ich in der Fussgängerunterführung unter der Autobahn durch. Auf der anderen Seite wieder das gleiche Spiel. Diesmal in umgekehrter Reihenfolge. Diesmal steht ein Herr in der Nähe des Liftes. Ich muss zweimal Hallo rufen, bis er reagiert. Als er anfängt zu sprechen, denke ich „oh mein Gott“, ein Franzose. Aber irgendwie versteht er trotzdem was ich möchte und begleitet mich nach oben. Nun befinde ich mich in der gegenüber liegender Raststätte und fahre durch eine Drehtür ins Freie. Ich fahre wieder an Parkplätzen vorbei und begebe mich an die Seitenausfahrt, welche für das Personal bestimmt ist. Die Ausfahrt ist durch ein Rolltor gesichert. Der Knopf, um das Tor zu öffnen ist für mich nicht bedienbar. Jetzt heisst es warten, bis jemand Feierabend hat. Kurze Zeit später sehe ich mein nächstes Opfer. Der junge Mann ist sehr nett und öffnet mir sogleich das Tor. Uff, nun habe ich es geschafft. Jetzt sollte ich ohne weitere Barrieren nach Hause kommen. Die Trottoirauffahrt, welche mir in den vorangegangenen Jahren noch Sorgen bereitet hatte, wurde letzten Herbst durch die Trottoirabsenkung behoben. Dem Kanton sei Dank.
Wo ein Wille ist, ist meistens auch ein Weg.
17. Hallo Leute. Wie geht’s euch Heute? Ich glaube, nach all dem was in letzter Zeit auf unserer Erde geschieht, tut uns ein wenig Aufhellung gut.
In meiner Familie hat Musik einen hohen Stellenwert. Wir hören sie nicht nur, mein Mann und mein Sohn greifen gelegentlich selbst in die Seiten. Ich habe es leider nur bis zur Blockflöte geschafft. Doch diesem Instrument konnte ich wunderschöne Töne entlocken. Ich glaube, ich war eine ganz passable Spielerin.
Als ich bei meinem letzten Rolliausflug auf dem Reussdamm unterwegs war, hörte ich plötzlich von irgendwoher seltsamer Musik. Auf der Höhe des Erstfelder Biotopes sah ich eine Frau im Gras sitzen und ein Mann mit Dudelsack stand etwas abseits. Ich musste einfach anhalten und ein wenig verweilen. Die Laute, die der Mann mit dem Piep aus dem Dudelsack hervorbrachte, versetzte mich in eine andere Zeit. Leider sah ich nicht, ob der Mann einen Kilt getragen hat. Weiss man jetzt eigentlich, was Mann darunter trägt?
Jetzt muss ich mich wieder den Geburtstagsvorbereitungen meines Vaters widmen. Er wird am Samstag 85. Jahre alt. Ich muss noch die Einkaufsliste für die Fleischblatten erstellen. Da fällt mir sicher noch dies und jenes ein, was noch zu besorgen ist. Also, an die Arbeit.
21. Es ist Frühlingsanfang. Alles will raus. Die Wiesen werden immer grüner und an den Sträuchern treiben kleine, feine Blättchen hervor. Einige Forsythien tragen bereits ihr gelbes Kleid und werden von einzelnen Schmetterlingen umworben. Auch die Vögel sind hellwach und singen ihre wunderschönen Lieder. Heute lag ein Stück Schnur auf unserer Terrasse. Diese hat sicher die Amsel verloren, welche unter unserem Hausfirst am Nest bauen ist. Ob sie das Nest wohl anbinden wollte?
Es ist einfach herrlich zuzusehen, wie die Natur erwacht. Der Frühling bringt so kräftige, leuchtende Farben hervor, wie keine andere Jahreszeit. Wie gerne würde ich jetzt in den Garten werkeln gehen. Ich habe die Gartenarbeit geliebt. Für mich war das stundenlange Unkraut jäten reine Entspannung. Zum Glück bringt die Natur auch ohne mein Zutun wunderschöne Blumen und Sträucher zum Blühen. Nun heisst es für mich staunen und geniessen.
23. Während ich am Samstag den Geburtstag meines Vaters feiern durfte, musste mein lieber Internet-Freund Piero, seinen Kampf gegen die Krankheit ALS mit nur 43 Jahren aufgeben.
Piero, ich und alle ALS‘ler wünschen dir eine wunderschöne Reise.
24. Rote, gelbe, blaue und noch viele andere Farben stechen mir in die Augen. Ich fahre mit meinem Rolli zwischen den Blumenregalen eines Geschäftes hin und her. Eine meiner Schwestern schiebt unterdessen meinen Einkaufswagen in eine günstige Position. Die Stiefmütterchen versuchen uns mit ihren Augenfarben zu bezirzen und die Primeln locken mit ihren kräftigen Farben zum Kauf.
Also legen wir los mit dem Blumeneinkauf. Osterglocken, Hyazinthen, Stiefmütterchen und Primeln werden sorgsam ausgewählt und in den Einkaufwagen gelegt. Langsam füllt sich der Wagen. Jetzt brauche ich noch Schnittlauch, Blattpetersilie und einen Rosmarinstock und dann geht’s an die Kasse.
Da wir mit Rolli und Velo die Blumen schlecht nach Hause befördern können, kommt eine Nichte mit dem Auto und übernimmt diesen Job.
Schnell machen wir uns nun auf den Nachhauseweg. Die Blumen wollen schliesslich so schnell wie möglich ihr neues Zuhause kennenlernen. Zwei Stunden später haben alle Blumen ihren Platz im Garten gefunden. Es blüht und strahlt ums Haus. Ich kann mich nun für eine lange Zeit an ihnen erfreuen.
Danke für eure Hilfe und den butterzarten Schoggikuchen. Mmm!
25. War das ein schöner Tag heute. Meine Backen sind immer noch rot und warm von der Sonne. Endlich brauche ich beim Rolli fahren keine Beindecke mehr. Auch die Kappe und die Handschuhe haben vorerst ausgedient. Ich habe sie in den Schrank gelegt. Dort können sie nun gemütlich ihren Sommerschlaf abhalten. Eine Warnung an alle Motten: lasst meine Kappen und meine Handschuhe einfach in Ruhe und knabbert sie nicht an. Sonst komm ich mit dem Lavendelsträusschen und verdufte euch. Ich will schliesslich nicht, dass mir im Herbst der Wind um die Ohren pfeift.
Eigentlich wollte ich heute gemächlich zum See fahren und dort den Wasservögeln zuschauen. Auf dem Weg dorthin bemerke ich im Rückspiegel wie sich ein Velofahrer in rasantem Tempo nähert. Als er auf gleicher Höhe mit mir ist, stoppt er abrupt. Jetzt erst sehe ich wer es ist. Völlig ausser Atem steigt meine Blumensetzende, Kuchenbackende Schwester vom Rad. Sie sei am Bügeln gewesen und habe mich gesehen, wie ich auf dem Reussdamm Richtung See fahre. Kurz entschlossen zog sie das Bügeleisen aus, zog die Jacke an und schwang sich aufs Velo und startete die Verfolgungsjagt. Habe ich nicht liebe Schwestern.
Wir haben dann entschlossen, die Biotope im Bodenwald aufzusuchen. Wir wollten nachschauen, ob wir die Schlange vom letzten Jahr wieder antreffen. Ausser einem Frosch und vielen Froschlaich hat sich da noch nichts bewegt. Ist wahrscheinlich noch zu früh.
Dafür reichte die Zeit, um beim Elterlichen-Bauernhof vorbeizuschauen. Der Hof gehört mittlerweile einem meiner Brüder.Dort lassen wir uns mit Urnerkaffee und Urnerpastete verwöhnen.
Bis zum nächsten Besuch, kommt meinem Bruderherz sicher in den Sinn, die Gartenmöbel aus dem Keller zu holen und aufs Sonnenplätzli zu stellen. Der nächste Kaffeehalt kommt bestimmt.
28. Müde, Gähnen, Schlapp und schlafen. So sah mein Wochenende aus. Ich habe mich richtig kraftlos gefühlt. Schuld hat sicher auch die Mens, welche sich nach Jahren der Ruhe in den letzten Monaten wieder gemeldet hat. Da ich Blutverdünnungsmittel einnehmen muss, fällt sie dem entsprechend stärker aus. Ich fühle mich in dieser Zeit jeweils auch ausgelaugt und schwächer. Mein Brechreiz nimmt in dieser Zeit so intensiv zu, dass ich nicht am Hals tragen kann. Parfümdüfte, Zigarettengeruch oder sonst welche unangenehmen Gerüche können bei mir extremen Brechreiz auslösen. Reinster Horror, während dieser Zeit, ist das Zähneputzen. Allein der Gedanke, dass die Zahnbürste meinen Gaumen berühren könnte, reicht schon aus, um einen Brechreiz auszulösen.
Von der ALS-Klinik bekam ich zum Ausprobieren zwei Medikamente verschrieben. Das erste, welches ich ausprobiert habe, ist ein Medikament, welches meine Mundhöhle leicht betäuben sollte. Wir beträufelten ein Wattestäbchen mit dem Medi und bestrichen damit die rechte Mundhöhle. Leider entsprach der Geschmack der Flüssigkeit überhaupt nicht meinen Geschmacksnerven und schon war der Brechreiz da.Diese Woche werde ich das zweite Medi ausprobieren. Dieses muss ich zum Glück nur herunterschlucken. Hoffe sehr, dass dieses wirkt. Sonst muss ich dies doch noch untersuchen lassen.
Heute fallen kleine, glänzende Tropfen vom Himmel. Die Erde nimmt den Regen dankbar an. Ich freue mich zu beobachten, wie die Wiesen in den nächsten Tagen immer grüner werden und die Gräser in die Höhe wachsen werden. Bald wird sich auch der Löwenzahn zeigen. Wie schön werden die Wiesen leuchten, wenn die Sywblüemä (Löwenzahn) ihre sonnengelben Köpfe öffnen und mit den saftigen Gräsern wegeifern.
Ich möchte euch Heute auf eine weitere Homepage eines ALS-Betroffenen aufmerksam machen. Mir gefällt Marcels HP sehr gut.
APRIL
3.Die letzte Woche brachte mir einige Hochs und Tiefs. Anfangs Woche fühlte ich mich ausgelaugt und kraftlos. Ich hatte keine Lust zu schreiben. Dann kam am Donnerstag noch aus, dass der Gesundheitszustand meines Mannes nicht optimal ist. Er muss in den nächsten Wochen operiert werden. Und bis dahin muss er sich ein wenig schonen. Aber was heisst hier schonen, mit einer ALS-Betroffenen Frau zu Hause.
Jetzt heisst es organisieren, um meine Betreuung sicher zu stellen und somit meinen Mann zu entlasten. Er wird nach der OP noch für mindestens 2 -3 Monate ausfallen.
Etwas Gutes hat das Ganze aber doch. Mein Mann und ich werden gemeinsam viele schöne Tage im Liegestuhl geniessen können. Fehlt uns nur noch ein Buttler, der uns die kühlen Drinks mixt.
Momentan ist das Wetter phänomenal. Darum haben wir Gestern auch den Grill rausgepackt. Meine heissgeliebten Cervelats haben sich auf dem heissen Grillrost geräkelt, bevor sie ihrer Bestimmung zugeführt wurden.
Auch Heute war wieder so ein schöner Tag. Am Morgen machten wir eine Velo- und Rollitour durch die Natur. Piet hat den Ausflug gefilmt. Ich werde das Filmchen nächstens ins Netz stellen. Am Nachmittag taten wir es den Cervelats gleich und liessen uns auf dem Liegestuhl bräunen.
Was schönes Wetter doch so alles bewirken kann. Ich jedenfalls bin wieder frohen Mutes.
6. Sobald es Draussen schön ist, hält mich bekanntlich nichts mehr im Haus. So unternahm ich Gestern mit einer Freundin eine Tour in der Natur. Quatschend radelnd und rollend fuhren wir so nebeneinander her. Manchmal hielten wir an, um ein Thema genauer zu erörtern. Mir fällt vermehrt auf, dass der Gegenwind meine Sprechkondition beeinträchtigt. Um unsere Kehlen zu benetzen besuchten wir wieder die Cafeteria eines Alters- und Pflegeheimes.
Diesmal war die Gartenterasse gut besucht. Einige Bewohner haben an der Sonne einen Jass geklopft. Andere unterhielten sich mit ihren Besuchern. Aber am besten gefiel mir der ältere Herr, der sich eine grosse Portion Dessert schmecken liess. Recht hat er. Man soll sich auch im Alter Freuden gönnen.
Beim Nachhauseweg blies uns die Biese entgegen. Wir mussten unsere Jacken hoch schliessen um nicht ein Nasentröpfchen einzufangen.
In den nächsten Tagen soll es ja Sonnenschein pur geben und die Temperaturen werden laut Meteo steigen. Also nichts wie raus.
Im Fotoalbum habe ich einige Frühlingsbilder eingefügt.
7. Der Frühling ist eine wunderschöne Zeit für mich. Ich kann wieder nach der langen kalten Winterzeit nach Draussen. Ich schaue den Blumen zu wie eine nach der Anderen ihr Köpfchen zur Schau stellt. Diese Artenvielfalt einfach wunderbar. Der Boden wird durch die Sonne immer stärker erwärmt. Die Gräser wachsen von Tag zu Tag stärker. Auf den grünen Wiesen weiden bereits die Kühe. An Bäumen und Sträucher spriessen zarte, hellgrüne Blätter und einige zieren sich mit hellen Blüten.
Bereits surren Wespen und Bienen um die nektarreichen Blüten. Auch die Ameisen sind fleissig bei der Arbeit. Ob einige Vögel schon Nachwuchs in ihren Nestern haben, weiss ich nicht. Ihren Pfeifkonzerten zufolge sollte man es meinen. Ihr Pfeifen klingt so fröhlich.
Ich selbst kann schon seit einiger Zeit nicht mehr pfeifen. Ich kann auch nicht mehr im Garten werkeln. Meine Flügel sind zu schwach geworden. Ich kann nicht mehr durch frisches Gras laufen. Meine Beine tragen mich nicht mehr.
Der Frühling ist in der Tat wunderschön. Trotzdem macht er mich manchmal melancholisch und eine tiefe Traurigkeit erfasst mich. Soviel sehen, soviel wollen und nichts mehr können.
Die Natur gibt mir aber auch immer wieder die Kraft, nicht zu verzweifeln.
11. Ich weiss, meine Einträge sind in letzter Zeit spärlich. Obwohl ich einiges auf meinen Ausflügen erlebt habe, musste ich eine kleine Pause einlegen. Es gibt Erlebnisse die ich einfach still verarbeiten will.
Am Donnerstag war ich am See bei meinen Seevögeln. Dort kann ich mich so richtig entspannen, dort find ich meine innere Ruhe.
Danach fuhr ich beim Bauernhof meines Bruders vorbei. Das Bild, was mir dort geboten wurde, war schon gewöhnungsbedürftig. Seit Jahrzehnten grasen nur schwarzweisse Kühe auf „unseren“ Weiden. Doch dieses Mal sehe ich auch vier braune Kühe. Die Schwarzweissen grasen am unteren Ende der Wiese, die braunen am oberen Ende. Schön getrennt. Mein Neffe Franc, der ein Auge auf die Kühe hält, erklärt mir warum die Kühe nicht beieinanderstehen. Er glaube, die braunen Kühe seien Rassisten. Sie hätten nämlich die schwarzweisen Kühe ans untere Ende der Wiese vertrieben.
Beim Käfälä bei einer meiner Schwestern habe ich mir an diesem Donnerstag doch glatt den ersten Sonnenbrand eingefangen. Meine Hände waren am Abend und auch noch am Freitag knallrot. Typisch ich.
Am Samstag ging es dem Rasen an den Kragen. Ich hielt ein wachsames Auge darauf, dass mein Mann und mein Sohn einige Flecken mit Wiesenblumen stehen liessen. Den Männern muss man da schon ein wenig auf die Finger schauen. Nun sieht es wieder gepflegt. Der Rolli lässt sich auf kurzem Rasen auch besser fahren.
Nach getaner Arbeit gönnte sich Piet eine kleine Töff-Runde. Er kam aber nicht weit. Nach 10 Minuten kehrte er zurück. Ich dachte mir, er habe sicher das Portemonnaie vergessen. Aber nein, weit gefehlt. Seine Füsse steckten in zwei verschiedenen Stiefeln. Ich konnte mich kaum noch erholen vor lauter Lachen. Mit zwei identischen Toni Lama Stiefeln begab er sich dann doch noch mal auf seine Tour. Zum Glück sitzt der Kopf fest auf den Schultern.
12. Der Himmel hat seine blaue Farbe verloren. Dunkle Wolken versperren der Sonne den Durchblick. Ein grauer Schleier überzieht das Tal. Ganz leise schickt der Regen zuerst seine Boten zu uns hinunter. Sachte klopfen kleine Wassertropfen an die Fenster. In feinen Rinnsalen gleiten sie an den Scheiben herunter. Die Tropfen werden nun immer grösser. Die Stimmen der einzelnen Tropfen mit ihrem „plitsch, platsch“ werden immer lauter. Langsam bilden die einzelnen Regentropfen eine Perlenkette, die vom Himmel bis zum Boden reicht. Ihr Gesang hat sich mittlerweile zu einem warmen, weichen Rauschen entwickelt.
Die Natur atmet auf und nimmt das kostbare Nass dankbar an. Die Blätter fangen an zu glänzen und die Blumen strecken ihre Köpfchen freudig gegen den Himmel. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich auch die Tiere über das Nass freuen. Die Regenwürmer führen sicher einen Freudentanz auf und wälzen sich im Erdmatsch. Die Vögel legen heute einen Ruhetag ein und schonen ihre Stimmen. Die Luft wird durch den Regen gesäubert und die Natur erholt sich beim Trinken. Am liebsten würde ich jetzt nach draussen „gehen“ und einen Regentanz aufführen.
13. Hei, het das wieder abbä gschnit. Alli Bärgä ringsum träget wieder wys. Dr Schnee het sich so bi 700 m feschtgsetzt. Obwou jetzt d’Sunnä schient, isches Dussä chaut. Äs ghat nähmli d‘ Biesä. Damit ich mich nit tüä verchältä, müess ich Hyt dinnä bliebä.
Ich hoffe, ihr versteht mittlerweile genügend Urner-Dialekt und ich muss es nicht übersetzen.
Wenn mein Mann heute von der Arbeit zurückkehrt, fahren wir gemeinsam Einkaufen. Ich muss mich beeilen, denn meine Aufgabe ist es, die Einkaufliste zu erstellen.
Bei unserem letzten Einkauf musste mein Mann noch etwas in einer Drogerie besorgen. Währenddessen fuhr ich durch die Regale und sah mir alles an. Plötzlich zog ein Artikel meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Ich steuerte meinen Rolli ganz nah ans Regal. Ich traute meinen Augen nicht. Da stand doch tatsächlich mein heissgeliebter Milchzusatz aus meiner Kindheit. Die Grundfarben der Verpackung sind immer noch wie Früher Blau und Gelb. Ich hatte geglaubt, die Heliomalt gebe es gar nicht mehr.
Früher gab es Familien bei denen die Ovomaltine favorisiert wurde. Bei uns jedoch stand immer die Heliomalt auf dem Tisch. Sie war körniger als die Ovi. Wir füllten den weissen Masslöffel natürlich immer reichlich, damit ja genügend vom Granulat oben auf der Milch schwimmen blieb. Im Mund fühlte sich dies, wie das heutige Chrispy an. Manchmal streuten wir die Heliomalt auch auf ein Butterbrot. Das schmeckte ähnlich wie Nutella. Einer meiner Brüder gewann sogar mal einen Plastik-Heliomalt-Helm.
Ich glaube, ich werde heute die Heliomalt auf die Einkaufsliste notieren.
15. Als erster der Urnerpässe wurde heute beim Oberalppass die Wintersperre aufgehoben. Seit 11.00 Uhr rollt der Verkehr wieder über den Pass. Die Töff-Fahrer werden sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen. Die Kurven werden am Wochenende so richtig getestet. Früher, als ich noch mitreiten konnte, waren wir bei den ersten, welche die geöffneten Pässe abfuhren. Bei manchen Pässen hat es auch nach der Öffnung noch hohe Schneemauern. Es ist meistens schon noch kalt beim Töfffahren. Die unberührte Wildheit, die nach dem Winter auf den Pässen anzutreffen ist, entschädigt jedoch jeden. Habe ich das Töfffahren geliebt.
Diese Woche konnte ich noch nicht mit dem Rolli raus. Ich habe mir glaub eine leichte Nieren-Beckenendzündung eingefangen. Der Magen tat weh und die Flanken schmerzten. Mit heissem Tee und Bettflaschen konnten wir jeweils ein wenig die Schmerzen lindern. Der plötzliche Temperatursturz war auch nicht gerade förderlich. In den nächsten Tagen soll es laut Meteo wieder wärmer werden und der Frühling soll wieder zurückkehren. Dann werde ich wieder wie Blümlein erstrahlen.
17. Ich sehe gerade, wie ein Flugzeug einen roten Kondensstreifen in den Abendhimmel zeichnet. Will uns da jemand ein Zeichen geben. Es sieht wunderschön aus. Wie eine Strasse der Freiheit und des Glücks.
Wie wird es wohl sein, wenn es mich mal nicht mehr gibt? Was wird aus mir? Wird ausser der Erinnerung und der Asche nichts mehr von mir übrig sein. Ich habe mir schon viele Gedanken darüber gemacht.
Mir hat man als Kind weissmachen wollen, dass ich später mal in den Himmel oder in die Hölle komme. Je nachdem, wie ich meinen Lebensweg beschreiten werde. Aber daran habe ich schon lange meine Zweifel.
Ich sehe nicht ein, warum ich unsere Erde verlassen soll. Für mich ist die Erde das Paradies. Najah, ein paar Störenfriede gibt’s immer noch. Aber auch diese werden noch feststellen, dass man Konflikte auch friedlich lösen kann. Also, warum soll ich diese Erde verlassen.
Meine Asche ist nicht einfach Asche. In ihr bin ich. Ich werde mit den Blumen eins werden und mit den Vögeln in andere Länder reisen. Mit den Fischen werde ich die Ozeane erforschen und der Wind wird mich tanzen lassen.
So schön stelle ich mir das Leben nach dem Leben vor.
Ein kleines Hintertürchen lasse ich mir aber noch offen. Ich bitte Gott jeden Tag, mir den richtigen Weg zu zeigen, falls ich mich irren sollte.
18. Ich muss mich beeilen mitschreiben. In zwei Stunden kommt bereits die Spitex, um mich ins Bett zu verfrachten. Obwohl mein Mann noch nicht im Spital ist, wird die Spitex ab heute auch am Abend eingesetzt. Da in der Spätschicht auch Mitarbeiter arbeiten, die mich bisher nicht betreut haben und die meinen Pflegeablauf nicht kennen, wird sie mein Mann einweisen. So hoffen wir, dass später der ganze Ablauf auch ohne meinen Mann gut über die Bühne geht. Eine gute Vorbereitung ist das A + O.
Jemand hat heute geschrieben, dass ich auf dem neuen Foto wie ein Maikäfer strahle. Das kommt wahrscheinlich daher, weil ich an diesem Tag tatsächlich einen jungen, verschlafenen Maikäfer auf meinen Jeans hatte.
So, jetzt muss ich mich beeilen und Schluss machen.
20. Bin soeben aufgestanden und hab mich vor den PC gesetzt. Als erstes checke ich meinen Posteingang. Danach lese ich mich durch die Tageszeitungen. Und wie jeden Morgen löse ich ein Kreuzworträtsel. Soll ja gut für die Hirnzellen sein.
Plötzlich sehe ich vor meinem Fenster einen grossen Brummer. Ja wer kommt mich denn da besuchen? Es ist ein Maikäfer. War wohl zu lange im Ausgang. Oder ist es ein Anzeichen, dass uns eine Maikäferplage droht, wie in den Zeitungen zu lesen ist. Mir gefallen diese Brummer. Wie man so schön sagt; des einen Freud, des andern Leid.
Das gleiche kann man auch übers derzeitige Wetter sagen. Für die meisten kann die Sonne nicht genug vom Himmel strahlen. Die Vegetation hingegen bräuchte dringend Regen. Ich wäre dafür, dass es in der Nacht regnen würde und am Tag die Sonnenstrahlen regieren.
18.00 Uhr
Da bin ich wieder. Ich war heute Nachmittag mit dem Raddampfer „URI“ unterwegs. Nach dem Mittagessen fuhr ich mit dem Rolli nach Flüelen. Um auf das Schiff zu gelangen, muss für die Rollifahrer am Anfang und am Ende des Landesteges eine Holzrampe angefügt werden. Heute schloss die Rampe jedoch nicht bündig, wodurch ein Absatz entstand. Ja nu dachte ich, muss wohl so gehen. Plötzlich stellte sich mein Rolli auf die Hinterräder. Zum Glück stand ein Matrose hinter mir. Der verhalf mir wieder in die richtige Position. Ich warf dem Schiffpersonal einen speziellen Blick zu und bin dann ohne Worte aufs Schiff gefahren. Die Schiffscrew wird meinen Blick schon verstanden haben. Gerne wäre ich heute die Gallionsfigur des Schiffes gewesen. Doch die kalte Biese veranlasste mich das Heck aufzusuchen. Wir fuhren nach Isleten, dann nach Bauen, zum Rütli und nach Brunnen. Auf dem See trieben bereits grosse Flächen von Blütenstaub. Das Panorama mit den immer noch verschneiten Berggipfeln und den immer grüner werdenden Wäldern war eine Augenweide.
In Brunnen angelangt machte ich mich wieder auf die Rückreise. Ich fuhr vom Schiff und nahm mit meinem Begleiter dem Rolli, die Axenstrasse in Angriff. Es ist zwar reger Verkehr auf dieser Strecke, aber der See und das Panorama entschädigen mich.
Ich lasse mir die Sonne von Süden her ins Gesicht scheinen. Und mein Fahrtwind und der, der Autos und LKWs wirbeln meine Haare durcheinander. Manchmal huschen Eidechsen vor meinem Rolli durch und manchmal ruft mir ein Vogel etwas zu.
Als ich Seedorf passiere merke ich, dass der Wind nicht mehr von Norden her weht, sondern, dass von Süden her der Föhn das Zepter in die Hand genommen hat. Zum Glück trage ich eine grosse, dichte Brille. Der Föhn konnte es nicht lassen, mich auf dem Rest der Strecke, mit vielen kleinen Staubkörnern einzudecken. Das war wieder mal ne tolle Ausfahrt und nun habe ich mir einen Kaffee verdient
25. Waren das wunderschöne Ostertage. Die Sonne hat uns schon früh morgens mit ihrem Licht geweckt. Sie hat alles überstrahlt und uns mit viel Wärme eingedeckt. Die Bauern konnten dank des super Wetters auch schon viel Gras zu Silo verarbeiten. Und wenn mich meine Nase nicht trügt, wurde auch bereits Heu in die Ställe geführt. Der Duft, der entsteht, wenn die Wiesen gemäht werden und das Gras sich langsam in Heu verwandelt, ist einfach betörend. Für mich ist es der Duft der Heimat.
Aber, an so einem Osterwochenende gibt’s nicht nur Heu und Gras. Nein, nein. Da wird zusammengesessen, der Grill wird angeworfen und ein Stück Fleisch darauf geworfen. Was denkt ihr, was ich am liebsten auf dem Grill hab.
28. Nun sind die sonnigen Ostertage vorbei. Die Eier sind gefunden, die Schoggihasen geköpft und einige Pfunde sind nun auch mehr auf der Waage. Aber was solls? Schoggi soll ja bekanntlich gut fürs Gemüt sein.
Momentan weiss das Wetter nicht was es will. Darum muss ich mich im Haus aufhalten. Manchmal scheint die Sonne, dann bläst wieder die kalte Biese und selten fallen einzelne Regentropfen vom Himmel. Mir wäre es lieber, es würde mal zwei Tage regnen, danach könnte die Sonne wieder ihr warmes Gesicht der Erde zu wenden. Diese Woche ist weder Fisch noch Vogel. Eben typisch Aprilwetter.
Dank dem schönen April ist die Vegetation weiter fortgeschritten als normal. Dadurch sind die Maikäfer wahrscheinlich auch zeitiger aufgewacht und besiedeln nun massenweise unseren Nussbaum. Ich glaube, ich rieche auch bereits den feinen Duft der Lindenblüte. Früher, wenn es Zeit war die Blüten zu ernten, kam unser Vater mit vielen Lindenblütenästen aus dem Wald und wir Kinder durften mit unserer Mutter zusammen die Blüten von den Ästen zupfen. Danach wurden die Blüten auf ein Leintuch verteilt und an der Sonne getrocknet. Später, wurden dann die Blüten in Leinensäcke abgefüllt und zur Aufbewahrung auf den Estrich gehängt. Beim Heuen kamen die Blüten dann wieder zum Einsatz. Unsere Mutter bereitete aus den Blüten, aus Zitronenschalen, aus Brustzucker und Wasser einen süffigen Lindenblütentee zu. Nach dem Erkalten war dieser Tee der allerbeste Durstlöscher.
Ich habe jetzt auch gerade einen Lindenblütentee neben mir. Nur mein Beuteltee kann dem Tee meiner Mutter nie das Wasser reichen.
Es gibt schon liebe Menschen. Vorhin kam meine Kuchenbackende Schwestern vorbei. Sie sagte zu mir sie habe mir schnell was in die Küche gestellt. Ich dachte an einen Kuchen. Weit gefehlt; das morgige Mittagessen steht schon bereit. Ein selbstgemachter Hackbraten mit Sauce. Mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen. Stellt euch vor; frischer Kartoffelstock mit einem Saucenseeli darauf und Hackbraten. Mmmh. Und das alles, um Piet zu entlasten. Dankeschön!
Weil der Schnee so stark geschmolzen ist werden dieser Tage zwei weitere Urner-Pässe geöffnet. Der Klausenpass 1948 m geht heute auf und der Gotthardpass 2106 m am Samstag. Nun kommen wir endlich wieder ohne Stau ins Tessin. werden. An Ostern überquerten Piet und ich den Oberalppass 2044 m und fuhren über Graubünden wieder nach Hause. In Chur, der ältesten Stadt der Schweiz, entdeckte ich eine Plastik. Ein drei Meter hoher Rollstuhlfahrer mit Weltkugel ziert als sichtbares Zeichen für alle
Menschen mit Behinderung den Churer Theaterplatz, um einen Beitrag zur Integration von Menschen mit Behinderung zu leisten.
29. Heute sass ich die meiste Zeit vor dem Fernseher. Gespannt verfolgte ich die heutige Royale Hochzeit von England. Die Spitex musste mir sogar mein morgendliches Joghurt vor dem TV eingeben. Das junge Paar war so schön anzuschauen. Und das Brautkleid, einfach wunderschön. Ich liebe solche Hochzeiten. Ich hoffe nur, dass mir nicht wieder jemand dieses Märchen zerstört. Das vorangegangene war traurig genug.
Psychologen fragen sich, warum solche Hochzeiten eine so grosse Faszination auf uns ausüben. Ist doch ganz einfach. Die meisten Kinder wachsen mit Märchenbüchern auf. Viele Geschichten handeln von Schlössern, von Gold und Edelsteinen, von Königen, Prinzen und Prinzessinnen. Als Kind glaubt man halt an solche Märchen. Und als Mädchen hofft man, auch im wirklichen Leben, seinen Märchenprinzen zu finden. Einen, bei dem man sich beschützt fühlt und der alle Wünsche erfüllt. Daran hat sich auch mit der Emanzipation nicht viel geändert.
Ich jedenfalls habe meinen Prinzen gefunden, auch wenn er mir nicht alle Wünsche erfüllen kann.
30. In der Ferne höre ich ein Grollen. Ich schaue zum Fenster hinaus. Am Himmel braut sich was zusammen. Die Wolken schieben sich immer dichter zusammen. Sie färben sich dunkel. Nun fährt ein Blitz durch die Wolken und erhellt den Abendhimmel. Und wieder ertönt ein dumpfes Grollen in weiter Ferne. Von einigen Wolken gehen helle Streifen ab. Ein Zeichen, dass es Andernorts bereits regnet. Und wieder ein Blitz. Wind kommt auf und bewegt die Baumkrone der Linde hin und her. Es wird immer dunkler. Es blitzt und donnert, aber die Strassen bleiben trocken. Bis jetzt hat nicht ein einziger Regentropfen den Boden berührt. Das Donnern und Blitzen werden nun wieder weniger. Momentan macht es gar nichts mehr. Es wäre sowieso besser, es würde erst morgen Abend regnen. Viele Bauern haben grosse Grasflächen gemäht und möchten es Morgen gerne trocken einbringen.
Schauen wir mal, was uns die Nacht Gutes bringt.
MAI
2. RotiRösli im Garte, Maierisli im Wald. Wänn de Wind chunt goge blase, so verwelked si bald. Röti Rösli im Garte, Maierisli im Wald. Oh wie schön is im Summer, und im winter so chalt. Roti Rösli im Garte, Maierisli im Wald. Ha de Gugu ghöre rüefe, ja de Summer chunt bald. (Autor unbekannt)
5. So, jetzt habe ich mir Zeit genommen, um wieder mal etwas in mein Tagebuch zu schreiben. Mir geht es weiterhin sehr gut. Habe nur immer öfters diesen lästigen Brechreiz. Ein komischer Duft, ein Kleidungsstück, das zu nahe am Hals liegt oder wenn ich langanhaltend spreche, dann passierts. Ich muss dann sehr viel Speichel rausgeben. Es hat nichts mit dem Magen zu tun. Ich glaube es hat etwas mit dem Schluckreflex und meinem Geruchsempfinden zu tun. Die vom Arzt verschriebenen Tabletten, zeigen auch kaum Wirkung.
Ein wenig spielt da auch die Psyche mit. Manchmal reicht schon der Gedanke, das Shirt könnte vorne am Hals ankommen und schon geht es los. Es reicht auch schon, wenn die Spitex nach einem fremden Parfum, nach Rauch riecht oder leicht transpiriert. Solche Situationen sind für alle nicht einfach.
Es ist momentan sowieso nicht so einfach. Piet lernt fasst jeden Abend eine neue Spitex-Mitarbeiterin auf mich ein. Das ist nötig, damit wir für seine Abwesenheit gewappnet sind. Es geben sich alle Mühe. Nur wer will schon von so vielen verschiedenen Personen betrachtet und angefasst werden. Es ist nicht so einfach und manchmal stinkt es mir gewaltig. Aber was soll ich machen, muss es einfach über mich ergehen lassen.
Mein Mann wäre bereit, seine Arbeit um 50% zu reduzieren, um meine Pflege ganz zu übernehmen. Nur das geht in der lieben Schweiz nicht. Die pflegenden Angehörigen werden nämlich nicht entschädigt. Mit den Fr. 1500.- von der Hilflosen Entschädigung findet kein Lohnausgleich statt. Viel lieber steckt man uns in Pflegeheime die Fr. 8000.- und aufwärts kosten. Mir geht da die Rechnung schon lange nicht mehr auf.
Aber sonst geht es mir gut. Ich geniesse die zurückkommende Sonne und mit ihr die steigenden Temperaturen.
6. Ich sollte mir endlich mal in den Arsch kneifen (würde, wenn ich könnte) und mich mit der englischen Sprache auseinander setzen. Es gibt so viele gute Songs und interessante Literatur. Es würde sich lohnen diese zu verstehen.
Letzthin schrieb mir eine Nichte aus Canada ein langes Mail. Natürlich alles auf Englisch (Junior hat es mir übersetzt). Sie hat ihre schweizerische Geburtssprache fasst verlernt. Sie ging in jungen Jahren als Au-pair nach Canada. Es hat ihr dort so gut gefallen, dass sie nicht mehr zurückkehrte. Sie hat inzwischen schon viele verschiedene Tätigkeiten ausgeübt. So arbeitete sie auf einer Ranch, oder unterrichtete Kinder beim Reiten. Sie kann zupacken und ist sich für nichts zu schade. Sogar ihr Essen kann sie selbst organisieren.
Ich liebe Fischgerichte. Wenn nur die Gräten nicht wären. Ich kann diese nämlich nicht selbst aus meinem Mund fischen. Und erkläre mal jemandem, wo in der dunklen Höhle sich die Gräte gerade versteckt. Darum muss ich auf die schmackhaften Ganzen Fische verzichten. Aber es gibt ja zum Glück noch die entgräteten Fischfilets.
Eveline, du machst das richtig. Lebe dein Leben so, wie es für dich stimmt.
Übrigens, ich war heute wieder unterwegs. Ich bin durch abgemähte Wiesen gefahren. Das hat wieder geduftet. Ich musste das Heu nur anschauen und ich wusste wie es sich mit den Händen anfühlen würde. Bei diesem Schnitt sind noch etliche Wildblumen darunter. Beim Laden des Heues und beim Transport in den Heu Stock hat es deshalb mächtig Staub gegeben. Die Sämlinge des Löwenzahnes machten sich einen Spass daraus durch die Luft zu wirbeln und jeden in der Nase zu kitzeln.
Wie lieb ich doch diese Jahreszeit habe.
8. Mein Mann und mein Sohn sind Goldschätze. Da kann es ihnen noch so schlecht gehen, sie versuchen es vor mir zu verbergen, um mich ja nicht zu belasten. So war es auch am Freitagabend.
Mein Mann kommt zu mir ins Büro und erzählt mir, dass sich unser Junior aus den Ferien gemeldet habe. Er ist nach Finale IT gefahren und macht dort die Downhill-Strecken unsicher. Sie hätten schönes Wetter und es gehe ihm gut. Er habe aber einen kleinen Sturz beim Biken gehabt. So könne er momentan nicht mehr fahren.
Also gingen wir ihn am Samstag holen. An Krücken gehend humpelte er uns entgegen. Inzwischen weiss ich, dass er im Spital beim Röntgen war. Dort stellten sie eine Hüftprellung und Quetschungen fest. Auch ein Daumen ist verstaucht und an den Armen hat er Schürfungen. Aber zum Glück ist nichts gebrochen.
Langsam müssen wir zu Hause ein Lazarett auftun. Nur, uns Drei wirft nichts so schnell aus der Bahn.
10. Ich sitze vor dem PC und habe das Fenster geöffnet. Von draussen ertönen Alphornklänge. Die Töne hören sich ruhig und weich an. Sie fügen sich perfekt in den lauen Frühlingsabend ein. Eine behagliche Wärme und Geborgenheit erfüllten meinen Körper. Es scheint mir, als würden die Alphornbläser dem schönen Tag danke sagen und ihm einen würdigen Abgang bereiten.
Heute war wieder ein Schönwettertag. Darum machte ich mich hemdsärmelig und mit kurzen Hosen Richtung See auf. Auf dem Reuss Damm ziehen die vielen Wildblumen meine Blicke auf sich. Es begegnen mir Schmetterlinge, Möwen, Schwalben, Finken und ich glaube, ich habe ein Kernbeisser Pärchen gesehen. Die Schnäbel haben jedenfalls so ausgesehen.
Am See unten angelangt, konnte ich einige Stockenten Paare mit ihrem Nachwuchs beobachten. Zehn Küken sind da keine Seltenheit. Manche waren munzig klein und ihr Gepiepe war kaum zu hören.
Danach besuchte ich noch die Biotope. Ich wurde von vielen grossen und kleinen, von braunen und blauen Libellen begrüsst. Sie sind in einem höllischen Tempo um mich herumgeflogen. Ich habe schon damit gerechnet, dass mir eine in meinen Kopf donnert. Aber sie sind so geschickte Flugakrobaten, da kann kaum was passieren.
Die Schlange habe ich wieder nicht gesehen, dafür gab mir ein Frosch ein Quak-Konzert. Er streckte seinen Kopf halb aus dem Wasser und plusterte rechts und links eine Schallblase auf. Hätte ich nicht schon ein Prinz zu Hause, so hätte ich ihn doch glatt geküsst.
So, jetzt mach ich Schluss mitschreiben und höre noch eine Weile den Alphornbläser zu.
11. Zum Glück bin ich heute Nachmittag zu Hause geblieben. Soeben hat noch die Sonne geschienen und nun prasseln grosse, schwere Tropfen vom Himmel. Hoffentlich kann der Boden diesen Sturzflugartigen Regen verarbeiten. Die Wassertropfen platschen zu Hauf auf die Strasse und spritzen in die Höhe. Es bilden sich bereits kleine Rinnsale auf der Strasse. Der Regen legt noch an Stärke zu und dadurch nimmt auch das Rauschen zu. Nun höre ich den ersten Donner. In nördlicher Richtung sehe ich immer noch die Sonne scheinen. Sicher hat sich irgendwo ein Regenbogen gebildet. Und was ist jetzt los? Als hätte jemand den Wasserhahn zugedreht. Es regnet nicht mehr. So schnell die Regentropfen gekommen sind, genauso schnell sind sie verschwunden. War das etwa schon alles? Die Natur hat Durst.
Ich bin heute zu Hause geblieben, weil ich immer noch dabei bin, Informationen über REHA-Kliniken einzuholen. Seit letzter Woche versuche ich eine REHA-Klinik zu finden, welche für die Nachbehandlung von Piets Herz-OP geeignet ist und welche ebenfalls für mich als ALS-Patient in Frage kommen würde.
Es wäre nämlich für Alle am besten, wenn ich meinen Mann begleiten könnte. Ich habe nun alle REHA-Kliniken in der Schweiz angeschrieben und auch von allen Antworten erhalten. Nun habe ich zwei Kliniken, welche uns aufnehmen würde. Jetzt muss nur noch meine KK mitspielen. Ich war in den 10 Jahren meiner ALS-Laufbahn weder in einer REHA noch in einer Kur.
Ich bin zuversichtlich das alles klappt. Zumal jetzt wieder die Sonne scheint.
16. Manchmal, wenn das Schicksal unbarmherzig zuschlägt, steht man unfassbar und traurig da. Es wird uns bewusst, wie machtlos wir gegen unser eigenes Schicksal sind.
Dieses Plätzchen in meinem Tagebuch schenke ich dem lieben Menschen, von dem wir uns am Samstag verabschieden mussten. Wir werden dich nie vergessen.
16.00 Uhr
Langsam bin ich müde. Seit ca. 2 Wochen bin ich auf der Suche nach einer geeigneten REHA die meinen Mann und mich gemeinsam aufnehmen würde. Ich habe sicher 40 Mails hin und her geschickt. Die meisten haben zu wenig pflegerische Kapazitäten um sich um meine doch zeitintensive Pflege zu kümmern. Einige haben auch einfach die Infrastruktur nicht. Ich bin auch ein wenig enttäuscht von einigen Institutionen, von denen hätte ich mehr Unterstützung erwartet. Am Schluss ist man doch auf sich allein gestellt.
Von allen angefragten REHA’S sind mir noch Zwei geblieben. Nun wird es sich zeigen, ob die Beiden auch noch abspringen. Dann müsste mein Mann halt allein in die REHA und ich müsste mich mit der Spitex über die Runden bringen. Und der Kampf mit der KK hat noch nicht mal begonnen.
Ich werde mich jedenfalls Morgen warm anziehen, um für weitere Kämpfe gerüstet zu sein. So schnell gebe ich mich nicht geschlagen. Es ist nur schade, dass so viel Kraft und Nerven drauf gehen.
Und was passiert jetzt? Wer ist mein Halt, wer bringt immer wieder Freude in mein Herz? Natürlich unsere wunderschöne Natur. Als ob sie geahnt hätte, was ich jetzt brauche, schickt sie mir zur Abendstunde die strahlende Sonne vorbei.
17. Ich habe mich heute tatsächlich warm angezogen. Aber weniger wegen den REHA Abklärungen, sondern weil es wieder arg kälter geworden ist. Wenn ich vor dem PC sitze und mich kaum bewege habe ich schnell kalte Füsse. Meine Nase scheint auch zu meinen es sei wieder Winter. Sie lässt den Nasentröpfli wieder freien Lauf.
Langsam bewegt sich was in Sachen REHA. Das Triemli-Spital meldet uns Beide in Hasliberg an, sobald ich die Kostengutsprache von meiner KK erhalten habe. Um diese Kostengutsprache kümmert sich nun die ALS-Klinik von St.Gallen. Jetzt heisst es warten und auf einen positiven Bescheid hoffen. Schön wäre, er würde bis Morgen eintreffen, zumal Piet am Donnerstag ins Spital einrücken muss.
Bis vor kurzem habe ich ständig zum Fenster hinausgeschaut. Mit Spannung habe ich auf meinen Mann gewartet. Piet hat sich nämlich entschlossen, seine wunderschönen, langen Haare vor der OP abzuschneiden. Seit ca. 20 Jahren war der Rossschwanz sein Markenzeichen. Und nun, da schau einer an, wie gut er auch in Kurz aussieht. Jetzt kommen seine blauen Augen noch mehr zur Geltung. Super, mir gefällt‘s. Der Zopf wird natürlich fein säuberlich aufbewahrt.
So, jetzt warten wir mal den Morgen ab. Nun ist die Anspannung auch ein wenig von mir abgefallen und ich kann noch bis Morgenabend ein wenig Zeit mit meinem Mann verbringen.
18. Ich warte auf den Bescheid der Krankenkasse.....................
Sollte am Nachmittag Bescheid bekommen...............................
15.50 Uhr: Schlechte Nachrichten: Die CSS rief gerade an und sagte es gäbe keine Leistungen..
Man müsse halt dann in einem Pflegeheim schauen.... oder privat jemanden aufbieten..
Ich könnte weinen. Mein Mann hat während 7 Jahren das meiste von meiner Pflege übernommen. So konnte die CSS 10'000 von Franken einsparen. Es ist erniedrigend, es ist unverständlich, zumal wir Beide von klein auf bei der gleichen Versicherung sind.
Ich höre jetzt auf. Dieser Abend gehört meinem Mann. Werde mich Morgen wieder in den Kampf stürzen.
19. Mein Mann ist nun im Spital und ich stürze mich wieder in den Kampf.
Ich habe gestern Abend noch ein Mail von der ALS-Klinik bekommen. Mir wurde mitgeteilt, dass die KK zumindest die Pflegekosten übernehmen müsste. Warte nun auf die die Bestätigung von Seitens der KK. Vielleicht kann mein Neurologe noch einige bezahlte Therapiestunden herausholen.
Das Zimmer und die Verpflegung werde ich nun selbst übernehmen. Ich betrachte es einfach als teure Ferien. Man leistet sich ja sonst nichts, hihihi. Ausserdem ist mir dies wert, um bei meinem Mann zu sein.
Also warte ich mal wieder......................
16.00 Uhr.............................................
Habe eben lieben Besuch bekommen. Eine meiner Schwestern ist mit Glace vorbeigekommen und hat mir zum Zabig gleich die Glace ein gelöffelt. So macht das Warten vor dem PC wenigstens Spass.
Aber es bleibt nicht bei dem einen Besuch. Soeben haben uns liebe Freunde frische Fische vorbeigebracht.
Und ausserdem tut sich wieder was. Nun hat mein Neurologe das Zepter in die Hand genommen. Er klärt das ganze nochmal mit der KK ab. Muss jetzt essen fahren. Werde gleich von meinem Sohn gefüttert. Werde Morgen wieder berichten. Bitte Daumen drücken. Mein Mann wird Morgen operiert.
20. Mein Mann hat die OP mit 5 Bypässen gut überstanden. Mehr weiss ich leider noch nicht. Kann eventuell Morgen mit ihm sprechen. Mir ist jetzt ein grosser Stein vom Herzen gefallen. Diesmal könnte ich weinen vor Glück.
Ich danke allen von Herzen, dass ihr die Daumen gedrückt habt, eine Kerze angezündet habt oder in Gedanken bei ihm wart.
21. Heute durften wir kurz meinen Mann besuchen. Es geht ihm nach so einer OP erstaunlich gut. Ich bin so glücklich und erleichtert darüber.
Piet lässt Alle ganz lieb grüssen und bedankt sich, dass ihr an ihn gedacht habt.
Die letzten Tage waren enorm belastend für mich. Nun kann ich heute endlich beruhigt schlafen. Gute Nacht, die Spitex ist im Anmarsch.
23. Ich glaube ihr habt einen kleinen Zwischenbericht verdient. Schliesslich habt ihr auch mitgefiebert. Piet geht es nach so einer grossen Operation recht gut. Was ihm noch zu schaffen macht, ist der noch immer niedrige Blutdruck. Er ist auch noch immer müde und manchmal steht er noch neben den Schuhen. Aber das kommt schon gut. Er lässt uns bereits wieder seinen Humor spüren. Ab Morgen werde ich mich wieder um die REHA kümmern. Mal schauen, ob die KK ein Einsehen hat. Jetzt gehe ich noch ein wenig an die Sonne, bevor wir zu meinem Mann fahren.
24. Heute ist so wunderschönes Wetter und ich wäre so gerne im Freien Unterwegs. Stattdessen sitze ich vor dem Compi und warte auf eine Antwort meiner KK. Eigentlich sollte ich heute Bescheid von der KK bekommen, ob sie nun die Pflege und einige Therapien übernehmen werden. Ich habe ihnen Gestern ein Mail geschrieben und heute zwei. Zurück kam jeweils nur die automatische Antwort, man werde sich so schnell wie möglich mit mir in Verbindung setzen Bla bla bla. Wo ist da der Kundenservice geblieben. Ich versuche trotz meiner Behinderung möglichst viele Dinge selbst zu erledigen und zu regeln. Aber man macht es mir nicht einfach. Manchmal möchte ich in den PC schreien, doch es hört mich ja niemand. Auch mein Neurologe hat sich noch nicht gemeldet. Die REHA bräuchte nämlich dringend den Einweisungsbescheid, die Pflegeanweisungen und die verordneten Therapien für mich. Ist das mühsam. Nun warte und warte ich halt wieder………………………
Aber ich habe auch gute Nachrichten. Meinem Mann geht’s von Tag zu Tag besser. Ein Marathonläufer ist er zwar noch nicht. Da müssen 200 – 300 m vorerst reichen. Auch mein Junior läuft mittlerweile ohne Krücken. Doch aufs Velofahren muss das Hinkebein noch verzichten.
Und jetzt kommt das Beste. Piet und ich werden am kommenden Samstag gemeinsam die REHA antreten. Ob mit KK oder ohne. Ich freue mich so.
Na dann warte ich doch noch ein weenäli……………………
18.00 Uhr
So, nun war eine meiner Schwestern da und hat für mich einige Telefonate geführt. Zuerst hat sie bei der KK nachgefragt. Ergebnis: Die KK ist immer noch am Abklären. Könne noch Tage dauern. Dann hat sie nachgefragt bei meinem Neurologen. Ergebnis: Er hatte heute noch keine Zeit sich um meine Sache zu kümmern. Er hat aber versichert, mir das benötigte Einweisungszeugnis auszustellen. Und weil meine Schwester gerade da war, konnte sie mir gleich noch andere Telefonate abnehmen. Meine armen Besucher werden von mir gleich mit Aufgaben eingedeckt. Wohlweisslich habe ich heute selbst mit der REHA-Pflegeleitung Kontakt aufgenommen, um ihnen mitzuteilen, welche Pflege ich benötige. Meine Packliste habe ich ebenfalls fertig erstellt. Und Piets Koffer haben wir schon vorgängig gepackt. Also, mag kommen was mag. Wir fahren gemeinsam in die REHA.
25. Mein Mann macht stetig Fortschritte. Trotzdem habe ich wohl Gestern etwas übertrieben. Mehr als 50 m am Stück schafft er noch nicht. Und nach 3 Treppenstufen geht dem Guten die Puste aus. Dafür hat er und sein lieber Zimmerkollege das Rollstuhlfahren entdeckt. Wenn die Beiden zum Röntgen müssen, kommt den Beiden nichts Schlaueres in den Sinn als Wettrennen zum Lift zu veranstalten. Das ist wieder mal typisch Mann.
26. Die vielen Abklärungen mittels Mail und das ständige Warten auf deren Antwort macht müde. Zum Glück habe ich einige Heinzelmännchen um mich rum, welche nebst ihrer eigenen Arbeit, auch noch einiges für mich erledigen. So hat z.B. heute Mittag eine meiner Schwestern nochmal bei der KK betreffs meiner REHA nachgehackt. Ergebnis: Ich erhalte Morgen im Verlaufe des Tages Bescheid, wie es mit der Kostenübernahme aussieht.
Mein Hausarzt war heute auch noch mal bei mir. Nun bin ich froh, dass die REHA bald losgeht. Mein Mann ist mittlerweile die verschiedenen Schläuche und Käbelchen losgeworden und kann sich frei bewegen. Das Gehen und die Physiotherapie verlangt einiges von ihm ab. Aber mit dem Lift die Cafeteria aufzusuchen klappt schon ganz gut.
Heute bleibe ich Zuhause. Um nach Draussen zu gehen ist mir das Wetter zu unbeständig. Es windet stark. Mal scheint die liebe Sonne und mal zeigen sich die dringend benötigten Regenwolken am Himmel. Warten wir mal ab, wer sich schlussendlich durchsetzt.
Morgen werden meine Sachen gepackt. An was man da nur alles denken muss. Zum Glück habe ich alles feinsäuberlich aufgeschrieben und brauche Morgen nur kleinere Anweisungen zu geben.
Ich weiss nicht wie oft ich vor der REHA noch in mein Tagebuch schreiben kann, darum benutze ich jetzt die Gelegenheit. um Danke zu sagen.
Ich danke allen, die uns in dieser Zeit unterstützt haben. Sei es durch aufmunternde Mails, gute Wünsche und durch Handreichungen. Besonders erwähnen möchte ich meinen Sohn. Was er in dieser Zeit, nebst seiner normalen Arbeit geleistet hat ist bewundernswert. Ich bin froh, so einen Sohn zu haben.
Ich weiss noch nicht, ob und wie oft ich von der REHA aus ins Tagebuch schreiben kann. Aber ich werde mich sicher mal melden.
27. Ich weiss nicht ob ich weinen oder lachen soll. Doch ich entscheide mich fürs Lachen. Meine Schwester und ich waren fast fertig mit packen, da schellt mein Telefon. Und wer meldet sich? Eine Vertrauensärztin meiner KK, der CSS. Ergebnis: Sie befinden eine REHA für mich indiziert und übernehmen deshalb die Kosten für 28 Tage. Da Hasliberg aber nicht den Leistungsauftrag für mich erfülle, oder was weiss ich, könnten sie die Kosten nicht übernehmen. Ich müsse also eine andere REHA suchen.
Wisst ihr was. Da kann ich nur noch Lachen. Mache ich halt in Hasliberg nur Ferien und unterstütze meinen Mann bei seinen Therapien. Wenigstens für meine Pflege müssen sie aufkommen.
Ich werde mich nach den Ferien wieder in den Kampf begeben.
Wir fahren jedenfalls Morgen gemeinsam in die REHA / Ferien.
JUNI
Meine lieben Leser. Gerne hätte ich euch auch während der REHA auf dem Laufenden gehalten. Doch bei der einzigen Internetstation waren die Benutzungszeiten so stark eingeschränkt und das XP lief so langsam, dass mir die Lust aufs Schreiben verging. Ausserdem war das Hochladen von Anwendungen, wie zb die benötigte Bildschirmtastatur gesperrt. Ein WLAN gab’s leider auch nicht. Darum dürft ihr nun alles rückwirkend lesen. Viel Spass.
28.05.11 Samstag –18.06.11 Samstag
REHA 1.Woche
Mein Sohn und ich fahren am Samstagmorgen zum Triemli-Spital um meinen Mann zur REHA abzuholen. Er erwartet uns bereits im Freien. Ein wenig blass und hager sieht er schon aus. Um wieder zu Kräften zu kommen, fahren wir auch gleich los zur REHA.
In Hasliberg werden wir freundlich empfangen. Es folgt eine kurze Info über die Gegebenheiten, dann werden wir in unser Zimmer begleitet. Das Zimmer und auch das Badezimmer sind schön gross. Kein Problem für meinen E-Rolli. Die grosszügig angelegten Fenster lassen viel Licht ins Zimmer. Aber wo ist der bestellte Balkon?
Nun geht der fast zwei tägige Stress los. Obwohl ich ein Südzimmer mit Balkon reserviert hatte, wurde uns ein Nordzimmer ohne Balkon zugewiesen. Da an diesem Wochenende niemand von den Entscheidungsträgern anwesend ist, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns in dem zugewiesenen Zimmer einzuquartieren.
Zum Glück ist unser Sohn bei uns. Er verstaut unser Gepäck und schaut, dass wir es gemütlich haben. Da wir den Eindruck haben das Pflegepersonal sei leicht unterbesetzt, gibt mir mein Sohn noch das Nachtessen ein. Bevor er dann nach Hause fährt, zeigt er der zuständigen Pflegerin wie meine Mobilisation mit Hilfe der Drehscheibe abläuft.
Meine Medikamente geben wir vertrauensvoll in die Hände der Pflegestation.
Leider gibt es bereits am ersten Abend mit meinen Medikamenten Unklarheiten. Das geht bis Montag so. Der Fehler liegt darin, dass die Medikamentenliste meines Arztes nicht mit meiner aktualisierten Liste übereinstimmt. Schade ist, dass das Pflegepersonal nicht auf meinen Hinweis eingeht und die Tabletten deswegen immer wieder ausgetauscht werden müssen. Da auch bei meinem Mann eine der Tabletten fehlt und er auf Sicher gehen will, nimmt er meine Medikamente wieder zu sich und richtet diese nun selbst.
Da unter anderen abgemachten Pflegezeiten, Arzttermine nicht eingehalten werden und der Informationsfluss nicht optimal funktioniert, überlegen wir ernsthaft am Montag abzureisen.
Am Montagmorgen bei der Arztvisite besprechen wir dann die Ungereimtheiten der vergangenen zwei Tage. Nach dem Gespräch dürfen wir auf Besserung hoffen.
Am Montagabend können wir dann auch unser Südzimmer mit Balkon beziehen. Das Problem war, dass wir nur allgemein versichert sind und kein Anrecht auf einen Balkon haben. Für mich als ALS-Rollifahrer ist es nicht möglich einen Lift zu bedienen, um ins Freie zu gelangen. Und weil mein Mann und ich unterschiedliche Therapiezeiten haben, kann mich mein Mann nicht immer nach Aussen begleiten. Bei einem Balkon hingegen, komme ich zu meiner Frischluft. Der Balkon kostet einfach pro Woche zusätzlich. Was soll‘s.
Inzwischen wissen wir auch, dass laut CSS mein Mann einen Tag früher in die REHA eingetreten ist als ich und auch einen Tag früher austreten wird. Wir sind jedoch beide gemeinsam eingetreten und werden nach drei Wochen auch gemeinsam wieder austreten.
Mittlerweile hat es die CSS geschafft, den vierwöchigen REHA-Aufenthalt meines Mannes auf einen dreiwöchigen zu verkürzen. Und aus meiner vierwöchigen REHA, welche die CSS bezahlt hätte, nur nicht im Hasliberg, wurde nun in einen dreiwöchigen Kuraufenthalt umgewandelt. Das heisst, ich muss die Hotellerie (Zimmer/Mahlzeit) selbst berappen. Die CSS übernimmt die Pflegekosten welche ich sowieso auch zu Hause durch die Spitex benötigt hätte. In der REHA bekomme ich pro Woche ca. 4 Stunden Therapien, welche die CSS übernimmt. Zuhause habe ich 2 Stunden Physiotherapie pro Woche, welche durch die CSS bezahlt wird. Ich glaube man muss kein guter Rechner sein um festzustellen, dass die CSS kaum mehr ausgeben muss, als wenn ich zu Hause geblieben wäre.
Übrigens, das mit der verkürzten REHA und der Kur haben wir erst in der REHA erfahren.
Ich erkläre euch mal den Ablauf wie ein Kurtag bei mir aussehen kann.
7.30 Uhr – 8.15 Uhr Morgentoilette
8.30 Uhr -- 9.00 Uhr Morgenessen
9.30 Uhr -- 9.50 Uhr Physiotherapie
11.45 Uhr – 13.00 Uhr Mittagessen
15.00 Uhr – 15.20 Uhr Lymphdrainage
Nachmittagstoilette
16.30 Uhr – 16.50 Uhr Atemtherapie
18.00 Uhr – 18.45 Uhr Nachtessen
21.00 Uhr -- 21.30 Uhr Abendtoilette mit Transfer ins Bett
Fernsehen
23.00 Uhr Mobilisation in Seitenlage durch Pflegepersonal.
Die Therapiezeiten sind jeden Tag unterschiedlich. Der Therapiepläne für die folgende Woche werden jeweils am Freitag erstellt und danach in die Postfächer der Patienten gelegt. Von Samstagmittag bis Montagmorgen finden keine Therapien statt.
Wenn es die Zeit und das Wetter erlauben, erkundige ich mit dem Rolli die Gegend. Mein Mann begleitet mich, sofern es sein intensives Trainingsprogramm zulässt. Ja mein Mann wird nicht geschont. Die Aufbautrainings sind schon happig. Aber es muss sein. Er macht täglich Fortschritte und auch die Farbe ist wieder in sein Gesicht zurückgekehrt
3. Mein Mann geht zum Krafttraining. Doch im Kraftkeller ist weder ein Therapeut noch Patienten. Na, wo sind sie denn alle hin? Also geht er auf die Suche nach einem der ihm Auskunft geben kann. Das Krafttraining wurde laut seinen Angaben vorverschoben. Leider hat man vergessen meinen Mann zu informieren. Also schickt man ihn zum Velokeller. Dort wartet er wieder eine ½ Stunde bis jemand kommt. Nach 10 min. auf dem Velo bricht bei Piet der kalte Schweiss aus und er muss den Arzt aufsuchen. Dort wird festgestellt, dass er einen viel zu hohen Puls hat. Als Folge muss er nun am Abend eine ½ Tablette zusätzlich einnehmen. Zum Glück kontrolliert mein Mann jedes Mal die hergerichteten Medikamente. Anstelle seiner neuen ½ Tablette war am Abend mal wieder eine ganze Tablette gerichtet.
REHA 2.Woche
6. Es ist Montagmorgen und mein Therapieplan liegt immer noch nicht in meinem Postfach. Nun suche ich das Büro der Physiotherapie auf. Dort teilt man mir mit, dass mein Plan am Freitag erstellt wurde und im Fach liegen müsste. Es wird herumtelefoniert, herumgefragt aber mein Plan bleibt verschwunden. Ich frage nach, ob dies öfters vorkomme, dass Pläne verschwinden. Die Antwort: Es komme vor, dass manchmal Pläne auf mysteriöse Weise verschwinden. Man will der Sache nachgehen.
Mit den Postfächern ist es so eine Sache. Die Fächer bilden einen grossen Setzkasten der mit den Zimmernummern versehen sind. Nun müsste man einfach wissen, dass die oben angeschriebene Nummer massgebend ist und nicht die unten am Fach. Für manche gar nicht so einfach. Wir haben ja am Montag das Zimmer gewechselt. Trotzdem wurden bis Freitag die Infos immer wieder ins alte Postfach gelegt.
Da unser Zimmerwechsel noch immer nicht zu allen durchgedrungen ist, musste ich auf eine Physiostunde verzichten. Die Therapeutin suchte mich im alten Zimmer.
Dank den Anweisungen und der Mithilfe meines Mannes funktioniert meine Pflege mittlerweile recht gut. Ohne ihn würde es jedoch nicht gehen. Mit den meisten Pflegekräften funktioniert es sehr gut. Doch für zwei, drei Pflegekräfte, ist meine Pflege eine echte Herausforderung. Auch meine Mobilisation gelingt nicht allen gleich.
So, jetzt habe ich einen neuen Therapieplan bekommen. Nun kann es mit den Therapien gleich losgehen. Ich liege in meinem verstellbaren Rollstuhl und geniesse eine Doppelstunde Lymphdrainage. Währenddessen ist mein Mann auf einem Zweistündigen Spaziergang. Danach muss er noch aufs Velo und danach zur Entspannungstherapie. Weil mein Mann zwischendurch immer wieder einen zu hohen Puls hat und sein Herz immer noch sogenannte Stolperer macht, muss er nun ein Vierundzwanzigstunden EKG tragen.
7. Mittlerweile läuft alles rund. Die Pflege funktioniert und die Therapien finden reichlich statt. Vor allem mein Mann wird gefordert. Manchmal hat er nur gerade eine halbe Stunde zwischen den Therapien. Diese nutzt er meistens für ein Nickerchen. Ich frage mich, wie man nur so viel schlafen kann.
Da ich heute erst am späten Vormittag meine erste Therapie habe und das Wetter nicht zu einer Ausfahrt einlädt, lümmle ich im Zimmer herum.
Um 11.00 Uhr sitze ich dann mit anderen im Kreis und mache bei der Atemtherapie mit. Bei Übungen mit Lauten wie f-tsch- pf oder ähnlich, müssen wir uns schon zusammennehmen, um nicht loszulachen.
Am Nachmittag habe ich eine Doppelstunde Physiotherapie mit Schwerpunkt Kiefer (Zunge, Mundhöhle, Kehlkopf usw.). Ich lerne wie ich mit Übungen dem Krankheitsverlauf im Bullbären Bereich ein wenig gegenwirken kann. So zieht mir die Therapeutin z.b. meine Zunge aus dem Mund und zieht diese nach rechts und links. Ich merke sofort wie sich die Zunge über diesen Ausflug freut. Endlich darf sie mal ihre Höhle verlassen. Mit den Buchstaben P,T,K übe ich den Schluckvorgang beim Essen. Dies war eine sehr interessante und erfahrungsreiche Stunde. Ich freue mich schon auf die nächste Sitzung.
9. Ich habe eigentlich gedacht, dass ich bei der Lymphdrainage keine grosse Wirkung verspüre. Doch meine Blase hat mich eines Besseren belehrt. Normalerweise muss ich am Tag 3 – 4-mal Wasser lösen. Heute, einen Tag nach der Lymphdrainage muss ich das stille Örtchen doppelt so oft aufsuchen. Die Wassereinlagerungen haben einen Weg gefunden meinen Körper zu verlassen.
10. Piet ist heute Morgen auf einer 2 Stündigen Wanderung. Ich selbst darf mit einem Physiotherapeuten in den Kraftkeller. Hier steht eine Maschine ähnlich dem Power Plate. Ich bleibe im Rollstuhl sitzen und stelle meine Füsse auf das Gerät. In unterschiedlicher Stärke und Länge werde ich nun bis zu den Hüften durchgerüttelt. Ich spüre Muskeln, die ich völlig aus meinem Gedächtnis gestrichen hatte. Nun durfte ich erneut eine erfreuliche Erfahrung machen.
Es ist erstaunlich, welche Fortschritte Piet in den vergangenen zwei Wochen gemacht hat. Er konnte seine Kondition steigern und die Muskelkraft ist in der Aufbauphase. Sein Blutdruck ist noch ein wenig zu niedrig und der Puls schnellt noch zu schnell in die Höhe. Schmerzen hat er selten und die Schnitte verheilen gut. Sein Medikamentencocktail ist sehr reichhaltig und bunt. Mit der Zeit werden aber sicher einige Tabletten wegfallen. Eine bis Zwei wird er jedoch sein Leben lang nehmen müssen.
Obwohl wir hier eine hervorragende Vollwertküche geniessen dürfen, hat Piet noch kein einziges Kilo zulegen können. So fünf Kilo mehr könnte er schon vertragen.
Jetzt steht uns das Pfingstwochenende bevor. Piet muss nur am Samstag und am Montag für je 40 Min. aufs Velo. Ansonsten haben wir Frei.
REHA 3.Woche
14. An Pfingsten hatten wir liebe Besucher bei uns. Gerne haben wir ihnen unser momentanes Domizil vorgeführt. Natürlich durfte der grosse Zimmerbalkon mit Berg und See Sicht nicht fehlen. Auch die Umgebung mit den vielen, verschiedenen Wildblumen kann sich sehen lassen.
Wie ein jedes verlängertes Wochenende zu Ende geht, ist es auch diesmal nicht anders. Nehmen wir also die letzte Woche in Angriff.
15. Was für ein wunderschöner Tag. Die Sonne schickt ihr schönstes Lachen zur Erde. Es ist herrlich warm draussen. Doch plötzlich wird die Sonne von etwas hellem geblendet. Schnell richtet sie ihre Strahlen auf das weisse Ding, um es abzudunkeln. Es dauert nicht lange und das weisse Ding ist krebsrot. Auf 1000m Höhe und mit leichtem Wind ist es eben gefährlich sich der Sonne in den Weg zu stellen. Aber ihr kennt mich ja. Ein bis zwei Mal im Jahr fange ich mir immer einen Sonnenbrand ein.
Es ist so schön hier im Freien. Überall wachsen wunderschöne Wildblumen. Pelzige Hummeln mit weissem Hinterteil setzen sich auf die Blumenköpfe und sammeln fleissig Blütenstaub. Ihre Oberschenkel sind schon ganz gelb deswegen. Zwischen den Wildblumen befinden sich zwei Wasserbecken. In diesen wachsen einige wenige Wasserpflanzen. Ansonsten scheint da nichts drin zu sein. Bei genauerem Hinschauen entdecke ich jedoch auf der Wasseroberfläche viele kleine Spinnen. Wenn sie mit den Vorderbeinen angeben, können sie auf dem Wasser gleiten. Sobald sich ihnen jedoch eine grössere Spinne* (Männchen) nähert, fangen sie an über das Wasser zu hüpfen. Wenn die Sonne direkt ins Becken scheint, sieht man am Beckenboden den Schatten der Spinnen. Es sieht aus, als wären es Katzenpfotenabdrücke. Gibt es denn überhaupt Wasserspinnen? Es ist ebenfalls interessant. den zahlreich vorhandenen Waldameisen zuzuschauen, wie sie sich mit ihrem schwarzen, dicken Hinterteil fortbewegen.
Was mich natürlich besonders freut ist, die vielen verschiedenen Schmetterlinge zu beobachten, welche sich hier aufhalten. Zu erwähnen ist der Admiral, das Schachbrett und die Bläulinge.
Ich hätte nie gedacht, dass mein Mann in so kurzer Zeit wieder zu solchen Leistungen fähig ist. Das Zusammenspiel zwischen dem Arzt und den Therapeuten funktioniert hervorragend. Für Herzpatienten ist es hier in Hasliberg optimal.
Was sicher auch zur Gesundung beiträgt ist die Hotelatmosphäre und die traumhafte Umgebung. Hier sieht es nicht nach Spitalbetrieb aus, eher nach Ferien in einem Sterne Hotel.
*Nachtrag: Die sogenannten Wasser Spinnen haben sich nachträglich als Wasserläufer geoutet.
17. Heute ist Endspurt. Wir absolvieren noch unsere letzten Therapien. Piet ist soeben zur längsten Wanderung in seiner Therapie aufgebrochen. Ich finde es gut, wenn er mit Begleitung ans Limit geführt wird. Nur so weiss er für zu Hause, wo die Grenzen sind. Ich selbst habe noch zwei Therapien. Um 11.00 Uhr Atemtherapie und um 14.00 Uhr Physiotherapie. Sobald auch Piet all seine Therapien absolviert hat, werden wir bereits anfangen zu packen.
Die Therapien hier in der Reha - Klinik - Hasliberg waren für meinen Mann und mich ein voller Erfolg.
Peter kommt heute von seiner Geschäftsreise aus Tschechien retour und wird uns morgen früh hier abholen.
Es war hier zwar wunderschön, aber nun möchten wir wieder nach Hause. Wir freuen uns so darauf.
Ich danke allen Besuchern, Telefonierern und allen die uns während unserem REHA-Aufenthalt Grüsse und gute Wünsche zukommen liessen.
18. Auf Wiedersehen Hasliberg und willkommen zu Hause.
19. Es ist schön wieder Zuhause zu sein. Wieder in den eigenen vertrauten vier Wänden zu sein ist schon schön. Piet und ich waren nämlich noch nie so lange an einem Stück von Zuhause fort. Als wir Gestern Zuhause ankamen staunten wir nicht schlecht. Vor dem Haus waren die Blumenkisten frisch bepflanzt und der Rasen war gemäht. Im Haus innen wurden wir durch Plakate begrüsst. Überall standen frische Blumen auf den Tischen. Die ganze Wohnung erstrahlt in neuem Glanz. Alle Fenster, alle Vorhänge, überhaupt das ganze Haus wurde von oben bis unten geputzt. Was für eine gelungene Überraschung. Wir bedanken uns bei allen Heinzelfrauen für diesen grossartigen Einsatz. So lässt es sich leben.
Als wir mit Hilfe von Peter unser Gepäck verstaut hatten, machte ich mich an den PC. Zuerst musste ich die überfälligen Updates und Sicherheitsüberprüfungen laufen lassen. Danach konnte ich mich meinem Posteingang widmen. Nachdem ich mit der Bearbeitung durch war, konnte ich endlich meine angestauten Tagebucheinträge ins Netz stellen. Wie ihr lesen könnt, war ich in der Kur keineswegs schreibfaul.
Es ist doch schön wieder im eigenen Zimmer und im eigenen Bett zu schlafen. Leider lag ich um halb vier immer noch wach. Ich bin einfach kein Rückenschläfer. Trotzdem muss ich mich endlich daran gewöhnen, denn Piet wird mich noch längere Zeit nicht drehen dürfen. Aber irgendwann fallen die Augen dann doch von alleine zu. Da die Spitex bei mir erst nach 9 Uhr auftaucht, konnte ich dafür am Morgen länger schlafen. In der REHA standen wir in der Regel um 7.15 Uhr auf.
Heute nach langer Zeit hat Piet den Kochlöffel wieder selber in die Hand genommen. Nüdeli mit Blumenkohl und Rahmplätzli stand auf dem Menüplan. Wie haben wir uns die Rahmsauce schmecken lassen. Morgen werden wir uns wieder ein wenig zurückhalten und uns dem Gemüse und dem Salat widmen, welches von einer guten Seele vor unsere Haustür gestellt wurde. Das heutige Dessert war dafür sehr natürlich. Frisch gepflückte Kirschen vom eigenen Baum.
Soeben ist Piet schweissgebadet von einer 1 Stündigen Velotour retour gekommen. Ich freue mich, dass er das Training aus der REHA Zuhause weiterführt. So kann es ja nur besser werden. So jetzt brauch ich einen Kaffee.
20. Ich habe meinen Garten mit den vielen verschiedenen Bäumen, Sträuchern und den diversen Pflanzen schon ein wenig vermisst. Darum nehme ich mir heute die Zeit und Drive durch den Garten. Ich sehe, dass die Pfingstrosen und der Mohn bereits verblüht sind. Dafür strahlen die Buschröschen in wunderschönem Rotton. An den Miniapfelbäumchen entdecke ich mehrere Äpfel und die Johannesbeeren und die Stachelbeeren sind bereit für die Ernte. Beim weiteren Umschauen entdecke ich Walderdbeeren. Sie haben sich unter Büschen versteckt. Obwohl sie sicher sehr süss wären, lasse ich sie dort. Für ein Dessert reichen sie ohnehin nicht.
Auf Nachbars Grundstück steht mein geliebter Lindenbaum. Er steht da in sattem Grün. Seine Äste sind reichlich behängt mit seinen Früchten, den Lindenblüten. Die Blütenköpfchen sind aufgesprungen und färben sich bereits braun. Die Ernte wäre überfällig. Ich finde es schade, dass niemand die Früchte erntet, welche vom Baum so grosszügig dargeboten werden. Ich kann leider nicht mehr klettern.
Im Garten entdecke ich Gartenrotschwänzchen und auf den Bäumen sitzen Spatzen, die miteinander quatschen. Nun kann ich beobachten, wie eine Bachstelze unter unseren Dachgiebel fliegt und ihr Nest aufsucht. Ich frage mich, ob die wohl zweimal im Jahr brüten.
Ich höre sehr gerne dem Vogelgezwitscher zu. Da ich aber in der REHA mit Klaviermusik, mit Trachtenchörli und Ländlerkapelle eingedeckt wurde, geniesse ich es nun umso mehr, eine etwas andere Musik durch die Lautsprecher dröhnen zu lassen.
21. Judihui der Sommer ist da. Wenn der Sommer so bleibt, wie er angefangen hat, werden wir uns nicht beklagen können. Heute habe ich mir mal keinen Sonnenbrand eingefangen. Ich habe mich brav unter dem Sonnenschirm aufgehalten. In Hasliberg wäre ich wahrscheinlich wieder zu einer Tomate mutiert.
24. Manchmal sehe und höre ich Dinge die mich sehr traurig machen. Es gibt Menschen die immer wieder andere mit Worten, mit Mimik oder durch Handlungen verletzen. Ich muss hilflos zusehen wie solche Dinge passieren. Meine Kraft, um Streitigkeiten zu schlichten wird immer geringer. Und meine Stimme wird kaum noch wahrgenommen. Ich habe mir mal eingebildet, meine Krankheit sei brutal genug, um mein näheres Umfeld zum Umdenken zu bewegen. Für mich ist es unbegreiflich, wie man mit seinem Leben und mit dem Leben eines Anderen so umgehen kann.
Wie soll es uns jemals gelingen, dass Frieden unsere wunderbare Welt dominiert, wenn wir nicht mal in der Lage sind, den Frieden zum Nächsten zu tragen.
So viele Menschen glauben an einen Gott. Sie nennen sich Katholiken, Christen usw. Wenn ich sehe wie solche Menschen manchmal agieren, bleibe ich doch lieber bei „meinem“ der Natur zugewandten Glauben. Er ist erfüllt mit Achtung für jedes Lebewesen und die wunderschöne Natur. Wenn ich finde, dass es mal wieder an der Zeit ist, jemandem für all das wunderschöne auf dieser Welt danke zu sagen, dann richte ich dies gegen den Himmel. Wer auch immer dort oben ist, wird sich sicher freuen.
28. Scheens Wätter und ä wunderbarä Maa a dr Sittä. Ja was wot mä de nu meh?
Ich geniesse die gemeinsamen Tage mit meinem Mann. Es ist schön, jemand den ganzen Tag in der Nähe zu haben. Piet ist immer noch dabei seine verlorenen Kräfte und seine Kondition aufzubauen. Er geht aufs Velo und unternimmt kurze Wanderungen. Manchmal begleite ich ihn auf meinem Rolli. Ich muss schliesslich achtgeben, dass er es nicht übertreibt.
Heute war es wieder so heiss. Wie gerne wäre ich in einen See gehüpft. Ich hätte meine Arme und Beine in Position gebracht und wäre weit in den See hinausgeschwommen. Der See hat an solchen Tagen einen ganz bestimmten, anziehenden Duft. Ich ziehe ihn jeweils tief in meine Lungen hinab. Einfach herrlich. An so einem Tag würde ich gerne mit einer Seeforelle tauschen. Oder gibt es etwa noch Meerjungfrauen?
Auf jeden Fall muss ich jetzt aufhören zu schreiben. Mir kleben schon wieder die Kleider am Leib. Dadurch fühle ich mich richtiggehend eingeengt und unbeweglich. Trotzdem freue ich mich u mär an dem wunderschönen Sommerwetter.
JULI
1. Es ist Sommerzeit und somit auch Reisezeit. Auch ich werde wieder vermehrt mit dem Rolli unterwegs sein. Ich geniesse es durch Wälder und Wiesen zu fahren. Mit meinem Rolli mache ich auch nicht vor Bergtouren halt. Ich erklimme Berge soweit und so steil wie es mein Rolli eben schafft. Es berührt mein tiefstes Inneres, wenn ich die vielfältige Alpenflora sehe und deren Duft einatmen kann. Meine Bewunderung haben auch jene Bauern, welche in steilsten Börtern (Hängen) das Heu für den Winter zusammentragen.
Bei grosser Hitze nehme ich gerne das Schiff. Die Seeluft und der Fahrtwind kühlen mich wunderbar ab.
5. So ein Sommer. Ich komme kaum noch zum Schreiben. Ich halte mich fast den ganzen Tag im Freien auf. Ich lasse mich so richtig von der Sonne verwöhnen.
Wenn es um die Mittagszeit nach gegrilltem riecht, dann bin das nicht etwa ich. Es ist das Fleisch, welches auf dem Hausgrill brutzelt. Wäre das nämlich ich, würde viel mehr Rauch aufsteigen, wenn sich mein Eigen-Fett langsam verflüssigt. Das Fleisch von heute hat mir besonders gut geschmeckt. Es gab Hähnchenoberschenkel. Und da Piet kein fettiges Fleisch mehr essen sollte, musste ich die ganze knusprige Poulet Haut selbst essen. Da kann ich aber nichts dafür, wenn die Wage mal wieder mehr anzeigt. Weil ich nicht gerne halbe Sachen mache, gab es nach der Radtour gleich noch einen Hotbeeren-Coup.
Das Leben kann so schön sein. Geniessen wir es solange wir es können.
6. So dicht liegt Freud und Leid beisammen. Gestern Abend erhielt ich die Nachricht, dass wieder einer meiner ALS-Freunde Adieu sagen musste. Franz ist an seinem 40. Geburtstag zur grossen Reise aufgebrochen. Für seine Reise hat er den Weg über den Regenbogen gewählt. Ich sehe ihn schon wie er von Farbe zu Farbe hüpft und jedes Mal wird der Regenbogen noch bunter.
Franz, ich wünsche dir eine wunderschöne bunte Reise. Geniesse sie.
11. Was für Sommertage! Da zieht sich Mann an den besten kurzen Schläuchen an und die Frau trägt Rock. Ein Novum für mich. Ich habe zum ersten Mal seit ich im Rollstuhl sitze ein Kleid angezogen. Die Spitex meinte zwar am Morgen ich dürfte das Kleid nicht zu weit nach oben schieben, Mann würde sonst Zuviel sehen. Da konnte ich sie jedoch beruhigen. Für etwas habe ich ja meine strammen Oberschenkel. Die lassen keine Blicke passieren. Ich fühle mich sauwohl mit dem Kleid. Es ist luftig, nichts klebt am Körper, nichts zwickt und nichts engt ein. Ich glaube ich erweitere meine Sommergarderobe mit eins, zwei weiteren Kleidern. Der Sommer macht halt einfach Spass.
Piet und ich mussten heute Einkäufe tätigen. Nur von der Sonne wird man ja auch nicht satt. Als wir so zwischen den Regalen stehen, spricht uns ein Herr an und fragt uns ob ich auch ein Hirnschlag gehabt hätte. Meine Stimme würde ähnlich tönen wie die seiner Frau. Wir kommen so in ein Gespräch über Krankheiten, Diagnosen und über die Ratlosigkeit mancher Ärzte. Auf dem Nachhauseweg mussten Piet und ich uns eingestehen, dass diese zwei Personen irgendwie Hilfe gebraucht hätten. Wir vermuten, dass viele ältere Menschen unzureichend an Informationen kommen. Sie wissen nicht wo sie Hilfe herbekommen. Unsere Generation hat es da schon leichter. Wir holen uns die Infos einfach aus dem Netz. Piet und ich haben uns vorgenommen, bei solchen Begegnungen in Zukunft sensibler zu reagieren und das Gespräch nach Möglichkeit bei einem Kaffee auszudehnen. Manchmal ist man froh, wenn jemand einfach nur da ist und zuhört.
Übrigens, mein Sommerkleid musste ich bereits wieder in die Wäsche geben. Ich war nämlich noch bei meinem Bruder im Stall. Und ihr wisst ja sicher wie man nach so einem Besuch riecht. Als Entschädigung durfte ich zwei ganz junge Katzen beäugen. So schöne Dreifärber habe ich doch noch nie gesehen. Wenn es nach mir ginge, hätte ich gleich Beide mitgenommen. Aber die Arbeit bliebe an jemand anderem hängen. Also, Katze nur anschauen. Sobald ich ein Bild von den Büssis habe, werde ich es einfügen.
So, jetzt muss ich ins Bett. Ich habe Morgen noch einiges vor.
12. Ich sitze vor meinem PC und bin am Verfassen des heutigen Tagebucheintrages. Draussen ist es immer noch recht warm. Der Föhn / Südwind treibt das Thermometer nochmals etwas in die Höhe. In der Ferne höre ich ein dumpfes Grollen und ein Blick aus dem Fenster verrät mir, dass ein Gewitter im Anmarsch ist. Auf einmal rührt sich kein Blatt mehr an den Bäumen. Es kommt eine weisse Front auf uns zu. Blitze sausen vom Himmel zum Boden nieder. Plötzlich setzt Wind ein. Die Bäume wippen hin und her. Die Blätter an den Ästen scheinen vor Angst zu zittern. Nun setzt starker Regen ein. Die Regentropfen peitschen über den warmen Asphalt und führen freudig ihren Regentanz auf.
Das Ganze dauert knappe 15 Minuten und die Sonne macht sich hinter den Bergen schon wieder bemerkbar.
In dem Fall kommt ihr doch noch in den Genuss meines Tagesberichtes.
Güätä Morgä Rita, tönt es von der geöffneten Zimmertür her. Ebenfalls einen Guten Morgen murmle ich verschlafen der Spitexmitarbeiterin zu. Weil ich immer am Dienstagmorgen Physiotherapie habe, kommt die Spidi an diesem Tag jeweils früher vorbei.
Nach zwei Stunden habe ich die Spitex hinter mir und auch die 50-minütige Lymphdrainage abgeschlossen. Nun noch schnell einen Kaffee getrunken und dann nichts wie los. Wir wollen nämlich den Tierpark in Arth-Goldau aufsuchen.
Im Tierpark treffen wir uns mit Schwager und Schwägerin, mit Nichte und ihrem Mann und deren zwei Kindern. Es wird ein wunderschöner Nachmittag in der Natur. Viele Tiere laufen frei im Park herum. Die Kinder können die Tiere füttern und anfassen. Ganz gespannt können wir einen Bären beobachten, wie er aus dem Wasser steigt und im Dickicht verschwindet. Im gleichen Gehege enddecken wir auch noch einen Wolf. Es gibt hier so viele verschiedene Tiere, die man beobachten kann. Sehr beeindruckend sind natürlich die Bartgeier mit ihrer Flügelspannweite von 2.7 m. Der Park ist sehr naturgetreu belassen worden. Es gibt viele Feuerstellen, die zum Grillieren einladen. Rehe und Dammhirsche gesellen sich gerne dazu und wenn man nicht aufpasst, ist man schnell das Brot los. Oder ein Dammhirsch klaut. wie heute bei uns, aus dem offenen Rucksack einen Apfel und lässt es sich schmecken. Es gibt auch zwei Restaurant, Kinderspielplätze, genügend Toiletten / Behinderten-WC und die meisten Wege sind Kinderwagen und Rollstuhl tauglich.
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13. Ein bisschen Urner-Mundart für meine Leser aus Deutschland.
Kei Sunnä meh. Bärgä verstecket sich hinter dickä Wulchä. Äs schiffet vo obä nach abbä und vo lings nach rächts. Aues isch nass. Bäch rühsched wiä verruckt. Mängisch ghert mä, wiä ä Stei durs Bachbett durab rugälet. Meinsch, herts ächt nimmä üf rägnä? Isches midem Summer ächt verbi?
Vielleicht wisst ihr es. Viel Spass beim Übersetzen.
16. Ich sitze in einer Gartenbeiz und schaue zu wie sich der grosse Platz vor mir mit Motorrädern füllt. Ich habe mir einen super Platz geangelt. Von hier aus habe ich Sicht auf die ankommenden Bikes. Es sind vorwiegend Harley Davidson Maschinen. Eine schöner als die andere. Einige wurden mit viel Liebe fürs Detail umgerüstet. Keine Maschine ist gleich wie die andere. Immer mehr Biker fahren auf den Platz. Das Motorengedröhn ist Musik in meinen Ohren. Die Maschinen werden nun ordentlich in Reihen parkiert. Somit wird gewährleistet, dass man zwischen den Bikes flanieren kann. Einige fahren mit ihren Pocket-Bikes die Strasse rauf und runter. Später stossen auch noch die Speedfighterfahrer mit ihren Maschinen dazu. Den Lärm, den sie dabei verursachen ist ohrenbetäubend. Plötzlich steigt weiter oben in der Strasse Rauch auf und es stinkt nach Gummi. Das bedeutet, ein Biker malträtiert seinen hinteren Motorradreifen so lange, bis der Pneu platzt. Das nennt man einen Burnout.
Als ich später die Motorräder anschauen fahren will, habe ich keine Chance mit meinem Rolli durchzukommen. Das Städtchen Willisau ist total in den Händen der Motorradliebhaber.
Es war wunderschön mal wieder solch eine Veranstaltung zu besuchen und in alten Erinnerungen zu schwelgen. Sogar Petrus scheint die Biker zu mögen. Er lässt die Sonnenstrahlen direkt auf die Bikes zielen und dadurch kommen die verchromten Teile und die aufwändigen Tankmalereien erst recht zur Geltung.
19. Ich bin gefrustet. Das Bearbeiten meiner Homepageseiten funktioniert momentan nicht wie gewünscht. Manche Bilder lassen sich nicht einfügen und die Vorwort Seite wechselt beim Titel und beim Text die Position und die Farbe wie von Geisterhand. Irgendetwas geht da vor, nur weiss ich nicht was, wer, wie. Ich vermute, dass die Swisscom dahintersteckt. In den letzten Tagen hat diese nämlich Updates beim Homepagetool gemacht. Seither ist wie so oft der Wurm drin. Ich warte auch schon mehr als ein halbes Jahr darauf, dass sie die Kompatibilität (schwieriges Wort, aber tönt gut) zwischen der Windowsbildschirmtastatur und dem Homepagetool verbessern. Manche Funktionen kann ich gar nicht nutzen.
Als ich damals einen Homepagetool Anbieter suchte, schaute ich mich nach vertrauenswürdigen, langjährigen Firmen um. Ich entschied mich für die Swisscom, welche eine Schweizer Vorzeigefirma ist. Bei ihr dachte ich an Qualität, Know-how Effizienz und natürlich an guten Kundenservice. Leider ist ihr Image bei mir in letzter Zeit arg ins Wanken geraten.
Ich vermisse immer mehr die Qualität, die Verlässlichkeit und die Kundenorientierung bei unseren Schweizer Firmen. Was haben wir dann noch, wenn wir diese Werte verlieren.
Mein Sohn sagte mir letzthin. Weisst du, viele Arbeiter könnten schon Qualität abliefern. Doch mittlerweile wird wegen dem Kostendruck so viel Arbeit auf den Einzelnen abgewälzt, dass es kaum noch möglich ist den hohen Qualitätsstandart zu halten. Schade um unsere geschätzten Markenzeichen.
Werde mal abwarten. Vielleicht bewegt sich der Swisscom Support doch noch vorwärts. Ich kann jetzt nur hoffen, dass sich dieser Text veröffentlichen lässt.
20. Regen, Regen, Regen. Da bleibt man am besten im Haus. Und was macht so im Haus. Nei, nei, nid uder Bettdecki schlieffä. Aufräumen ist angesagt. Ihr denkt sicher wie ich das mache, da ich selbst keine Dinge aufheben und wegräumen kann. Wollt ihr Wissen wie ich das mache? Ich scheuche einfach meinen Mann von einer Ecke in die andere. Nein, nein, Spass beiseite. Aufräumen heisst für mich meinen Arbeitsplatz auf Vordermann bringen. Mein Arbeitsplatz ist für mich mein liebgewonnener PC. Ihr kennt das sicher alle. Man findet im Netz eine interessante Seite und denkt, man könnte diese noch mal brauchen und speichert sie ab. Mit der Zeit sammeln sich so Unmengen von Dokumenten an. Darum muss man halt zwischendurch ausmisten und Ordnung in die Ablagen bringen. Für solch eine Arbeit kommt so ein Regentag genau richtig.
Durch die Umstellung auf Explorer 9 funktionierte nebst anderen Dingen auch die Ansicht von meinem Google-Mail nicht mehr korrekt. Was habe ich nicht alles ausprobiert. Als alle meine Versuche fehlschlugen, kontaktierte ich das Google-Hilfeforum. Dort helfen User anderen Usern. Und sie hatten eine Lösung zu meinem Problem. Inzwischen weiss ich, dass Google-Mail noch nicht kompatibel mit Explorer 9 ist. Damit die Seite trotzdem korrekt angezeigt werden kann, hat man mir empfohlen Google-Chrom als Plug-In zu installieren. Und später hat mir auch noch mein Mann zwei, drei wertvolle Tipps gegeben. He Leute, ihr seid spitze. So funktioniert es. Ich freu mich richtig. Jetzt müsste nur noch die Swisscom die Probleme mit meiner Homepage lösen, dann wäre wieder alles Paletti.
Morgen gönne ich mir einen freien Tag und gehe die Sonne suchen. Bin gespannt, hinter welchem Hügel sie sich versteckt.
22. Konnte Gestern leider keine Sonne aus dem Süden bringen. Sie hat sich leider nur spärlich gezeigt. Wenn ich euch etwas abgegeben hätte, wäre ich selbst ohne Sonne dagesessen. Sorry, aber manchmal muss man Egoist sein.
Heute Morgen erhielt ich ein Mail von Swisscom, ich möge mit ihnen doch telefonisch Kontakt aufnehmen, um das Homepage Problem zu lösen. Wenn ich ihnen nicht schon öfters mitgeteilt hätte, dass ich wegen meiner Behinderung weder telefonieren noch mit ihnen sprechen könne, hätte ich mich vielleicht weniger aufgeregt. Ich möchte so viel wie möglich selbst erledigen. Es bräuchte manchmal einfach ein einfühlsames Gegenüber. Piet hat dann, nachdem ich ihm das Problem geschildert habe, liebenswürdigerweise für mich das Telefonieren übernommen. Faxit: Bei ihnen läuft alles korrekt, es müsse also an meinem PC liegen. Vorschlag Windows neu Installieren oder wieder mal den Browser wechseln. Letztes Jahr habe ich extra von Firefox zu Explorer gewechselt, weil die Homepage dort besser funktionierte. Mir ist die ständige Wechslerei zu blöd. Jetzt arbeite ich halt mit drei unterschiedlichen Browsern. Je nach Programm kommt der eine oder andere zum Zuge. Kommt halt davon, wenn man’s nicht gelernt hat. Aber so funktioniert es wenigstens wieder.
Ich weiss, dies ist zu PC-Spezifisch. Aber um meine Homepage betreiben zu können, muss ich mich mit solchen Technischen Dingen befassen. Und ihr wollt doch sicher wissen, wie ich meine Tage vertrödle.
Am Nachmittag habe ich mir einen Coiffeur Besuch gegönnt. Meine fertiggestylte Frisur gefällt mir danach nicht besonders. Ich sehe so brav und geschleckt aus. So will ich nicht sein. Dafür war die Kopfmassage ein Genuss und die Silberlocken sind verschwunden. Ja, ja, das Alter nagt halt. Meine Nachbarin war ebenfalls im Salon. Wir sprachen über den Sommer und dessen Temperaturen. Ich erzählte ihr, dass ich mich momentan mit zwei Bettflaschen ins Bett lege. Sie erwiderte wiederum, sie hätte Gestern beim Stricken kalt gehabt. Daher habe sie den Backofen eingeschaltet und dessen Tür geöffnet. Na ja, man muss sich zu helfen wissen.
In letzter Zeit bin ich ein wenig zum Nörgler mutiert. Ich rege mich über Dinge auf, die ich früher Gelassen hingenommen oder darüber hinweggesehen hätte. Ich glaube das hat mit meiner Krankheit zu tun. Mich nervt, wenn Dinge die zu erledigen wären, lange auf sich warten lassen. Mir geht vieles zu langsam. Es lässt mich manchmal fasst verzweifeln, dass ich in solche Prozesse nicht eingreifen kann. In solchen Momenten wird mir meine Behinderung und somit meine Hilflosigkeit stark bewusst. Solche Momente halten zwar nicht lange an, aber sie sind da.
Meine Aussprache lässt mich auch immer mehr im Stich. Ich kann mich nicht mehr so Wortgewand ausdrücken wie ich es gerne möchte. Ein Wort bedeutet nicht immer dasselbe. Die Tonlage, in welcher man das Wort ausspricht, ist von grosser Bedeutung. Das Wort kann dadurch eine andere Bedeutung erhalten. Bei einem Gespräch nehme ich die Wörter aus meinem Wortschatz, die ich noch einigermassen deutlich aussprechen kann. Damit man mich auch hört, muss ich die Wörter mit viel Luft aus der Kehle pressen. Das ich dabei nicht noch auf die Tonlage achten kann, ist wohl klar. Es kann vorkommen, dass es bei manchmal Leuten ein solches Wort in den falschen Hals gerät. Manchmal fehlt mir dann einfach die Luft, um dies klarzustellen. So bin ich heute unbeabsichtigter Weise auf die Füsse getreten (gerollt). Leider hatte ich keine Puste mehr, um das Ganze zu retten. Mein Besuch ist verstimmt aufgebrochen und ich blieb frustriert zurück. So fühle ich mich Behindert.
Früher habe ich gedacht, dass ich mit meinem Durchhaltewillen alles ändern könne. In letzter Zeit ist mir diese Magie jedoch abhandengekommen. Ob ich nochmal Kraft aufwenden soll, um diese Magie wieder aufzubauen weiss ich noch nicht. Sicher nicht mehr für alle Dinge.
23. Ich habe euch doch von den jungen Katzen berichtet, die auf dem Hof meines Bruders geboren wurden. Ich hätte sie doch am liebsten in meinen Rucksack gesteckt und mitgenommen. Doch das ging ja nicht. Dafür bekam ich Gestern ein Foto zugeschickt. Zu sehen ist die Kätzin mit ihren zwei dreifarbigen Jungen auf dem Obergaden (Heuboden).
Ich weiss noch nicht ob es Jungs oder Mädels sind. Aber so wie die Beiden aussehen tippe ich auf Mädchen.
Wenn ich zum Fenster hinaus schaue sehe ich die vielen Autos auf der Autobahn stehen. Mittlerweile beträgt der Stau vor dem Gotthardstrassentunnel 16 Km. Auch die Fahrt über den Gotthardpass geht nur schleppend vorwärts und die Alternativroute über den San Bernardino ist ebenfalls überlastet. Ich kann ja verstehen, dass alle in den Süden wollen. Bei uns schneit es in den Bergen bis 2000 m hinunter und im Tal bläst ein Wind. Der lässt Blätter von den Bäumen schneien. Man könnte meinen der Herbst halte Einzug.
Ich sehe gerade wie wieder ein Auto mit ausländischem Nummernschild in unsere Strasse einbiegt. Ich muss nicht lange warten bis das Auto wendet und wieder retour kommt. Das passiert schon den ganzen Tag so. Ich wohne nämlich an einer Sackgasse. Ich glaube, diese Autofahrer orientieren sich nach dem Navi. Da Heute alles verstopft ist und die Durchfahrt durch unseren Kantonshauptort Altdorf wegen einer Fernsehveranstaltung gesperrt ist, sucht das Navi nach Alternativen. Anscheinend ist das Navi dabei nicht wählerisch. Da muss halt auch mal ein Fussweg herhalten.
25. Judihui, war das heute ein herrlicher Tag. Die Sonne hat sich endlich mal wieder durch die Wolken gekämpft. Sie musste zwar immer wieder ihre Ellbogen einsetzen, um die Wolken beiseite zu schieben.
Als ich heute die Sonne bemerkt habe, steuerte ich meinen Rollstuhl sofort nach draussen, positionierte ihn in Richtung Sonne und nahm die Liegeposition ein. Endlich konnte ich wieder Sonne tanken. Das tut so gut. Leider habe ich nicht bemerkt wie intensiv die durchbrechenden Sonnenstrahlen sind. Daher sehe ich heute Abend wieder mal einer Tomate verdächtig ähnlich. Könnte ich nicht mal eine andere Frucht sein. Wie wäre es mit einer Nektarine. Die hätte mein Mann sowieso lieber als die Tomate. Ich glaube, ich verwandle mich schnell. Sonst muss ich heute sicher ohne Gutenachtkuss ins Bett.
27. Gestern war ich nach langer Zeit mal wieder in der Luzerner Altstadt. Es hat mich durch das Befahren der Pflastersteine ganz schön durchgeschüttelt. Ich habe schon befürchtet, dass ich Morgen vermehrt Faszikulationen (Muskelzuckungen) habe. Doch halb so schlimm. Ich habe heute nur leichten Muskelkater in den Oberschenkeln. Der Vorteil davon ist, ich weiss, dass da noch Muskeln vorhanden sind.
Als ich gestern so durch die Gassen fuhr fiel mir erst so richtig auf, wie viele Häuser mit Malereien und Stuck verziert sind. Manchmal ist man einfach blind und verpasst dadurch Bewundernswertes. Ich besuchte natürlich auch die vielen Geschäfte. Am liebsten stöbere ich in Krimskrams-Shops. In Kleidergeschäften halte ich mich nur kurz auf. Da meine Kleider und auch die Schuhe kaum abgenutzt werden benötige ich kaum Neues. Ich weiss, gar nicht typisch Frau.
Später habe ich noch das Seebecken aufgesucht. Diese Woche ist in Luzern das Blue Balls Festival. Ich hatte gehofft, etwas Musik aufschnappen zu können. Leider spielten die diversen Bands erst später auf. Dafür konnte ich durch die Stände streunen, welche rings ums Becken stehen. Diverse Waren- und Essstände ziehen mich in ihren Bann. Die vielen verschiedenen Gerüche stammen von den Multikulturellen Gerichte, welche angeboten werden. Am liebsten hätte ich von allem ein wenig probiert. Schlussendlich blieb es aber bei einem Kaffee. Als es dann zu regnen begann, sagte ich Luzern Auf Wiedersehen.
Gestern hatte mein Bruder wieder Glück im Stall. Dieses Mal müsste man zwar sagen, Glück auf der Wiese. Die trächtige Kuh Inertie wollte wohl mal was Neues ausprobieren und entschloss sich zu einer Freiluft-Geburt. Auf den folgenden Bildern sieht man, mit welcher Hingabe sich die Mutter um den Nachwuchs kümmert. Sie lässt ihren kleinen Muni nicht mal aus den Augen, als meine Schwägerin den Kleinen in den warmen Stall befördert.
29. Ich bin dabei meine Hilfsmittel zu aktualisieren. Das heisst mein Blattwendegerät und der Badewannenlift gebe ich der IV retour. Artikel, welche durch die IV bezahlt werden, müssen nämlich bei nicht mehr Gebrauch wieder beim IV Depot abgegeben werden. Somit können wiederum andere mit diesen Hilfsmitteln ausgestattet werden.
Mein Pflegebett wurde auch von der IV finanziert. Ich liess es vor ca. 2 Jahren auf eigene Rechnung auf Infrarotbedienung umrüsten, damit kann ich die Bettverstellungen mit meinem Umfeld-Kontrollgerät bedienen. Tasten kann ich schon seit geraumer Zeit nicht mehr drücken. Dafür fehlt mir einfach die Kraft in den Fingern. Da ich zusätzlich auf einer Wechseldruckmatratze liege und die Liegefläche dadurch unstabiler ist, besteht die Gefahr, dass ich beim Drehen aus dem Bett falle. Ich kann mich immer noch von der Seitenlage auf den Rücken drehen. Umgekehrt funktioniert es jedoch nicht mehr. Ich benötige nun ein Pflegebett welches zu meiner Sicherheit mit Seitenholmen (Gitter) ausgestattet ist. Da kein solches Bett im IV Depot vorhanden ist, muss ich selbst bei Hilfsmittelfirmen Offerten einholen und diese an die zuständige IV Stelle schicken. Diese entscheiden dann, ob sie einen Teil übernehmen. Ich hoffe sehr, sie erkennen, dass ich die Spezial-Ausführungen benötige.
Ich bin sehr froh, dass ich einen PC bedienen kann. So ist es mir möglich mit den Firmen und Behörden zu kommunizieren. Telefonieren geht schon lange nicht mehr. Das Gegenüber würde nur Bahnhof verstehen. Ich frage mich, wie dies die älteren Betroffenen machen, welche keine PC-Kenntnisse haben. Ist das ALS-Netz in der Schweiz schon so weit, um solche Menschen auffangen zu können?
Mein Mann benutzt seit dem REHA-Aufenthalt ebenfalls ein Hilfsmittel. Bei ihm ist es das Velo. Er ist fast täglich damit unterwegs. Leider hapert es immer noch mit der Belastbarkeit des Herzens. Nächste Woche werden wir sehen, ob sich immer noch Wasser auf dem Herzen befindet. Dies könnte vielleicht der Grund für die immer noch auftretenden Stolperer sein. Wenigstens sind die Wunden von der Operation sehr gut verheilt. Das andere bringen wir auch noch hin. Es braucht eben alles seine Zeit.
AUGUST
1. Heute wehen wieder viele kleine und grossen Kantons- und Schweizerfahnen in unserem Land. Vielerorts finden Märkte und musikalische Veranstaltungen statt. Es werden Reden geschwungen und Vorträge zum Besten gegeben. In den Bergen werden Höhenfeuer angezündet. Und am Abend, wenn es dann dunkel wird, erhellen tausende Feuerwerkskörper den Himmel.
Heute wird nicht gearbeitet. Die Geschäfte bleiben geschlossen. Wir feiern unseren Nationalen-Feiertag. Und ich feiere mit.
Ich wünsche mir, dass die Schweiz immer eine Insel sein wird, um jene Menschen aufnehmen zu können welche in ihrem eigenen Land unschuldig verfolgt und vertrieben werden.
Ich wünsche mir, dass sich die Schweiz ihrer Neutralität besinnt und somit Platz bietet für Kommunikationen zwischen anderen Staaten.
Ich wünsche mir, dass uns Schweizern steht’s bewusst ist, wie gut wir es getroffen haben indem wir in dieses Land hineingeboren wurden.
Was für ein schöner Morgen. Die Sonne lacht mit all ihren Strahlen in mein Zimmer. Ich würde gern noch länger mit ihr flirten, doch ich habe heute ein vollgepacktes Programm. Die Spitex erscheint bereits um 7.45 Uhr um mich zu duschen. Danach besucht mich meine Physiotherapeutin und malträtiert meinen Körper eine Stunde lang. Nun endlich komme ich zu meinem Kaffee und zu meinem Konfibrot. Es dauert nicht lange und mein Mann drängt zum Aufbruch. Also rein ins Auto und losgefahren. Es geht Richtung St.Gallen in die ALS-Klinik. Dort werde ich von meinem Neurologen und einer Pflegefachfrau zu meiner halbjährlichen Verlaufskontrolle erwartet.
Bevor wir aber dort eintrudeln, müssen wir unseren Hunger stillen. Da ein IKEA direkt an der Strecke liegt und wir so gerne diese Köttbullar (Fleischbällchen) verspeisen, kehren wir dort ein.
Die Untersuchungen und die Besprechungen bei der Verlaufskontrolle dauern rund 2 Stunden. Das Fazit; keine nennenswerten Verschlechterungen, ausser bei der Sprache. Die wird von Mal zu Mal undeutlicher und leiser. Wir haben auch noch mal über meinen lästigen Brechreiz gesprochen, welcher an manchen Tagen das Zähneputzen verunmöglicht. Ausserdem sollte ich mal wieder zur Zahnkontrolle. Wenn ich jedoch nur daran denke, man könnte mit irgendeinem Gerät zu nahe an den Gaumen geraten löst dies bei mir bereits Brechreiz aus. Ich versuche es jetzt noch mal mit der Tablette Temesta und mit Körperbeherrschung. Es ist nämlich meistens reine Kopfsache. Ich kann nur allen ALS-Betroffenen raten, so früh wie möglich alle Zähne in Ordnung zu bringen. Eventuell könnte man die Zähne sogar versiegeln lassen. Müsste man nachfragen.
Ansonsten probiere ich Neu ein Medikament für die Blase aus. Meistens funktioniert sie ja mustergültig. Es kann aber schon hin und wieder vorkommen, dass sie sich spontan bemerkbar macht und es dann kaum mehr ein Halten gibt. Das kann ebenfalls zur ALS gehören. Ich werde das Medi mal testen. Mal schauen was es bewirkt.
Zum Schluss haben wir noch über das unverständliche Verhalten meiner Krankenkasse der CSS, betreff meines nicht bewilligten REHA Aufenthaltes gesprochen.
Dann ging es wieder in zweistündiger Fahrt Nachhause. Nun bin ich todmüde und habe kaum noch Stimme. Ob ich mir wohl Zuviel zugemutet habe? Ich denke, eine Nacht Schlaf und ich bin wieder topfit.
5. Ich wollte heute Nachmittag wieder mal eine Rolli -Tour an den See machen. Doch, wie könnte es auch anders sein, es hat wieder angefangen zu regnen. Langsam wird es mühsam. Ich wünschte mir mal wieder zwei, drei sonnige Tage am Stück. Es könnte ja in der Nacht regnen, da hätte sicher niemand was dagegen. He Petrus, wäre dies nicht machbar?
Gestern haben wir nochmals die Gelegenheit genutzt und sind in den Süden gefahren. War das herrlich. Die Sonne schien von Frühmorgens bis Spätabends. Es war sehr warm und wir durften dauernd trinken. So gerne hätte ich grosse Schlucke aus einem Glas genommen und das kühle Nass die Kehle runter laufen lassen. Doch nix da. Schön langsam und sachte muss ich die Erfrischung mittels eines Trinkhalmes in den Mund befördern. Um meinen Durst löschen zu können muss ich etliche Male am Trinkhalm ziehen. Andere wären in der Zwischenzeit schon längst verdurstet. Ich glaube, unsere Krankheit lehrt uns, uns in Geduld zu üben und unser Verlangen zu unterdrücken.
Ich verliere in letzte Zeit vermehrt Haare. Diese fallen nicht einfach auf den Boden. Nein, nein. Bei mir klammern sie sich am liebstem im Gesicht, in den Ohren, an den Augenbrauen, am Hals und auf den nackten Armen fest. Solche Haare können mich Piesacken. Ich würde sie ja gerne entfernen, doch dies kann ich nicht mehr. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als solche Dinge zu ignorieren. Wenn ich Leute beobachte und sehe wie oft sie sich kratzen oder ein Haar wegstreifen denke ich zu mir; ich habe meine Körperempfindungen gar nicht schlecht im Griff. Gestern Abend konnte ich sogar, ohne dass sich wieder dieser doofe Brechreiz bemerkbar gemacht hat, alle meine Zähne auf Hochglanz polieren. Und dies ohne entsprechende Medis. Werde weiter an mir arbeiten.
Nächste Woche geht wieder der Alltag los. Mein Mann beginnt wieder mit der Arbeit. Vorerst einmal 50%. Beim heutigen Untersuch hat sich gezeigt, dass das Wasser in den Herzschleimbeuteln leicht zurückgegangen ist. Bis alles weg ist, könne es laut Arzt, noch lange dauern. Aber eine Verbesserung ist da. Ich vermisse jetzt schon die frischen Gipfeli mit Anken, Konfi und Käse am Morgen. Muss ich mich wohl oder übel wieder mit Joghurt zufriedengeben. Naja, solange es Mocca- oder Schoggijoghurt sind ist’s in Ordnung.
Jedenfalls geniesse ich jetzt noch den Rest der Woche mit meinem Mann und bin froh, dass alles so gut für ihn gelaufen ist.
7. Ich würd ja gärn vo mienä Üsflig brichdä, nur bi dem Sch….wetter chan ich ja gar nid Früsä. Aber ich chend ich einischt zeigä wiä mis Zimmer und mis Bürö üsgsehnt. Mit griäner Farb a dä Wänd han ich miär Natürfieling is Zimmer zäuberet. Diä vilä Fenster länd viü Liächt und Sunnä innä. Das riesä grossi Margritli vo a einerä Wand hanged, ziät ä ganz ä hüffä Flighouterä a. Ich has si zletsch mau zelt. Äs sind geneu 48 Stuck. Und sät sich einischt ä vorwitzigä Vogu i mis Zimmer verirrä, so hät ich ihm de nu äs wunderscheens Voguhysli zum bewohnä azbiätä. I mim Zimmer chan ich immer wieder üfdankä und mich samlä. Ich gläube, jedä brücht ä sonä Rückzugsort. Jedä brücht si Inslä.
Und jetzt alles noch mal in Hochdeutsch.
Ich würde ja gerne von meinen Ausflügen berichten, nur bei dem Sch….wetter kann ich ja gar nicht ins Freie. Aber ich könnte euch einmal zeigen wie mein Zimmer und mein Büro aussehen. Mit grüner Farbe an den Wänden habe ich mir Naturfeeling in das Zimmer gezaubert. Die vielen Fenster lassen viel Licht und Sonne herein. Die riesengrosse Margerite, welche an einer Wand hängt, zieht ganz viele Schmetterlinge an. Ich habe sie letzthin mal gezählt. Es sind genau 48 Stück. Und sollte sich einmal ein vorwitziger Vogel in mein Zimmer verirren, so hätte ich ihm dann noch ein wunderschönes Vogelhäuschen zum Bewohnen anzubieten. In meinem Zimmer kann ich immer wieder auftanken und mich sammeln. Ich glaube, jeder braucht einen solchen Rückzugsort. Jeder braucht seine Insel.
Seid ihr schon gespannt auf die Bilder? Hier sind sie.
11. Nachdem ich heute bereits am dritten Morgen mit Migräne aufwachen darf, beschliesse ich erst gar nicht aufzustehen. Ich muss mich erst mal kurieren. Damit mein Zimmer abgedunkelt bleibt. lassen wir die Jalousien geschlossen. Trotzdem schaffen es einige vorwitzige Sonnenstrahlen mich in meinem Zimmer zu besuchen. Im Laufe des Tages dringen wohlriechende Düfte durch die Ritzen der Jalousien. Es duftet nach Gras, welches sich von Stunde zu Stunde in knisterndes Heu verwandelt. Es duftet nach Sommer und ich möchte ein Teil davon sein.
Morgen fahre ich raus. Im Notfall lasse ich meinen Kopf auf dem Kissen liegen und fahre Kopflos durch den Sommer.
So, nun muss ich mich wieder etwas schonen. Im Liegen zu schreiben ist anstrengend.
12. Damit ich wieder zu Kräften komme und die nervige Migräne endlich verschwindet, hat mir Piet gestern Abend eine zünftige Haferflockensuppe mit viel Zwiebeln und Knoblauch zubereitet. Allem Anschein nach hat sie geholfen. Jedenfalls durfte ich heute Morgen ohne die Migräne aufwachen. Und was blinzelt durch die Jalousien; die Sonne natürlich.
Bevor ich aber ins Freie durfte musste ich zuerst mein Programm abarbeiten. Um halb Neun erschien meine Physiotherapeutin in Begleitung ihrer beiden Töchter. Wir haben den Mädels mal versprochen sie dürften einmal bei einer Therapiestunde dabei sein. Da noch Schulferien sind, hat dies heute gut geklappt. Die Beiden waren natürlich neugierig. Gerne habe ich ihnen den Nutzen der diversen Apparaturen und Geräte in meinen Räumen erklärt. Sehr gefreut hat mich, dass sie sich ohne Scheu in meinen Rollstuhl gesetzt haben. Das habe ich schon anderes erlebt. Für einige ist der Rollstuhl ein unangenehmes und unannehmbares Ding. Die beiden Mädels hatten jedoch keine Scheu sich mit den fremden Dingen auseinanderzusetzen. Nur wer fragt und sich traut neue Dinge auszuprobieren, kommt auch im Leben weiter. Ich fand diese Stunde zu viert sehr unterhaltsam und lebendig.
Schlag auf Schlag geht es weiter. Die Spitex macht mich für den Tag bereit und gibt mir das Morgenessen und meine Drogen ein. Dann muss ich noch schnell den IV-Antrag für das Pflegebett auf dem PC fertigstellen und ausdrucken. Aber immer, wenn man sich beeilen möchte, klemmt es sicher irgendwo. Mein Drucker spinnt, er will nicht drucken. Ich muss wohl oder übel auf meinen Mann warten. Selbst herum hantieren kann ich ja nicht.
Nach dem Mittagessen kann ich endlich an die Sonne. Doch Stopp, ich sollte nicht gleich an die pralle Sonne. Ich setze mich unter den Sonnenschirm. Das Risiko einer erneuten Migräne-Attacke will ich nicht eingehen. So blieb ich halt die meiste Zeit unter dem Schirm. Dabei hätte ich so gerne zugeschaut, wie mein Bruder mit seiner Familie das viele Heu im steilen Bord zusammenträgt. Ich hätte so gerne mitgeholfen, doch das geht jetzt nun mal nicht mehr. Aber ich denke, sie haben es auch ohne mich geschafft.
Jetzt hoffe ich, Morgen ist auch wieder ein Sonnentag. Viele Bauern haben immer noch viel Heu am Boden.
13. Heute lädt uns das Wetter zum Sünnelä ein. Also schnell die kurzen Schläuche angezogen, ein Caps auf den Kopf und nichts wie raus. Ich drehe meinen Rollstuhl Richtung Sonne und stelle ihn auf Liege Position. So lässt es sich leben. Doch auf einmal wird es dunkler. Es wird sich doch nicht etwa eine Wolke vor die Sonne geschoben haben. Langsam öffne ich meine Augen. Und was sehe ich da; mein Mann, die Spassbremse hat mir einen Sonnenschirm verpasst. Ich weiss schon warum er dies tut. Er will einmal in einem Sommer brauner sein als ich. Also lasse ich ihn gewähren.
Natürlich wurde am Mittag gegrillt. Der Cervelat mundete ausgezeichnet, obwohl es keine Ostschweizerische war. Am Nachmittag hatten wir Lust auf ein wenig Kreatives arbeiten. Als wir letzthin am See waren, sammelten wir flache Steine und Schwemmholzstücke. Mit diesen Materialien und einem Stück Schnur, hat Piet ein Mobile für Draussen gebastelt. Er weiss zwar noch nicht ob es ihm gefällt. Ich glaube aber, sobald er sieht wie sich die einzelnen Stücke vom Wind unterschiedlich drehen lassen, wird er ebenfalls begeistert sein. Da wir die meisten Materialien aufgebraucht haben, sind wir mit Velo und Rolli losgefahren, um Neues Material zu sammeln. Man weiss ja nie, vielleicht kommt Piet noch auf den Geschmack.
Bald neigt sich der Tag dem Ende zu. Ich drehe zum Abschluss noch eine Runde ums Haus. Plötzlich merke ich das mit meinem hinteren rechten Rollstuhlrad nicht stimmt. Ich fahre vorsichtig zu meinem Mann und bitte ihn nachzuschauen was los ist. Ich habe mir einen Plattfuss eingefangen. Piet sieht den Übeltäter sofort und zieht ihn heraus. Ich habe mir einen Nagel eingefahren. Aber es ist nicht einfach ein gewöhnlicher Nagel. Nein, es ist ein langer, gedrehter, wunderbar rostiger, alter Nagel. Was nun? Sollen wir jetzt ebenfalls dieselbe Flicktechnik anwenden wie unser Sohn vor zwei Wochen.
Er war auf einer Velotour. Geschlafen hat er im Bus auf einem Brett mit Luftbett darauf. In der Nacht wachte er auf, die Unterlage drückte. Das Luftbett war flach, die Luft war draussen. Also neu aufblasen und weiterschlafen. Kurze Zeit später die gleiche Situation. Nun wird nach dem Loch gesucht und auch gefunden. Das Loch in der Nacht professionell zu flicken stinkt ihm. Also kurz überlegt. Dann einen Kaugummi in den Mund und kräftig durchkauen. Herausnehmen, auf das Loch kleben und mit Klebestreifen fixieren. Nun das Luftbett erneut aufblasen und ohne Störung bis zum anderen Morgen ruhig schlafen. Da kann ich nur sagen; Mc Gyver lässt grüssen.
Da überlasse ich meinen Pneu dann doch lieber meinem Mann. Da gehe ich auf Nummer sicher.
15. Die Sonne scheint den heutigen Feiertag nicht zu mögen. Warum sollte sie sonst dem Regen den Vortritt lassen. Heute kann ich wenigstens das Fenster neben meinem PC gekippt lassen. Gestern hat es so geschmeitzt (D?), dass sogar mein PC einige Spritzer abbekommen hat. Auch mich sprangen einige Regentropfen an und benetzten meine Haut. Einigen Windböen gelang es sogar, sich an den Fensterscheiben vorbei zu schlängeln. Mit unbändiger Freude zerzausten sie darauf hin meine Haarfrisur. Aber was soll’s, ich habe es genossen bis meinen Mann kam und den Regen und den Wind aussperrte.
Während ich am PC sitze, höre ich den Dorfbach rauschen. Er fliesst direkt an unserem Grundstück vorbei. Nach dem intensiven Regen kann er sich endlich wieder einmal Gehör verschaffen. Er darf es nur nicht übertreiben.
Ich habe heute die neue Seite DGM Forum Forschung eingefügt. Hier geht es um Forschungsberichte mit Dialog. Des Weiteren wollte ich, dass Musik ertönt, sobald meine Startseite geöffnet wird. Damit könnte ich meine Besucher mit Musik begrüssen. Ich habe das leider noch nicht hingekriegt. Wenn ihr jedoch das Willkommen anklickt, spielt Musik. Ausserdem habe ich ein anderes Titelbild von mir eingestellt. Ihr seht, untätig bin ich fast nie. Es macht mir einfach Spass Neues auszuknobeln auch wenn ich manchmal die Wände hochkönnte. Zum Glück sieht mich niemand, wenn ich gerad in solch einer Situation stecke.
17. Geniest ihr das herrliche Wetter auch so wie ich. Ich habe den ganzen Nachmittag in der Sonne gelegen. Natürlich halb unter dem Sonnenschirm. Schliesslich war der Chef anwesend. Um mir etwas Abkühlung zu verschaffen, drehte mein Mann den Gartensprinkler auf. Ich platzierte meinen Rolli extra daneben. So bekam ich immer wieder einige Wassertröpfchen auf die Haut. Das fühlte sich fantastisch an. Am liebsten wäre ich samt dem Rolli unter den Sprinkler gefahren. Nur das wollte ich dann doch nicht riskieren. Ich muss mir für Morgen überlegen, wie ich sonst noch zu meiner Freiluftdusche komme.
Soeben, um 20.30 Uhr bin ich retour von meiner Abend-Tour zum See. Mensch, waren da Leute unterwegs. Einige schwammen, einige spielten Beachvolleyball und andere beteiligten sich an den Urner-Abendläufen. Viele sassen auch einfach nur zusammen am See oder grillierten gemeinsam. Es war eine lockere, friedliche Stimmung. Eigenartig, wie schönes Wetter auf uns Menschen wirken.
Bei mir wirkt es auch langsam. Schnell noch meinen Milchkaffee austrinken und dann ab in die Heia.
18. Irgendwie sind die Insekten in diesen Tagen stechfreudiger geworden. Vorgestern hat mich so ein Viech unterhalb des linken Knöchels gestochen. Nun schwelt der Fuss von Tag zu Tag mehr an. Es juckt und brennt. Momentan habe ich einen kalten Lappen auf dem Fuss und halte ihn hochgelagert. Das Blut pocht dann weniger im Fuss. Dann hat mich Gestern auch noch ein zweites Ungeheuer in den Bauch gebissen. Wahrscheinlich war es eine zänkische Ameise. Jedenfalls hatte ich heute Morgen eine mit Flüssigkeit gefüllte Blase auf dem Bauch. Also, ich bin ja wirklich ein Tierfreund. Aber wenn ich gekonnt hätte, hätte es diesmal Klatsch gemacht. Heute habe ich vorgesorgt. Ich wurde von Kopf bis Fuss mit Antibrum eingesprüht.
Am Nachmittag war ich noch kurz auf dem Bauernhof meines Bruders. Unter dem Nussbaum zu sitzen und zusammen Kaffee zu trinken und zu quatschen geniesse ich sehr. Es hätte heute auch frisch gepressten Most gegeben. Mir als Rollifahrer erschien das Risiko zu hoch, schnell auf die Toilette gehen zu müssen. Also blieb ich beim Ürner Schwarzem. Bei geselliger Runde kann es schon vorkommen, dass der eine oder andere auf spezielle Ideen kommt und zur Unterhaltung beiträgt.
21. Heute vor 10 Jahren hat sich mein Leben auf einen Schlag verändert. Nachdem ich während einem halben Jahr diverse Untersuchungen über mich ergehen lassen musste, teilte mir damals der Neurologe aus Luzern die Diagnose ALS mit. Ich hatte null Ahnung was diese Diagnose bedeuten würde.
Heute, nach über 10 Jahren des Betroffen seins, weiss ich was es bedeutet an ALS erkrankt zu sein. Ich musste meine Zukunftspläne komplett über den Haufen werfen. Das ging aber nicht nur mir so. Mein Mann und mein Sohn waren genauso betroffen. Was soll man da noch planen, wenn man mit grösster Wahrscheinlichkeit in 3 – 5 Jahren nicht mehr da ist. Sicher, niemand weiss wann er gehen muss. Ich glaube jedoch, es ist schon noch ein wenig anders, wenn einem der ungefähre Todeszeitpunkt bekannt gegeben wird.
Anhand der überlebten Jahre weiss ich mittlerweile, dass ich eine langsam fortschreitende Form der ALS habe. Ich zähle zu den ca. 5% Betroffenen, welche diese Krankheit 10 Jahre und mehr überleben. Obwohl die Behinderungen in den vergangenen Jahren stets zugenommen haben, bin ich doch überglücklich über die geschenkten Jahre. Meine Zukunftswünsche nach der Diagnose gingen dahin, zuerst einmal die 3 Jahre zu überleben. Mittlerweile durfte ich auch das Fünf- und das Siebenjährige Etappenziel hinter mir lassen. Und heute durchtrenne ich das 10-jährige Ziel und nehme die nächste Etappe in Angriff.
Hier sind einige Eckdaten in meiner ALS Laufbahn.
2001: Im Januar bemerkbare Schwäche in der linken Hand
2001: Im August die Diagnose ALS
2002: Reduktion des Arbeitspensums
2003: Aufgabe der Arbeitsstelle, 100% IV-Rentnerin
2004: Beine verlieren an Kraft, Anschaffung eines Rollstuhls
2005: Spitex übernimmt Teil der Pflege
2008: Finger sehr schwach, Anschaffung eines Umfeld-Kontrollgerätes
2009: Atemmuskulatur wird schwächer.
2000: Nachlassen der Stimme.
Heute im Jahr 2011 atme ich immer noch selbstständig. Ich komme noch ohne einen Atem unterstützendes Hilfsmittel aus. Das Essen und Trinken, welches mir eingegeben wird, kann ich noch kauen und schlucken. Ich kann ein Teil meiner Korrespondenz mittels Bildschirmtastatur selbstständig übers Internet erledigen. Und mit meinem E-Rollstuhl kann ich alleine diverse Streifzüge in der Natur unternehmen.
Meiner Psyche geht es meistens gut. Wenn nicht, liegt es meistens an meiner Ungeduld. Ich möchte am liebsten alles sofort. Vergesse dabei manchmal, dass andere auch nur zwei Hände haben. Und wer meint, bei uns in der Familie sei immer alles Heile Welt, der irrt. Diese Krankheit verlangt enormes Engagement und Einfühlungsvermögen von den Angehörigen. Mein Mann beteiligt sich nebst seinem 100% Job, noch bei meiner Pflege und Betreuung. Mein Sohn unterstützt ihn so gut es geht.
Heute möchte ich meinen liebsten Beiden einmal von Herzen Danke sagen. Wenn ich euch nicht an meiner Seite hätte, wüsste ich nicht, ob ich so lange durchgehalten hätte. Ich liebe euch.
Ich danke auch all jenen Menschen, die mich bis hierher begleitet haben. Dankeschön.
So, nun stosse ich auf die nächsten 10 Jahre an und hoffe, die Forscher finden bald ein Pülverchen gegen diese Krankheit.
22. Gestern am Abend schickte mir ein "Neffe" ein Mail mit einem Link. Als ich den Link öffnete keimte in mir Hoffnung auf. Sollte tatsächlich der Durchbruch in der ALS-Forschung gelungen sein? Wenn ja, wie viele Jahre wird es brauchen, um ein wirksames Mittel herzustellen? Werde ich es noch erleben dürfen? Jedenfalls war diese Nachricht das schönste Geschenk zu meinem Jubiläum. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zu Letzt.
23. Läck isch das ä Hitz. Und uber d‘Nacht isch nu dr Feen innäghit. Das cha ja heiter wärdä. Ich hangä jetz scho bständig am Rehrli und la mi mit Ice-Tee voll läuffä. Chänd mä diä Wärmi doch nur irgendwiä ifah, um sie de a chälderä Täg wieder üsä zla.
Ich habe sehr gerne warm. Doch jetzt ist es sogar mir zu heiss. Ich habe das Gefühl, alle Poren auf meiner Haut haben sich geöffnet und entladen die überschüssige Flüssigkeit über meinen ganzen Körper. Heute habe ich extra nur wenig angezogen. Doch das scheint noch zu viel zu sein. Die Kleider fühlen sich feucht an und kleben am Körper. Schön wäre es, ich könnte schnell zum See fahren, um hinein zu jucken. Träumen darf man ja.
Wenigstens ist es am Abend in meinem Zimmer ein wenig kühler. Wir mussten, in dem wir die Jalousien und die Fenster geschlossen halten, meine geliebte Sonne aussperren. Dafür hält sich schon seit drei Tagen ein Marienkäfer in meinem Zimmer auf. Es lässt sich nicht bewegen das Freie aufzusuchen. Mir soll’s recht sein.
Am Freitag wurde mein neues Pflegebett geliefert. Nun kann ich mich in der Nacht herumwälzen ohne Angst zu haben, ich könnte aus dem Bett fallen. Piet hat zusätzlich den Bettgalgen mit einer Halterung für mein Umfeld Kontrollgerät Tobii versehen. Nun kann ich das Ganze hin und her schwenken, sodass es weder der Spitex noch der Physiotherapeutin im Weg steht. Ist eine tolle Sache. Nun bin ich nur noch gespannt, ob die IV die Kosten für das Pflegebett übernehmen wird. Wir werden sehen.
Für alle Interessierten. Das Pflegebett Belluno ist bei der Firma Sodimed auch mit einer Infrarotsteuerung erhältlich.
Bald sind die gemeinsamen Nachmittage mit meinem Mann vorbei. Das Belastungs-EKG war soweit zufriedenstellend, dass er im September wieder 100% arbeiten gehen kann. Es ist natürlich erfreulich, dass es ihm wieder so gut geht. Doch ich bräuchte ihn auch bei mir zu Hause.
Zum Glück lies es das Wetter zu, dass wir doch den einen und anderen Ausflug zusammen unternehmen konnten. Wie am letzten Samstag, wo wir mal wieder mit dem Schiff unterwegs waren. Wir waren aber nicht allein auf dem See. Es tuckerten und tummelten sich allerlei Arten von Fortbewegungsmittel auf dem See herum.
Nachtrag: Als wir an diesem Tag auf dem Schiff waren spielte sich vor unseren Augen eine Szene ab, die uns so zum Lachen brachte, dass sogar mein Mann Tränen in den Augen hatte. Zwei junge Mütter sassen mit ihren 3 und 6-jährigen Mädchen auf der Schiffsbank uns gegenüber. Die beiden Mädchen löffelten ihre Glace in den Mund. Plötzlich musste das Jüngere niesen. Das andere Mädchen erstarrte zur Salzsäule. Sein Gesicht, sein Hals und seine Oberarme waren voll von Glace Spritzern. Das alles hat so komisch ausgesehen, wir mussten einfach loslachen. Zum Glück fand es das betroffene Mädchen gar nicht so schlimm, sodass es nach einer Weile selbst darüber lachen konnte. Ich selbst musste mich danach ständig mit etwas ablenken, damit ich die Szene nicht ständig vor den Augen hatte und gleich wieder loslachen musste. Meinen Mann durfte ich erst gar nicht anschauen, sonst hätten wir Beide wieder losgelacht.
Wie sagt man noch gleich. Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist …………?
27. Den gestrigen Nachmittag verbrachte ich auf dem Balkon. Ich positionierte mich dicht hinter den Windschutz. Bei uns hat sich nämlich der Föhn (Südwind) mit über 100 Km/h kräftig ausgetobt. Er trieb die Temperaturen nochmals so richtig in die Höhe. Mir hat unser Nussbaum leidgetan. Immer wieder fuhr eine Böe in den Baum und hat ihn kräftig durchgerüttelt. Er wurde auf alle Seiten gebogen und manchmal dachte ich, gleich bricht ein Ast. Doch dank seiner Biegsamkeit schaffte es der Föhn lediglich, ihm ein paar Nüsse zu entreissen. Ein kräftiger Baum ist eben nicht hart. Er ist weich und biegsam.
Als ich so im Rollstuhl lag, konnte ich am Himmel die herannahenden Wolken beobachten. Zuerst waren es nur kleine, unschuldig weisse Schleierwolken die sich kurz zeigten. Sie kamen mir vor, als wären sie Späher. Einige Zeit später tauchten dann schon etwas grössere, weissgrau gemischte Wolken auf. Es könnte die Vorhut gewesen sein. Stunden später tauchen immer mehr Wolken am Himmel auf. Sie verdichten sich und ziehen in gemächlichem Tempo über mich hinweg. Es kommt mir vor wie in den UFO Filmen, wo sich die Raumschiffe über einen Ort legen. Doch die Wolken ziehen weiter und bis auf ein paar Tropfen kriege ich nichts ab.
Dafür werde ich in der Nacht aus dem Schlaf gerissen. Draussen blitzt und donnert es unaufhörlich. Anscheinend sind die Raumschiffe zurückgekehrt. Ich liege lange wach und höre gespannt dem Spektakel zu.
Am Morgen dann die Überraschung. Ein Blick aus den Fenstern genügt. Die Bergspitzen haben über Nacht die Farbe gewechselt. Die Schneeflocken haben sie weiss überzogen. Und der Temperatursturz von 20% hat die Luft gewaltig abgekühlt. Also sind heute wieder lange Hosen angesagt.
Doch der Sommer ist sicher noch nicht vorbei. Auch wenn das Bild unten was anderes zeigt.
Damit ich auch jetzt die Wärme des Sommers in mir spüre, habe ich mir während des Schreibens einen 30% Manderinenlikör genehmigt. Mmh der ist aber süss und klebrig. Den mag ich.
31. Da der Sommer wieder zurückgekehrt ist sitze ich mehr draussen als vor dem PC.
Ganz untätig war ich aber doch nicht. Heute habe ich z.B. die Navigationsleiste auf meiner Homepage ein wenig umgestellt. Ich habe manche Artikel entfernt (Musik) oder neu zugeordnet.
Am besten klickt ihr euch mal wieder durch die Navigationsleisten.
Ansonsten, bis bald.
SEPTEMBER
1.Äs herbstelet immer meh. Wenn ich am Morgen aus den Fenstern schaue realisiere ich, dass der Herbst nicht mehr fern ist. Langsam verwandelt sich die Natur. Das satte Grün verblasst zunehmend. Die Blätter an den Bäumen und Sträuchern schmücken sich mit den Farben gelb, orange und mit diversen Brauntönen. Auch unser alter Pflaumenbaum sieht täglich anders aus. Und die Linde an der Strasse bekommt immer mehr gelbe Flecken am Laub. Viel braucht es nicht um diese Blätter vom Baum fallen zu lassen. Da genügt schon ein kleiner Windhauch. In dieser Zeit müssen wir auch aufpassen, wenn wir uns unter unserem Nussbaum aufhalten. Immer mehr Nüsse lösen sich von den Ästen und fallen zu Boden. Wer fängt sich schon gerne eine Kopfnuss ein. Aua!
Man fühlt schon, dass es am Morgen und am Abend kühler wird. Es wird auch bereits wieder früher dunkel. Aber während des Tages, wenn die Sonne scheint, sind die Temperaturen noch immer sommerlich warm. Ich hoffe sowieso auf einen wunderschönen Indian-Summer.
Damit ich ja nicht vergesse mich der Jahreszeit entsprechend anzuziehen und um mich in die farbenfrohe Zeit einzustimmen, hat mein Mann meinem Monitor einen Herbstblätterrahmen verpasst. Ich war total überrascht und freue mich jeden Tag an diesen farbigen Blättern.
Weil ich gerade so in Herbststimmung bin, habe ich die Farben meiner Homepage gleich der Jahreszeit angepasst.
7. Manchmal sitze ich nur da und schaue aus dem Fenster. Es tut mir gut, meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Ich kann über das Leben und die Welt nachdenken. Manche Gedanken können mich schon auch traurig stimmen. Meine Krankheit hat mir schon vieles aus meinem Leben weggenommen. Wie gerne würde ich einfach vom Rollstuhl aufstehen und dorthin laufen, wohin es mich gerade zieht. Ich möchte etwas aus dem Kühlschrank nehmen können, auf was ich gerade Lust habe. Wie würde ich es geniessen, wieder mal einen Apfel in die Hand nehmen zu können, um danach genussvoll reinzubeissen. Oder wenn ich Durst habe, den Wasserhahn aufzudrehen, um ein Glas zu füllen. Dieses kühle Nass könnte ich dann, ohne Angst vor dem Verschlucken, die Kehle hinunterlaufen lassen. Wie gerne würde ich meine Familie mit einem guten Essen oder einem selbst gebackenen Kuchen verwöhnen. Es macht mich traurig, dass ich sie nicht mehr hegen und pflegen kann.
Aber diese traurigen Gedanken halten meistens nicht lange an. Es genügt, wenn ein überreifes Lindenblatt vor meinem Fenster, die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ich sehe, wie es sich vom Ast löst und kunstvoll zum Boden schwebt. Das zaubert sofort ein Lächeln in mein Gesicht und meine Gedanken fangen an zu träumen. Ich stelle mir dann einfach vor, ich könne all die Dinge wieder machen, die mir die Krankheit genommen hat. Mir tun diese Tagträume sehr gut. Sie heilen meine Seele und meinen Geist.
13. Hello Leute, ich bin wieder am Schreiben. Ich hatte mir eine Tagebuch-Auszeit genommen, um über gewisse Dinge in Ruhe nachdenken zu können und zu verarbeiten. Es gibt Dinge im Leben, die sind nicht immer so schön. Aber auch mit solchen Ereignissen muss ich lernen fertig zu werden. Ich lasse mir die Freude am Leben nicht durch Streithähne zerstören. Das Leben und der Planet auf dem wir Leben ist so wunderbar. Am liebsten würde ich für immer hierbleiben.
Gestern begleitete mich der Vollmond in den Schlaf und heute Morgen wurde ich von der Sonne aufgeweckt. Ich dachte gleich, heute würde wieder ein herrlicher, warmer Herbsttag sein. Für mich war somit klar, dass kurze Hosen angesagt sind. Die Spitex hat mir dann auch gleich die Sommersachen zusammengestellt. Ich weiss nicht, ob es Nachwirkungen vom Vollmond waren. Beim Anziehen der Kleider viel mir plötzlich auf, dass ich meinem Slip vorne nicht ausfüllte. Als ich realisierte, dass ich einen Slip meines Mannes anhatte, kamen mir sofort Tennissocken in den Sinn. Aber ich habe mich dann doch umentschieden. Dem warmen Wetter sei Dank.
Ich kam dann aber doch noch zum Schwitzen. Meine Physio hat mit meiner Hilfe eine halbe Stunde lang alle meine Gelenke durch bewegt. Es ist wichtig, auch mit wenig Kraft, beweglich zu bleiben. Die zweite halbe Stunde wurde meine Lymphe aktiviert. Seit bei mir regelmässig Lymphdrainagen durchgeführt werden, habe ich kaum noch geschwollene Füsse.
Am Nachmittag machte ich mich wieder Richtung See auf. Unterwegs suchte ich die Biotope auf. Von der Schlange war nichts zu sehen. Dafür umflogen mich viele grün-blau schillernde Libellen.
Das Wasser am See hatte sich ein wenig zurückgezogen. Dadurch wurden einige Sandbänke freigelegt. Ich wusste, diese zu befahren war ein Risiko. Da ich aber so gerne, so nah wie möglich am Wasser sein wollte, fuhr ich los. Vorne angekommen stellte ich mich in den Wind. Das Wasser war heute glasklar. Ich konnte die Steine am Grund sehen. Die Wellen rollten ans Ufer und es war ein weiches Rauschen zu hören. Ich kam mir vor, als sässe ich am Meer. Nur, statt Muscheln waren die Sandbänke mit viel Treibholz gespickt. So ein Stück Holz wurde mir beim Verlassen der Sandbank fasst zum Verhängnis. Eines hat sich quer vor meine Vorderräder gelegt. Beim Versuch retour zu fahren, gruben sich die Hinterräder in den Sand ein. Ich dachte mir, nur keine Panik. Mir kam in den Sinn, wie man vorgeht, wenn dies bei einem Auto passiert. Ich fuhr langsam Vorwärts und langsam rückwärts. Drehte die Vorderräder leicht zur Seite. Als ich dann spürte, dass die Räder auf festeren Boden kamen, gab ich langsam Gas und plötzlich rollte mein Rolli wieder. Ich war schon froh, dass ich nicht meinen Mann anrufen musste.
14. Seit ich mein neues Bett mit den Seitenholmen habe, traue ich mich wieder eher im Bett zu drehen. Leider habe ich mich heute Morgen zu stark gedreht. Ich bin halbseitig auf dem Bauch gelandet und auf dem Brustkorb gelandet. Leider fehlte mir die Kraft, um mich wieder retour zu drehen. Je mehr ich es versuchte, desto mehr verhedderten sich meine Füsse in der Decke. Ausserdem rutschte dabei die Bettdecke immer weiter über meinen Kopf. Also hiess es wieder mal, keine Panik und ruhig weiter atmen. War ich froh als ich die Haustüre ins Schloss fallen hörte. Das Zeichen, dass die Spitex im Anmarsch ist. Endlich wurde ich aus meiner misslichen Lage befreit. Nun musste ich mich erstmals gerade hinlegen, damit der Druck auf meiner Schulter abklingen konnte. Ich werde mich hüten, mich nochmals so stark zu drehen.
Die Spitex ist heute in neuem Outfit erschienen. Die Spitex Uri hat die privaten Arbeitskleider abgeschafft. Nun tragen alle Mitarbeiter dunkelblaue Hosen und ein hellblaues Shirt dazu. Ergänzt wird das Ganze mit dunkelblauer Jacke, Mütze und Schal für die kühlere Jahreszeit. Sieht schick und professionell aus.
Um 10.00Uhr hatte ich einen Termin mit einer Mitarbeiterin der Invaliden-Versicherung. Sie hat mich zu Hause aufgesucht, um die Abklärungen für die Hilflosenentschädigung zu erneuern und um den Antrag für die Kostenübernahme meines neuen Pflegebettes direkt vor Ort zu prüfen. Ich finde gut, dass solche Entscheide nicht von einem Bürotisch aus entschieden werden. Ich habe ein gutes Gefühl, dass die Kosten des Bettes übernommen werden. Die Mitarbeiterin fand ich sehr sympathisch und menschlich. Wir sprachen auch das Thema Assistenz an, welches nächstes Jahr eingeführt wird. Ich habe ihr unter anderem mitgeteilt, dass die beste Assistenz für mich mein Mann wäre. Leider sieht es das „Gesetz“ nicht vor, dass wir Angehörige anstellen dürfen. Höchstwahrscheinlich käme es die IV sogar günstiger, wenn sie die Angehörigen entlohnen würde. Doch weil man befürchtet, einige könnten das System ausnützen, werden gleich alle zurückgebunden. Mein Mann hat für mich schon viele Hilfsmittel abgeändert und optimiert, ohne dass die IV einen Rappen Entschädigung bezahlen musste. Würde ich jedes Mal Externe beauftragen, ginge dies in tausende von Franken. Nehmen wir nur mal das Beispiel vom Bettgalgen. Mein Mann hat diesen kurzerhand umfunktioniert. Nun dient er mir als schwenkbare Halterung für meine Umfeldsteuerung. Wäre mein Mann nicht so kreativ und nicht handwerklich geschickt, hätte ich eine Halterung mit Ständer bestellen müssen. Diese würde die IV sicher an die Fr. 1000. — kosten.
Also, wir kosten nicht nur, wir helfen auch Kosten einsparen. Halt jeder nach seinen Möglichkeiten. Ich hoffe sehr, dass die Verantwortlichen noch einsichtig werden und die Vorteile sehen, welche sich bei der Pflege und Betreuung durch die Angehörigen ergeben.
Ich habe meinem Mann aufgetragen heute einen Lottoschein auszufüllen. Es soll ja so viel drin sein im Jackpot. Da wären wir dann auf das Geld der IV nicht mehr angewiesen und ich hätte meinen Traummann als Pfleger. Also die Kreuze richtig setzen.
18. Dieser Sonntag zeigt heute so richtig sein Herbstgesicht. Es regnet und ein kühler Wind pfeift um die Häuser. Ein Tag zum Drinnen sitzen und zu faulenzen. Ne, das ist uns zu langweilig. Also steigen wir in unseren Subaru und nehmen eine Dreipässe Fahrt unter die Räder. Zuerst fahren wir bei Nebel über den Gotthardpass (2108). Je weiter wir in den Süden fahren umso schöner wird es. Bei den 21° komme ich mit meinem Pullover fast ins Schwitzen. Ich beneide meinen Mann um seine kurzen Ärmel. Nicht ahnend, dass sich dies bald ändern wird. Der nächste Pass, den wir erklimmen ist der Lukmanier (1914). Je näher wir zur Passhöhe kommen, desto mehr fängt es an zu regnen. Die Temperatur ist merklich gefallen. Auf einmal sehe ich das etwas Weisses den Strassenrand ziert. Hier muss es vor kurzem geschneit haben. Ich freue mich über das erste Schäumchen Schnee. Der dritte Pass, den wir überqueren wollen, ist der Oberalp (2044). Auf dem Weg dorthin regnet es immer heftiger. Die Tropfen werden immer grösser und schwerer. Langsam verwandeln sich die Regentropfen in Schneeflocken. Je höher wir fahren, desto mehr haftet der Schnee auf der Strasse. Die Entgegenkommenden Autos haben einen Gang retour geschaltet. Und die sieben englischen Oldtimer welche den Pass befahren sind nur noch im Kriechtempo unterwegs. Trotzdem verpatzt einer die Kurve und fährt gerade Aus. Zum Glück ist an dieser Stelle ein Ausweichplatz. Weiter oben treffen wir auf abgestellte Motorräder mit ratlosen Fahrern, die sich die kalten Hände reiben. Mittlerweile ist es 0° geworden. Wir sind froh, dass wir mit dem 4 x 4 unterwegs sind. Mit dem Bus hätten wir keine Chance gehabt und hätten umkehren müssen. Mir hat der heutige Tag riesig Spass gemacht. Ich liebe die verschiedenen Jahreszeiten.
26. Hallo liebe Leute. Ich weiss, ich habe schon länger nichts mehr geschrieben. Ich werde das nächstens nachholen. Ich bin viel Unterwegs und geniesse das traumhafte Herbstwetter. Ich will euch trotzdem schnell mitteilen, dass es mir sehr gut geht. Bis bald.
28. Eigentlich wollte ich heute einmal zuhause bleiben und mich auf der Terrasse in die Sonne legen. Unser Balkon befindet sich auf der Ostseite. Und da die Sonne mittlerweile kürzere Kreise zieht, ist sie bereits um 14.00 Uhr hinter dem Hausdach verschwunden. Sobald der Schatten da ist und die Biese weht, wird es sofort frisch. Also verziehe ich mich ins Haus und setze mich vor den PC. Das gibt mir die Gelegenheit wieder mal in mein Tagebuch zu schreiben.
Letzte Woche war viel los. Ich hatte viele liebe Besucher, die mit mir einige Stunden verbrachten. Am Mittwoch mussten wir noch mal ins Triemli-Spital zur Abschlusskontrolle von Piets Herz-OP. Alles verläuft wie gewünscht. Ich bin so froh, dass mein Mann alles so gut überstanden hat und ich mir nicht mehr so Sorgen machen muss.
Dann war ich natürlich auch viel mit dem Rolli unterwegs. Es ist jetzt so herrlich durch den Wald zu fahren. Die Baumblätter befinden sich in unterschiedlichen Herbststadien. Sie strahlen in warmes Gelb,- Rot,- und Braun-Tönen. Einige haben diesen Welk Prozess bereits abgeschlossen und liegen nun zu Fusse des Baumes. Es knistert so herrlich, wenn meine Rollstuhlräder über die getrockneten Blätter fahren. Und manchmal kommt es vor, dass sich ein vorwitziges Blatt kurz auf meiner Schulter ausruht, bevor es sich tänzelnd auf den Boden legt.
Am letzten Freitag zog es mich in die Höhe. Ich fuhr mit dem Rolli in eine Nachbargemeinde und steuerte dort die Haldi-Luftseilbahn an. Beim Billett lösen musste ich dem Bahnführer zuerst klarmachen, dass sich meine Geldbörse im Rucksack befindet und er das Geld selbst herausnehmen müsste. Er sagte zu mir, er mache dies nicht gerne. Als ich ihm dann klarlegte, dass ich meine Hände nur eingeschränkt nutzen kann und ich den Menschen vertrauen müsse, die mir behilflich sind, klappte es wunderbar. Danach brachte mich die Luftseilbahn auf 1080 m.ü.M. Oben angekommen genoss ich zuerst einmal den grandiosen Blick ins Tal hinunter. Die Talfahrt absolvierte ich dann mit dem Rolli. Ich fuhr an immer noch blühenden Wiesen vorbei und durch bunte Herbstwälder. Ich genoss das Rauschen der Bergbäche und das Vogelgezwitscher. Auf meinem Weg ins Tal hinunter begegneten mir Schmetterlinge, Eidechsen und sogar ein Eichhörnchen sauste vor mir über den Weg. Ich mag diese Strecke. Es ist so ruhig hier. Man hört mehrheitlich nur Naturgeräusche. Da ich alles in mich aufnehmen wollte, bin ich nur im Schritttempo gefahren. Nach etwa zwei Stunden bin ich dann im Tal unten angekommen und musste nur noch nach Hause rollen. Herrlich, ich liebe solche Touren.
Am Montag-Abend waren "meine" beiden Männer draussen am Werkeln. Mein Sohn widmete sich dem Rasen. Plötzlich machte der Rasenmäher komische Geräusche und stellte ab. Es wurde Benzin nachgefüllt und neu gestartet. Danach lief er wieder, jedoch sehr hochtourig. Das Gas liess sich nicht mehr regulieren. Also musste Öl für die Schmierung her. Kurz darauf der nächste Versuch. Er lief kurze Zeit, doch dann gab er nach einem komischen Geräusch den Geist komplett auf. Mein Junior wusste sofort Bescheid und rief uns zu. Ich habe soeben einen Kolbenfresser fabriziert. Ja da standen wir nun, mit halb abgeschnittenem Rasen und abgeschnittenen Hosen da. Aber ich dachte es gibt Schlimmeres. Oder etwa doch nicht.
30. Beim Anblick unserer Asternstöcke wird es mir warm ums Herz. Die Blüten strahlen, als wären sie viele kleine Sonnen. Es gibt viele Blumen, die noch im Herbst blühen. Auch viele Sträucher sind momentan eine Augenweide. Manche zieren sich mit knallroten und mit tiefschwarzen Beeren. Der Mahlzeitentisch für die Tiere ist noch reichlich gedeckt. Einige legen bereits Vorräte an. Darum ist es auch wichtig, nicht gleich alles abzuschneiden was verwelkt ist. Die Sämlinge, welche sich noch in den Pflanzen befinden, bereichern das Nahrungsangebot der Tiere. Ich weiss, ich habe auch gerne Ordnung und würde am liebsten mit dem zurückschneiden beginnen. Doch ich warte noch damit. Ich möchte ja, dass viele Tiere den Winter überstehen. So kann ich mich nächstes Jahr wieder an ihnen erfreuen. Man darf ruhig irgendwo eine «Schmudelecke» stehen lassen. Ich habe gezwungener Weise mehrere. Trotzdem sieht es in meinem Garten wunderschön aus.
Hier noch ein Nachtrag. Letzt Woche flatterte ein Brief von der IV (Invalidenversicherung) ins Haus. Darin wurde mir mitgeteilt, dass die Kosten für mein neues Pflegebett von der IV übernommen werden. Gute Nachrichten soll man auch verbreiten.
OKTOBER
3. Der September hat das schöne Herbstwetter an den Oktober weitergegeben. Die Sonne scheint von morgen-früh bis spätabends. Es soll ja bis Mittwoch so weiter gehen. Die Temperaturen laden immer noch zum Sonnenbaden ein. Und ich kann, ohne frieren zu müssen weitere Herbsttouren unternehmen.
Heute muss ich allerdings einen Ruhetag einlegen. Auch sollte ich nicht zu lange am PC schreiben. Seit einigen Tagen fühlt sich mein Körper an, als hätte ich Schwerstarbeit verrichtet. Faszikulationen durchziehen meinen Körper. So wie in den ersten Jahren meiner ALS. Besonders stark betroffen ist mein rechter Arm. Die Faszikulationen / Tremor sind gelegentlich so stark, dass mein Arm regelrecht zittert. Es wird in solchen Momenten schwierig mit der Maus zu schreiben. Es kommt mir vor, als hätte ich am ganzen Körper Muskelkater. Leider kann ich seither auch nicht mehr durchschlafen. Eventuell habe ich wieder irgendwelche Störungen im Zimmer. Es könnte sein, dass die neue Heizunterlage zu viel Strahlung abgibt. Da muss wohl wieder mal mein Radiästhesist /Geopath vorbeikommen bevor ich es mit Medis versuche. Eigentlich ist es nicht schlimm. Ich bin mir das einfach nicht gewohnt. Bin bisher eben ein bisschen verwöhnt worden.
Also werde ich mich schonen und höre für heute auf mit Schreiben.
4. Ich weiss nicht wer da am Werk war. Ich kann euch nur eins berichten. Meine tagelangen Muskelzuckungen sind heute kaum noch spürbar. Mysteriös, mysteriös.
Heute ist mein Sohn für mich zuständig. Am Mittag kommt er nach Hause und kocht für uns zwei. Danach verabreicht er mir das Essen, bringt mich auf die Toilette und stellt sicher, dass ich am Nachmittag mit allem Nötigen versorgt bin. Für all dies hat er lediglich eine Stunde Zeit. Da wir so ein eingespieltes Team sind, klappt das auch. Weil es so gut klappt, kann sich mein Mann, wie heute geschehen, eine Auszeit nehmen und sich auf eine Töff Tour begeben. Und für Morgen hat mein Mann gleich noch einen Ferientag eingezogen, um mit mir einen Herbstausflug zu machen. Habe ich nicht zwei tolle Männer an meiner Seite?
Da sich Morgen der Todestag von Steve Lee jährt und ich Morgen keinen Beitrag schreibe werde, stelle ich heute ein Andenken an ihn ins TG. Ich vermisse es sehr, nicht mehr an seine Konzerte gehen zu können. Er war ein wundervoller Musiker und seine Lieder lassen bei mir immer noch die Hühnerhaut spriessen.
8. Schnee bedeckt die Berge. Nebel umhüllt das Tal. Regen prasselt vom Himmel. Wind pfeift durch die Gassen. Bäume wiegen sich im Wind. Es ist kälter geworden.
Nun ist er da der Herbst und zeigt sein wahres Gesicht. Nicht das er mir nicht gefällt. Nur, jetzt werde ich meine Rollitouren wieder einschränken müssen. Denn, je kälter es wird, je wärmer muss ich mich für Draussen anziehen. Und je mehr ich anziehen muss, desto ungelenker werde ich. Da meine Muskelkraft eingeschränkt ist fällt es mir z.B. beim Tragen einer Winterjacke schwer meine Arme zu bewegen. Am schnellsten friere ich an die Füsse, Hände und Nase. Für die Füsse habe ich mit den Akku-Wärmeeinlegesohlen eine Lösung gefunden. Um meine tropfende Nase zu verstecken werde ich mir dieses Jahr eine Roger Staub Mütze zulegen. Vermummungsverbot hin oder her. Leider habe ich noch nichts Gescheites für die rechte Hand gefunden. Da ich die Tetragabel und die Taster am Rollstuhl bedienen muss, kann ich keinen wärmenden Fäustling anziehen. Und Fingerlinge anziehen bei gekrümmten Fingern ist schwierig. Ich hoffe einfach noch auf eine zündende Idee meines Mannes.
Am liebsten würde ich mich jetzt gleich nach draussen begeben, um durch den Regen zu fahren. Ich liebe es, wenn der Wind in mein Gesicht bläst und die Regentropfen meine Haut berühren. Es ist interessant jedes Jahr die jeweiligen Jahreszeiten neu zu entdecken, um die Schönheiten und Besonderheiten mitzuerleben.
Einige Menschen mögen den Herbst und den Winter nicht besonders. Die Tage sind kürzer und das Licht ist kälter. Der Nebel setzt sich aufs Gemüt und Gedanken fangen an zu spriessen. Manchmal ist es gut Dinge, die im Laufe des Jahres passiert sind, Revue passieren zu lassen. Manches scheint gut gelaufen zu sein, wiederum Anderes würde man im Nachhinein anders machen. Schöne Erlebnisse machen uns glücklich. Erinnerungen an Streitigkeiten und Abschiede hingegen machen uns Traurig. Auch in meinen Gedanken kommen schöne und traurige Ereignisse vor. Besonders traurig macht es mich, dass sich meine Verständigung im Gespräch mit andern verschlechtert hat. Ich beteiligte mich sehr gerne an Diskussionen. Manchmal ging es ganz schön kontrovers zu und her. Ich habe mich mit meinen Argumenten und Sichtweisen nicht zurückgehalten. Damit eine Diskussionen nicht aus dem Ruder läuft, sollte auf einige Punkte geachtet werden. So sollte z.B die Aussprache deutlich sein. Man muss Zuhören können und den Andern Ausreden lassen. Meinungen müssen respektiert werden und man sollte einen langen Atem haben. Ich scheute mich auch nicht Probleme anzugehen. Ich versuchte Parteien zusammen zu bringen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Andere Meinungen versuchte ich steht‘s zu verstehen und zu respektierten. Mit grosser Freude habe ich auch mitgeholfen Familienfeste zu organisieren.
In diesem Jahr musste ich erkennen, dass ich als Troubleshooter nicht mehr geeignet bin. Es fehlt mir einfach der Atem für lange Diskussionen und meine Argumente kann ich nicht mehr richtig vorbringen. Ich werde in Diskussionen nicht oder falsch verstanden. Dies wiederum belastet meine Psyche und ich bringe dann kaum mehr ein Wort hervor. Die Unfähigkeit in solchen Momenten nicht sprechen zu können, ist für mich so frustrierend, dass ich manchmal zu weinen anfange. Dies wiederum stösst auch bei engen Angehörigen auf Unverständnis und Ratlosigkeit. In solchen Momenten fühle ich mich richtig hilflos und ergreife die Flucht. Wahrscheinlich können dies nur ALS- Betroffene, welche ebenfalls unter diesem Symptom leiden, nachvollziehen.
Eigentlich wusste ich schon lange, dass ich diesen Job abgeben muss. Doch es war kein geeigneter Nachfolger in Sicht, der mit viel Herzblut, Geduld und Fingerspitzengefühl sich solchen Sachen angenommen hätte. Vielleicht habe ich mich auch einfach nur zu wichtig genommen. Die Zukunft wird es weisen. Ich jedenfalls bin draussen und kann mich getrost und mit Freude anderen Dingen widmen. Zum Beispiel meiner Homepage. Hier kann ich schreiben was ich sagen möchte. Habe Zeit die richtigen Worte zu wählen. Vielleicht kann ich mir und Andern durch meine Offenheit Mut machen, sich der Krankheit zu stellen, um mit ihr leben zu können. Da ich diese Angelegenheit für mich bereinigt habe, fühle ich mich wieder glücklich und zufrieden.
9. Wann ist ein Traum ein Traum und wann ist es die Wirklichkeit. Reicht es, wenn ich mich kneife, um feststellen zu können, ob ich mich gerade in einem Traum aufhalte oder ob es die Wirklichkeit ist. Könnte ich mich nicht auch im Traum kneifen. Was unterscheidet den Traum von der Wirklichkeit. Eigentlich gar nichts. In einem Traum kommen all die Dinge vor, die es auch in der Wirklichkeit gibt. Vielleicht befinde ich mich während ich dies schreibe, in Wirklichkeit in einem Traum. Vielleicht ist auch meine Krankheit nur ein Traum und in der Wirklichkeit springe ich frischfröhlich herum. Vielleicht besteht unser Leben aus lauter träumen. Eventuell müssen wir verschiedene Träume durchlaufen, um in der Wirklichkeit anzukommen. Bist du dir wirklich sicher, dass du dies gerade liest. Na, dann kneif dich mal ordentlich.
Ja ich habe mich mit meiner Krankheit im Laufe der Jahre arrangiert. Trotzdem wünschte ich, ich könnte aus diesem Alptraum erwachen. Meine Sehnsucht nach Selbstständigkeit ist schon gross. Am Morgen selbst aufstehen zu können. Meinen Körper selbst pflegen zu können. Essen wenn ich Lust habe. Trinken, wenn ich Durst habe. Einer Arbeit nachgehen zu können, wie viele andere auch. Sport zu treiben oder einem Hobby nachzugehen. Ich möchte nicht auf andere Personen und dessen Geduld und Verständnis angewiesen sein. Ich möchte wieder die stolze, starke Frau von Früher sein. Ich sehne den Tag herbei, wo ich aus diesem Traum erwachen darf. Der Traum hat jetzt lange genug gedauert. Es wäre jetzt Zeit für einen Neuen. Darum kneif mich mal.
Ich war schon immer eine Träumerin und wie mein Bruder Siebenloch sagen würde, eine Märchentante. Aber sagt mal, gibt es schöneres als Märchen. Märchen sind nicht nur für Kinderherzen bestimmt. Ich liebe diese auch immer noch. Auch wenn ich bereits ein grosses Mädchen bin. In meinem Herzen und in meinen Ansichten bin ich immer noch sehr jung.
10. Ist das schön. Ich sitze am PC und mein Blick schweift zum halb geöffneten Fenster. Ich atme die kühle, frische Luft tief in meine Lunge ein. Was ich vor dem Fenster sehe und höre fasziniert mich. Es regnet in Strömen vom Himmel. Die Regentropfen kleben förmlich aneinander und bilden einen Perlenvorhang. Durch das viele Wasser wurde der Dorfbach aus dem Schlaf gerissen. Nun spricht er mit lauter Stimme und lässt die Steine in ihm tanzen. Die Bäume und Sträuchern lassen wegen dem vielen Nass ihre Arme hängen. Der Nebel, welcher in der Luft hängt, verleiht dem ganzen einen mystischen Tatsch. Jetzt fehlen eigentlich nur noch die Nebelnymphen, die Wasserfeen und die Baumelfen, um das Bild abzurunden.
Oje, mein Mann ist gerade von der Arbeit Nachhause gekommen und seine Mimik spricht Bände. Ihm scheint das nasse Wetter gar nicht zu gefallen. Da kann ich nur eines sagen: Spielverderber.
Nachmittag
So schön es aussieht und so schön es sich anhört, so hoffe ich doch, dass es die Bäche nicht zu bunt treiben. Denn soeben musste nämlich die Gemeindefeuerwehr ausrücken.
Unsere Gemeinde und der Kanton Uri im Allgemeinen, wurden schon mehrmals vom Hochwasser heimgesucht. Es wird zwar eifrig am Hochwasserschutz gearbeitet. Doch vollendet ist noch nichts. Vieles muss mit den NEAT-Baustellen (Alpentransversale) koordiniert werden.
Ich hoffe nun einfach, dass meine Bäche friedlich rausch
11. Ja, meine geliebte Natur kann manchmal ganz schön ihr Unwesen treiben. Gestern hat sie sich mal wieder richtig ausgetobt. Mehrere Bäche haben sich ihre eigenen Wege gesucht. Auf ihren Abwegen wurden sie von Steinen und Holzstämmen begleitet. Gemeinsam wurden sie so zur Bedrohung und an manchen Orten wurde es gefährlich ihnen zu begegnen. Gestern hätte ich es jedenfalls nicht gewagt, meine gewohnte Rollistrecke auf dem Reussdamm zu befahren.
Heute hat sich zum Glück die Lage in vielen Orten wieder stabilisiert. Und die Sonne lacht vom Himmel, als wäre nie was passiert. Die hinterlassenen Spuren sprechen jedoch eine andere Sprache.
10. Die Sonne vertreibt langsam den Nebel. Ich glaube, heute gibt’s einen wunderschön farbigen Herbsttag. Wenn sich die Biese ein wenig zurückhält, könnte ich sogar für kurze Zeit nach Draussen.
Mir geht’s momentan sehr gut. Ich habe weder Kopfschmerzen noch starke Muskelzuckungen. Meine Psyche scheint sich auch wieder zu normalisieren. Nachdem ich auf Geheiss von Leo (Radiästhesist /Geopath) meine heissgeliebte Heizunterlage aus dem Bett entfernt habe, schlafe ich auch wieder besser. Die Heizunterlage hatte enorme Strahlen freigesetzt. Ich habe sie gar nicht gerne hergegeben. Ein ungestörter Schlaf bringt mir jedoch mehr als Wärme. Nun muss ich mich halt wieder mit den Wärmflaschen begnügen. Die Umwelt wird’s freuen.
18. Je, ich ha scho länger nimmä gschriebä. Aber ich hatte einen Grund. Während in vielen Gegenden der Nebel bis zum Boden reichte, schien bei uns in den letzten Tagen die Sonne fast den ganzen Tag. Also musste ich mich einfach draussen aufhalten, um die letzten schönen Herbsttage in mich aufzunehmen. Ohne Jacke wäre es für mich allerdings bereits zu kalt gewesen. Ich bin einfach der Sonne nach gerollt und bin dem Schatten ausgewichen. Ab Morgen soll es mit dem schönen Herbstwetter vorübergehend vorüber sein. Es ist Regen angesagt. Angeblich soll es sogar bis auf 900 m. M. hinunter schneien. Brrrr! Und das soll ich nun ohne meine Heizdecke überstehen! Nochmals Brrrr!
Man soll ja angeblich nicht Jammern. Darum werde ich mich bemühen, das Schöne der kälteren Zeit zu entdecken. Ich freue mich auf die Regentropfen, die an mein Fenster klopfen. An den Blättern, welche vom Sturm durch die Luft gewirbelt werden. Es wird sicher eine spannende Zeit.
21. Um 10.00 Uhr heute Morgen erreichten die ersten Sonnenstrahlen mein Zimmerfenster. Und da wusste ich, ich Drive heute nach Draussen. Ich wollte endlich mal wieder die Sonne auf dem Gesicht spüren. An den vorangegangenen Tagen war es mir Draussen mit der Biese einfach zu kalt. Also habe ich mich heute Morgen von der Spitex gleich warm anziehen lassen. Das ist auch etwas was die ALS mit sich bringt. Ich muss vorrauschauend agieren. Je nachdem, wie mein Tagesprogramm aussieht, muss ich z. B. schon am Morgen meine Kleiderwahl treffen. Mein Mann hat keine Zeit, mich in der „Mittagspause“ umzuziehen.
Also sass ich am Nachmittag draussen an der Sonne. Diesmal hielt ich mich jedoch nicht unter dem Nussbaum auf. Letzthin, als ich unter dem Nussbaum lag, viel mir doch tatsächlich eine Nuss auf den Bauch. Ich sage euch, das hat schon ordentlich gefitzt. Wenn ich mir vorstelle, die Nuss wäre auf meine Stirn gefallen, dann hätte ich jetzt eine Delle im Kopf oder stampfte als Einhorn durch die Gegend.
Heute stampfe ich aber nirgends mehr hin. Nachdem ich mich nun zwei Stunden im Freien aufgehalten habe, machen sich meine kalten Füsse und Hände bemerkbar. Die Kälte kriecht sogar in meine Hosenbeine und schleicht sich bis zu den Knien hoch. Ich friere und muss dringend an die Wärme. Eine Erkältung kann ich mir nicht leisten. Nun sitze ich wieder in meinem warmen Kämmerlein, schlürfe einen heissen Kaffee durchs Röhrchen und döggele belangloses Zeug in mein Tagebuch.
Ich habe mich endlich beim Zahnarzt angemeldet. Vorerst nur für ein Gespräch. Ich möchte mit ihm besprechen, wie wir das mit meiner Berührungsempfindlichkeit im Mund angehen wollen. Narkosen sind bei meiner Krankheit nicht zu empfehlen und die Tabletten und Sprays, welche ich getestet habe, zeigen bei mir keine Wirkung. Bin gespannt ob es eine Lösung für mein Problem gibt. Am Montag ist es soweit.
Vielleicht schaffe ich es Morgen doch wieder hinaus. Es wäre wieder mal Zeit nachzuschauen, wie weit mein Bruder bei der Stallerweiterung ist. Ich freue mich so, dass die Tiere mit dem Laufstall mehr Freiheit und Lebensqualität bekommen. Ja richtig gehört. Auch Tiere haben ein Recht darauf. Vielleicht kann ich euch mal ein Foto zeigen wie es mit dem Stallbau so voran geht. Ich hoffe, dass es Morgen ein bisschen wärmer ist und mir beim Kaffeetrinken unter dem Nussbaum meines Bruders keine Nuss auf den Kopf fällt.
22. Heute habe ich es doch tatsächlich geschafft, ein paar Fotos von der Stall-Baustelle zu ergattern. Auf dem 1. Foto sieht man wie weit der Bau schon fortgeschritten ist. Auf dem 2. Foto sieht man meinen Bruder Franz mit seinen drei Söhnen, Franc, Sven und Ralf beim Arbeiten.
Doch halt, beim genauen Betrachten des zweiten Bildes sehe ich nur einer arbeiten. Zwei schauen zu und einer ist am Referieren. Ist doch irgendwie immer so, oder?
So schön die Sonne momentan auch scheint, so bin ich doch nach zwei, drei Stunden froh wieder im Haus zu sein, um mich aufwärmen zu können. Ich bin ein richtiges Weichei geworden. Das kann ja noch heiter werden.
24. Ich wünsche uns allen eine gute Woche mit vielen positiven Ereignissen und schönen Begegnungen. Mit offenen Augen und weit geöffnetem Herzen sieht manches gar nicht so schlimm aus und unlösbar Dinge scheinen plötzlich lösbar zu sein. Wie sagt man so schön. Jeden Tag eine gute Tat.
Die Sonne scheint und keine einzige Wolke verziert den blauen Himmel. Die Temperaturen sind auch wieder angenehmer. Das schöne Wetter haben wir unserem Föhn zu verdanken. In der Nacht hat er sich heimlich ins Tal geschlichen, um zuerst ganz sachte an den Läden zu rütteln. Mittlerweile hat er ganz schön an Stärke zugenommen. Die Bäume biegt er hin und her und die Blätter lässt er an den Ästen tanzen. Manch ein Blatt hat nicht mehr genügend Saft und Kraft, um dem Föhn Paroli zu bieten. Es muss sich vom Föhn davontragen lassen. Wo es wohl zu liegen kommen wird?
Bei Wind-Böen zwischen 90 und 110 km/h, ist heute kein Tag, um im Freien herum zu rollen. Da könnte mir ja womöglich noch so ne fiese Nuss auf den Kopf fallen. Und ausserdem muss ich mich nun sowieso sammeln, um dem Zahni ruhig entgegen fahren zu können.
26. Ich bin schon wieder Zuhause. Mein Brechreiz hielt sich bei der Untersuchung und beim Röntgen einigermassen in Grenzen. Wir gehen nun folgendermassen vor. Zuerst versuchen wir es mit der Zahnreinigung. Dafür habe ich Mitelchen nach Hause bekommen welche ich eine halbe Stunde vor dem nächsten Termin einnehmen muss. Sie sollen meinen Brechreiz herabsetzen damit in meinem Mund gearbeitet werden kann. Bin gespannt, ob es funktioniert. So und nun gönne ich mir einen Kaffee
28. Ich betrachte jeden Tag „meine Linde“ vor meinem Fenster. Sie steht da wie ein Fels in der Brandung. Kein Sturm kann ihr etwas anhaben. Sie strahlt so viel Stärke und Ruhe aus. Wenn ich sie betrachte, habe ich das Gefühl, als wenn sie mir etwas von ihrer Stärke abgeben würde. Heute strahlt sie mich besonders freundlich an. Ich glaube sie lächelt. Ihr goldgelbes Blätterkleid strahlt so wunderschön in der Sonne. Ihre Umgebung ist erfüllt mit Wärme und Geborgenheit. Ich fühle mich wohl bei „meiner Linde“.
Ich habe mich schon des Öfteren gefragt, warum ich mich, im Gegensatz zu manch andern in meinem Alter, immer noch so jung fühle. Vielleicht liegt es daran, wie ich mein eigenes Leben sehe und wie ich es lebe. Vielleicht bleibe ich im Geiste jung, weil ich versuche in der Gegenwart zu leben und die Vergangenheit zurücklasse. Ich versuche mich den Gegebenheiten anzupassen. Das mit der Vitalität meines Körpers ist ganz was Spezielles. Obwohl ich in meinen Bewegungen stark eingeschränkt bin, habe ich das Gefühl, mein Körper sei nicht gealtert. Ich bin der Überzeugung, sollte meine Krankheit von heute auf Morgen verschwinden, wäre mein Körper genau so fit wie vor Beginn der Krankheit. Ich glaube, da ich keiner körperlichen Tätigkeit nachgehe, machen sich bei mir auch nur wenige der natürlichen Abnutzungserscheinungen bemerkbar. Mein Körper durchlebt eine andere Art des Älterwerdens. Und da der Körper diese Empfindungen an das Hirn weiterleitet, fühle ich mich vielleicht auch so jung.
31. Geschafft! Habe gerade meine zweite Sitzung beim Zahnarzt hinter mir. Letztes Mal hat der Zahnarzt die Zähne nur kurz überflogen und einige Röntgenaufnahmen gemacht. Diesmal ging es ans Eingemachte. Eine achtsame Dentalhygienikerin hat bei mir die Zahnreinigung durchgeführt. Damit ich diese Sitzung überstehe, gab mir der Zahnarzt beim letzten Mal zwei Medis mit nach Hause. So musste ich heute 30 Minuten vor dem Termin mit einer Art Salzlösung gurgeln. Leider funktioniert bei mir das Gurgeln nicht mehr so gut. So konnte ich lediglich ein paarmal den Mund spülen. Dann durfte ich noch eine Tablette (Sedagul) auf der Zunge zergehen lassen. Diese Tablette hatte es in sich. Sie hat meine Zunge und meinen Rachen leicht betäubt. War nicht ganz ungefährlich. Ich musste mich total auf das Schlucken des Speichels konzentrieren. Der Speichel durfte ja nicht in die Luftröhre gelangen. Doch die Einnahme musste eben sein. Sonst hätte ich wegen meinem Würgereiz die 45-minütige Sitzung nicht über mich ergehen lassen können. Bin ich froh, dass es einigermassen gut gelaufen ist und hoffe nun, die nächsten Termine gehen auch gut über die Bühne.
NOVEMBER
1. Der November fängt genauso schön an wie der Oktober geendet hat. Das Herbstwetter lässt kaum Wünsche offen. Jetzt ist es so herrlich durch die Wälder zu fahren. Die Bäume leuchten förmlich und strahlen Wärme aus. Je nach Baumart verfärben sich die Blätter der Bäume unterschiedlich. Die Buchenblätter durchlaufen viele Farbnuancen. Viele Ahornsorten lieben die Farbe Rot. Manchmal scheint es, als würde der Ahorn-Baum brennen. So intensiv kann sein rot leuchten. Der Ginkgo hingegen verwandelt seine hell-grünen Blätter in ein sanftes Gelb. Der Baum stammt ursprünglich aus China. Mittlerweile wird er weltweit angepflanzt. Er gilt als lebendes Fossil und kann mehr als 1000 Jahr alt werden. Mit seinen 40 Metern und mehr überragt er manch anderen Baum. Auch die Lärche, die ebenfalls eine Höhe von 40 Meter erreicht, färbt ihre Nadeln im Herbst goldgelb. Im Winter wirft sie ihre Nadeln ab und diese bilden einen goldenen Teppich auf dem Boden. Nicht zu verachten ist der Wilde Wein, welcher sich an Mauern und an Häuserfassaden empor hangelt und mit seinen Rottönen manch Betrachter Augen entzückt. Ich staune immer wieder über das Farbspektakel welches uns die Natur bietet
Ich werde diese wärmenden Farben tief in mir speichern, um sie an kalten Wintertagen wieder aus meinen Erinnerungen zu holen.
3. Heieiei, was isch de da vor mim Fenschter gangä? Als ich heute Morgen aus meinem Bürofenster schaue, erschrecke ich nicht schlecht. Meine geliebte Linde, ich erkenne sie kaum wieder. Sie steht da, fast nackt. Die wenigen verbliebenen Blätter versuchen verzweifelt ihre Blösse zu bedecken. Der Föhn hat in der Nacht alles gegeben und meine Linde buchstäblich entblättert. Zum Glück ist es heute, wie auch in den nächsten Tagen an die 20°. So kann sie sich wenigstens langsam an die Temperaturen gewöhnen.
Ich glaube, ich gönne mir Morgen auch noch mal eine Rolli-Ausfahrt. Ausgerüstet mit Brille, welche mir den aufwirbelnden Staub von den Augen fernhält, sollte es eigentlich funktionieren. Und wenn ich darauf achte, nicht direkt gegen den Wind zu fahren, sollte ich auch mit der Atmung keine Schwierigkeiten bekommen. Der Gegenstoss bei über 100 km/h ist schon gewaltig. Ans Sprechen darf ich da nicht mal denken. Das würde mir so viel Kraft abverlangen, dass ich in kürzester Zeit keine Stimme mehr hätte. Aber solange ich meine Augen, meine Nase und meine Ohren habe, die alles für mich wahrnehmen, genügt mir das. Ich freue mich, wieder mal durch den Herbst zu fahren.
5. War das herrlich Gestern. Ich wagte mich trotz Föhn nach draussen. Es war angenehm warm. Ich benötigte nicht mal Handschuhe. Eine Windstopperjacke und ein Schal genügten. Natürlich hatte ich noch eine extra enganliegende Brille auf der Nase. So ausgerüstet fuhr ich mit meinem Rolli auf dem Reussdamm Richtung See. Unterwegs bekam ich eine Ahnung, wie hoch die Reuss beim letzten grossen Regen war. Viel Holz ist an den Sträuchern der Dammböschung hängen geblieben. An mancher Stelle liegt Sand auf dem Damm. Ein Anzeichen dafür, dass hier die Reuss über die Ufer getreten sein muss. Hier war ich froh, eine gut schliessende Brille anzuhaben. Trotzdem haben es einige Sandkörner in mein linkes Auge geschafft. Da ich meine Hände nicht bis zu den Augen hochheben kann, mussten ein paar Augenzwinker genügen. Ausserdem habe ich ja zwei Augen. Das Reussdelta hat sich ebenfalls verändert. Ein Teil der Reuss hat sich glaube ich einen neuen Weg gebahnt. Dort wo sie früher war, liegen jetzt viele Steine und ein Bagger versucht ihnen Herr zu werden. Aber meinen Wasservögeln konnte das Wasser nichts anhaben. Es ist jetzt auch keine Brutzeit, wo das Wasser ihre Nester hätte unter Wasser setzen können. Die meisten Schilfmatten entlang des Sees wurden geschnitten und die Stoppeln haben sich in ein warmes Gelb verwandelt. Die einzelnen Schilfhalme, die man stehen liess, verzaubern nun die Gegend mit ihren silber- braunen Wedeln.
Nachdem ich am See war, fuhr ich auf dem Weg der Schweiz Richtung Bauen. Leider musste ich auf halber Strecke umkehren. Meine Rolli-Batterie wies mich darauf hin, dass ich auch noch Saft für die Rückfahrt brauche. Schade reichen die Batterien nur etwa 50 km weit. Ich glaube, ansonsten wäre ich ganze Tage unterwegs. Auf das Essen könnte ich verzichten. Schwierig wäre es jedoch, jemanden zu finden, der mit mir aufs WC käme. Trinken wäre kein Problem, da weiss ich mir zu helfen.
Also machte ich mich wieder auf den Heimweg. Bei der letzten Steigung wollten die Batterien doch tatsächlich den Geist aufgeben. Doch mit ein paar Tricks schaffte ich es dann doch noch nach Hause.
Was ich aber am Abend erleben musste, schlägt dem Fass den Boden aus. Ich sitze zufrieden vor dem PC. Da nähert sich langsam ein Auto auf der Strasse und hält auf „meine“ Linde zu. Das Auto wird neben der Linde parkiert, zwei Personen steigen aus und gehen auf die Linde zu. Leider ist es schon dunkel und ich kann nur vermuten was sie an der Linde zu schaffen haben. Am Morgen sehe ich es dann. Wie ich es vermutet habe, hängt mit Reissnägeln befestigt ein Wahl-Plakat am Stamm der Linde. Ich bin wütend. Wie kann man nur so oberflächlich, so gedankenlos sein und so was einem stolzen Baum antun. Wissen diese Menschen den nicht, dass die Natur ganz gut ohne uns zurechtkommt. Wir jedoch nicht ohne sie. Ich habe dem Chef der Ortspartei ein Mail mit folgendem Text geschrieben.
„Gestern Abend musste ich beobachten, wie zwei Personen bei Dunkelheit ein Plakat mit Reissnägel an die lebende Linde bei der Kummetbrücke angebracht haben. Heute habe ich gesehen, dass es sich um ein … Plakat handelt. Mir ist es ja egal, welche Gesinnung ihr habt. Aber wer Schäden an der Natur anrichtet, dem traue ich nicht zu, ihm Guten für die Bevölkerung zu handeln.
Da du der Chef der … Seedorf und Umgebung bist, möchte ich dich bitten, zum Wohle der Natur das Plakat abzuhängen. Fordere deine Mitglieder bitte auf, rücksichtsvoller mit der Natur umzugehen.“
Ich denke aber, das lässt sie kalt. Einen Versuch ist es jedenfalls wert. Werde es ja dann sehen, ob etwas unternommen wird.
7. Ich freu mich so für die Linde. Sie sieht nicht mehr aus wie eine Litfaßsäule und auch nicht wie ein Wettläufer mit einer Startnummer am Bein. Seit heute Morgen darf die Linde wieder Baum sein. Ein einsichtiger Politiker erteilte den Auftrag, das Plakat zu entfernen. Nun kann die Linde in sich kehren und dem Winter gelassen entgegen schauen. Danke im Namen der Natur.
Bei unserem Grundstück wurde früher auch eine Linde gepflanzt. Sie wuchs wunderschön in die Höhe. Mit den Jahren traten die Wurzeln jedoch so stark an die Oberfläche, dass der Boden hügelig wurde. Da ich während der Wachstumsphase des Baumes zur Rollstuhlfahrerin wurde und die Wurzeln des Baumes mir immer mehr das Befahren des Weges erschwerten, mussten wir uns notgedrungen durchringen, die Linde zu entfernen. Deshalb halte ich seither ein Auge auf die andere Linde.
Auch ich verhalte mich noch lange nicht Naturgerecht. Bei mir hängt nämlich schon seit Jahren ein Vogelnisthäuschen am Nussbaum. Ich weiss nicht für wie schlau mich der Baum hält. Aber da die Vögel immer weniger Nistplätze finden, tue ich wenigstens für die Vögel etwas Gutes.
11. Judihui! Ich bin soeben vom Zahnarzt retour. Er hat heute, nachdem ich beim letzten Mal eine Zahnreinigung über mich ergehen lassen musste, nochmals meine Zähne genauer kontrolliert. Und das Ergebnis lautet: Ein kleines Löchlein an einem seitlichen vorderen Zahn. Weit weg vom Gaumen, welcher bei Berührung sofort einen Brechreiz bei mir auslöst. Ich brauche für die Zahnreparatur weder eine Spritze, noch muss ich vorgängig eine Pille gegen Überempfindlichkeit einnehmen. Diese Pille ist nämlich nicht ganz ungefährlich. Sie hemmt den Schluckreflex und dadurch kann ich den Speichel kaum mehr kontrollieren. Gelangt der Speichel in die Luftröhre, löst das einen heftigen Hustenanfall aus. Das bedeutet für das geschwächte Zwerchfell enorme Kraftanstrengung. Weil es wegen meinem Brechreiz schwierig ist, mir die Zähne gründlich zu reinigen, haben wir beschlossen, nun an alle drei Monate eine Zahnreinigung beim Zahnarzt durchführen zu lassen. Ich bin froh, dass nicht schlimmeres zum Vorschein gekommen ist. Manchmal denke ich schon, dass jemand ein Auge auf mich hält.
Ich hatte sowieso eine gute Woche. Es fing schon am Sonntag an. Meine Mutter hat uns bei unserer Abwesenheit einen selbst gebackenen Kuchen vor die Türe gehängt. Den Mittwochnachmittag verbrachte ich mit meinem fünfundzwanzig jährigen Patenjunge. Wir haben geplaudert und uns Filme angeschaut, die uns zum Lachen brachten. Dann am Donnerstag besuchte uns eine Schwester von Piet. Natürlich wie immer liebevoll vollgepackt mit vielen guten Sachen. Und heute kam eine meiner Schwestern vorbei. Sie hat mich ein wenig vom Zahnarzttermin abgelenkt.
Ich habe es wirklich gut. Bei mir läuft immer was. So wird es mir auch nie langweilig.
12. Heute hat es die Sonne nicht ins Tal geschafft. Der Nebel hat ihr den Weg versperrt. Ich konnte nicht mal einen Blick auf die Berge werfen. Sie haben es vorgezogen, ihre Gipfel oberhalb des Nebels zu sonnen. Wenn die Sonne fehlt, ist es sofort kälter. Trotzdem habe ich mich heute den ganzen Nachmittag im Garten aufgehalten. Mein Mann musste noch die letzten Sträucher zurückschneiden und die Terrakotta-Töpfe und Figuren frostsicher unterstellen. So eine Umgebung macht eben schon Arbeit. Die Belohnung für all diese Mühe folgt dann im nächsten Jahr. Wenn alles wieder wunderbar blüht und die Bienen und Schmetterlinge unseren Garten besuchen, weiss man warum man diese Arbeit jedes Jahr wieder auf sich nimmt. In den nächsten Tagen muss nun noch unsere Vogelvilla aufgestellt werden und dann sind wir für den Winter gerüstet. Sogar die Grippeimpfung haben wir schon intus. Heute hatte es einige Pilze im Rasen und unter den Sträuchern. Einige haben wie „Pilzblumen“ ausgesehen. Die musste mir mein Mann unbedingt ablichten. Sehen sie nicht schön aus?
So, jetzt muss ich mich auf die Suche nach meinem Mann machen. Ich brauche eine heisse Bettflasche für meine noch immer kalten Füsse.
15. Die Sonne zeigt sich in diesen Tagen äusserst spärlich. Der Nebel sitzt wie eine Glocke über uns. Wäre es nicht zu kalt, würde ich in eine Luftseilbahn steigen und in die Höhe fahren. Oberhalb des Nebels ist nämlich wunderbar, sonniges Bergwetter. Wie schön, zeigt das unten eingefügte Foto. Mein Sohn hat am Samstag dem Nebel ein Schnippchen geschlagen und sich mit dem Bike in die Berge begeben. Zum Glück sehe ich nicht, wie und wo er an allen Orten hinunterfährt.
Es kommt mir vor, als würde alles stillstehen. Draussen weht kein Lüftchen. Die Natur verharrt in eisigem Schweigen. Auch die morgendlichen Vogelstimmen sind verstummt.
Dafür sehe und höre ich täglich eine Schar von kreischenden Möwen, welche in gekonnter Formation Richtung See fliegen. Manchmal kann ich auch Raben beobachten, wie sie Nüsse von unserem Baum stibitzen und mit einer Nuss im Schnabel das Weite suchen. Ob sie ihren Nahrungs-Vorrat im Wald verstecken? Sie müssen sehr aufpassen, dass sie beim Verstecken der Nüsse nicht von Tannenhähern und anderen Tieren beobachtet werden. Sonst ist ihr Vorrat schneller weg als ihnen lieb ist. Langsam zeigen sich auch wieder die Meisen. Sie picken die noch reichlich vorhandenen Samen von den Sträuchern. Vogelfutter gibt es nämlich erst wenn der erste Schnee fällt. Wenn ich die Natur und auch uns Menschen beobachte, kommt es mir vor, als würden alle gespannt den Winter erwarten. Ich denke, so lange müssen wir gar nicht mehr warten, bis uns die ersten Schneesterne besuchen kommen.
17. Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät? (pink panther)
Kriege ich jetzt doch noch Panik? Ist es nicht üblich, vor so einem Tag auf die zurückgelegten Lebensjahre zurückzublicken, um ein Resümee zu ziehen. Sollte ich das womöglich auch machen? Da muss ich aber mein Hirn gewaltig anstrengen. Es sind ja schliesslich einige Jahre. Dafür brauche ich ein wenig Zeit. Haltet mal kurz die Zeit für mich an.
Wo fängt man da an? Etwa bei der Zeugung? Wenn ich richtig rechne, hatten meine Eltern im Februar 1961 wohl mächtig Spass zusammen. Denn neun Monate später purzelte ein Mädchen an einem kalten Novembernachmittag in die Welt. Damit ich sofort jemanden zum Spielen hatte, dafür haben meine Eltern vorgearbeitet. In den Jahren zuvor sind fünf Spielgefährten auf die Welt gekommen. Aber die Jüngste zu sein ist auch nicht immer lustig. Also gesellten sich mit den Jahren noch drei weitere Spielgefährten hinzu. Bei so vielen Kindern tut sich die Frage auf, hatten die den kein Fernseher Zuhause? Antwort, nein hatten wir nicht. Wir bekamen erst einen Schwarz-weiss-Fernseher als ich die vierte Primarklasse besuchte. Dafür hatten wir viele Tiere und Landwirtschaftsfahrzeuge Zuhause. Unser erstes Auto war ein cooler alter Jeep. Dafür gehörte mein Vater zu den ersten Traktorbesitzern der Gegend. Im Telefonbuch stand noch lange Zeit der Zusatz “Landwirt und Traktorhalter“. Bei uns wurde schon zuerst in den Hof investiert und danach in den Haushalt. Ist ja auch logisch. Der Hof war ja unsere Einnahmequelle. Hat mir deswegen in meiner Kindheit was gefehlt? Nein, auf keinen Fall. Ich hatte Kleider zum Anziehen, hatte immer genug zu essen, auch wenn mir das Sonntägliche Hasenvoressen manchmal zu den Ohren hinaus hing. Unsere Eltern haben uns immer satt gekriegt. Ich wuchs in den damals üblichen traditionellen Familie-Verhältnisse auf. Der Vater traf die Entscheidungen und die Mutter schaute, dass es allen gut ging. Sie haben beide ihr Bestes gegeben. Ich habe meine Mutter bewundert. Wie sie alles unter einen Hut brachte. Die Kinder, den Mann, die Hausarbeit und die viele Arbeit auf dem Hof. Ich habe Sie selten böse erlebt. Sie hielt die ganze Familie zusammen. Also ihr seht, ich hatte eine gute Kindheit. Und wenn man so etwas erlebt hat, sucht man immer wieder gerne sein Zuhause auf.
Ich hatte nicht viel Zeit, meine Teenagerjahre auszuleben. Ein junger Mann hat mir damals mit seiner roten Firestonejacke den Kopf verdreht. Ich war damals 17 Jahre alt. Und weil ich noch nie gut im Rechnen war, kam im darauf folgenden Jahr unser über alles geliebter Sohn zur Welt. Mittlerweile weiss ich, dass mir nichts Besseres passieren konnte, als so früh Mutter zu werden. Ein Jahr später habe ich meinen Piet geheiratet. In all den Ehejahren hat mich mein Mann nie im Stich gelassen. Auch jetzt, wo ich an ALS erkrankt bin, lässt er seine Zukunftspläne sausen und kümmert sich um mich. Mein Leben war und ist lebenswert. Ich durfte in Liebe aufwachsen und in all den Jahren in Liebe weiterleben. Ich kehre immer wieder gerne in den elterlichen Horst zurück, in welchem ich Liebe und Geborgenheit fand.
So, jetzt könnt ihr die Uhr wieder laufen lassen.
19. Jetzt ist es offiziell. Es steht schwarz auf weiss in der Zeitung. Ich durfte Gestern dem Club der 50-Jährigen beitreten.
Das Fest mit den lieben Gästen war wunderschön. Ich durfte viele Hände drücken und dabei in liebevolle Augen blicken. Es wurde mir Liebe und Wärme entgegengebracht. Ich habe mich unter meinen Gästen so wohl gefühlt.
Ich bedanke mich von ganzem Herzen für all die lieben Worte, die Glückwunschkarten, die elektronischen Grüsse, die Telefonate, die Leckereien, die Geschenke, die ALS-Spenden, und für den Besuch. Besonders danke ich meinem Mann, meinem Sohn und meiner Schwester Bernadette für die Organisation meines Festes und die Bewirtung meiner Gäste. Danke vielmals. Es war ein wunderschönes, gelungenes Fest. Ich werde noch lange davon zehren können.
22. Herrjemine, war das eine Nacht. Meine Muskeln haben anscheinend erst in dieser Nacht den Geburtstag gefeiert. Ist irgendwie auch logisch. Sie sind ja auch ein wenig Jünger als einige der anderen Bestandteile von mir. Ich bin ja schliesslich nicht mit so einem grossen Muskelpacket auf die Welt gekommen. Als Lokalität haben sich die Muskeln meinen linken Oberarm ausgewählt. Da wurde gejuckt, gezuckt und gezittert. Das ist der typische Faszikulations-Tanz der Muskeln. Es ging so bewegend zu und her, dass ich ständig aus dem Schlaf gerissen wurde. Die haben wohl noch nie was von Nachtruhestörung gehört. Der Besitzer hat sie wohl gar schlecht erzogen. Irgendwann in den Morgenstunden wurden der Muskel dann doch noch müde und die Party wurde beendete. Nun endlich konnte auch ich noch ein wenig in Ruhe schlafen bevor die Spitex kam.
Ich habe mal gelesen, wenn die Muskeln solche Tänze aufführen, dies ihr letztes Aufbäumen sei, bevor sie sich verabschieden müssen. Zum Glück habe ich noch ein paar von diesen Muskelpaketen. Diese müssen nun eben die Arbeit der andern auch noch übernehmen. Also, ran an die Arbeit und keine Müdigkeit vorschützen. Wer festen kann, kann auch arbeiten.
Und sollte in der folgenden Nacht wieder jemand auf die Idee kommen Party zu feiern, dem erteile ich umgehend Hausverbot. Gute Nacht.
26. Endlich scheint mal wieder so richtig die Sonne. Das tage andauernde Nebelwetter wurde mir langsam zu langweilig. Ich glaube, es tat meinen Körper auch nicht so gut. Anfangs Woche hinderten mich starke Muskelzuckungen am Schlafen und danach legten mich meine Kopfschmerzen für drei Tage lahm. Gestern hatte ich genug davon und bin mit meinem Mann, trotz den doofen Kopfschmerzen, auf Einkaufstour gegangen. Ich habe ihn in bestimmter Absicht begleitet. Sollte sich nämlich in irgendeinem Geschäft, in irgendeinem Gestell ein einigermassen passender Kopf befinden, würde ich ihn glatt gegen meinen austauschen. Ich habe mir vorgängig schon mal Gedanken gemacht in welcher Abteilung ich mit der Suche beginnen sollte. Vielleicht in die Früchte und Gemüse Abteilung. Dort hat es sicher Kopfartiges. Nehmen wir da nur mal die Kartoffel. Sie ist oval und zeichnet sich durch Stärke aus. Doch, wie sieht es denn aus, mit so einer kleinen Kartoffel auf dem Hals. Dann würde ich mich dann schon eher für ein Ei entscheiden. Das wird im Alter wenigstens nicht schrumpelig. Wie würde sich denn ein Kabiskopf eignen. Die Grösse könnte hinkommen. Und wenn man ihn halbiert, sieht er aus wie unser Hirn. Aber möchte ich mit Kabisblätter herumrennen? Die Melone wäre auch noch ein Kandidat. Doch mit so viel Wasser im Kopf komme ich auch nicht weit. Würde ich mich für den Brokkoli oder den Blumenkohl entscheiden, hätte ich am Morgen wenigstens keine Frisur Probleme mehr. Aber täglich mit einem Afrolook herumfahren? Dasselbe Frisurproblem gäbe es mit der Ananas und ihrer Punker-Frisur. Wäre ich eine Asiatin oder eine Squaw, würde ich mich für einen Kürbis entscheiden. Diese haben verschiedene Grössen und Farben und sind nicht so schwer wie eine Wassermelone.
Mein Mann hat mir die Entscheidung zum Glück abgenommen und mich in die Kissenabteilung entführt. Und oh Wunder, ich habe die ganze Nacht durchgeschlafen und bin ohne Kopfschmerzen aufgewacht. Das neue Kissen ist traumhaft. Und ich habe mir schon gedacht, solche Blessuren gehörten zum Fünfzigsten dazu.
27. Ein Heinzelfrauchen hat uns Heut, einen wunderschönen Adventskranz vor die Tür gelegt. Nun steht er stolz auf unserm Tisch und leuchtet mit dem einen Kerzenschein den ersten Advent nun für uns ein. Ich wünsche allen eine schöne Erst-Advents-Woche.
28. Obwohl die Natur immer noch ihr buntes Herbstkleid trägt und sie allem Anschein auch noch gar keine Lust auf ihr weisses Winterkleid hat, beginnen die Menschen sich auf Weihnachten vorzubereiten. Die Wohnungen werden mit Kerzen, Tannenzweigen und diversen Weihnachtsgegenständen dekoriert. Und immer mehr Weihnachtslichter erhellen die Fenster oder schmücken Hauseingänge. Mancherorts sieht man sogar wie fleissige Nikoläuse Tag täglich die Hausfassaden rauf und runter klettern. Mich würde mal wundernehmen, wie viele Kinder in diesen Häusern wohnen. Ob da wohl jahrelang der Fernseher kaputt war? Jä mä weiss es nit, ja man weiss es nicht.
Wenn ich am PC bin, brennt auch immer eine Kerze auf meinem Tisch. Irgendwie fühle ich mich mit ihr nicht so allein. Man könnte fast meinen, durch ihr Flackern möchte sie mit mir kommunizieren. Und irgendwie tut sie das auch. Sie schenkt mir Wärme und Geborgenheit und regt meine Fantasie an. Jetzt bräuchte ich nur noch einen Glühwein und die Stimmung wäre perfekt. Ich glaube ich hole mir einen Punsch. Ist ja fast das gleiche, nur der Wein fehlt. Ist auch besser so. Sonst würde ich noch zu singen beginnen und bekäme rote Backen wie der Bratapfel. Geniesst lieber das folgende Lied vom Licht. Ich widme es all jenen Personen, welche immer wieder still und leise andern Mitmenschen Gutes tun.
30. Endlich hat sich der Winter hervorgewagt. Zumindest bei mir im Büro hat es über Nacht geschneit. Auf meinem Monitor haben sich Schneeflöckchen niedergelassen und Rentiere rennen so schnell um den Bildschirmrand, dass sie sogar die mitgeführten Geschenke verlieren. Zum Glück hängen auch noch Handschuhe am Monitor. Meine Finger könnten ja bei dem unerwarteten Wintereinbruch in meinem Büro, so gstabig (starr) werden, dass ich kaum mehr die PC-Maus bedienen könnte. So langsam kommt jetzt doch Weihnachtsstimmung auf. Ich weiss zwar nicht, ob mir mein Mann mit seiner Deko einen Wink geben wollte, langsam an die Weihnachtsgeschenke zu denken.
Dieses Jahr ist Weihnachten für unsere Familie sowieso ein wenig anders als die anderen Jahre. Normalerweise haben wir den Heiligabend immer gemeinsam gefeiert. Doch dieses Jahr feiern wir einen Tag früher. Auch der Christbaum wird bereits eine Woche früher aufgestellt. Unser Sohn fliegt nämlich am 24. Dezember für 3 Monate nach Canada. Er will dort in einer Sprachschule sein Englisch verbessern. Vom Geschäft aus muss er verschiedene Länder besuchen und da ist es unabdingbar, sich in Englisch perfekt ausdrücken zu können. Dieses Jahr war er schon öfters in Deutschland, in Italien, in der Tschechoslowakei, in Mexiko, kommuniziert mit China und nächstens muss er noch auf Holland. Also, ich bin es ja eigentlich gewohnt, dass er öfters unterwegs ist und genug alt ist er ja auch. Aber vermissen werde ich ihn trotzdem. Ich bin eben auch nur eine Mutter.
Jetzt warten wir vorerst mal ab und schauen wie lange es noch dauert, bis sich auch Draussen die ersten Schneeflöckchen zeigen.
DEZEMBER
1.Ja man hat es nicht einfach wenn man mit ALS zum Zahnarzt muss. Heute habe ich gedacht, es gehe sicher besser als beim letzten Mal. Musste ja nur ein kleines Loch flicken. Das Bohren ohne Spritze war kein Problem für mich. Doch als sie mir Watteröllchen und div. anderes Material in den Mund stopfen, um die Füllung im Trockenen verarbeiten zu können, meldete sich mein Würgereflex. Dadurch wurde die Füllung nass und die Füllung musste nochmals neu gemacht werden. Bei zweiten Mal hat es dann geklappt. Nun ziert eine schneeweisse Füllung meinen Zahn. Sieht wie neu aus. Sollte ich in Zukunft weitere Zähne behandeln müssen, so werde ich mich trotz des bestehenden Risikos wegen meiner Atemschwäche einer Narkose unterziehen. Es ist dann einfacher für den Zahnarzt und ich muss mich nicht solchem Martyrium aussetzen. Aber jetzt habe ich vorerst Ruhe.
Diese Woche habe ich von der CSS-KK die Gutschrift für meinen REHA Aufenthalt bekommen. Sie haben mir tatsächlich nur die Therapiestunden zurückerstattet. Das sind ca. Fr. 200.- mehr als wenn ich die Therapiestunden wie normal Zuhause gehabt hätte. Sie haben sich nicht mal an den Pflegekosten beteiligt. Meine Krankenkasse hat somit während meinem dreiwöchigen REHA-Aufenthalt über Fr. 2000.- eingespart. Denn die normalerweise anfallenden Spitex-Kosten entfielen ja während dieser Zeit. So sind sie eben, die lieben Versicherungen. Aber ihr kennt mich ja. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Das Beste jedoch ist, dass es Piet wieder so gut geht.
5. Nein, Nein, ich habe den 2. Advent nicht vergessen. Es läuft momentan einfach so viel. Und die Abreise meines Sohnes rückt immer näher und macht mir mein Herzel immer schwerer. Aber Bscht!
Ich denk, die 2. Adventskerze widme ich darum unseren kleinen und grossen Kindern.
Und trotzdem jubelt mein Herz. Wenn ich nämlich zum Fenster hinausschaue, sehe ich wie der Wind mit der Sonne und dem Regen Karussell fährt. Ich glaube die Drei haben mächtig Spass dabei. Es ist aber auch höchste Zeit das wieder etwas Bewegung in die Natur kommt. Dass es in den Bergen bereits geschneit hat, sieht man nicht nur, man hört es auch. Die Bergdohlen sind heute Morgen nämlich zu Dutzenden ins Tal gekommen und haben sich lautstark bemerkbar gemacht. Die haben wohl in den Bergen kalte Füsse bekommen. Ich weiss, diese schwarzen Vögel mit den gelben Schnäbeln werden nicht von allen geliebt. Ich hingegen mag sie. Sie bringen Leben in die Bude.
Zum Glück waren wir Gestern noch an zwei Weihnachtsmärkten. Normalerweise friere ich immer, wenn ich diese Märkte besuche. Doch gestern schien die Sonne. Es war trocken und sehr mild. Demzufolge hatte es auch sehr viele Leute. Es wurde rechts und links an mir vorbei gedrängt. Zigaretten glimmten auf meiner Augenhöhe und ich wartete nur darauf, dass mir jemand den Glühwein über den Kopf schüttet. Von der angebotenen Ware sah ich nicht sehr viel. Aber wie sagt man so schön; Dabei sein ist alles. Da musste ich durch. Spass hatte ich jedenfalls. Meine Weihnachtsstimmung wurde dann am Abend durch den Chlaus-Einzug in unserer Gemeinde noch gedopt. Wie ihr lest, es läuft wieder einiges.
7. Jeden Tag setze ich mich nach der Morgentoilette und dem Morgenessen an den PC. Zuerst durchstöbere ich die Tageszeitungen nach News. Danach besuche ich ALS-Betroffene auf ihren Homepages. Damit bin ich einigermassen auf dem Laufenden wie es ihnen Gesundheitlich geht und was bei ihnen gerade aktuell läuft. Nicht immer sieht man es kommen. Manchmal wird man einfach überrumpelt. Diese Woche musste Marcel den Kampf gegen diese Krankheit aufgeben. Obwohl ich im Laufe meiner ALS-Karriere schon von einigen ALS-Bekannten Abschied nehmen musste, so erfüllt mich immer noch jeder Abschied mit Traurigkeit. Ich frage mich, wann endlich wird unser Schicksal ein Ende haben, wann wird man uns endlich helfen können? Wir warten schon seit über 140 Jahren.
Marcel ich wünsche dir eine schöne Reise und grüss mir die Schneeflocken im Himmel.
9. Nach meinem letzten Tagebuch-Eintrag fällt es mir schwer, wieder den Einstieg in mein Tagebuch zu finden. Obwohl ich schon seit Jahren mit der Krankheit ALS lebe, kann ich immer noch mit dem PC schreiben. Für mich ist das ein Privileg und gleichzeitig auch eine Pflicht. Mit meiner Homepage kann ich anderen Menschen unsere Krankheit näherbringen und sie ermutigen mit uns für unsere Anliegen zu kämpfen. Gemeinsam sind wir stark.
So, jetzt muss ich euch mal was fragen. Habt ihr euch schon gefragt, warum es oben an einer Rolltreppe manchmal zu Stockungen kommt. Meistens ist ein zu wenig schnell weg geschobener Einkaufswagen schuld. Manchmal bleiben Personen auch einfach nach der Rolltreppe stehen und fangen an zu quatschen. Auch bei unserer letzten Rolltreppenfahrt gab es einen Stau. Leute, welche auf der rollenden Treppe standen, mussten rückwärtslaufen. Sogar mit den Einkaufswagen. Der Stauverursacher, ein Rollstuhlfahrer. Er steht halb quer am oberen Ende der Treppe und kann nicht hinausfahren. Nach einiger Zeit gelingt es der Begleitperson den Rollstuhl samt Fahrer von der Treppe zu schieben. Ein Elektrorollstuhl wiegt so an die 100 kg und dann kommt noch das Gewicht des Fahrers dazu. Könnt ihr euch vorstellen wie viel Kraft es braucht, um so ein blockiertes Vehikel wegzuschieben. Nachdem der Begleiter den Rolli wieder einigermassen zum Fahren gebracht hat, suchten die Beiden beschämt das Weite. Fragt ihr euch auch, was ein Rollifahrer auf der Rolltreppe verloren hat. Vielleicht waren ja wieder mal die Lifte durch junge Personen mit gesunden Beinen besetzt. Ihr fragt euch jetzt sicher, warum ich das alles so genau weiss. Soll ich es euch sagen? Ich weiss nicht, ich bekomme gleich wieder beschämende, rote Backen. Ja es ist wahr. Die Hauptakteure waren mein Rollstuhl, mein Mann und natürlich ich. War dies peinlich. Ich glaube, vorerst werde ich die Rolltreppen meiden.
Leider macht mein Rollstuhl seither komische Geräusche. Wenn es blöd geht, gibt es für meinen sieben jährigen Rolli nicht mal mehr Ersatzteile. Einen anderen Rolli zu finden, der auch wieder auf die kleine Plattform meines Treppenliftes passt, wird nicht einfach sein. Aber momentan habe ich ja noch Räder unterm Hintern. Und um den Christbaum zu umrunden, reicht er alle mal.
Und trotzdem; zum Glück gibt es sie. Sonst müsste ich doch wieder zu laufen anfangen.
12. Mir kommt es vor als befände ich mich mitten im Hitchcock-Film „die Vögel“. Soeben sind nämlich aus dem Nichts, hunderte von Bergdohlen am Himmel aufgetaucht. Nun kreisen sie über unserem Dorf. Ob sie wohl einen grossen Kamin suchen, um hinein fliegen zu können. Zum Glück haben wir kein Cheminée. Auf so viele Besucher wäre ich dann doch nicht vorbereitet. Nun sehe ich auch warum sie aufgetaucht sind. Die Bäume, welche vorhin noch ruhig dastanden, haben zu wippen angefangen. Und die Fahnen an den Masten zeigen nach Südosten. Das bedeutet der Nordwestwind ist abgeflaut. Er führt Kälte, Regen und in den Bergen Schnee mit sich. Kein Wunder haben die Bergdohlen Reissaus genommen. Mich friert es nur schon, wenn ich zum Fenster hinausschaue. Zum Glück sind wir schon in der 3.Adventswoche. Somit kann ich gleich drei Kerzen anzünden, um mich an ihnen zu wärmen. Habt ihr eigentlich gewusst, dass manche Personen die Kerzen auf dem Adventskranz nach den Liturgischen Farben aussuchen. In der Katholischen Kirche ist die dritte Adventskerze Rosafarben und steht für „Freuet euch“.
14. Als ich heute Morgen erwachte schien die Sonne in mein Zimmer. Ich dachte, ich könnte demnach am Nachmittag noch ein paar Rolli Runden im Freien drehen. Ich müsste nämlich meinen Ersatzrollstuhl auf seine Geländetauglichkeit testen. Meiner musste ja nach meinem Manöver zur Reparatur. Also wurden mir am Montag drei Rollstühle zum Testen gebracht. Leider waren zwei davon zu lang für meinen Plattformlift. Darunter war auch mein Kronfavorit. Er wäre der ideale Stuhl für Drinnen und Draussen gewesen. Aber es nützt ja nichts. Nun muss ich bis Montag mit dem Zweinummern kleineren vorliebnehmen. Am nächsten Montag sollte ich dann Bescheid bekommen, ob es sich noch lohnt, meinen alten Rolli zu reparieren. Wenn nicht, muss ich mich nach einem andern umsehen. Darum bin ich bereits am Testen. Leider sind am Nachmittag immer mehr Wolken aufgezogen und nun hat es auch noch angefangen zu regnen. Also wird es heute nichts mit dem Ausseneinsatz. Im Notfall schicke ich eben meinen Mann mit dem Rolli ins Gelände. Er ist wetterfester als ich. Wegen dem Wetter darf ich mich eigentlich gar nicht beklagen. Das schöne Herbstwetter hat sich ja weit in die Winterzeit hinein erstreckt. Und ausserdem wird es langsam Zeit, dass die Schneeflöckchen auch im Tal vorbeischauen.
16. Es ist 11.000 Uhr. Langsam zieht der Sturm an. Es rumort im Gebälk und ein Geheul zieht um die Häuser. Hoffentlich bleiben unsere Ziegel auf dem Dach und die Weihnachtsdekoration kommt nicht zu schaden. Die Windböen werden nun stärker und rütteln die Bäume aus ihrer Lethargie. Mittlerweile haben auch dir Regentropfen Zuwachs bekommen und klatschen mitunter an meine Fensterscheiben. Ich liebe ja die zarten, zerbrechlichen Tropfen. Doch ich möchte mal wieder ihre grösseren Schwestern die Schneeflocken sehen. Wäre ja auch an der Zeit, dass sie sich blicken lassen.
momentan, kann ich beobachten, wie der Föhn die Regentropfen vor sich her bläst, um sie nach einer Weile auf den Boden fallen zu lassen. Ich weiss nicht ob es draussen kälter geworden ist oder ob mich der Anblick des Wetters frieren lässt. Jedenfalls zieht eine schleichende Kälte meine Beine hoch. Ich frage mich ob ich schon so empfindlich geworden bin, sodass ich auch im Haus lange Unterziehhosen anziehen muss. Ich versuche es erstmals mit einer brennenden Kerze. Der Schein der Flamme strahlt so viel Wärme aus, dass es für den Körper und die Seele reichen sollte.
Jetzt ist es 22.00 Uhr und ich mag nicht mehr auf die Schneeflocken warten. Vielleicht ist es auch besser, wenn es noch nicht schneit Mein Mann und ich nehmen Morgen an einer Infoveranstaltung der IV teil. Wir möchten uns über das Assistenzbudget welches nächste Jahr eingeführt wird informieren. Und da die Veranstaltung in der Ostschweiz stattfindet, wären trockene Strassen von Vorteil. Schauen wir mal, wie es Morgen aussieht.
17. Endlich hat es ein wenig Schnee gegeben und schon ist er wieder weg. Die Regentropfen haben den Schnee wieder in Wasser umgewandelt. Trotzdem bekam ich heute bei der Fahrt in die Ostschweiz genug von der weissen Pracht zu sehen. Immer wieder trafen wir auf verschneite Landschaften und fuhren durch aber Billionen von Schneeflöckchen. Einfach wunderschön. Zum Glück konnten die zum Teil mit Eis und Schnee bedeckten Strassen gut befahren werden. Sonst hätte ich aus Solidaritätsgründen dem Fahrer gegenüber meiner Freude nicht so frönen dürfen.
Wenn der Schnee die Häuser mit Sahne überzogen hat und die Landschaft mit Puderzucker bestreut ist, dann erst kommen die Weihnachtslichter so richtig zur Geltung.
Ich wünsche allen einen gemütlichen 4.Advent.
Tausend und abertausende Schneeflocken fallen gerade wieder vom Himmel und überziehen alles mit einem weichen weissen Teppich. Ich liebe es den Flocken zuzuschauen. Sie scheinen so zart und zerbrechlich zu sein. Wie sie sich leise und unschuldig auf den Boden setzen. Man sollte meinen sie könnten kein Wässerchen trüben. Man darf die Schneeflocken aber nie unterschätzen. Wenn sie in Massen auftreten können sie gewaltige Kräfte freisetzen. Ich hoffe nun, mein Sohn der Globetrotter ist bei diesen Strassenverhältnissen rechtzeitig am Flughafen angekommen und der Flug nach Tschechien funktioniert reibungslos. Es ist nun mal Winter und dazu gehört eben auch der wunderschöne Schnee. Mir jedenfalls gefällt er.
Nun ist gerade die Kerze ausgegangen und das Glas mit dem Punsch ist ebenfalls leer. Ich glaube es ist nun auch Zeit mit dem Schreiben aufzuhören. Geniesst den Abend.
21. War das Gestern schön. Es hat geschneit und geschneit und es wollte nicht mehr aufhören. Alles verschwand unter einer dicken Schneedecke. Ich hätte jubeln können. Doch andere fanden es glaube ich weniger lustig. Da wären mal die Strassenräumdienste. Diese hatten so viel zu tun, dass sie sogar die Kehrichtabfuhr auf heute verschieben mussten. Auch mein Rollstuhllieferant hatte mit dem Schnee zu kämpfen. Die Rollstühle mussten zuerst den Schnee vor unserer Haustür überwinden, bevor sie in die warme Stube einfahren konnten. Und meine sportliche Physiotherapeutin hat es diesmal vorgezogen ihr Velo den Hang hinauf zu schieben, anstatt hinauf zu treten. Ich habe mir noch überlegt, ob ich ihr zurufen soll, sie möge sich doch, anstelle meiner Therapie, eine Stunde auf unseren Rasen stellen. Dann käme ich zu meinem Schneemann, besser gesagt zu meiner Schneefrau. Aber so gemein wollte ich kurz vor Weihnachten auch nicht sein. Am strengsten hatte es aber mein Mann. Von früh am Morgen bis spät am Abend gab es nichts anderes als schaufeln, schaufeln und noch mal schaufeln. Er hatte nicht mal Zeit, unsere Einfahrt frei zu schaufeln. Aber zum Glück gibt es liebe Nachbarn und andere kleine Helferlein die ab und zu helfend einspringen. Ich hätte meinen Mann auch gerne entlastet. Doch ich muss noch auf meinen umgebauten Pflug warten.
22. Draussen regnet es ununterbrochen. Aus dem lockeren, weichen Schnee von gestern wird langsam eine schwere, durchnässte Masse. Die Strassen sind mittlerweile voll von Schneematsch. Ich hoffe trotzdem, dass sich ein Rest des Schnees bis Weihnachten behaupten kann.
Gestern war es nun an der Zeit die Maisen-Knödel vor meinem Fenster aufzuhängen. Ich bin schon neugierig, welche Vögel mich vor dem Fenster besuchen kommen. Vorhin hat bereits eine Blaumeise kurz vorbeigeschaut.
Damit unser Sohn auch etwas von Weihnachten mitbekommt, hat mein Mann den Christbaum bereits gestern Abend aufgestellt. Er hat ihn wieder wunderschön hergerichtet. Mit den Farben Gold, Orange, Braun und Cognac verbreitet der Christbaum eine warme, gemütliche Atmosphäre in unserer Stube. Und der Duft des echten Tannenbaumes ist bereits im Treppenhaus zu riechen. Ich liebe den Duft von frischem Griess.
Ja die Zeit läuft und läuft und bald ist Heiligabend. Obwohl ich nicht unbedingt an alles von der heiligen Geschichte glaube, so will ich doch einen weisen Mann ehren, der uns aufgezeigt hat, wie wir am besten auf unserer Welt zurechtkommen. Die Leitplanken, die er gesetzt hat, sind gar nicht mal so übel. Und das Ausschmücken der Weihnachtsgeschichte durch andere kann ich sehr gut nachvollziehen. Das praktiziere ich ja selber auch. Das Ausschmücken macht doch einen Text oder eine Geschichte erst interessant und lesenswert. Eine der schönsten und eindrücklichsten Geschichten finde ich ist der Film „Die unendliche Geschichte“. Dort geht es darum, eigene Fantasien zu entwickelt und Träumereien zuzulassen. Ich bin halt ein totaler Märchenfan und liebe Geschichten von Elfen und Feen und liebe Mystische Geschichten. Während der Weihnachtszeit werden ja gehäuft Märchen im Fernsehen ausgestrahlt. Ich gebe offen zu, dass ich diese Märchen mit Freude und Spannung anschaue. Vielleicht entwickelt sich nicht nur mein Körper zur Kindheit Retour, sondern auch mein Geist. Ich finde, ein wenig von der kindlichen Naivität würde uns allen manchmal ganz guttun.
24. So jetzt bin ich einigermassen wach, um einige Worte in mein Tagebuch zu schreiben. Da wir diese Nacht bereits um 2.30 Uhr aufstehen mussten, um unseren Sohn zum Flughafen zu fahren, habe ich erst gar nicht versucht zu schlafen. Dafür habe ich heute unter Tage ein paar Stunden geschlafen. Peter wird jetzt höchstwahrscheinlich den Atlantik überqueren und am späten Abend (MEZ) in Montreal eintreffen, um den nächsten Flieger nach Vancouver zu nehmen. Wenn ich dann Morgen die Meldung von Peter bekomme, dass er gut an seinem Ziel angekommen ist, dann kann ich die Festtage auch anfangen zu geniessen.
Ich musste heute feststellen, dass ich mich am Flughafen nicht allein zurechtfinden würde. Für mich sind die Infrastruktur und die Abläufe am Flughafen unübersichtlich und unlogisch. Vielleicht kommt es auch einfach daher, dass ich ausser einem Helikopterflug noch nie geflogen bin. Aber nächstes Jahr soll es soweit sein. „Meine“ Männer wollen mit mir nach Rom fliegen. Bin dann gespannt, wie es mir dabei so ergeht. Ich freue mich jedenfalls darauf.
Nun wünsche ich euch allen einen wunderschönen Weihnachtsabend und erholsame Festtage.
25. Heute haben wir einen richtig faulen Tag eingelegt. Obwohl die Sonne vom wolkenlosen Himmel herunter gestrahlt hat, haben wir es uns in der Stube vor dem Fernseher gemütlich gemacht. Wir haben abwechslungsweise von den Chräpflis und den Weihnachtsschöggelis genascht und haben zwischendurch ein Nickerchen eingelegt.
Soeben hat sich Peter gemeldet. Er ist gut in Vancouver gelandet. Nach 11 Stunden Schlaf ist er nun auf dem Weg, sich ein anständiges Frühstück zu ergattern. Na dann, en Güetä.
Und ich mache es mir wieder vor dem Fernseher gemütlich. Mal schauen, ob mir Piet der Naschkater etwas von den Gutzis übriggelassen hat.
27. Gar mystisch sieht es heute aus. Der Nebel schleicht durch Strassen und Gassen. Er umhüllt uns mit Kälte und macht den Tag zur Nacht. Doch so lange es Lichter gibt, die uns durch den Nebel leiten, wird auch bald wieder der Himmel voller Sterne sein.
Auch dieses Jahr mussten wieder einige ALS-Betroffene von diesem Leben Abschied nehmen. Und viele Angehörige mussten einen lieben Menschen gehen lassen. Doch vergessen werden sie nie.
28. Heute heisst es bei uns, Unten grau und Oben blau. Wenn ich könnte wie ich grad möchte, würde ich meine Räder gegen zwei Holzlatten tauschen und eine Skipiste runter sausen, Yippie! Besonders das Carven auf breiten Pisten würde ich geniessen. Ich war zwar früher keine überaus gute Skifahrerin. Ich bin aber überall runtergekommen. Ob mit Spitzkehre oder Pflug, was spielt das schon für eine Rolle. Hauptsache es hat Spass gemacht. Damals wusste ich am Abend zumindest, wo meine Muskeln sitzen. Mittlerweile muss ich froh sein, wenn sich meine Muskeln durch Faszikulationen melden. Aber eigentlich kann ich mich nicht beklagen. Mir geht es immer noch relativ gut. Ich kann nach 10 Jahren ALS immer noch für kurze Zeit stehen und mit Hilfe 4 – 5 Schritte gehen. Den PC bediene ich immer noch mit einer Bildschirmtastatur und der Maus. Flüssigkeiten nehme ich mittels Trinkhalmes zu mir und das Essen wird mir zerkleinert eingegeben. Ich konnte bis jetzt auf die PEG-Sonde den Cystofix und auf die mechanische Atemunterstützung verzichten. In letzter Zeit war ich zwar viele Male müde und hatte am Morgen Kopfschmerzen. Was ein Zeichen für unzureichende Atem / Lungenfunktionstätigkeit wäre. Es könnte aber auch einfach an zu trockener Luft im Zimmer liegen. Jedenfalls haben wir Gestern wieder meinen Luftbefeuchter installiert. Und siehe da, keine Kopfschmerzen und keine tränenden Augen mehr. Dafür sind die Fensterscheiben von oben bis unten angelaufen. Doch das ist das kleinere Übel. Meine Stimme hat dieses Jahr wieder leicht abgebaut. Aussenstehende haben des Öfteren Mühe mich zu verstehen. Mein Nuscheln nimmt zu. Trotzdem kann ich noch laut weinen und noch intensiver Lachen. Gelegentlich geht mir dabei die Puste aus und dies führt wiederum zum Brechreiz. Es gibt noch andere Vorkommnisse, welche den Brechreiz auslösen können. Es genügt schon die Vorstellung, ein Rollkragenpulli könnte zu nah an meinem Hals liegen und schon folgt die Reaktion. Worauf ich ebenfalls stark reagiere sind starke Düfte. Aber das schlimmste ist der Brechreiz beim Zahnarzt. Ich weiss, ich muss dies in den Griff bekommen. Das spielt sich nämlich alles im Kopf ab. Mal schauen, wie ich mich selbst manipulieren kann. Was ich natürlich auch noch kann und das ist sehr wichtig, ich kann immer noch alleine auf meine Rollitouren gehen. So gesehen kann ich ja noch einiges.
Mittlerweile hat sich der Nebel verzogen und nun scheint es, als würden die Schleierwolken am Himmel brennen. Sieht wirklich gut aus. Es könnte sogar sein, dass wir heute eine sternenklare Nacht bewundern können. Das wiederum würde bedeuten, es wird kalt, eiskalt. Brrrr!
31. Der letzte Tag dieses Jahres. Was gibt‘s da noch zu schreiben. Eigentlich habe ich schon alles was ich erlebt habe niedergeschrieben. Es war wiederum ein sehr ereignisreiches und interessantes Jahr. Mal ging‘s Berg auf und mitunter Berg ab. Die schönen Dinge haben aber eindeutig die Nase vorn. Ich durfte wieder einiges in der Natur bestaunen und einiges dazu lernen. Zu meiner grossen Freude haben sich neue Freunde zu meinen bisherigen treuen Wegbegleitern dazu gesellt. Liebe Freunde, ich danke euch, dass ihr da seid. Auch allen Helfern die mich mitunter tagtäglich unterstützen, ein herzliches Dankeschön. Trotz meiner Abhängigkeit von anderen Personen liebe ich mein Leben immer noch sehr. Das kann ich auch nur sagen, weil mein Mann und mein Sohn meine Krankheit mittragen. Ich liebe euch unendlich dafür.
Nun wünsche ich allen einen guten Rutsch ins Neue Jahr und wir lesen uns im Neuen.