JANUAR 2013
1. Sonne, Mond und Sterne, alles liegt in weiter Ferne, doch das Gute, das ist ganz nah - ein glückliches und schönes neues Jahr!
6. Ich habe mir über die Feiertage eine kleine Auszeit beim Tagebuchschreiben genommen. Hatte sowieso nichts Grossartiges zu berichten. Mir fiel schon fast die Decke auf den Kopf. Bis gestern, da sind wir nämlich in den Süden gefahren. Da traf ich nicht nur auf den Frühling. Bei Temperaturen um die 23 Grad kann man schon fast von Sommer sprechen. Dementsprechend war auch das Outfit der Passanten auf der Strasse. Die Einten trugen der Jahreszeit entsprechend eine Daunenjacke. Andere wiederum liessen sich von den warmen Temperaturen verleiten und trugen Shirts mit Spaghettiträgern. Mir hat die Sonne und die Wärme so gut getan. Ich konnte mein Gemüt wieder mal richtig volltanken.
Als wir am Strassenrand einen Verkäufer sahen der Mandarinen, Orangen und Zitronen feilbot konnten wir nicht anders als anzuhalten. Ich kann euch sagen, dieser Halt hat sich gelohnt. Die aus Sizilien stammenden Mandarinen waren so geschmacksintensiv und spritzig. Solche Mandarinen hatte ich noch nie gegessen.
Am späteren Nachmittag fuhren wir über den Malojapass 1'815 m. ü. M. nach St. Moritz und danach erklommen wir noch den Julierpass 2'284 m ü. M. In dieser Höhe war nichts mehr von frühlingshaften Temperaturen zu spüren. Auf der Passhöhe zeigte das Thermometer -1 Grad an. Nichts mehr mit Spaghettiträgern, hier waren Daunenjacken angesagt.
Später, als wir in einer Raststätte einkehrten und alle Tische besetzt waren, setzen wir uns an einen Tisch, an dem bereits eine Familie mit Kindern sass. Als mir Piet dann das Essen eingab, sah ich wie das vierjährige Mädchen mit dem Vater tuschelte. Ich konnte mir vorstellen um was es ging. Dann hörte ich das Mädchen fragen: „Kann sie nur den Mund bewegen“. Dabei sah mich das Mädchen an und ich zwinkerte ihm lächelnd zu. Plötzlich wurde ich beim Essen gestört. Etwas klatschte auf meine Haare und mein neues, weisses Shirt. Ich schaute seitlich nach oben, dort befand sich eine Treppe. Eine Frau hat anscheinend beim Treppensteigen das Tablett umgekippt und das Cola Glass ausgeleert. Aber halb so schlimm, war ja kein Messer das mich traf.
Nach einiger Zeit standen unsere Tischnachbarn auf und verabschiedeten sich. Das kleine Mädchen zögerte und blieb bei mir stehen. Es streckte sein rosarotes Plüscheinhorn mit dem silberfarbenen Horn in die Höhe und drücke es an meine Seite. Dazu flüsterte es: „Es hat dich gern“. Ich war so gerührt, mir fehlten die Worte. Als ich ihm dann „Tschüss“ nachrief, drehte sich das kleine Mädchen nochmal um, winkte mit dem rosafarbenen Einhorn und flüsterte: „Es hat dich gern“.
Was soll ich dazu noch sagen ausser, was für ein wunderschöner Tag, was für liebenswerte Menschen.
10. Scheen wiä d'Schneefleckli vom Himu obä abbä zfliegä chämed. Sie gsend wiä chlini Wattäbäuscheli üs. Bi dä eindä sedmä fascht meinä äs wäred fini Daunäfäderli. Ich frag mich, ob Dechi vo dr Freui Holle äs Loch het. Ja miär sells rächt si. So gaht wieder ebbis vor mim Fänschter.Bi gspannt wiä sich z'Wätter im Verleuf vom Tag nu entwicklet.
12. Meine Besucher sind wahre Akrobaten. Ich frage mich, ob ihnen das Futter "zunderobsi" eingenommen wohl besser mundet, oder ob sie mir einfach imponieren möchten. Meine Aufmerksamkeit ist ihnen jedenfalls sicher. Momentan duellieren sich gerade zwei Alpendohlen mit den Schnäbeln wegen dem Futter. Dabei hat es für alle genug zu Fressen. Vor meinem Fenster hängen nämlich drei prallgefüllte Meisen Knödel. Die Alpendohlen können aber auch ganz friedlich sein und zu dritt auf meinem Fenstersims sitzen und an den Knödeln knabbern. Ich kann sie sehr gut beobachten. Zwischen mir und den gefiederten Freunden liegen lediglich ein Meter und eine Fensterscheibe. Mitunter richtet sich einer der Vögel auf und wirft mir mit seinen schwarzen Knopfaugen einen neckischen Blick zu. Das bringt mich natürlich jedes Mal zum Schmunzeln. Einfach schön.
19. Mein liebes Tagebuch entschuldige bitte, wenn ich dich in letzter Zeit vernachlässigt habe. Es ist nicht so, dass ich nichts zu schreiben hatte. Ich war in letzter Zeit während des Tages einfach zu beschäftigt. Und am Abend war ich zu faul, um noch zu schreiben.
Seit Anfang Jahr unterstützen mich zwei Assistentinnen bei meinen Lebensverrichtungen. Am Montagnachmittag begleitet mich Assistentin 1 beim Wocheneinkauf. Am Dienstag übernimmt die 2. Assistentin das Wäschewaschen und bereitet das Mittagessen zu. Am Mittwochmorgen kommt wieder die 1. Assistentin zum Wäschebügeln vorbei und bereitet das Mittagessen zu. Den Hauskehr am Donnerstag wird zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls von einer Assistentin übernommen. Meine Pflege am Morgen übernimmt vorläufig noch die Spitex. Meine Assistentinnen werden aber sukzessive in die Pflege eingeführt. Ich will sie ja nicht gleich vergraulen. Das Einarbeiten meiner guten Feen braucht halt etwas Zeit, welche ich jedoch gerne investiere. Schliesslich will ich erreichen, dass mein Mann etwas entlastet wird. Job, Haushalt und Pflege, dies schafft niemand auf lange Sicht. Mein Mann hat es nun während 10 Jahren durchgezogen. Für seine Gesundheit war das jedoch keinesfalls förderlich. Darum mussten wir auch etwas unternehmen. Für ihn ist es nun auch beruhigend, wenn er weiss, dass ich während des Tages gut betreut werde.
An den Trubel im Haus muss ich mich, als auch mein Mann, noch gewöhnen. Die Privatsphäre wird halt schon Zusehends kleiner. Ausser den Assistentinnen kommt ja auch noch meine liebe Physiotherapeutin an zwei Vormittagen vorbei. Meine Woche ist also schon recht verplant. Wenn mich also jemand besuchen möchte, dann wäre noch der Mittwoch- und der Freitagnachmittag frei. Komme mir vor wie eine Pensionierte. Die haben ja auch kaum freie Zeit. Aber für meine Ausflüge werde ich mir immer Zeit nehmen.
21. Das kann‘s doch aber nicht sein. Bin ich wirklich schon so alt. Ich komme mir vor, als wäre ich innert kürzester Zeit zu einem alten Weiberl mutiert. Obwohl das Thermometer in der Wohnung über 22 Grad anzeigt, habe ich ständig kalt. Es kommt noch so weit, ich muss sogar im Haus lange Unterwäsche anziehen. Heute Nachmittag war ich z.B. für den Wocheneinkaufe unterwegs. Wohlverstanden mit dem Auto. Das hat allerdings schon gereicht um mir kalte Füsse und Beine zu bescheren. Momentan thronen meine Füsse auf zwei heissen Bettflaschen, welche mir Piet auf meine Rolli Fussrasten platziert hat. Diese Vorkehrung wird jedoch nicht für lange reichen. Nun beginnt nämlich die Kälte meinen Körper empor zu steigen. In solchen Momenten komme ich mir vor wie eine Brausetablette. Die Kälte fängt irgendwo an und verteilt sich dann ganz langsam im ganzen Körper. Nun kann mir nur noch etwas helfen. Pyjama anziehen und ab ins Bett. Gute Nacht.
22. Heute ist mir bedeutend wärmer als Gestern. Ich habe aber auch gearbeitet. Besser gesagt; ich habe Anweisungen dazu gegeben. Seit ich mit meinen Assistentinnen zusammenarbeiten kann, fühl ich mich wieder mehr als Hausfrau. Ich muss mich wieder mehr in die täglichen Arbeiten einbringen. So werde ich neu mit Mengenangaben von Speisen konfrontiert. Es gibt zwar Richtwerte, wie viel Gramm Teigwaren z.B. für eine Person pro Mahlzeit berechnet wird. Weil jedoch jede Person seine Vorlieben und Abneigungen hat, muss die Menge dementsprechend abgeändert werden. Und wenn man in einen neuen Haushalt kommt oder so wie ich, die seit gut 10 Jahren nicht mehr kocht, muss vieles erfragt werden. Mein Mann gibt uns aber gekonnt darüber Auskunft. Es wird nicht lange dauern und wir haben alles intus. Übrigens, meine Assistentinnen können hervorragend kochen. Heute Nachmittag haben wir uns nochmals den Küchenschränken gewidmet. Wir haben aussortiert und Umgestellt. Ich liebe es, wieder vermehrt selber Entscheidungen treffen zu müssen. Ich denke, meine Assistentinnen tun mir sehr gut. Die Gespräche bei einer Tasse Kaffee möchte ich jedenfalls nicht mehr missen. Und wenn es mir die Seele wärmt, reicht die Wärme vielleicht bis zu den Füssen.
24. Wenn ich die Vögel vor meinem Fenster beobachte und ihre feinen Füsse und Beinchen betrachte, frage ich mich ob sie wohl auch an die Füsse frieren. Vielleicht würden ihnen in dieser kalten Jahreszeit ein paar warme Socken auch gut tun. Wenn wir ihnen den Winter jedoch etwas erträglich machen wollen, dann mit dem richtigen Futter. Je nach Vogelart und Art des Schnabels benötigen sie unterschiedliche Körner. Wer also bestimmte Vögel anlocken möchte kann dies durch Auswahl des Futters ein wenig steuern.
27. Obwohl die Sonne in den letzten Tagen mit ihren Reizen nicht gegeizt hat, konnte sie die Eiseskälte nicht vertreiben. Doch Heute, es kommt mir wie ein Wunder vor, war sie stark genug um die Luft zu erwärmen. Ich habe mich so gefreut, unsere Pergola aufzusuchen um mein Gesicht von den Sonnenstrahlen streicheln zu lassen. Für die Innere Wärme sorgte der von Piet zubereitete "Schümli-Pflümli-Kaffee". Der geht runter. Und der Schlag Nidlä / Sahne obenauf, einfach himmlisch und schmeckt nach mehr.
Jedenfalls hatte ich heute mal keine kalten Füsse. Ich habe mich sehr über die guten Tipps, welche ich wegen meiner kalten Füsse erhalten habe, gefreut. Das einfachste und schnellste Mittel wäre sicher der elektrische Fusssack. Doch da hätte Leo (Radiästhesist | Geopath) keine Freude an mir. Ich hatte mir nämlich mal eine elektrische Matratzenauflage besorgt. Bei dessen Benützung bekam ich es mit Schlafstörungen zu tun. Also liess ich diese mit Widerwillen wieder entfernen. Jemand anderes meinte, es könnte ein Eisenmangel vorliegen. Werde meinen Arzt darauf ansprechen. Mein Sohn wies mich darauf hin, dass meine kalten Füsse mit meiner ALS zu tun haben könnte.
28. Letzte Woche war Simon, mein 27-jähriger Neffe und gleichzeitig mein Patenkind, für drei Tage bei uns zu Besuch. Er arbeitet als Pfleger in einem Seniorenheim. Momentan ist er auf der offenen Pflegeabteilung im Einsatz. Zuvor arbeitete er während eines halben Jahres auf der Demenz-Abteilung. Ich denke, es braucht immense Geduld und Einfühlungsvermögen um Menschen mit Demenz betreuen zu können. Auch die Menschen, welche lediglich auf Pflege angewiesen sind, können manchmal schwierig sein. Ich weiss wie es bei mir ist. Manchmal gurkt es mich so an, jeden Morgen gepflegt zu werden. Manchmal schalte ich einfach ab, und lasse die über eine Stunde dauernde Pflege über mich ergehen. Und manchmal geht mir meine Abhängigkeit so auf den Sa…. (habe zwar noch keinen entdeckt), dann nervt mich alles und ich fange an zu nörgeln. Ich weiss nicht ob ich in der Pflege arbeiten könnte. Wahrscheinlich wäre ich schlichtweg zu ungeduldig. Bei mir muss immer alles zack, zack gehen und lieber heute als Morgen. Ich musste mich allerdings, in all den Jahren mit ALS, in Geduld üben. Wenn mich etwas juckt oder wenn mich ein Haar im Gesicht pickst, so muss ich dies erdulden. Wenn ich spontan etwas zu trinken haben möchte oder es mich nach einer Frucht gelüstet, heisst es warten bis jemand im Haus ist um mich mit dem gewünschten zu versorgen. Seit meine Assistentinnen im Einsatz sind, bin ich Tagsüber etwas besser betreut. Ich komme zu meinem Nachmittagskaffee und zu einer Zwischenmahlzeit. Ich jedenfalls habe grossen Respekt für diejenigen Menschen, welche mit Liebe und Geduld Hilfsbedürftige Pflegen und Betreuen.
FEBRUAR
2. Da schon Fasnacht ist, will ich diesen Monat auch gleich mit was Lustigem beginnen.
Ich bin mit meinen Assistentinnen dabei, meine Küchenschränke auf Vordermann zu bringen. So wissen sie auch gleich, wo sich was befindet. Letzte Woche sagte ich meinem Mann, dass ich mit einer meiner Hilfen, den Lebensmittelschrank neu organisieren wolle. Er erwiderte, er werde am Abend noch die Tablare verstärken. Gesagt, getan. Also räumten wir am andern Tag den Schrank um.
Als mein Mann von der Arbeit heimkommt, präsentiere ich ihm voller Stolz die Umgestaltung. Alles hat seinen Platz gefunden. Als er das Tablar mit den Konserven sah schüttelte er den Kopf. Nicht etwa weil es so viele waren, nein. Weil ihm am Abend zuvor ein Winkel fehlte, konnte er ein einziges Tablar noch nicht verstärken. Wir hatten uns natürlich prompt dieses eine Tablar für die Konserven ausgesucht. Später, als Piet halb auf dem Boden liegend, den fehlenden Winkel am vollgepackten Tablar anbringen will, kippt das Tablar und Piet liegt mitten zwischen den Konserven. Mein erster Gedanke; alle Arbeit umsonst. Doch dann übermannte mich die Komik und ich musste so lachen. Ich konnte kaum mehr aufhören und musste mich abwenden. Als ich jedoch nichts von meinem Mann vernahm drehte ich mich wieder um. Piet lag lautlos kichernd zwischen all den Büchsen und ich musste sogleich wieder mitkichern. Später fanden dann doch wieder alle Konserven ihren Platz.
Ich habe noch etwas Erfreuliches zu berichten. Am Dienstag war ich in der ALS-Klinik in St. Gallen zur halbjährlich stattfindenden Verlaufs- Kontrolle. Und wie ich es nicht anders erwartet habe, konnte keine wesentliche Verschlechterung festgestellt werden. Dass sich meine Stimme in den letzten Jahren kontinuierlich kraftloser und verwaschener anhört, wusste ich ja schon. Ich kann mich ja wirklich nicht beklagen. Schliesslich trotze ich der ALS schon seit 12 Jahren und werde ihr hoffentlich noch lange die Stirn bieten können.
4. Schnee, Schnee, Schnee, soweit das Auge reicht. Wiesen und Strassen alles weiss. Auf den Hausdächern türmt sich der Schnee. Die Äste der Bäume und Sträucher werden durch die Last des Schnees nach unten gebogen. Und die Schneeflocken tanzen immer noch vom Himmel. So gefällt mir der Winter. Doch was des einen Freud, ist wiederum des andern Leid. Alle welche heute mit Schneeräumen beschäftigt sind, würden sicher lieber an einem Strand liegen und die Sonne geniessen. Doch Hilfe naht. Morgen ist bei uns Ytrummletä. Wenn die Fasnächtler gekonnt die Trommelstöcke schwingen, kräftig auf die Pauken hauen und mit Gefühl in die Trompeten blasen, wird sich der Winter bald verabschieden. Sollte dies nicht zum Erfolg führen, können wir uns immer noch eine furchterregende Maske überziehen und so den Winter das Fürchten lehren. Dann wird er sicher reis aus nehmen.
Wegen des vielen Schnees auf der Strasse werde ich wohl meinen Wocheneinkauf verschieben müssen. Ich möchte meiner Assistentin nicht zumuten, mit mir im Bus ins Rutschen zu geraten. Doch verhungern werden wir ja nicht, bei den vielen verbeulten Konserven.
Ich jedenfalls habe meine Freude am Schnee. Fehlt mir nur noch mein Schneemann. Er wird wohl am Mittag vorbei schauen. Ob er allerdings gesprächig sein wird, bezweifle ich. Doch immer wieder geht die Sonne auf.
9. Ach wie schön wäre es noch mal Kind zu sein. Wir haben uns als Kind immer an dem vielen Schnee gefreut. Wir konnten es jeweils kaum erwarten nach Draussen zu kommen. Doch zuerst mussten wir uns warm anziehen. Ein Unterhemd, wollene Strumpfhosen und ein wollener Pullover, welcher von Mamma oder Grossmamma gestrickt worden waren, mussten angezogen werden. Danach folgte die Stoffskihose mit dem Elastband um die Fusssohle und eine Skijacke mit Kapuze. Nun fehlten nur noch die wollenen Handschuhe, die Wollmütze mit dem Knäuel oben drauf und die Gummistiefel. Nun konnte uns nichts mehr halten.
Was hatten wir Spass beim Schneemann bauen. Manchmal war die Rolle für den Körper des Schneemannes so gross und schwer, dass wir mehrhändig rollen mussten um diese an den gewünschten Platz zu befördern. Eine Meisterleistung jedoch war, die Rolle für den Kopf Obendrauf zu setzen ohne dass er auseinanderbrach. Nun fehlten nur noch Steine für die Augen. Für den Mund ein Stück Holz und für die Nase ein Rüebli. Fertig war das Schneegesicht. Als Accessoire dienten ein alter Hut, eine Schärpe und ein Reisbesen.
Manchmal bauten wir auch eine Schneehütte. Am Abend stellten wir dann jeweils Kerzen in die Fensterluken. Sah richtig heimelig aus.
Wenn sich dann doch irgendwann die Kälte an gewissen Körperteilen bemerkbar machte, hiess es fertig mit Spass. Rote Backen, eine schniefende Nase und klamme Finger waren ein untrügliches Zeichen, um die warme Stube aufzusuchen. Drinnen wurden die halbgefrorenen Hände am Kachelofen aufgewärmt. Wenn das Gefühl langsam in die Finger zurückkehrte, konnte das ganz schön wehtun. Das „Klimsen“ konnte dann schon mal Tränen hervorbringen. Dies hinderte uns jedoch keineswegs daran, bei nächster Gelegenheit wieder im Schnee tummeln zu gehen. Schliesslich mussten noch Schneeschlachten ausgetragen werden.
Der viele Schnee hat mir heute wieder viele Besucher beschert. Im Vogelhäuschen ist ein reges kommen und gehen. Auch an den Meisenknödeln vor meinem Fenster wird kräftig gepickt.
Jetzt taucht sogar noch die Sonne auf und verwandelt Alles in eine Wintermärchenlandschaft. Einfach nur wunderschön.
11. Heute geben die Fasnächter noch mal richtig gas. Bereits um 4.00 Uhr morgens vernahm man die ersten Trompeten-, Trommel- und Paukenlaute. Ein Zeichen, dass die Katzenmusik zum Morgenstreich gestartet ist. Da ich an einer Strasse mitten im Dorf wohne, höre und sehe ich die Musiker und Fasnächter sehr gut. Sie marschieren jeweils mehrmals täglich an unserem Haus vorbei. Ich muss mich nicht mal nach draussen in die Kälte begeben, um den Trubel mitzuerleben. Von meinem Bürozimmer aus, kann ich alles wunderbar beobachten. Heute Nachmittag werde ich mich wahrscheinlich aber doch nach draussen wagen. In einer Nachbargemeinde findet ein Fasnachtsumzug statt, den ich gerne sehen möchte. Und da der Föhn hereingebrochen ist, sind die Temperaturen auch nicht mehr im Minus Bereich. Ansonsten muss ich halt mal die Zähne und die A…backen zusammenkneifen und die Kälte eine kurze Zeit ertragen. Andere müssen dies schliesslich auch..
Jetzt hani mi Fasnacht eu gha. Äs het sich glont dr Umzug gagä z'lüegä. Z'Wätter hed aber eu scheen mitspiut. Am Chatzämüsigmarsch hemmer das aber nid z'verdänkä. Ded isch nämlich mängisch äs Dentli dr näbä gangä. Sind aber eu scho äs paar Täg underwägs. Derfir hend Guggänä alles gä. Diä hend einä richtig mitgrissä. Ämu das was bi miär nu beweglich isch, hets i wallig bracht. Ganz scheen sind d'Wägä und Sujet dähär cho. Diä Ideä wo diä Lyt hent und diä Arbet wo da drhindert steckt. Fasnacht isch eifach ebbis originells. Hit sind de diä rotä Baggli, wo einigi Lyt am Strassärand ibercho hend, nid wäg dr Chäewdi gsi. Ich gläubä, tschuld isch z‘Kaffeeschnaps, wo ä dä Züescheuer verteiwt wordä isch. Isch aber eu H….güet gsi. Miär hend eu nu ä riesigi Oranschä und ä Zuckerbohnä chennä ergatterä. Was yys aber schonu wunder gnu hät isch, was ächt ysers Nichdäli feins im Cherbli gha hät. Danielä dü Schiudchrot, hesch dü ys dry Rollstüelfahrer nid gse. Wahrschiendli isch si haut eu scho zlang underwägs oder Giälä am anderä Strassärand hent sie me interessiert. Uf au Fäu isches scheen gsi und ich bi wieder einisch fir längeri Zyt dussä gsi.
14. Ich wollte euch für heute eine schöne Valentinskarte kreieren. Also habe ich zuerst die Blumenranken gemalt und den passenden Hintergrund gewählt. Das ganze mit einem Text versehen und alles abgespeichert und hochgeladen. Ich habe erst hinterher bemerkt, dass sich ein Buchstabe aus dem Staub gemacht hat. Nach längerem Suchen habe ich ihn quatschend inmitten der Blumen gefunden. Ich konnte ihn leider nicht dazu bewegen, wieder an seinen angestammten Platz zurückzukehren. Schlussendlich liess er sich dann doch erweichen soweit hervorzutreten, dass man ihn wenigstens sehen konnte. Uff, Karte gerettet.
25. Nachdem es über Nacht leicht geschneit hat, liegt nun wieder über allem eine feine Schneedecke. Der Schnee wird sich jedoch nicht mehr lange halten können. Die Sonne steht am Morgen stetig früher auf und Sonnenstrahlen werden täglich stärker. Auch heute hat sie schon früh ihre Strahlen durch meine Fenster geschickt um mein Zimmer mit wärmendem Licht zu durchfluten. Obwohl ich die Schönheit und die Ruhe des Winters schätze, freue ich mich doch so langsam auf den Frühling. Es ist doch eine lange Zeit, von Oktober bis Februar, in der ich mehr oder weniger ans Haus gebunden bin. Mein Mann unternimmt zwar wunderschöne Ausflüge mit mir und auch die Wocheneinkäufe bringen Abwechslung in meinen Alltag. Doch vermisse ich meine Blumen, meine Bäume und Pflanzen, meine kleinen und grossen Tiere. Ich vermisse die Regentropfen auf meinem Gesicht, den Wind in meinen Haaren und die Sonne auf meiner Haut. Ich vermisse die Farben, die Laute und die Düfte der Natur. Ich vermisse meine Freiheit, meine Rollstuhltouren. Doch mein Herz löst sich langsam vom Wintergefängnis und öffnet sich für den Frühling.
Meinen lieben Fensterfreunden haben wir die letzte Futterration vors Fenster gehängt. Danach werden sie noch so lange wie nötig übers Futterhäuschen im Freien versorgt. Vielleicht bin ich ja bald bei ihnen draussen.
18.00 Uhr: Am Mittag übergab mir Piet einen Brief von der IV-Stelle. Als ich diesen zu lesen begann, desto gefrusteter wurde ich. Mir wurde mitgeteilt, dass sie mir das Geld für die Assistentinnen nicht auszahlen könnten, weil ich bestimmte Unterlagen nicht eingereicht hätte. Dabei habe ich alles korrekt gemacht. Die Formulare welche sie vermissten muss man nämlich erst auf Verlangen einreichen. Da ich heute Nachmittag sowieso wegen des Wocheneinkaufes unterwegs sein würde, suchte mir Piet die benötigten Unterlagen zusammen. Mit meiner Assistentin machte ich mich dann am Nachmittag auf den Weg zur IV-Stelle. Ich wurde dort sehr nett behandelt und wir konnten das Problem gemeinsam lösen. Für sie ist das Assistenzmodel eben auch Neuland. So müssen wir eben voneinander lernen. Da die AHV-Stelle ihr Büro ebenfalls in demselben Haus hat nahm ich die Gelegenheit gleich war um weitere ungeklärte Sachen abzuklären. Nach kurzer Zeit war alles geklärt und ich konnte in bester Laune den Bürokomplex verlassen. Sogar meinen Behindertenausweis und der Begleitpersonenausweis für die ÖV, welche seit zwei Jahren abgelaufen waren, konnte ich erneuern lassen. Am Mittag dachte ich noch, was für ein Sch….tag. Mittlerweile kann ich sagen das mir der Brief nur gutes gebracht hat. Ich konnte dadurch gleich mehrere anstehende Sachen gleichzeitig abhandeln. Und auch der Wocheneinkauf ist inzwischen verstaut und wartet nun darauf gegessen zu werden.
27. Da auch heute wieder die Sonne schien, nahm ich mir vor am Nachmittag auf eine Rollitour zu gehen. Als ich am Mittag meinem Mann meinen Wunsch kundtat, riet er mir leider davon. Viel zu kalt für mich. Ich war schon ein bisschen enttäuscht, doch Recht hat er. Eine Erkältung liegt bei meiner Erkrankung einfach nicht drin. Die Sonne hätte ich aber schon nötig, besonders nachdem ich nun die Ergebnisse meiner Blutwerte habe. Ich habe nun tatsächlich einen Vitamin b und Vitamin d Mangel. Um diese Speicher wieder aufzufüllen darf ich nun für mindestens 3 Monate noch mehr Tabletten und Tröpfchen nehmen. Doch, wenn es hilft, nehme ich diese gerne zu mir. Ich war in letzter Zeit schon recht schlapp und antriebslos. Darum habe ich auch meine Tagebucheinträge vernachlässigt. Mal schauen, welche Energien diese Tröpfchen und Pülverchen freisetzen.
MÄRZ
1. Von mir aus kann der Schnee noch eine Zeitlang in den Bergen verbleiben. Doch im Tal sollte er langsam, aber sicher den Rückzug antreten. Ich habe nämlich für mich beschlossen, dass heute der Frühling beginnt. Also liebe Schneeflöckchen und kalte Biese, begebt euch in den Sommerschlaf. Wir erwarten euch erst wieder Ende Herbst.
3. Ich denke jetzt kommt‘s gut. Habe mir nämlich heute den ersten Sonnenbrand eingefangen. Ich sehe mal wieder aus wie eine Eule. Ich hätte mir doch nie träumen lassen, dass die Sonnenstrahlen schon solche Kraft entwickeln. Ganze vier Stunden konnte ich mich heute ohne zu frieren im Freien aufhalten. Und da beim Aufenthalt an der frischen Luft der Appetit angeregt wird, hat mein Mann kurzerhand ein Käsefondue zubereitet, welches wir uns dann im Freien schmecken liessen. Von mir aus kann es mit dem Wetter so weiter gehen. Ich weiss ja nicht, ob jemand nachvollziehen kann, welche Entbehrungen ich in den Wintermonaten auf mich nehmen muss. Meine Winterpsyche in Griff zu halten ist nicht immer einfach. Doch mit Hilfe meines Mannes und meines Sohnes habe ich auch diesen Winter hinter mich gebracht.
Leute aufgepasst, das fahrende Tomätchen ist wieder unterwegs.
4. Hoffentlich falle ich beim heutigen Wocheneinkauf nicht zwischen die Tomaten. Man würde mich doch glatt nicht mehr finden. Ich denke, ich muss nach mehreren Jahren der Makeup Abstinenz, mal wieder davon Gebrauch machen. Ob das Makeup noch gut ist, weiss ich jedoch erst Morgen. Vielleicht habe ich Morgen ausser der Tomatenfarbe noch Pusteln im Gesicht. Aber vielleicht stehe ich auch einfach zu meiner Röte. Ich kann ja immer noch sagen ich sei auf den Skiern gewesen. Mal schauen wer dann verdutzter da steht.
Ich freue mich, endlich wieder nach Draussen zu gehen/fahren. Nachdem letztes Jahr Anpassungen am Lift und an einer Türe vorgenommen wurden, kann ich ja nun wieder selbständig ins Freie. Damit ich nicht den ganzen Dreck vom Rasen (Herd von den Würmern) mit den Rädern in die Wohnung schleppe, wollen wir nun einen Weg durch den Rasen mit Platten auslegen. Soeben war ein Kundenmaurer da um das Ganze anzuschauen. Wäre super, wenn wir dies realisieren könnten. Wird zwar wieder einiges kosten, doch diese Arbeiten müssen wir vergeben. Mein Mann kann dies nicht neben seiner 100% Arbeitstätigkeit und der Arbeit mit mir auch noch erledigen.
So nun mache ich mich bereit für den Einkauf.
19.00 Uhr: Obwohl ich nicht in die Tomaten gefallen bin sind nun auch meine Ohren rot. Nicht etwa weil ich einen Satz heisse Ohren bekommen hätte. Nein vielmehr hätte ich heute welche verteilen können. Zuerst habe ich einer Automobilistin einen Zettel unter die Scheibenwischer gelegt, weil sie sich ohne Ausweis auf einem Behindertenparkplatz aufhielt. Sie kam dann gerade dazu. Als ich sah, dass ihre junge Begleiterin wegen eines Gipsfusses an den Krücken lief, entfernten wir den Zettel wieder. Wir wurden zuerst ganz schön Böse angeschaut. Ich erklärte ihr dann, was es mit den Zetteln auf sich hat. Da meinte sie, es wäre ein „Heisser“ was wir mit diesem Zettel machten. Da musste ich leider deutlicher werden und ihr erklären, dass man für die Benützung eines Behindertenparkplatzes normalerweise eine Behindertenparkkarte besitzen müsse. Worauf sie dann antwortete, dass hätte sie gar nicht gewusst. Ich liess es dann dabei bewenden und dachte nur, wer glaubt wird selig.
Dann als wir schön am Pöstelen sind, sehe ich wie meine Assistentin von einer Frau angesprochen wird. Leider kann ich nicht verstehen was gesprochen wird. Meine Assistentin erklärte mir was vorgefallen war. Anscheinend haben wir zu nahe an ihrem Auto geparkt. Wir ständen beinahe Stossstangen an Stossstange. Und wir sollten beim herausfahren ja nicht den Vorwärts- anstelle des Rückwärtsganges einlegen. Das war doch die grösste Frechheit. Hätte sie dies auch gesagt, wenn ich keine Behindertenparkkarte an der Autoscheibe gehabt hätte? Sicherheitshalber ist meine Begleiterin nachschauen gegangen. Eine ganze Hand hat noch zwischen die beiden Stossstangen gepasst, das reicht doch. Entweder kann man Parkieren oder nicht. Und da das andere Auto bereits ältere Schäden
an der Stossstange aufwies hat meine clevere Begleiterin zur eventuellen Beweislage gleich mit dem Handy Fotos geschossen. Wir sind ja nicht blöde.
Beim nächsten Einkaufcenter, bei welchem ich schon vor drei Wochen wegen der fehlenden Behindertenparkplätzen Vorstellung wurde, wollte ich Nachfragen ob sich nun etwas tue. Die Antwort des momentanen Filialleiters lautet, sie hätten entschieden, dass ein Behindertenpark ausreiche. Wir sollten doch bei Bedarf einfach zwei Parkplätze benutzen. Das kann‘s doch aber auch nicht sein. Da ich hier nichts mehr selber ausrichten kann, habe ich nun das Ganze an eine professionelle Instanz weitergeleitet.
Manche fragen sich sicher warum ich meine Kraft und meine Psyche mit solchen Dingen vergeude. Ich hingegen finde, wenn ich schon nichts gegen meine Krankheit tun kann, so kämpfe ich an der Front, an der ich Einfluss nehmen kann.
Und jetzt kommen wir zu meinen roten Ohren. Nach all dem Stress musste ich mir einfach was Gutes zukommen lassen. Kurzerhand entschloss ich mich, meine ehemalige Arbeitsstelle aufzusuchen um mir dort einen weiteren Satz Ohrringe stechen zu lassen. Meine Bedenken wegen der Blutverdünnung liess ich einfach hinter mir. Zwei von meinen ehemaligen Mitarbeiterinnen haben mich kompetent beraten und betreut. Es ist nicht mal Blut geflossen. Nun zieren vier kleine Zirkoniasteinchen meine inzwischen leicht geschwollenen roten Ohren.
6. Der Föhn demonstriert mal wieder seine Kraft. Seit zwei Tagen fegt er mit zum Teil 115 Km/h durch Berg und Tal. Er rüttelt an den Dachziegeln und schüttelt die jungen Planzentriebe ganz schön durch. Dem Schnee setzt er auch arg zu. Im Tal hat er mit den warmen Temperaturen von 14 Grad den Schnee zum Schmelzen gebracht. Auch an den Berghängen wird es immer grüner. Wird aber auch langsam Zeit, dass meine Rolli-Wege, welche im Schatten liegen, auch endlich Schneefrei werden.
Ich wäre eigentlich bereit für die Ausfahrten. Piet hat mir letztes Jahr extra einen Tisch kreiert, damit ich unabhängig zum PC hin und vom PC wegfahren kann, ohne dass mir dauernd jemand den Rolli-Tisch am Rollstuhl befestigen oder entfernen muss.
Solche Hilfsmittel kann man nicht kaufen. Da kann man sich Von schätzen, wenn man einen handwerklich begabten und ideenreichen Partner hat, so wie ich einen habe.
11. Am Samstag nahmen wir mal wieder an einem ALS-Selbsthilfegruppentreffen teil. In der Schweiz gibt es ca. 5 ALS-Selbsthilfegruppen mit unterschiedlichen Standorten. Die Teilnehmer der jeweiligen Gruppe treffen sich 4-5 Mal im Jahr zum Erfahrungsaustausch. Wir konnten bei den letzten Malen nicht mehr teilnehmen, da die Treffen unter der Woche stadtfanden. Nun sollte es aber eine Änderung geben. Am Treffen nahmen nebst der Moderatorin 9 Betroffene und 9 Angehörige teil. Die meisten kannten wir bereits, doch es gab leider auch wieder Neubetroffene welche wir natürlich herzlich in der Gruppe begrüssen. Wir „Älteren“ wissen genau was in denen vorgeht, welche mit der Diagnose ALS erst vor kurzem konfrontiert wurden. Trauer, Tränen, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit prägen die erste Zeit. Den Kopf voller Fragen nach dem wie weiter. Einige dieser Fragen können beim Besuch einer Selbsthilfegruppe besprochen werden. Wir geben einander Tipps und teilen Erfahrungen miteinander. Klar kommt auch immer wieder an solchen Treffen Traurigkeit auf, wenn man sieht wie die Krankheit bei dem einten oder anderen weiter fortgeschritten ist oder wieder Jemand in der Gruppe fehlt. Doch die Hilfe, die man von der Gruppe erfährt, überwiegt.
Da sich der Sonntag im schönstem Sonnenschein präsentierte, legte ich mich Draussen im Rolli an die Sonne. War das Wunderschön. Den Frühlingsblumen gefällt dieses Wetter natürlich auch. Immer mehr strecken ihre Köpfe aus der Erde. Auch unser Bärlauch gibt mächtig Gas. Die zarten, grünen Blätter haben etwa eine Länge von 5 cm. Ich freue mich schon auf den Bärlauch-Risotto.
17. Gestern sass auf dem Balkon und habe die Sonne in mein Gesicht scheinen lassen. Der Himmel war stahlblau. Keine Wolke hat sich gezeigt. Doch plötzlich kam der Föhn hinter den Bergen hervorgekrochen und hat den Schnee auf den Bergkämmen in Staubwolken verwandelt.
Es war interessant das beginnende Treiben zu beobachten. Lange hielt ich es jedoch nicht aus. Trotz der Sonne war es doch recht kalt. Und je mehr der Föhn anfing zuzulegen, desto windiger wurde es auf dem Balkon. Mittlerweile bringt er mal wieder Böen von 130 Km/h zustande. Unsere Dachziegel bekommen wegen dem Föhn mal wieder das Zittern. In dem Fall ist es dann besser, sich nicht auf dem Balkon aufzuhalten.
Ich habe dann am Nachmittag einen Bau- und Hobbymarkt aufgesucht. Mein Mann begab sich dort die Handwerksabteilung, während ich die Garten- und Hobbyabteilung durchstöberte. Ich suche immer noch einen tönernen Hasen, welchen ich zwischen die mit Eiern geschmückten Sträucher im Freien setzen möchte. Ich habe mir eine genaue Vorstellung gemacht, wie er aussehen muss. Leider habe ich den passenden noch nicht gefunden. Ich habe ja noch ein wenig Zeit um fündig zu werden. Es hätte jedoch wunderschöne, bunte Blumen gehabt. Doch mit dem kaufen warte ich noch. Will sie schliesslich nicht dem Kälteschock aussetzen. Dafür liebe ich die Blumen zu sehr.
22. Da der Frühling hier nicht recht in die Gänge kommen mag, sind mein Mann und ich Gestern kurzerhand gen Süden gefahren. Im Tessin beginnen sich die Knospen der Kamelien zu öffnen und die Magnolienbäume blühen bereits. Auch die Forsythien und die Japanischen Kirschbäume brauchen nur noch zwei- drei Sonnentage und sie werden uns mit ihren filigranen Blüten betören. Wir haben die warmen Temperaturen 15° – 18° C, welche uns auf der Fahrt um den Lago Maggiore begleiteten sehr genossen.
Heute waren die Temperaturen bei uns auch erträglich und ich konnte mich doch so zwei- drei Stunden im Freien aufhalten. Währenddessen widmete sich Piet seinen Motorrädern. Bald beginnt die Töff-Saison und da muss vorher noch einiges herum geschraubt werden. Dabei darf auch der Ölwechsel nicht fehlen.
Ich weiss es kann sich nur noch um wenige Tage handeln und dann ist der Frühling endgültig da. Schliesslich hat Martin Horat von den Muotathaler Wetterschmöcker prophezeit, dass an Ostern kein Schnee liegen werde. Das ist auch besser so. Ansonsten würde mein inzwischen gefundener, wunderschöner Deko-Hase im Schnee untergehen.
23. Da Heute die Temperaturen doch etwas wärmer waren als Gestern hielt mich nichts im Haus. Endlich konnte ich unseren Garten wieder etwas genauer unter die Lupe nehmen. Ich musste allerdings vorsichtig übers Grundstück fahren. Momentan hat es sehr viele wilde Primeln und Gänseblümchen im Rasen, die wollte ich mit meinem schweren Rolli nicht platt walzen. Die Osterglocken, Tulpen und Hyazinthen strecken sich immer weiter aus dem Boden. Auch braucht es nicht mehr so lange und die Japanische Kirsche und der wilde Johannisbeeren Strauch öffnen ihre rosa und roten Blüten. Ich habe schon wieder Pläne geschmiedet, wo ich neue Blumen hinpflanzen möchte. Nun kann ich solche Arbeiten wieder selber, respektive mit einer meiner Assistentin zusammen, angehen. Sonst musste ich immer meinen Mann darum bitten. Ihm gefallen zwar Blumen, doch mal ehrlich, wir Frauen haben doch eher ein Händchen fürs arrangieren und das dekorative. Ich freue mich richtig, bald mit meiner Assistentin im Garten werkeln zu können.
Nächste Woche hat er zwar wieder Schlechtwetter prognostiziert, doch lange wird es sich nicht halten können. Ich habe heute vorsorglich Sonne auf Vorrat getankt. Meine Backen sind nämlich schön rot geworden und geben nun die gespeicherte Wärme an den ganzen Körper ab. Die Sonne ist einfach wunderbar.
24. Darf ich euch die zwei niedlichen Kälber vorstelle. Quenda mit den roten Haaren kam Ende letzten Jahres und Rani mit den schwarzen Haaren kam Anfang dieses Jahres zur Welt. Was mich besonders freut; ich durfte dem ersten Kälbchen, welches in diesem Jahr geboren wird einen Namen geben. Da die Namen der Aufzuchtkälber dem Alphabet folgen, musste ich lediglich den Anfangsbuchstaben beachten. Dieses Jahr ist es eben der Buchstabe „R“. Ich habe mich übers Internett betreffs Namen und deren Bedeutung schlau gemacht. Schlussendlich habe ich mich für den Namen Rani entschieden. Was je nach Gegend so viel bedeutet wie; Königin, Prinzessin oder meine Freude. Inzwischen hat sich noch ein weiteres Kälbchen mit dem Namen Ronja zu den Beiden gesellt. Nun heisst es während den ersten Wochen trinken, trinken, so um die 5 – 6 Liter Milch im Tag. Danach gibt es erst festere Nahrung.
26. Sie sind wieder weiss die Bäume und Sträucher. Und die jungen Frühlingsblumen haben ihre Blütenköpfe wegen der Kälte wieder zugeklappt. Die Deko-Ostereier, welche wir im Freien aufgehängt haben, haben inzwischen weisse Käppchen bekommen. Und der Osterhase, welchen wir auf einer Wurzel platziert haben, friert sich fast seine Ohren ab. Die weisse Landschaft mag ja schön aussehen, doch irgendwann möchte ich doch wieder Farben sehen. Frühling wo bleibst du, ich vermisse dich. Ich will nicht mehr frieren, ich will Sonne und Wärme. Ich will auf meine Rollitouren.
Letzte Woche, als wir Ferien hatten, konnten wir wenigstens in den Süden ausweichen. Nun müsste ich aber alleine dorthin fahren. Ich könnte ja versuchen mit dem Rolli durchs Gotthardtunnel zu fahren. Doch wenn ich an den Stau und das Gehupe hinter mir denke, macht das kaum Spass. Eine Alternative wäre höchstens noch die Passstrasse. Sie ist zwar noch geschlossen und mit Schranken abgesperrt. Weil ich als Rollifahrer jedoch ständig mit Barrieren konfrontiert werde, würde ich auch diese umfahren können. Doch es lohnt sich nicht. Im Süden soll es wettermässig auch nicht viel besser sein. Also kann ich genauso gut hier bleiben und die Schneeflocken zählen.
APRIL
1. Endlich mal einen ganzen Tag voll Sonnenschein. Es ging zwar die kühle Biese, doch an einem geschützten Ort bekam man im Pullover doch recht warm. Ich war jedenfalls den ganzen Nachmittag im Garten und habe Pläne geschmiedet. Ich möchte erreichen, dass in unserem Garten vom Frühling bis Herbst steht’s etwas Blühendes anzutreffen ist. Seien es nun Blumen, Sträucher oder fruchttragende Pflanzen. Es ist doch einfach wunderbar, zuzusehen wie etwas aufwächst und gedeiht.
Ich hoffe jetzt nur, dass endlich Schluss ist mit dem Schnee und die Sommervögel bald eintreffen.
Unser Osterhase hat die Kälte anscheinend gut überstanden. Die Eierdiebe haben sich jedenfalls nicht an seine Eier gewagt.
3. Warten, warten und immer wieder warten. Ich muss mich inzwischen selbst überlisten, damit ich die Hoffnung auf wärmere und sonnigere Tage nicht verliere. Er ist lang, sehr lang dieser Winter. Die Natur möchte sich endlich entfalten, möchte wachsen und ihre farbenfrohen Blüten zeigen. Doch dafür benötigt sie wärmere Temperaturen und die gibt es nur durch Sonnenschein. Ich bräuchte sie auch dringend, sonst muss ich die Vi-De3 Tropfen wegen des Sonnenmangels, noch lange einnehmen. Diese Tropfen sind so grausig im Geschmack, dass ich immer wieder etwas anderes ausprobiere muss, um sie runter zu kriegen. Und diese Tropfen verabreicht man auch Kleinkindern. Dem sag ich Geschmacksnervenquälerei.
Einer meiner Überlistungsversuche wegen des Frühlings war der Heutige Coiffeur Besuch. Eine pfiffige Kurzhaarfrisur mit hellen Sonnenschein Strähnchen musste her. Und Anfangs Woche habe ich für unseren Garten, Blumen übers Internet bestellt. Vielleicht helfe ich dem Frühling damit auf die Sprünge. Hallo Sonne, wir sind hier, hier unter der Nebeldecke. Schick doch wenigstens ein paar Strahlen zu uns herunter, sonst gehen wir noch ein.
6.Es war 18.30 Uhr als ich mich an den PC gesetzt habe. Mein Mann hatte kurz davor den Frühling in mein Büro gebracht. Er hat den Rand meines PC-Bildschirmes mit farbenfrohen Blumen, bunten Schmetterlingen und wunderschönen Vögeln dekoriert. Ein Glückskäferli ist auch noch dabei. Mein Mann überrascht mich immer wieder mit solch schönen Dingen. Dies schätze ich sehr an ihm. Als ich nun am PC anfange zu „arbeiten“ bemerke ich wie Vögel in rasantem Tempo an meinem Fenster vorbeifliegen. Als ich genauer hinschaue kann ich es kaum glauben, was ich da sehe. Die Schwalben sind endlich bei uns eingetroffen. Das kann nur bedeuten, dass es endlich wärmer wird und wir bald den Frühling geniessen können. Judihui!
9. Leute, ich habe gute Nachrichten für euch. Ich bin am Wochenende den Frühling suchen gegangen. Ich habe ihn auch tatsächlich gefunden. Als wir am Sonntag auf der Südseite aus dem Gotthardtunnel fuhren, begrüsste uns die Sonne mit ihrem schönsten Lächeln. Zwischen dem Nebelgrau auf der Nordseite und der strahlenden Sonne auf der Südseite des Gotthards liegen gerade mal 20 Autominuten. Wir kamen uns vor wie in einer anderen Welt. All diese blühenden Sträucher und Bäume. Das satte Grün der Wiesen mit dem blühenden Löwenzahn. Es war richtig warm, sodass wir beschlossen, zur Abkühlung den Heimweg über den Lukmanierpass zu nehmen. Dort trafen wir dann wieder auf den Winter. Aber auch dort oben wird bald der Frühling einziehen.
20. Sie waren so schön, die vergangenen Frühlingstage. Ich habe sogar etwas Farbe im Gesicht und an den Armen bekommen. Einige mögen sagen es gehe schon in Richtung eines Sonnenbrandes Ich denke, wenn es so weiter geht kann ich die Vi-De 3 Tropfen, die ich wegen Sonnenmangel einnehmen muss, bald absetzen. Schliesslich haben mir in den letzten Tagen mehrere Personen gesagt, dass ich so frisch und gesund aussehe. Mir geht es tatsächlich sehr gut. Das habe ich vor allem dem wunderschönen Frühlingswetter zu verdanken. Ich kann wieder nach draussen und mich in der Natur auftanken. Ich komme mir vor wie eine Blume, die sich wieder entfalten kann.
Letzte Woche war es noch nicht so. Da hat mich doch tatsächlich noch schnell eine Magengrippe mit Krämpfen und Durchfall heimgesucht. Man kann sich ja vorstellen, was das für Personen wie mich bedeutet, die nicht mal schnell das Örtchen aufsuchen können. Da bleibt einem nichts anderes übrig, als Windeln zu montieren. Einen Vorteil hat das Ganze wenigstens, man sitzt weich und warm.
Ich habe mittlerweile schon zwei- drei Rollitouren unternommen. Eine führte mich zum See und zu den Biotopen. Eine über den Hochweg durch den Felsentunnel. Es hat mich natürlich besonders gefreut, dass die defekten Holzwasserkanäle inzwischen durch Metallkanäle ersetzt wurden. Nun kann ich diese Strecke wieder ohne Gefahr befahren. Dem Zivilschutz sei Dank. Ohne ihn könnten die vielen Wander- und Bike Strecken gar nicht unterhalten werden. Am Donnerstag habe ich mich auf dem Reuss Damm Richtung Süden aufgemacht. Das Wetter war ja so herrlich. Da neue Wege angelegt wurden, konnte ich bis Amsteg fahren. Auf der Fahrt begegneten mir diverse Schmetterlinge, welche schon emsig nach Nektar suchten. Manchmal bin ich ganz schön erschrocken, ab dem plötzlich auftretenden Rascheln im Unterholz. Gewiss streckte dann eine Eidechse ihren Kopf vorwitzig unter vertrocknetem Laub hervor. Es war eine lange Route und ich war froh, dass die Warnlampen meiner Batterieanzeige erst kurz vor meinem Zuhause anfingen zu blinken. Sonst hätte ich doch glatt meinen Mann mit dem Servicewagen aufbieten müssen. Ich hätte gerne Batterien, mit denen ich den ganzen Tag unterwegs sein könnte. Leider gibt es keine mit grösserer Reichweite.
Ich denke, es ist ganz gut, dass das schöne Wetter eine kleine Pause eingelegt hat. Der Regen tut der Natur sehr gut. Doch Schnee hätte es keinen mehr geben müssen.
MAI
1. Dank dem heutigen Föhn, der immer wieder die Regenwolkendecke aufriss um der Sonne Platz zu verschaffen, war es angenehm warm. Ich hab mich nach Wetterphase jeweils Drinnen und Draussen aufgehalten. Es war herrlich unserem Dorfbach zu lauschen, welcher direkt an unserer Grundstücksgrenze entlang fliesst. Wegen den Regenfällen und der Schneeschmelze führt er mehr Wasser als sonst. Manchmal konnte ich die polternden Steine hören, die das Wasser mit sich führte. Das Rauschen eines Baches, das Vogelgezwitscher im Nussbaum ob mir, die Blumen und Pflanzen welche am Erblühen sind, der Frühlingsduft und die wärmenden Sonnenstrahlen, was brauch ich anderes um glücklich zu sein.
5. Zum Glück konnte ich heute mal wieder richtig Sonne tanken. Das hatte ich nach dem gestrigen Tag auch dringend nötig. Am Samstag haben mein Mann und mein Sohn, draussen am Balkon gewerkelt. Da wollte ich natürlich auch dabei sein und meinen Senf dazu geben. Später stand ich meinem Sohn mit Rat zur Seite, als er seine neuen Beerensträucher einpflanzte. Ich dachte, ich hätte mich warm genug angezogen. Doch nach dem Nachtessen überkam mich eine derartige Kälte, dass mir nichts anderes übrig blieb als mich mit zwei heissen Bettflaschen (mehr haben wir nicht), mit dem heissen Hirsekissen und dem heissen Kirschsteinkissen ins Bett zu legen und die Bettdecke bis an die Nasenspitze hochzuziehen. Nach ca. 2 Stunden, nachdem mir Piet zwischenzeitlich immer wieder die Kissen aufwärmte, erlangte ich endlich wieder meine normale Betriebstemperatur. Diese Kälteempfindlichkeit ist eben auch eine Begleiterscheinung der Krankheit ALS. Letztes Wochenende waren Sonja, ebenfalls von ALS betroffen, ihr Mann Andi und Brasil, Sonjas Hilfshund bei uns zum Raclette-Essen. Auch sie kennen das Problem mit der Kälte. Nun weiss ich auch warum in unserem ALS-Notfallpass steht, man müsse uns warm halten.
Der Nachmittag mit Sonja und Andi war sehr schön. Es ist so wertvoll, mit andern Betroffenen Kontakt zu halten. Wir müssen uns schliesslich mit denselben Problemen herum schlagen und können einander mit Tipps und Ratschlägen aushelfen. Wir können so viel voneinander profitieren. Schade nur, dass wir so weit voneinander wohnen. Aber zum Glück gibt’s ja noch das Internet, auch wenn es nicht dasselbe ist.
Übrigens, ich bin nicht nur auf der Datenautobahn unterwegs. Ich habe inzwischen meinen eigenen Highway bekommen. Vor drei Wochen wurden bei uns rings ums Haus Platten verlegt. Jetzt kann ich mit dem Rollstuhl, ohne dass ich im Rasen einsinke und ohne das ich in der Steigung neben dem Dorfbach ins Rutschen gerate, ums Haus kurven. Ich bin sehr froh darüber. Dies gibt mir wieder ein bisschen mehr Selbständigkeit.
6. Das Wetter weiss noch nicht so recht was es will. Ich jedenfalls bin geduscht und frisiert und wäre also bereit nach Draussen an die Sonne zu gehen, eh, natürlich zu fahren. Da ich bereits gestern den Menüplan und der Einkaufzettel für diese Woche erstellt habe, hätte ich nun Zeit für ein bisschen Sonne. Am Nachmittag bin ich bereits wieder mit einer meiner Assistentinnen unterwegs zum Wocheneinkauf. Ja, meine Wochentage sind schon straff organisiert. Doch nur so kann mein / unser Alltag funktionieren. Manchmal möchte man schon gerne mehr Privatsphäre. Es gehen eben schon einige Personen bei uns ein und aus. Doch der Vorteil, die Spitex und Assistentinnen einsetzen zu können überwiegt gewaltig. Ohne sie würde es Zuhause gar nicht mehr funktionieren und ich müsste in ein Pflegeheim eintreten. Im Kanton Uri bedeutet dies, ich würde in einem Altersheim versauern. Darum sind wir auch allen sehr dankbar, die mir das Leben zu Hause ermöglichen. Dankeschön☺! Um die Woche noch voller zu machen, besucht mich meine Physiotherapeutin auch noch zweimal die Woche. Ich liebe es und es tut meinem Körper so gut, wenn er durchbewegt wird. Mit diversen Übungen versuchen wir meine Beweglichkeit so lange wie möglich zu erhalten. Bislang klappt es sehr gut. Ich habe kaum Spastiken oder sonstige Schmerzen. Durch die gelegentlich angewandte Lympftrainage habe ich kaum Wasseransammlungen in den Beinen und Armen. Also wie ihr lest, werde ich sehr gut Betreut.
Wo die Betreuung weniger gut funktioniert ist beim Hausarzt. Da ich seit meiner Lungenembolie Blutverdünnende Medikamente einnehmen muss, müsste der Blutwert monatlich kontrolliert werden. Leider bringt es die moderne Arztpraxis nicht fertig, wiederkehrende Termine vorausschauend zu terminieren. Jedes Mal muss ich aufs Neue nachfragen. Ich würde ja die Praxis wechseln, doch bei dem Hausarztmangel fasst eine Unmöglichkeit. Aber sonst geht es mir ja gut.
So, jetzt muss ich mit dem schreiben aufhören. Es gibt gleich Mittag und danach geht’s zum Wocheneinkauf.
8. Endlich! So liebe ich es. Als ich heute Morgen die Augen öffnete wurde ich sogleich von der Sonne geblendet. Sie hat mit ihren Strahlen direkt in mein Gesicht gezielt. Von den warmen Strahlen liebkost zu werden, tut der Seele und dem ganzen Körper gut. In der letzten Zeit ist es ja ein ständiges auf und ab mit dem Wetter. Mal schien die Sonne so stark, dass man in den Schatten flüchten musste. Kurze Zeit später zogen Wolken auf, es begann zu regnen und es wurde wieder so kalt, man hätte einen Winterpulli anziehen müssen. Die ständigen Wetterkapriolen gehen mir langsam auf den Wecker. Am liebsten würde ich jetzt an einen warmen Ort in die Ferien fahren.
Eine Ferienrundreise durch Frankreich (Route Napoleon) habe ich ja schon fixfertig geplant in der Schublade liegen. Die Tagesrouten und alle 5 Hotels habe ich inzwischen ebenfalls gebucht. Es war eine Herausforderung für mich, denn ich kann nämlich nicht Französisch. Zum Glück gibt es die Sprachübersetzungen. So konnte ich mich bei den jeweiligen Hotels nach Barrierefreien Zimmern erkundigen. Also, ich wäre startklar. Doch ich muss mich noch einige Zeit gedulden bis mein Mann Ferien hat.
Da heute Schönwetter ist, ich nach Draussen kann, wird die Zeit bis zu den Ferien auch schneller vergehen. Ich jedenfalls werde heute das wunderschöne Wetter geniessen.
11. Gigeriegii, seid ihr überhaupt aufgestanden. Bei diesem Wetter würde ich mich nicht wundern, wenn einige das verlängerte Auffahrtswochenende im Bett verbringen würden. Das wäre aber schade. Man kann auch im Regen Ausflüge unternehmen und dabei interessantes und skurriles entdecken. Ich habe ja schon einige Hühnerbehausungen gesehen. Doch so ein kurioses Hühnerhaus hatte ich doch noch nie vor der Linse. Sieht doch komfortabel aus. Vielleicht wird im Sommer sogar die Klimaanlage eingeschaltet und im Winter die Heizung. Das muss ja besonders gute Eier geben. Ich frag mich gerade, wie wohl die Sitzverteilung im Auto ist. Ich nehme an, es ist wahrscheinlich nicht anders als bei uns. Der Hahn wird wohl auf dem Fahrersitz thronen.
Was es sonst noch zu bewundern gibt, sind die momentan blühenden Rapsfelder. Es lohnt sich, deswegen mal über Land zu fahren. Die Rapsblüten haben so ein intensives Gelb. Es scheint, als würde die Sonne vom Boden herauf scheinen.
Übrigens, Raps ist der wichtigste Speiseöllieferant in der Schweiz. Die Anbaufläche in der Schweiz beträgt ungefähr 20 000 Hektaren, was der Fläche von rund 30 000 Fussballfeldern entspricht.
22. Nun ist sie auch schon wieder vorbei, unsere Route Napoleon Reise. Obwohl das Wetter besser hätte sein können, war es eine schöne Reise.
Am ersten Tag auf dem Weg nach Annecy konnten wir noch mit offenem Cabriodach fahren. An den andern sechs Tagen waren entweder die Temperaturen zu tief oder es hat geregnet. Wie in ganz Europa. Wer um diese Jahreszeit diese Route fährt trifft nicht auf staubige und verdorrte Felder. Vielmehr fährt man durch grüne Wälder und Ernte tragende Felder. Der Lavendel hat zwar noch nicht geblüht, dafür der Mohn. Auf Route Napoleon geht es Berg auf und ab. Bei 1200 m. ü. M und ohne Sonne haben wir dann freiwillig auf oben Ohne verzichtet. Es gab skurrile Felsformationen und tiefe Schluchten zu bestaunen. Die wilde Vegetation hat uns sehr gefallen. Unterwegs trafen wir immer wieder auf kleine abgelegene Dörfer und auf Gutshöfe und Destillerien, welche Olivenöle, Weine usw. herstellen. Es war eine abwechslungsreiche Reise die uns von Genf nach Annecy, dann nach Gap, über Castelan nach Gréoux-les-Bains, dann weiter über Grasse nach Antibes, dann nach Savona und über Alexandria wieder nach Hause führte.
Die Hotels und die Zimmer waren mehrheitlich Behindertengerecht ausgestattet. Manchmal musste lediglich ein Möbelstück verrückt werden oder der Gartenstuhl musste als Duschstuhl herhalten. Es sind Kleinigkeiten, die nicht zu Ende studiert wurden. Im Grossen und Ganzen bin ich mit der Planung der Reiseroute und den Unterkünften zufrieden. Es hat mehrheitlich alles geklappt. Ich hatte aber auch einen exzellenten Fahrer, Begleiter und Betreuer. Schatz, ich danke dir, dass du uns diese Reise ermöglicht hast.
29. Wunderscheenä Abighimu. Einzelni Wuwchä hend ä retlichä Schimmer ibercho und a einzelnä stellä gseht mä dr blaui Hiimu viirälüägä. Äs rägnet eu nimmä und Dussä isches eu viu heller wordä. Bi derä verchertä Wäut würds mich nit wunderä, wenn diä Nacht d’Sunnä statt dr Mond schienä würd.
Als ich vorhin meine Homepage öffnete, habe ich mich fast erschrocken. Mein letzter Tagebucheintrag liegt bereits eine Woche zurück. Da muss ich ja gleich was unternehmen und euch was aus meinem Leben berichten.
Da mein Mann letzte Woche noch Ferien hatte und das Wetter bei uns nicht gerade berauschend war, zog es uns mal wieder in den Süden. Von uns aus sind wir in 50 Minuten im Tessin. Jedoch auch nur, wenn vor dem Gotthardtunnel kein Stau herrscht. Unter der Woche oder im Sommer, wenn man über den Pass fahren kann, kommt man besser vorwärts. Der Gotthard ist die Wetterscheide zwischen Nord und Süd. Letzte Woche waren wir zweimal unten und es war beides Mal über 20 Grad. Dass es bei uns Zuhause definitiv zu nass und zu kalt für diese Jahreszeit ist, dass sogar die Schnecken mit uns in den Süden fahren wollen, ist Beweis genug.
Am Montag und Dienstag dieser Woche war dann das Wetter doch so schön, dass ich mit dem Rolli meine Runden drehen konnte. Einmal war ich am See. Es war herrlich, nur am See zu sitzen, die Wasservögel zu beobachten, dem Wasser und dem Wind zu lauschen und den Duft der Natur aufzunehmen. Ich fühle mich dabei so unendlich frei und glücklich. Ich empfinde mein Leben trotz Allem wunderschön.
JUNI
14. Da ich wusste, dass die Sonne am Freitag eine Pause einlegen würde, hatte ich mir für heute vorgenommen, mir Zeit für meine Homepage zu nehmen. Doch meine Müdigkeit hat mich gezwungen im Fernsehsessel Platz zu nehmen, um mich auszuruhen. Eigentlich hatte ich diese Woche bereits meinen Nichtstun Nachmittag eingezogen, indem ich volle zwei Stunden unter dem Nussbaum geschlafen habe. Anscheinend hat dies nicht gereicht. Doch jetzt bin ich ausgeruht und ich werde ein paar Zeilen zum Besten geben.
Wie ihr euch sicher vorstellen könnt, konnte mich nach den vielen Regentagen nichts mehr im Hause halten. Sobald sich die Sonne am Himmel gezeigt hat, bin ich in alle Richtungen ausgeschwärmt. Ich musste mich doch erkundigen, ob meine Lieblingstrecken durch das viele Nass keine Schäden zurückbehalten haben. Als ich meine Felsenstrecke (Hochweg) inspizieren wollte, waren Arbeiter gerade dabei, die Strecke wieder begeh- befahrbar zu machen. Sie füllten die Gräben, welche das viele Wasser hinterlassen hatte, mit Schotter auf. Dank meinem Offroader- Rollstuhl konnte ich die Strecke mit Vorsicht befahren. Bei der nächsten Ausfahrt nahm ich die Seestrecke unter die Lupe. Der See war recht hoch und am Strand lagen Unmengen von Treibholz. Die Stein- und Sandbänke, welche von den Wasservögeln gerne als Liegeplätze aufgesucht werden, waren mehrheitlich unter Wasser. Die Sumpfflächen, welche sich in der Nähe des Sees befinden, waren reichlich mit Wasser getränkt. Die Frösche fühlten sich darin richtig wohl. Ihre Quack-Konzerte waren ringsum zu hören und wollten nicht enden. Ein anderes Mal besuchte ich meinen Bruder, der mit seiner Familie und Helfern am Heuen des Bordes war. Ich liebe den Duft von frischem Heu. Ich könnte mich glatt reinlegen. Wie gerne hätte ich mitgeholfen, doch ich konnte sie lediglich mit Glace versorgen. Und Gestern verbrachte ich den ganzen Nachmittag bei meinen Eltern. Unter dem Nussbaum, genossen wir natürlich ein feines Feldlikaffee (Urnerkaffee). Als wir so dasitzen und uns unterhalten, poltert es plötzlich neben uns. Wir sehen, wie eine der fünf Katzen etwas im Maul hält. Meine Mutter meint, bei der Beute handle es sich um eine Maus und sagt sogleich „brave Katze“. Mein Vater und ich schauen sie an und sagen: Es ist ein Vogel. Worauf meine Mutter die Katze anschaut und sagt „böse Katze“. Die Katze verschwindet darauf blitzartig mit ihrer Beute Richtung Stall. 10 Minuten später geht mein Vater die Kühe füttern. Doch kurz darauf kommt er ausser Atem wieder zu uns an den Tisch und wir haben schon Angst es gehe ihm wieder nicht gut. Doch weit gefehlt. Er schaut uns verschmitzt an, legt seine rechte Hand auf den Tisch und öffnet sie vorsichtig. Zuerst fällt Grass aus seiner Hand und kurz darauf hüpft etwas auf den Tisch um sogleich davon zu flattern. Mein Vater sagt, er habe gesehen, wie die Katze mit ihrer Beute zwischen dem Grass spielt und hat ihr den Vogel kurzerhand abgejagt. Und das mit seinen 87 Lenzen. Meiner Mutter und mir hätte er an diesem Tag nichts Schöneres geben können. Glücklich und zufrieden bin ich dann später Nachhause gefahren.
Auf meinen Ausfahrten durfte ich immer wieder an wunderschönen Wildblumen vorbeifahren. Über so viel Schönes kann ich einfach nur staunen.
22. Manchmal, wenn ich mit vielen Sachen gleichzeitig konfrontiert werde, schwirrt es in meinem Kopf und ich kann dann schlecht abschalten. Ich schlafe schlecht, habe doofe Träume und bin dann am Tage dementsprechend müde. Meine Gedanken waren in letzter Zeit oft bei Menschen, die mir am Herzen liegen und denen es Gesundheitlich nicht besonders gut erging. Ich habe mir unter anderem Sorgen um meinen Vater gemacht. Zum Glück geht es ihm inzwischen wieder besser. Nun muss er einfach noch die Kraft finden, sich einzugestehen, dass in seinem Alter nicht mehr alles möglich ist. Auch mein lieber PC-Freund aus Berlin hatte keine gute Zeit. Sein Körper und sein Geist wollten eigentlich diese Welt verlassen, doch etwas veranlasste ihn dann doch noch zu bleiben. Vielleicht war es das schöne Wetter, auf das wir Rollifahrer so lange warten mussten. Grosse Gedanken mache ich mir auch um eine neubetroffene ALS-Kollegin. Ich studiere, wie ich sie und ihr Umfeld unterstützen könnte. Ich weiss, was sie jetzt durchmachen. Allen wünsche ich viel Mut, Lebenswillen und die Kraft, die für sie passenden Entscheidungen zu treffen. Vergesst nie, dass es neben Tränen auch noch ein Lachen gibt.
Ich wünschte, ich wäre mobiler und meine Stimme verständlicher, dann könnte ich diesen Menschen besser helfen. Aber auch ich muss akzeptieren, dass manches einfach nicht mehr möglich ist. Machen wir also das Beste aus der jeweiligen Situation. Je schneller wir unser Schicksal akzeptieren, desto schneller kehrt die Lebensfreude zurück.
Erfreuen wir uns an all dem Schönen, was die Erde hervor bringt.
24. Diese Nacht konnte ich wieder mal richtig durchschlafen. Allerdings wurde ich um kurz vor halb Sechs durch Hüftschmerzen geweckt. Zum Glück stand mein Mann kurz danach auf und konnte mich auf die andere Seite drehen um die Hüfte zu entlasten. Diese Schmerzen habe ich immer wieder mal. Sie dauern jedoch höchstens einen Tag an. Manchmal muss ich aber auch ein Medikament einsetzen. Mir hilft dann am besten das Schmerzmittel Celebrex.
Ich könnte diese Schmerzen umgehen, wenn es mir endlich gelingen würde, auf dem Rücken zu schlafen. Ich versuche es immer wieder mit mässigem Erfolg. So auch vom Samstag auf den Sonntag. Die Stunden vergingen, die Nacht wurde zum Tag und ausser zwei, drei Nickerchen zwischendurch war da nichts mit Schlaf. Ich habe ja gewiss Ausdauer, doch um 6 Uhr riss bei mir die Geduld und Piet musste Aufstehen und mich auf die Seite drehen. Aber ich sage euch, ich werde das auch noch schaffen.
Letzte Woche wurde ich von mehreren Ereignissen aus dem Schlaf gerissen. Am Mittwoch wurde ich um ca. 5 Uhr durch Glockengeläut geweckt. Ich wäre gerne ans Fenster gelaufen um dem Vieh und den Leuten beim Alpaufzug zuzuschauen. Von so was lasse ich mich natürlich gerne Wecken. Weniger lustig fand ich dann am andern Tag das rütteln an meinen Fensterläden. Der Föhn wollte wieder mal seine Kraft demonstrieren. Jetzt ist es jedoch fertig, mit dem aus dem Schlaf rütteln. Piet hat eine stärkere Befestigung an den Läden angebracht.
26. Was ist eigentlich mit dem Wetter los. Zuerst gab es den langen Regen, dann die grosse Hitze und nun diese Kälte. Morgen soll es sogar bis auf 1600 Meter hinunter schneien. Heute Morgen musste ich die Spitex anweisen, mir wärmere Kleidung anzuziehen. Nun liege ich mit Thermoleibchen und Winterpulli unter einer Decke, schaue Fernsehen und schreibe auf dem Tobii fürs Tagebuch. Dem sagt man Multitask. Das sollen Frauen ja besonders gut beherrschen.
Eigentlich würde ich jetzt lieber in der Welt herumkurven, doch frieren mag ich einfach nicht mehr. Diese Woche war ich nur zum Einkaufen draussen. Zum Glück war eine meiner Assistentinnen bei mir. Ich wollte zur Papeterie fahren um Druckerpatronen zu kaufen. Leider wurde ich durch eine hohe Eingangsstufe vor dem Geschäft ausgebremst. Früher suchte ich eine andere Papeterie auf, bei der ich ungehindert hineinrollen konnte. Doch vor kurzem haben die beiden Papeterien fusioniert und nun gibt es nur noch das Geschäft mit der Stufe. Als ich von der Zusammenlegung in der Zeitung las habe ich noch überlegt, die Geschäfte anzuschreiben. Ich hätte sie bitten wollen, den Eingang rollstuhltauglich zu machen. Da sich das Geschäft im Kantonshauptort mitten in der Einkaufsstrasse befindet, dachte ich die zuständigen Behörden würden sich schon darum kümmern. Falsch gedacht. Also muss ich weiterhin selber die Initiative ergreifen und mich manchmal unbeliebt machen. Mit meinen Assistentinnen habe ich nun Verbündete an der Seite, die mir helfen, Barrieren aus dem Weg zu räumen.
Als meine Assistentin am Montag die Papeteriechefin auf die Stufe anspricht, sagt diese voller Freude sie hole gleich eine Rampe. Diese wurde auch gleich montiert. Die Frage, wie sich Rollstuhlfahrer von aussen bemerkbar machen können, wenn sie die Rampe benötigen. Man könnte Aussen eine Klingel anbringen um Hilfe anzufordern. Für mich keine Option, dafür sind meine Finger zu schwach. Die Chefin erwähnt dann aber, dass nächstens Umgebaut werde und sie unser Anliegen einbringen werde.
Bereits letzte Woche musste ich gegen Barrieren ankämpfen. Zwei Autos versperrten mir den Eingang zum Dorfladen und ausserdem blockierten sie die ganze Trottoir Breite. Als ich die Automobilisten bat, nächstes Mal doch bitten einen Parkplatz zu benutzen, erwiderte die Einte; es hätte gerade keinen Passenden gehabt.
Die andere Automobilistin sah mich ganz schuldbewusst an. Sie war früher mit einem Zwillingswagen unterwegs und hat sich sicher auch so manches Mal über falsch abgestellte Autos geärgert.
Ich muss mit dem Rollstuhl nicht die Berge hochkrakseln können. Ich verstehe auch, dass nicht alle Gebäude rollstuhlgängig sind. Aber ich wünschte mir, dass uns Rollstuhlfahren nicht zusätzliche Hindernisse in den Weg versperren. Wie ihr seht, es gibt noch viel zu tun.
JULI
5. Gerüche, welche wir wahrnehmen, werden in unserem Gedächtnis gespeichert. Ich denke, die meisten "meiner" Düfte nahm ich schon in meiner Kindheit auf. Diese sind nun jederzeit abrufbar und bringen Erinnerungen hervor. Wenn ich z.B. Heu rieche denke ich oft an meine Heuer-Zeit zurück. Ich mochte diese Arbeit auf dem Feld. Manchmal jedoch, wenn die Beine vom vielen Laufen müde wurden, hätte man sich dann doch lieber auf eine Schwarbe gesetzt um auszuruhen. Doch die Landwirtschaftlichen Maschinen gaben den Takt vor. Das Fussvolk musste hinterher mit den Rechen. Und manchmal, wenn man den Job gefasst hatte das Heu vor das Gebläse zu befördern und die Arme dabei anfingen zu schmerzen, hätte man die Heugabel am liebsten in die hinterste Ecke des Stalls geworfen. Aber wahrscheinlich hätte man dafür auch gar keine Kraft mehr gehabt. Doch nach einem zünftigen Zabig, mit gemütlichem Zusammensitzen, liess die Müdigkeit allmählich nach und machte der inneren Zufriedenheit Platz.
Manchmal fehlt es mir schon, das Müdewerden durch Arbeit.
Doch da gibt es noch viele andere Düfte, die Erinnerungen hervorrufen. Momentan stehen die Sommerlinden in der Blüte. Der süsslich, milde Duft den sie aussenden zieht nicht nur die Bienen in ihren Bann, sondern auch mich. Früher hat uns der Vater Lindenbaumäste aus dem Wald geholt und wir mussten / durften die Blüten abzupfen. Diese wurden dann auf dem Vorplatz des Stalls zum Trocknen ausgebreitet, dann in Leinensäcke abgefüllt und in den Estrich gehängt. Aus diesen Blüten bereitete unsere Mutter während des Sommers dann den durststillenden, von uns gern getrunkenen, kalten Lindenblütentee her.
Von meinem Bürofenster aus sehe ich direkt auf eine Linde. Ihr Blütenduft reicht bis in mein Zimmer. Da die Linde auf öffentlichem Boden steht und nie jemand diese Blüten erntet, habe ich mit einer meiner Assistentin zusammen, der Linde Gestern einen Besuch abgestattet. Leider waren wir nicht die einzigen Besucher. Der Baum wurde regelrecht von Bienen umschwärmt. Trotzdem ist es uns gelungen einen Sack voll zu ernten. Nun liegen die Blüten zum Trocknen in der Pergola. Ich freue mich schon jetzt auf den feinen Tee.
15. Sorry, dass ich so wenig schreibe. Aber bei solch schönem Wetter bin ich nachmittags on Tour. Es sei denn, es ist Montagnachmittag. Der ist nämlich für den Wocheneinkauf, welchen ich mit einer meiner Assistentin tätige, reserviert. Und auch der Dienstagnachmittag geht für allgemeine Arbeiten drauf. Nach dem Motto, verschiebe nichts auf Morgen, was du Heute kannst besorgen. Apropos Morgen, die brauche ich, um mich für den Tag bereit zu machen. Dabei werde ich von der Spitex unterstützt. Dafür benötige ich inkl. Frühstück ca. 1 ½ Stunden. Danach erledige ich Arbeiten am PC und orientiere mich über das Weltgeschehen übers Netz. Manchmal fahre ich kurz zum Dorfladen um eine Kleinigkeit einzukaufen. Und mit den Physiotherapien zweimal die Woche, sind die Morgenstunden ausgefüllt.
Aber an den freien Nachmittagen hält mich dann nichts mehr. Letzte Woche war ich z.B. wieder mal mit dem Schiff unterwegs. Nach dem Motto, wenn nicht im Wasser, dann wenigstens auf dem Wasser. Es hat wieder alles Super geklappt. Der Mann am Billettschalter hat sein „Häuschen“ verlassen um mein Portemonnaie aus dem Rucksack zu holen. Danach hat er mir das Billett mit Klebestreifen auf meiner Armauflage befestigt.
Es ging nämlich noch ein zügiger Wind und ich war froh, dass eine Bekannte am Schiffsteg vorbei ging. Ich bat sie, mir meinen Hut abzuziehen und in den Rucksack zu verstauen. Auf dem Schiff wäre er mir garantiert davon geflogen. Zum Glück war es auf dem Schiff angenehm kühl. Als ich in Brunnen ausstieg und mich Richtung Süden auf den Heimweg machte, brannte die Sonne so richtig vom Himmel runter. Nach der Hälfte des Rückweges traf ich auf einen Bekannten, ebenfalls Rollstuhlfahrer. Zusammen haben wir dann den Rest des Weges unter die Räder genommen. Nebeneinanderfahrend, damit wir miteinander „schnürlä“ konnten, vergassen wir manchmal die Fussgänger und Velofahrer. Diese mussten sich dann eben lautstark bemerkbar machen. Diesmal waren wir mal das Hindernis. Der Tag war wunderschön und die Seeluft hat mir sehr gut getan. Es wird nicht die letzte Schifffahrt gewesen sein.
16. Wer weiss schon am Morgen ob er am Abend noch lebt. Ich habe gerade von dem Töfffahrerpaar gelesen, welches am Wochenende durch ein am Strassenrand liegendes Stahlseil getötet wurde. Der Tot kann so plötzlich auftauchen. Die wenigsten wissen, wann er kommt. Unser Leben ist das wertvollste was wir je besitzen werden. Jeder Tag, jede Stunde, jede Minute, jeder Atemzug ist kostbar. Manchmal vergessen wir diese Tatsache, oder schieben sie bewusst beiseite. Nimm dir mal Zeit und denk über dein Leben nach. Verläuft dein Leben so wie du es dir wünschst. Oder würdest du einige Dinge verändern, wenn du könntest. Hast du es schon einmal ernsthaft versucht, diese Dinge zu ändern. Nicht geklappt und schon aufgegeben? Manchmal muss man eben kleine Schritte gehen um eine Veränderung herbeizuführen. Aber man muss diese Schritte anfangen zu gehen. Es ist dein Leben und du hast nur dieses. Also hole das Beste aus ihm raus.
17. Meine Ausfahrten halten immer wieder interessantes für mich bereit. So traf ich letzthin wieder auf eine Schlange. Das ist nun schon die dritte spontane Schlangenbegegnung in meiner 9 Jährigen Rollstuhlfahrbahn. Als ich in der Nähe eines Waldes bei einem Hof vorbei fuhr, überquerte gerade eine Schlange die Einfahrt. Spontan fuhr ich durch die Hofeinfahrt auf die Schlange zu. Wollte doch wissen was für eine das ist. Doch bevor ich sie genauer betrachten konnte, ist sie ins Wiesland verschwunden. Zuhause habe ich dann gegoogelt und nun denke ich, es handelt sich hier um eine Ringelnatter. Die hätte mir sicher nichts getan. Nachhause nehmen hätte ich sie sowieso nicht dürfen. Die hätte mir all meine Eidechsen aufgefressen. Obwohl, sie hätten eine Straffe verdient. Ich habe zusammen mit Hildi (Assistentin) dieses Jahr mal wieder Tomaten, Zucchetti, Gurken und Peperoni in Töpfe gesetzt. Diese wuchsen auch gut an. Doch immer öfters fanden wir angefressene Blätter. Einige Pflanzen sind dann auch draufgegangen. Zuerst dachten wir an die Schnecken. Doch auch an den schneckenfreien Orten, wiesen die Blätter Frassspuren auf. Eines Tages erwischte ich dann einen der Übeltäter beim fressen. Eine Eidechse hat sich genüsslich über eine Gurkenpflanze hergemacht. Aber sie deswegen von einer Schlange vertreiben zu lassen will ich nicht. Wird das Gemüse halt in Zukunft wieder gekauft. Ist für uns eine Arbeit weniger.
Es gibt ja schliesslich auch noch schöne Blumen. Habe ich eben an dieser doppelten Freude.
25. Ich denke, jetzt kann niemand mehr sagen, der heurige (diesjährige) Sommer sei nicht schön genug. Noch mehr Sonne und Wärme liesse sich ja kaum noch ertragen. Da würde ein Sprung in den See schon gut tun. Bei mir muss eben ein Eimer mit kaltem Wasser reichen, um mich abzukühlen. Herrlich, wenn die Füsse die Abkühlung an den restlichen Körper weiter leiten. Untertags ist es mir fast nicht möglich am PC zu schreiben. Meine Unterarme kleben buchstäblich auf der Mausmatte und die Finger schwitzen die Maus voll. Da ist kein zügiges schreiben möglich. Dafür geniesse ich es am Abend bei offenem Fenster am PC zu sitzen und einen leichten Windhauch von Norden her zu spüren. Untertags bin ich immer wieder auf der Pirsch. Mal mache ich Ausflüge oder besuche Leute. Oder ich halte mich wie heute im Garten unter dem Sonnenschirm auf. Wenn mich meine Assistentin dann noch mit kalten Getränken versorgt, dann ist der Sommer für mich perfekt. Auch die Eidechsen lieben diese Tage. Zu Hauf klettern sie in unserem Garten herum. Zum Glück lassen sie nun endlich meine Gemüsepflanzen in Ruhe. Ich denke in einer Woche kann ich meine ersten Cherry-Tomaten ernten. Ich habe sie am liebsten wenn sie noch warm von der Sonne sind. Dann landen sie Schwups in meinem Mund. Mein Mann macht lieber einen Bogen um dieses Gemüse. Dafür liebt er die Früchte in unserem Garten, welche er zu Konfitüre verarbeitet. Letzte Woche hat gleich 5 Sorten herstellt. Da wäre die Kirschenkonfi, die Erdbeerkonfi die Aprikosenkonfi, sowie der Johannesbeerengelee und der Stachelbeerengelee. In ca. zwei Woche sind dann unsere Pflaumen reif. Auch diese werden zum Teil zur Konfi verarbeitet. Und wenn wir im Herbst frischen Most erhalten, wird Piet daraus einige Gläser Birnenhonig herstellen. Mein Mann liebt diese Arbeit und würde sie auch nicht aus den Händen geben.
AUGUST
1. Ich wünsche allen einen schönen Nationalfeiertag. Lasst uns feiern und unseren Vorfahren Danken, für den Willen und den Mut, den Sie für unsere Freiheit aufgebracht haben.
2. Ich habe mir einen Laptop zugelegt und seit heute kann ich nun auch im Freien den PC benutzen. Die W-LAN Verbindung nach Draussen funktioniert zwar noch nicht störungsfrei. Doch mein Mann wird auch für dies eine Lösung finden. Ich find es herrlich, an so einem schönen Abend im Garten zu sitzen, Musik zu hören und ein paar Zeilen in mein Tagebuch zu schreiben. Heute war wieder so ein superschöner Sommertag. Doch die 32 Grad haben mich ganz schön zum Schwitzen gebracht. Obwohl mich Piet immer wieder mit einer Sprühflasche abkühlte, brauchte ich heute gleich zwei Kleidergarnituren. Doch beklagen will ich mich nicht, ich weiss um den Winter, der auch dieses Jahr wieder Einzug halten wird. Und wenn man wie wir gerade Ferien hat, kann man ja auch mal in die Berge ausweichen. So, nun muss ich wohl hören zu schreiben. Ich werde gerade von diversen Ufos angegriffen. Die möchten anscheinend meine Aufmerksamkeit. Also Deckel zu.
8. Nun ist es mir aber verleidet. Jetzt habe ich jeden Tag den Blick durchforstet und nichts gefunden. Dass es vielleicht nicht aufs Titelblatt reicht, damit musste ich rechnen. Doch es hat nicht mal für eine kleine Spalte gereicht. Da frage ich mich schon, was hat sie, was ich nicht habe. Lag es vielleicht an der Farbe der Haare. Ihre waren wasserstoffblond und meine sind mit Silberstreifen verziert. Oder lag es am Kleide. Ihres war weiss mit schwarzen Punkten und meines marineblau. Mein Ausschnitt war genauso gross wie der ihrige. Ob es daran lag, dass ich an diesem heissen Tag keine Nylonstrümpfe trug. Ich weiss es nicht. Auf alle Fälle hat mir ein Luftzug mein Kleid bei einer Rollifahrt genauso in die Höhe gewirbelt wie bei der Marilyn Monroe. Ich weiss nun, fahre nie mit einem leichten Sommerkleid Rollstuhl. Ausser Schamröte im Gesicht, bringt es heute gar nichts mehr. Erfreue ich mich eben an der Rose, welche ich spontan geschenkt bekommen habe
17. Heute zeigte sich das Wetter, wie in den meisten vorangegangenen Tagen, wieder von der schönsten Seite. Es war wieder sehr warm, fast zu warm für mich. Doch jetzt, am späteren Nachmittag, verdecken einige Wolken die Sonne und die drückende Wärme lässt ein wenig nach. Nun kann ich auch wieder den Laptop nach draussen holen und im Garten etwas in mein Tagebuch schreiben. Obwohl wir Ferien hatten, habe ich nichts Grossartiges zu berichten. Da wir im Frühling eine Ferienreise unternommen hatten, beschlossen wir die Sommerferien Zuhause zu verbringen. Das Wetter hätte in diesen zwei Wochen nicht schöner sein können. Nun hat uns der Alltag wieder. Kein Ausschlafen und auch kein ausgedehntes Frühstück mehr. Die Spitex hat ihre Zeitvorgaben wie auch die Physiotherapeutin. Da kommt der Feiertag Maria Himmelfahrt gerade recht. So muss man nicht gleich mit einer vollen Woche starten.
Am Montag heisst es auch wieder für viele Kinder den Schulranzen packen und viele Jugendliche werden ins Berufsleben starten. Auch beim Jüngsten meiner Neffen und Nichten ist es so weit. Die Jahre schreiten unaufhaltbar voran. Während mein jüngster Bruder dieses Jahr 40 Jahre wurde, darf meine älteste Schwester Morgen ihren 60. Geburtstag feiern. Ob ich wohl auch so lange durchhalte? Bräuchte dazu noch 8 Jahre. Mit meiner Physiotherapeutin bin ich jedenfalls an meinem 100. zum Kaffee verabredet. Körperlich habe ich die 60. schon vor Jahren überschritten. Ich denke, viel mehr wird man auch mit 100 Jahren nicht abbauen können. Also kenne ich das Alt sein schon. Doch ich bestehe ja nicht nur aus Körpermasse. Die Seele und der Geist sind genauso wichtig. Und diese zwei Dinge sind bei mir noch voll von Ideen und Tatendrang. Das macht es für mich oft so schwer. Ich möchte noch so vieles verwirklichen, noch so viele Ideen und Wünsche umsetzen. Doch wie, wenn der Körper nicht mitmacht. Manchmal ist es nicht einfach, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Aber es nützt ja nichts, es bleibt mir ja nichts anderes übrig.
21. Soll ich mich nun freuen oder traurig sein. Heute vor 12 Jahren erhielt ich von meinem damaligen Neurologen in der Sankt Anna Klinik in Luzern die Diagnose ALS mitgeteilt. Dabei wurde auch erwähnt, dass die durchschnittlichen Überlebensjahre nach Diagnosestellung 3 – 5 Jahre betragen. Also müsste ich mich doch eigentlich freuen über so viele, zusätzlich geschenkte Jahre. Doch ich habe eben auch nicht vergessen, wie mein Leben ohne diese Krankheit war. Das macht mich manchmal eben auch traurig. Doch ich wäre nicht ich, wenn ich dagegen nichts zu unternehmen wüsste. Wenn ich an mir auch nicht viel verändern kann, so gibt es doch etwas. Also jux zum Coiffeure, um die Haare färben und schneiden zu lassen. Und schon sitze ich mit meiner dunkelfarbigen Kurzhaarfrisur wieder im Freien vor meinem Laptop.
28. He Leute, alles klar? Seid ihr im Strumpf? Ich nehme an, ihr konntet euch in den letzten Tagen genug abkühlen und vermisst nun wie ich auch, den wunderschönen Sommer. Heute war es mir eindeutig zu kalt. Also kuschelte ich mich mit zwei Wärmflaschen und einer Decke in den Fernsehsessel und lies mich vom Fernsehprogramm in den Schlaf begleiten. Einen Nachmittag pro Woche brauche ich einfach für mich alleine. Mir ist sowieso aufgefallen, dass ich in den letzten Monaten mehr Schlaf benötige. Vielleicht muss ich doch anfangen, täglich ein Mittagsschläfchen einzulegen. Ansonsten muss ich doch festhalten, dass es mir nach den 12 Jahren mit ALS, immer noch Recht gut geht. Meine Aussprache ist etwas undeutlicher geworden und die Verständigung dadurch etwas schwieriger. Besonders schwierig wird es bei emotionalen Gesprächen. Da muss ich schon mal auf das Kommunikationsgerät zurückgreifen. Doch das kommt zu Glück nicht so oft vor. Manchmal ist es sowieso besser zu schweigen. Auf alle Fälle gefällt mir das Leben nach wie vor und so einfach lasse ich mir meine Lebensfreude auch nicht nehmen.
SEPTEMBER
10. So viele mussten schon den Kampf mit der ALS aufnehmen und immer kommen wieder Neue dazu. Manche, warum auch immer, schaffen es länger in dieser Arena zu verweilen und andre müssen früh Forfait geben. Jeder kämpft so gut es geht und weiss trotzdem, dass dieser Kampf nicht zu gewinnen ist. Es wird nicht aufhören, bis uns die Forscher endlich zu Hilfe kommen.
Am letzten Samstag nahm ich, zusammen mit meinem Mann, wieder am 4 x jährlich stattfindenden ALS-Selbsthilfegruppentreffen teil. Wir nehmen an diesen Treffen schon über 10 Jahre teil. Während all der Jahre mussten wir schon von so vielen Abschied nehmen. Als ich dieses Mal unsere Gruppe betrachtete und feststellen musste, dass wieder einige fehlten, fragte ich mich einen Moment, was ich hier eigentlich mache. Ausser Abschiedsschmerz bringt das doch nichts mehr. Aber als ich meine alten Mitstreiter anschaute und sah, wie sie mit der Krankheit zu kämpfen haben, da wusste ich, ich gehöre hierher. Wir alle brauchen einander, wir alle hier sitzen im gleichen Boot. Und die Gruppenneulinge sind sicher um jeden Rat und um jeden Tipp dankbar den sie von uns erhalten. Eine Teilnehmerin meinte, obwohl die Personen in unserer Gruppe wegsterben wie die Fliegen, so kann der Besuch einer Selbsthilfegruppe doch Hilfe sein. Solange uns die Forscher nicht helfen, müssen wir uns eben gegenseitig helfen.
13. Ich kann es kaum glauben, dass der Sommer vorbei sein soll. So abrupt wie er gekommen ist, so abrupt hat er sich verabschiedet. Vor kurzem sass ich noch mit Shirt und Shorts im Garten und heute trage ich Rollkragenpulli und lange Hosen. Einige Blumen und Pflanzen haben das nasskalte Wetter schlecht vertragen und lassen die Köpfe hängen. Das Kleid der Linde bekommt auch immer mehr braungelbe Flecken. Und die Blätter des Nussbaumes legen täglich einen Teppich auf meinen Gartensitzplatz. Momentan sitze ich mit dem Laptop und in der Pergola und schaue meinem Mann beim Rasenmähen zu. Neben mir brennt ein Petroliumofen der hält mich auf Betriebstemperatur. So kann ich mich auch bei Kälte Draussen aufhalten. Ich weiss, ich bin ein Gfrörli geworden.
15. Ich durfte Gestern einen wunderschönen Tag erleben. Nicht nur das wieder mal die Sonne hervorschaute, nein auch die Menschen, mit denen ich den Tag verbringen durfte, haben diesen Tag zu etwas besonderem gemacht. Ich fühlte mich integriert und aufgehoben, als wären wir eine Familie. Aber sind wir das nicht irgendwie? Schliesslich haben wir einen grossen Teil unseres Heranwachsens zusammen verbracht. Wir haben mindestens sechs Jahre lang dieselbe Schule besucht. Haben unsere Klosterfrauen und die sonstige Lehrerschaft entweder gemocht oder zur Verzweiflung gebracht. Wir haben uns gegenseitig verpetzt und gehänselt. Wir haben uns gestritten und dann wieder versöhnt. Ihr könnt euch ja vorstellen, was da bei einem Klassentreffen alles zum Vorschein kommt. Mir hat der gestrige Tag sehr gut gefallen. Ich wurde aber auch sehr gut umsorgt. Zwei Schulgspändli haben sich spontan bereit erklärt, mich mit Essen und Trinken zu versorgen. Mir die Nase zu putzen oder mir mit einem Zahnstocher Essensreste aus den Zahnzwischenräumen zu fischen, war für Monika und Manuela ebenfalls kein Problem. Andy, ebenfalls Rollstuhlfahrer, hat jeweils gesorgt, dass ich problemlos mit dem Lift von einer Ebene in die gelangen konnte. Dank dieser Hilfsbereitschaft ist es mir möglich, an solchen Anlässen teilzunehmen. Es war wunderschön und ich möchte niemanden von den 22 Anwesenden missen. Ich freue mich schon auf das nächste Treffen, welches in 7 Jahren stattfinden wird.
OKTOBER
4. Oh Schreck! Der Oktober ist schon vier Tage alt und in meinem Tagebuch steht noch kaum was. Die Seiten hungern förmlich nach Nahrung. Doch was könnte ich ihnen geben? Es kommt mir so gar nichts in den Sinn. Ich kann ihnen ja nicht immer den gleichen Brei vorsetzen. Es ist gar nicht so einfach, immer wieder ein abwechslungsreiches Menü zusammen zu stiefeln. Das für die Würze Pfeffer und Salz nicht fehlen dürfen, ist wohl klar. Manchmal kann es vorkommen, dass ich Speisen zu heiss serviere. Doch, kaum Jemand kann von sich sagen, dass er sich noch nie den Mund verbrannt hat. Manchen passt das Menü auch nicht so gut. Oder sie bekunden Mühe, das Vorgesetzte zu Verdauen. Ausserdem muss alles perfekt arrangiert werden, damit es ein schönes Bild entsteht. Schliesslich isst das Auge mit. Mal schauen, wie das nächste Menü ausschaut und wann ich es beisammenhabe.
9. Ojemine, mir läuft die Zeit davon. Ich hätte noch so gerne einige Rollitouren unternommen. Durch bunte Wälder zu fahren und das Knistern von berstenden Blättern unter den Rädern zu hören, macht mir schon Spass. Doch wenn der Nebel wie in den letzten Tagen so herunterhängt und die Sicht zum Himmel versperrt, ist es weniger interessant. Ausserdem ist es kälter geworden und ich mag nicht frieren. Und Morgen und Übermorgen soll es bis 800 m. ü. M. herunterschneien. Da müsste ich mich, wenn ich nach Draussen möchte, dick einpacken lassen. Ich fühle mich dabei so eingezwängt und unbeweglich, als wäre ich das Michelin Männchen persönlich. Dann wäre ich doch lieber diese wohlgerundete Strohdame, die wir bei einem Ausflug im Schwarzwald angetroffen haben. Sie muss sicher nie frieren. Aber ob ich den Kopf voller Stroh haben möchte? Wohl kaum. Dass der Körper nicht mehr so funktioniert wie er sollte, reicht wohl völlig. Die Hoffnung auf ein paar schöne und warme Herbsttage gebe ich allerdings noch nicht auf. Es wäre mal wieder Zeit, dass uns der Föhn besuchen kommt. Also warte ich mal ab.
20. Der Föhn ist unserer Bitte nachgekommen und hat mit seinem kräftigen Atem die Nebelbänke aufgelöst. Die Sonne bekam dadurch den nötigen Durchblick, um auf uns herab zu scheinen und uns zu wärmen. Die Blätter an den Bäumen und Sträucher werden Zusehens bunter. Viele haben sich bereits von den Ästen losgesagt und liegen nun am Boden. Bei einigen hat der Föhn nachgeholfen. Er hat an den Bäumen so lange gerüttelt bis die Blätter abfielen und taumelnd zur Erde fielen. Einige hat er durch die Luft gewirbelt und weiss der Kuckuck wohin verschleppt. Da sich das Blattwerk langsam lichtet, kann ich auch die Vögel wieder besser beobachten. In den letzten Tagen sah ich wieder vermehrt Blaumeisen, Rotkehlchen und Buchfinken im Garten. Die Alpendohlen haben sich nach dem kurzzeitigen Wintereinbruch, wieder in die Berge zurückgezogen. Dafür sind die Tannenhäher fleissig am Nüsse sammeln. Manchmal werden sie dabei von den Raben gestört, welche unsere Baumnüsse für sich beanspruchen möchten. Wenn dann so eine Nuss aus einem der Schnabel fällt und auf das Blechdach unter dem Nussbaum knallt, chlepft es schon gewaltig. Doch viele sind nach dem Föhn nicht mehr oben. Und diejenigen, welche übriggeblieben sind, werden auch bald in den Verstecken jetwelcher Tiere landen. Heute bin ich eine Zeitlang im Garten gesessen, hab den herumwirbelnden Blättern zugeschaut und liess den Föhn mit meinen Haaren spielen. Herrlich, einfach nur herrlich. Trotzdem muss ich bei diesen Jahreszeitenwechseln immer auf der Hut sein, mich nicht zu erkälten. Bin ich in der Sonne ist es schön warm, kommt der Schatten dann friere ich sehr schnell. Die Kleiderwahl ist da gar nicht so einfach. Schliesslich kann ich mich nicht selbst an- oder abziehen. Diese Woche habe ich mir einen leichten Schnupfen eingefangen. Eine verstopfte Nase bedeutet für mich als ALS-Betroffene; weniger Luftzufuhr über die Nase, Nasensekret ist schleimiger und zähflüssiger und läuft in Richtung Atemwege und Speiseröhre, Verschluckungsgefahr droht. Das mit dem Verschlucken habe ich mittlerweile gut im Griff, doch Gestern war ich nicht vorsichtig genug. Ich habe Speichel in die Luftröhre bekommen und ich bekam keine Luft mehr. Also musste der Speichel wieder aus der Luftröhre. Das beste Mittel wäre kräftiges Abhusten. Doch woher nehmen, wenn nicht mehr genügend vorhanden ist. Ich weiss inzwischen, dass ich ruhig bleiben muss auch wenn ich nach Luft ringe. Ich versuche dann immer wieder leicht einzuatmen, bis sich die Luftröhre wieder öffnet. Danach bin ich jeweils recht groggy und stimmlos und ich brauche eine Verschnaufpause. Für Aussenstehenden muss dies furchteinflössend aussehen. Denn helfen kann man kaum. Ich selber habe es am liebsten, wenn man für den Notfall in meiner Nähe bleibt, aber mich den Kampf selber austragen lässt. Ich kann mit dem ab und an wiederkehrenden Verschlucken gut leben. Den ALS-Betroffenen, welche täglich dieses Martyrium durchleben müssen, gilt meine Hochachtung. Ich weiss nicht, ob ich diese Kraft aufbringen könnte.
Als sich heute am späten Nachmittag der Föhn verabschiedete und es kälter wurde, hat mein Mann den Grill eingeheizt. Und das was auf den Grill kam, passt hervorragend in diese Jahreszeit. Heissi Maroni, ganz heiss und erscht nu güät!!!!
25. Es ist Neunzehn Uhr und ich sitze noch draussen im Garten. Dank dem Föhn ist es immer noch angenehm warm. Am Nachmittag bin ich eine Zeitlang unter dem Nussbaum in der Sonne gelegen. In meinem Pulli und dem verordneten Unterhemd von Piet (haben heute unseren 33 zigsten Hochzeit, da muss ich ja mal gehorchen) kam ich ganz schön ins Schwitzen. Ich habe mich dann zur Abkühlung und zum Schutz vor herunterfallenden Nüssen in die Pergola verzogen. Mit meinem Laptop bin ich unabhängiger geworden. Nun kann ich draussen am PC-Sachen erledigen, herumsurfe oder Musik hören. Nur, am liebsten höre ich den Vögeln, dem Wind und den Nachbarkindern beim Spielen zu. Soeben ist Piet von seiner Abendtöfftour zurückgekehrt. Nun sollte ich nach sechsstündigem Aussenaufenthalt wohl auch mal wieder das Haus aufsuchen. Vielleicht schreibe ich nachher nochmal.
Ich muss euch jetzt noch etwas erzählen. Letzthin sass ich nichtsahnend an meinem PC. Plötzlich nahm ich im rechten Augenwinkel eine Bewegung war. Ich drehte mich um und was ich da sah, hätte bei vielen Frauen einen Schreikrampf ausgelöst. Eine grosse dicke Spinne
Früher hätte ich so eine Spinne selber ins Freie befördert, doch diesmal musste mein Mann ran. Er hat sie mit einem Tela gepackt und aus dem Fenster befördert. Wenigstens dachten wir, wir hätten sie erwischt. Doch kurze Zeit später späht sie ganz keck an der hinteren Ecke der Box hervor. Also nochmal dasselbe und diesmal scheint es zu klappen. Doch als ich mich später ins Bett legte thronte die Spinne oben an der Zimmerdecke. Also das ganze Prozedere nochmals. Langsam kamen uns Zweifel, ob es sich immer um dieselbe Spinne handelte. Und was geschieht in der Nacht als ich erwache? Irgend so ein Viech krabbelt zwischen meiner Nase und meiner Lippe durch. Durch Grimasse schneiden kann ich das Ding abwimmeln. Zum Glück habe ich keine Spinnenphobie. Sonst hätte ich noch von ihnen geträumt. Und nun schlaft gut.
31. Den Weg, welchen die Sonne am Himmel zurücklegt, wird von Tag zu Tag kürzer. Es wird immer früher dunkel. Die Nebelschwaben ziehen nun öfters durch Berg und Tal. Ein mystischer Zauber liegt über dem Land. Manche Bäume haben ihre Blätter komplett verloren und stehen nun nackt und verlassen in der Gegend. Manche sehen aus, als wären sie gestorben. Doch sobald sie von einem Licht erfasst werden, werfen sie bizarre Schatten in die Nacht. Sieht schon gespenstig aus. Also immer schön acht geben. Es ist nicht immer alles so, wie es scheint.
Happy Halloween
NOVEMBER 13
11. Nun hat der Winter Einzug gehalten. Der Schnee hat es allerdings noch nicht ganz ins Tal geschafft. Doch es wird wohl nicht mehr lange dauern und ich kann wieder den tanzenden Schneeflocken zuschauen. Momentan ist es mir Draussen zu kalt. Ich ziehe es vor, meine Umwelt von meinem warmen Kämmerlein aus zu beobachten. Bald wird es mehr zu sehen geben. Mein Mann wird nächstens das Futterhäuschen für meine geliebten Vögel aufstellen. Da kommt mir in den Sinn, ich habe heute beim Wocheneinkauf das Vogelfutter und die Maisen Knödel vergessen. Da muss ich wohl diese Woche noch mal raus. Die frische Luft würde mir auch nicht schaden. Wenn da nur das dicke Anziehen nicht wäre. Bei meinen zur Faust eingerollten Fingern Handschuhe anzuziehen, ist eine echte Herausforderung. Da kommen dann schon mal meine Nerven zum Vorschein und ich reagiere überempfindlich. Das Leben ist aber auch nicht einfach. Momentan stecke ich sowieso in einer Phase, in der mir anscheinend niemand etwas recht machen kann. Mich nervt Alles und ich bin mit mir und der ganzen Welt unzufrieden. Doch das wird nicht so bleiben. Ich muss einfach ein paar Anpassungen zur Bewältigung meines Alltages vornehmen.
17. Der Garten ist abgeräumt, die Gartenmöbel verstaut und die Terrakotta Figuren und Töpfe vor der nahenden Kälte in Sicherheit gebracht. Ich möchte schliesslich im nächsten Jahr nicht nur Tonscherben bewundern. Mein Garten sieht nun schon ein wenig trostlos und verlassen aus. Doch in ein paar Tagen, wenn der Schnee sich im Tale niederlässt, wird mein Garten wieder mit Leben erfüllt sein. Rechtzeitig hat mein Mann am Samstag die Futterhäuschen für die Vögel aufgestellt. Eins im Rasen und eins auf meinem Fenstersims. Eigentlich werden die Häuschen erst bei Schneeeinbruch gefüllt. Doch mir zu liebe wurde mein Vogelhäuschen bereits jetzt mit Futter bestückt. Bin gespannt wie lange es dauert, bis die ersten das Futter entdecken und mich besuchen kommen. Heute wird keines mehr vorbeischauen, es ist bereits am Einnachten. Von meinem Fenster aus kann ich beobachten wie in den Häusern rings um mich herum eins ums andere Licht angeht. Es sieht aus, als würden tausende von Laternen anfangen zu brennen und ich sitze mitten in diesem Lichtermeer. So heimelig und behaglich fühlt sich dies an. Einfach wunderschön und ein wunderbarer Balsam für die Seele.
23. Endlich konnte Frau Holle so viel Schnee produzieren, dass es auch im Tal für einen feinen Schaum gereicht hat. Sie muss heute so um die Acht aufgestanden sein und danach ihre Decken kräftig ausgeschüttelt haben. Momentan fallen immer noch Schneeflöckchen gemischt mit Regentröpfchen vom Himmel. Mir gefällt das natürlich. Ich sitze im Büro vor dem Compi und kann durchs Fenster dem Wintertreiben Draussen zuschauen. Auf meiner linken Seite flackert ein Kerzchen. Der Schein der Flamme erfüllt den Raum mit warmem Licht. Doch etwas fehlt doch noch zu meinem Glück. Ein heisser Punch würde die Stimmung noch perfekter machen. Mal schauen, ob mir mein Schatz einen zubereiten würde.
Mein neues Futterhäuschen auf meinem Fenstersims wurde gestern von Blaumeisen und Kohlmeisen eingeweiht. Ich hoffe, dass sich in den nächsten Tagen noch weitere Vogelarten dazu gesellen. Es ist interessant sie beim Körnerpicken zu beobachten. Für mich ein wunderschöner Zeitvertreib.
Diese Woche war allerhand los. Zuerst musste Piet am Montagmorgen wegen einer Nierenkolik notfallmässig ins Spital. Am Dienstag könnte er es, nachdem der Stein herausgekommen ist, bereits wieder verlassen. Trotzdem gab es für mich einiges zu organisieren. In so einem Fall ist es wichtig ein gut funktionierendes Netz an Personen, um sich zu haben. Es hat sehr gut geklappt. Es hat mir jedoch auch aufgezeigt, wo noch Schwachstellen resp. Lücken bestehen. Ich musste bereits letzte Woche Anpassungen bei den Einsatzzeiten der Assistentinnen und den Physioterminen vornehmen. Es gab mir einfach zu viele Überschneidungen. Ich hatte zwischen der Spitex und Physio-Terminen kaum Zeit mich mit den Assistentinnen zu unterhalten oder die anfallende Arbeit zu besprechen. Nun hoffe ich, dass es ab nächster Woche besser funktioniert.
Ebenfalls habe ich mit meinem Hausarztteam eine Lösung wegen ihrer unregelmässigen oder vergessenen Quicktermine gefunden. Es ist aber erst ins Rollen gekommen, nachdem ich ihnen ein geharnischtes Mail geschickt habe. Ich lasse mir als Patient nicht alles gefallen auch wenn es Zuwenig Hausärzte gibt. Ich hoffe, dass es nun in der Zukunft funktioniert.
Diese Woche hatte ich noch einige Besuche. Die Nachmittage gingen so im Fluge vorbei. Und gestern Abend ging ich mit ehemaligen Arbeitskollegen Essen. Für sie ist es selbstverständlich, mir abwechselnd das Essen einzugeben oder die Nase zu putzen. Für mich ist dies wunderbar und lässt mich am gesellschaftlichen Leben teilhaben.
Ich möchte Allen herzlich danken, die meinen Mann und mich in dieser Woche in irgendeiner Form unterstützt haben oder uns eine liebe Geste zukommen liessen.
27. So ein Tag so wunderschön wie heute, der dürfte nie vergehen. Verschneite Berghänge, stahlblauer Himmel, kaum ein Wölkchen am Himmel und bitter kalt. So schön sich das Ganze auch präsentiert, bei dieser Kälte lässt man nicht mal seinen Hund nach Draussen, geschweige denn einen Rollifahrer wie mich.
Langsam, aber sicher kommt Adventsstimmung auf. Nach und nach werden in der Nachbarschaft Aussendekorationen am Haus angebracht. Auch Piet ist seit Montag damit beschäftigt, unser Heim festlich zu dekorieren. Ich kann ihn dabei nur im Geiste unterstützen.
Etwas habe ich aber ebenfalls zur Adventsstimmung beitragen können. Nachdem ich am Montag Güetzliteig eingekauft habe, wurde unsere Küche Gestern zur Weihnachtsbäckerei. Meine Assistentin Hildi (gelernte Confiseurin) und ich haben sechs Sorten Güetzlis gebacken. Meine Arbeit bestand darin, alle zu probieren. Ihr könnt euch vorstellen, wie das duftete. Da wir die letzten vier Sorten nicht mehr geschafft haben, bin ich nächsten Dienstag wieder mit dem Probieren dran. Aber was soll’s, es gibt dümmere Arbeiten. Mmmhh, freu mich jetzt schon. Die ersten sechs von zehn Güetzli-Sorten.
DEZEMBER
1. Wie jedes Jahr hat uns meine Schwester Bernadette einen wunderschönen Adventskranz hergestellt. Es ist fast schade die erste Kerze anzuzünden. Doch so ein Kranz kommt erst mit dem Aufflackern der Flamen so richtig zur Geltung. Die Stube verwandelt sich in einen besinnlichen Raum. Es ist der 1. Advent.
Zum Advent gehört auch ein Adventskalender. Ich konnte es nicht abwarten und habe mir die erste Bescherung bereits einen Tag vorher geholt. Ich war am Samstag mit Piet an der 1. Swiss Handycapmesse in Luzern. Da sah ich unter den Güetzlibäckern plötzlich einen Musiker, von dem ich schon lange Fan bin. Als er mir die Hand schüttelte und mich im Bernerdialekt fragte, wieä geits, war ich aufgeregt wie ein Teenager. Seht was für eine Freude ich dabei hatte. Ich denke, ich brauche die anderen Türchen nicht mehr zu öffnen. Es war grossartig. Gölä wars!
5. Die Sonne schickt ihre Strahlen ins verschneite Land. Die Schneekristalle fangen das Licht ein. Und plötzlich funkelt es im ganzen Tal, als lägen tausende von Kristallen auf dem Land.
Heute wurde die Sonne mal nicht vom Nebel verdeckt. In den letzten Tagen schien die Sonne zwar auch, doch nur bis kurz nach Mittag. Dann kam wieder der Nebel der schlich durch alle Gassen. Irgendwie sah das Ganze mystisch aus.
Jetzt habe ich gerade den Samichlaus mit drei Schmutzlis an unserem Haus vorbei gehen sehen. Äs siässes Manderindli hät ich jetzt eu nu vonem agnu. Dann muss heute eben mal mein Mann den Chlaus spielen und mich mit Manderinen füttern. Die Früchte sind jetzt besonders fein und die grösse der Schnitze sind für mich ideal.
Diese Woche hat es wieder im ganzen Haus weihnachtlich geduftet. Am Montag haben wir einen Lebkuchen nach Mammas Rezept gebacken und am Dienstag die restlichen Weihnachtsgüetzlis. Sie sehen wunderschön aus und duften und schmecken wunderbar. Auch wenn ich diese Sachen nicht selber machen kann, bin ich doch immer dabei. So habe ich das Gefühl, etwas für meine Lieben zu tun.
Nun sind sie fertig unsere 11 Sorten Weihnachtsgüetzli.
18. Momentan wechseln sich die Nebel- und die Sonnentage ab. Mal sitzt der Nebel so tief und dicht, dass ich kaum was vor meinem Bürofenster erkennen kann. Und mal scheint die Sonne so wunderschön durch mein Zimmerfenster, dass ich meine der Frühling sei erwacht. Einerseits liebe ich die Sonne und mit ihr die Wärme und anderseits das Mystische mit dem Nebel. Doch noch lieber würde ich die Schneeflöckli tanzen sehn. Es sieht doch so schön aus, wenn über allem eine glitzernde, weisse Schneeschicht liegt. Ich kann dann zwar mit dem Rollstuhl fast gar nicht mehr auf die Strasse. Auf den Trottoirs bleibt der Schnee meistens am längsten Liegen. Natürlich könnte ich auf die Strasse ausweichen. Dann darf es aber auf keinen Fall rutschig sein. Bei einem Zusammenstoss mit einem Auto würde ich wahrscheinlich den Kürzeren ziehen. Ob ich mal über eine Hockeyspieler Montur nachdenken sollte. Die würde mir Schutz bieten und warm hätte ich dann sicher auch. Aber lassen wir erst mal den Schnee kommen. Vielleicht montiere ich dann erstmal Kufen am Rollstuhl.
Es ist nicht so, dass ich gar nicht mehr Draussen bin. Es muss einfach immer Jemand bei mir sein der mich warm einpackt und auch wieder auszieht. Diese Woche hat mich eine meiner Assistentinnen auf der Dorfrundreise begleitet. Und wenn an den Wochenenden das Wetter mitspielt, fahre ich in den Garten und lege mich in die Sonne. Piet packt mich dann jeweils in die Wärmedecke und versorgt mich mit einem Schümli-Pflümli (Kaffee mit Schnaps und einem Schlag Rahm oben drauf). Bei dessen Genuss zieht die Wärme durch den ganzen Körper. Da hat der Rollstuhl dann doch mal einen Vorteil. Ich muss nicht mehr stehen können und lallen tue ich ohnehin. Also, was soll‘s.
21. Nach den Sonn- und Nebeltagen hat der Föhn das Wetter etwas aufgemischt. Er blieb zwar nur einen Tag bei uns. Und wie meistens, wenn er uns wieder verlässt, fangen die Wolken an zu weinen. Aber auch der Regen hat nicht lange gehalten. Heute hat bereits wieder die Sonne das Zepter übernommen. Ich habe mich wieder für zwei Stunden im Garten in die Sonne gelegt. Obwohl ich wieder wie letzten Winter Vitamin B und Vi-de Tropfen einnehme, so können sie die Sonne doch nicht vollständig ersetzen. Die Tropfen sind scheusslich und ich schneide bei dessen Einnahme jedes Mal eine Grimasse. Die Spitexmitarbeiterin hatte diese Woche eine gute Idee, um mir die Einnahme zu versüssen. Sie meinte: "Stell dir vor, der Löffel sei voll mit Sonnenstrahlen". Gar nicht schlecht, was.
Es gibt neben der Sonne aber auch noch den Mond. Der hat mich in den vergangenen Nächten ganz schön in Besitz genommen und brachte mich um etliche Stunden Schlaf. Diese Nacht konnte ich endlich mal wieder durchschlafen. Doch ich habe geträumt.
Der Traum in Kurzfassung: Ich wollte mit dem Rollstuhl eine Holzbrücke befahren. Auf halber Strecke höre ich wie die Holzblanken anfangen zu bersten. Ein Rad meines Rollstuhles bricht durchs Holz. Es bleibt mir nichts anderes übrig als den Rollstuhl zu verlassen und mich am Geländer haltend die Brücke zu verlassen. Unten angekommen treffe ich auf zwei meiner Brüder. Ich bitte sie jemanden wegen der Brücke zu benachrichtigen. Doch das scheint sie nicht sonderlich zu interessieren. Irgendetwas anderes scheint sie in den Bann zu ziehen. Was es ist will ich gar nicht wissen. Die Beiden bieten mir jedoch an mich nach Hause zu fahren, was ich jedoch enttäuscht ablehne. Also schleppe ich mich nach Hause, ist ja nicht so weit. Kaum zu Hause angekommen, steht auch schon eine meiner Schwestern vor der Tür. Als ich anfangen will ihr das Erlebte zu schildern, fängt meine Schwester selber aufgeregt an zu erzählen. Verständnislos schaue ich ihr ins Gesicht und was ich sehe lässt mich erschrecken. Sie hat rot geweinte Augen und zittert am ganzen Körper. Sie nimmt meine Hände und sagt mir, sie sei überfallen worden. Man hätte ihr alles Geld und den ganzen Schmuck abgenommen. Ende des Traums. Und was will mir der Traum jetzt sagen. Vielleicht das; ich sollte mich selbst nicht so wichtig nehmen. Andere haben auch ihre Bürde zu tragen.
So, nun wünsche ich mir eine gute Nacht und aufs Träumen kann ich heute verzichten.
23. So schön, wenn der Tag erwacht. Am Horizont werden die Konturen der Berge sichtbar. Die Nachtschleier fangen an sich nach und nach aufzulösen und hinter den Bergen macht sich ein Licht bereit. Die Dunkelheit verliert langsam an Macht und die Helligkeit fängt an sich durchzusetzen. Und auf einmal ist sie da, die Sonne. Sie taucht alles was sie mit ihren Strahlen erreichen kann in ein goldenes, warmes Licht. Guten Morgen Tag, guten Morgen Leben.
30. Ich bin nach all den Jahren immer wieder tief betroffen, wenn ich höre, dass wieder jemand den Kampf gegen die Krankheit ALS aufgeben musste. Wenn ich diese Person auch noch persönlich kenne, dann macht mich das umso trauriger und nachdenklicher. Wie viele müssen diesen elenden Weg noch gehen, bis man uns endlich Helfen kann. Wir sind nämlich nicht wenige, welche der ALS zum Opfer fallen. Allein in meinem Kanton mit ca. 35`700 Einwohnern gab es allein dieses Jahr zwei Neubetroffene. Das wären mit mir zusammen dann schon drei von denen ich Kenntnis habe. Nur, wir leben zu wenig lang, um eine grosse Masse zu bilden. Man hört und sieht uns kaum und für die Forschung sind wir deswegen auch eher uninteressant. Man sieht auch, wie unterschiedlich schnell die ALS verläuft. Während ich schon seit Jahren mit dieser Krankheit lebe, musste eine der Neubetroffenen, bereits bevor das Jahr zu Ende war, den Kampf aufgeben. Es ist ja nicht so, dass sich die ALS nur den Einen krault. Die ALS fordert die ganze Familie, das gesamte Umfeld heraus. Und nicht jeder kann sich dieser Herausforderung stellen oder ist ihr gewachsen. Darum an Alle ein Dankeschön, welche sich der ALS stellen und uns durch diese Krankheit begleiten. Ich hoffe wie jedes Jahr, dass den Forschern im neuen Jahr ein Stern aufgeht und sie uns die erlösende Botschaft verkünden werden.
1. Sonne, Mond und Sterne, alles liegt in weiter Ferne, doch das Gute, das ist ganz nah - ein glückliches und schönes neues Jahr!
6. Ich habe mir über die Feiertage eine kleine Auszeit beim Tagebuchschreiben genommen. Hatte sowieso nichts Grossartiges zu berichten. Mir fiel schon fast die Decke auf den Kopf. Bis gestern, da sind wir nämlich in den Süden gefahren. Da traf ich nicht nur auf den Frühling. Bei Temperaturen um die 23 Grad kann man schon fast von Sommer sprechen. Dementsprechend war auch das Outfit der Passanten auf der Strasse. Die Einten trugen der Jahreszeit entsprechend eine Daunenjacke. Andere wiederum liessen sich von den warmen Temperaturen verleiten und trugen Shirts mit Spaghettiträgern. Mir hat die Sonne und die Wärme so gut getan. Ich konnte mein Gemüt wieder mal richtig volltanken.
Als wir am Strassenrand einen Verkäufer sahen der Mandarinen, Orangen und Zitronen feilbot konnten wir nicht anders als anzuhalten. Ich kann euch sagen, dieser Halt hat sich gelohnt. Die aus Sizilien stammenden Mandarinen waren so geschmacksintensiv und spritzig. Solche Mandarinen hatte ich noch nie gegessen.
Am späteren Nachmittag fuhren wir über den Malojapass 1'815 m. ü. M. nach St. Moritz und danach erklommen wir noch den Julierpass 2'284 m ü. M. In dieser Höhe war nichts mehr von frühlingshaften Temperaturen zu spüren. Auf der Passhöhe zeigte das Thermometer -1 Grad an. Nichts mehr mit Spaghettiträgern, hier waren Daunenjacken angesagt.
Später, als wir in einer Raststätte einkehrten und alle Tische besetzt waren, setzen wir uns an einen Tisch, an dem bereits eine Familie mit Kindern sass. Als mir Piet dann das Essen eingab, sah ich wie das vierjährige Mädchen mit dem Vater tuschelte. Ich konnte mir vorstellen um was es ging. Dann hörte ich das Mädchen fragen: „Kann sie nur den Mund bewegen“. Dabei sah mich das Mädchen an und ich zwinkerte ihm lächelnd zu. Plötzlich wurde ich beim Essen gestört. Etwas klatschte auf meine Haare und mein neues, weisses Shirt. Ich schaute seitlich nach oben, dort befand sich eine Treppe. Eine Frau hat anscheinend beim Treppensteigen das Tablett umgekippt und das Cola Glass ausgeleert. Aber halb so schlimm, war ja kein Messer das mich traf.
Nach einiger Zeit standen unsere Tischnachbarn auf und verabschiedeten sich. Das kleine Mädchen zögerte und blieb bei mir stehen. Es streckte sein rosarotes Plüscheinhorn mit dem silberfarbenen Horn in die Höhe und drücke es an meine Seite. Dazu flüsterte es: „Es hat dich gern“. Ich war so gerührt, mir fehlten die Worte. Als ich ihm dann „Tschüss“ nachrief, drehte sich das kleine Mädchen nochmal um, winkte mit dem rosafarbenen Einhorn und flüsterte: „Es hat dich gern“.
Was soll ich dazu noch sagen ausser, was für ein wunderschöner Tag, was für liebenswerte Menschen.
10. Scheen wiä d'Schneefleckli vom Himu obä abbä zfliegä chämed. Sie gsend wiä chlini Wattäbäuscheli üs. Bi dä eindä sedmä fascht meinä äs wäred fini Daunäfäderli. Ich frag mich, ob Dechi vo dr Freui Holle äs Loch het. Ja miär sells rächt si. So gaht wieder ebbis vor mim Fänschter.Bi gspannt wiä sich z'Wätter im Verleuf vom Tag nu entwicklet.
12. Meine Besucher sind wahre Akrobaten. Ich frage mich, ob ihnen das Futter "zunderobsi" eingenommen wohl besser mundet, oder ob sie mir einfach imponieren möchten. Meine Aufmerksamkeit ist ihnen jedenfalls sicher. Momentan duellieren sich gerade zwei Alpendohlen mit den Schnäbeln wegen dem Futter. Dabei hat es für alle genug zu Fressen. Vor meinem Fenster hängen nämlich drei prallgefüllte Meisen Knödel. Die Alpendohlen können aber auch ganz friedlich sein und zu dritt auf meinem Fenstersims sitzen und an den Knödeln knabbern. Ich kann sie sehr gut beobachten. Zwischen mir und den gefiederten Freunden liegen lediglich ein Meter und eine Fensterscheibe. Mitunter richtet sich einer der Vögel auf und wirft mir mit seinen schwarzen Knopfaugen einen neckischen Blick zu. Das bringt mich natürlich jedes Mal zum Schmunzeln. Einfach schön.
19. Mein liebes Tagebuch entschuldige bitte, wenn ich dich in letzter Zeit vernachlässigt habe. Es ist nicht so, dass ich nichts zu schreiben hatte. Ich war in letzter Zeit während des Tages einfach zu beschäftigt. Und am Abend war ich zu faul, um noch zu schreiben.
Seit Anfang Jahr unterstützen mich zwei Assistentinnen bei meinen Lebensverrichtungen. Am Montagnachmittag begleitet mich Assistentin 1 beim Wocheneinkauf. Am Dienstag übernimmt die 2. Assistentin das Wäschewaschen und bereitet das Mittagessen zu. Am Mittwochmorgen kommt wieder die 1. Assistentin zum Wäschebügeln vorbei und bereitet das Mittagessen zu. Den Hauskehr am Donnerstag wird zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls von einer Assistentin übernommen. Meine Pflege am Morgen übernimmt vorläufig noch die Spitex. Meine Assistentinnen werden aber sukzessive in die Pflege eingeführt. Ich will sie ja nicht gleich vergraulen. Das Einarbeiten meiner guten Feen braucht halt etwas Zeit, welche ich jedoch gerne investiere. Schliesslich will ich erreichen, dass mein Mann etwas entlastet wird. Job, Haushalt und Pflege, dies schafft niemand auf lange Sicht. Mein Mann hat es nun während 10 Jahren durchgezogen. Für seine Gesundheit war das jedoch keinesfalls förderlich. Darum mussten wir auch etwas unternehmen. Für ihn ist es nun auch beruhigend, wenn er weiss, dass ich während des Tages gut betreut werde.
An den Trubel im Haus muss ich mich, als auch mein Mann, noch gewöhnen. Die Privatsphäre wird halt schon Zusehends kleiner. Ausser den Assistentinnen kommt ja auch noch meine liebe Physiotherapeutin an zwei Vormittagen vorbei. Meine Woche ist also schon recht verplant. Wenn mich also jemand besuchen möchte, dann wäre noch der Mittwoch- und der Freitagnachmittag frei. Komme mir vor wie eine Pensionierte. Die haben ja auch kaum freie Zeit. Aber für meine Ausflüge werde ich mir immer Zeit nehmen.
21. Das kann‘s doch aber nicht sein. Bin ich wirklich schon so alt. Ich komme mir vor, als wäre ich innert kürzester Zeit zu einem alten Weiberl mutiert. Obwohl das Thermometer in der Wohnung über 22 Grad anzeigt, habe ich ständig kalt. Es kommt noch so weit, ich muss sogar im Haus lange Unterwäsche anziehen. Heute Nachmittag war ich z.B. für den Wocheneinkaufe unterwegs. Wohlverstanden mit dem Auto. Das hat allerdings schon gereicht um mir kalte Füsse und Beine zu bescheren. Momentan thronen meine Füsse auf zwei heissen Bettflaschen, welche mir Piet auf meine Rolli Fussrasten platziert hat. Diese Vorkehrung wird jedoch nicht für lange reichen. Nun beginnt nämlich die Kälte meinen Körper empor zu steigen. In solchen Momenten komme ich mir vor wie eine Brausetablette. Die Kälte fängt irgendwo an und verteilt sich dann ganz langsam im ganzen Körper. Nun kann mir nur noch etwas helfen. Pyjama anziehen und ab ins Bett. Gute Nacht.
22. Heute ist mir bedeutend wärmer als Gestern. Ich habe aber auch gearbeitet. Besser gesagt; ich habe Anweisungen dazu gegeben. Seit ich mit meinen Assistentinnen zusammenarbeiten kann, fühl ich mich wieder mehr als Hausfrau. Ich muss mich wieder mehr in die täglichen Arbeiten einbringen. So werde ich neu mit Mengenangaben von Speisen konfrontiert. Es gibt zwar Richtwerte, wie viel Gramm Teigwaren z.B. für eine Person pro Mahlzeit berechnet wird. Weil jedoch jede Person seine Vorlieben und Abneigungen hat, muss die Menge dementsprechend abgeändert werden. Und wenn man in einen neuen Haushalt kommt oder so wie ich, die seit gut 10 Jahren nicht mehr kocht, muss vieles erfragt werden. Mein Mann gibt uns aber gekonnt darüber Auskunft. Es wird nicht lange dauern und wir haben alles intus. Übrigens, meine Assistentinnen können hervorragend kochen. Heute Nachmittag haben wir uns nochmals den Küchenschränken gewidmet. Wir haben aussortiert und Umgestellt. Ich liebe es, wieder vermehrt selber Entscheidungen treffen zu müssen. Ich denke, meine Assistentinnen tun mir sehr gut. Die Gespräche bei einer Tasse Kaffee möchte ich jedenfalls nicht mehr missen. Und wenn es mir die Seele wärmt, reicht die Wärme vielleicht bis zu den Füssen.
24. Wenn ich die Vögel vor meinem Fenster beobachte und ihre feinen Füsse und Beinchen betrachte, frage ich mich ob sie wohl auch an die Füsse frieren. Vielleicht würden ihnen in dieser kalten Jahreszeit ein paar warme Socken auch gut tun. Wenn wir ihnen den Winter jedoch etwas erträglich machen wollen, dann mit dem richtigen Futter. Je nach Vogelart und Art des Schnabels benötigen sie unterschiedliche Körner. Wer also bestimmte Vögel anlocken möchte kann dies durch Auswahl des Futters ein wenig steuern.
27. Obwohl die Sonne in den letzten Tagen mit ihren Reizen nicht gegeizt hat, konnte sie die Eiseskälte nicht vertreiben. Doch Heute, es kommt mir wie ein Wunder vor, war sie stark genug um die Luft zu erwärmen. Ich habe mich so gefreut, unsere Pergola aufzusuchen um mein Gesicht von den Sonnenstrahlen streicheln zu lassen. Für die Innere Wärme sorgte der von Piet zubereitete "Schümli-Pflümli-Kaffee". Der geht runter. Und der Schlag Nidlä / Sahne obenauf, einfach himmlisch und schmeckt nach mehr.
Jedenfalls hatte ich heute mal keine kalten Füsse. Ich habe mich sehr über die guten Tipps, welche ich wegen meiner kalten Füsse erhalten habe, gefreut. Das einfachste und schnellste Mittel wäre sicher der elektrische Fusssack. Doch da hätte Leo (Radiästhesist | Geopath) keine Freude an mir. Ich hatte mir nämlich mal eine elektrische Matratzenauflage besorgt. Bei dessen Benützung bekam ich es mit Schlafstörungen zu tun. Also liess ich diese mit Widerwillen wieder entfernen. Jemand anderes meinte, es könnte ein Eisenmangel vorliegen. Werde meinen Arzt darauf ansprechen. Mein Sohn wies mich darauf hin, dass meine kalten Füsse mit meiner ALS zu tun haben könnte.
28. Letzte Woche war Simon, mein 27-jähriger Neffe und gleichzeitig mein Patenkind, für drei Tage bei uns zu Besuch. Er arbeitet als Pfleger in einem Seniorenheim. Momentan ist er auf der offenen Pflegeabteilung im Einsatz. Zuvor arbeitete er während eines halben Jahres auf der Demenz-Abteilung. Ich denke, es braucht immense Geduld und Einfühlungsvermögen um Menschen mit Demenz betreuen zu können. Auch die Menschen, welche lediglich auf Pflege angewiesen sind, können manchmal schwierig sein. Ich weiss wie es bei mir ist. Manchmal gurkt es mich so an, jeden Morgen gepflegt zu werden. Manchmal schalte ich einfach ab, und lasse die über eine Stunde dauernde Pflege über mich ergehen. Und manchmal geht mir meine Abhängigkeit so auf den Sa…. (habe zwar noch keinen entdeckt), dann nervt mich alles und ich fange an zu nörgeln. Ich weiss nicht ob ich in der Pflege arbeiten könnte. Wahrscheinlich wäre ich schlichtweg zu ungeduldig. Bei mir muss immer alles zack, zack gehen und lieber heute als Morgen. Ich musste mich allerdings, in all den Jahren mit ALS, in Geduld üben. Wenn mich etwas juckt oder wenn mich ein Haar im Gesicht pickst, so muss ich dies erdulden. Wenn ich spontan etwas zu trinken haben möchte oder es mich nach einer Frucht gelüstet, heisst es warten bis jemand im Haus ist um mich mit dem gewünschten zu versorgen. Seit meine Assistentinnen im Einsatz sind, bin ich Tagsüber etwas besser betreut. Ich komme zu meinem Nachmittagskaffee und zu einer Zwischenmahlzeit. Ich jedenfalls habe grossen Respekt für diejenigen Menschen, welche mit Liebe und Geduld Hilfsbedürftige Pflegen und Betreuen.
FEBRUAR
2. Da schon Fasnacht ist, will ich diesen Monat auch gleich mit was Lustigem beginnen.
Ich bin mit meinen Assistentinnen dabei, meine Küchenschränke auf Vordermann zu bringen. So wissen sie auch gleich, wo sich was befindet. Letzte Woche sagte ich meinem Mann, dass ich mit einer meiner Hilfen, den Lebensmittelschrank neu organisieren wolle. Er erwiderte, er werde am Abend noch die Tablare verstärken. Gesagt, getan. Also räumten wir am andern Tag den Schrank um.
Als mein Mann von der Arbeit heimkommt, präsentiere ich ihm voller Stolz die Umgestaltung. Alles hat seinen Platz gefunden. Als er das Tablar mit den Konserven sah schüttelte er den Kopf. Nicht etwa weil es so viele waren, nein. Weil ihm am Abend zuvor ein Winkel fehlte, konnte er ein einziges Tablar noch nicht verstärken. Wir hatten uns natürlich prompt dieses eine Tablar für die Konserven ausgesucht. Später, als Piet halb auf dem Boden liegend, den fehlenden Winkel am vollgepackten Tablar anbringen will, kippt das Tablar und Piet liegt mitten zwischen den Konserven. Mein erster Gedanke; alle Arbeit umsonst. Doch dann übermannte mich die Komik und ich musste so lachen. Ich konnte kaum mehr aufhören und musste mich abwenden. Als ich jedoch nichts von meinem Mann vernahm drehte ich mich wieder um. Piet lag lautlos kichernd zwischen all den Büchsen und ich musste sogleich wieder mitkichern. Später fanden dann doch wieder alle Konserven ihren Platz.
Ich habe noch etwas Erfreuliches zu berichten. Am Dienstag war ich in der ALS-Klinik in St. Gallen zur halbjährlich stattfindenden Verlaufs- Kontrolle. Und wie ich es nicht anders erwartet habe, konnte keine wesentliche Verschlechterung festgestellt werden. Dass sich meine Stimme in den letzten Jahren kontinuierlich kraftloser und verwaschener anhört, wusste ich ja schon. Ich kann mich ja wirklich nicht beklagen. Schliesslich trotze ich der ALS schon seit 12 Jahren und werde ihr hoffentlich noch lange die Stirn bieten können.
4. Schnee, Schnee, Schnee, soweit das Auge reicht. Wiesen und Strassen alles weiss. Auf den Hausdächern türmt sich der Schnee. Die Äste der Bäume und Sträucher werden durch die Last des Schnees nach unten gebogen. Und die Schneeflocken tanzen immer noch vom Himmel. So gefällt mir der Winter. Doch was des einen Freud, ist wiederum des andern Leid. Alle welche heute mit Schneeräumen beschäftigt sind, würden sicher lieber an einem Strand liegen und die Sonne geniessen. Doch Hilfe naht. Morgen ist bei uns Ytrummletä. Wenn die Fasnächtler gekonnt die Trommelstöcke schwingen, kräftig auf die Pauken hauen und mit Gefühl in die Trompeten blasen, wird sich der Winter bald verabschieden. Sollte dies nicht zum Erfolg führen, können wir uns immer noch eine furchterregende Maske überziehen und so den Winter das Fürchten lehren. Dann wird er sicher reis aus nehmen.
Wegen des vielen Schnees auf der Strasse werde ich wohl meinen Wocheneinkauf verschieben müssen. Ich möchte meiner Assistentin nicht zumuten, mit mir im Bus ins Rutschen zu geraten. Doch verhungern werden wir ja nicht, bei den vielen verbeulten Konserven.
Ich jedenfalls habe meine Freude am Schnee. Fehlt mir nur noch mein Schneemann. Er wird wohl am Mittag vorbei schauen. Ob er allerdings gesprächig sein wird, bezweifle ich. Doch immer wieder geht die Sonne auf.
9. Ach wie schön wäre es noch mal Kind zu sein. Wir haben uns als Kind immer an dem vielen Schnee gefreut. Wir konnten es jeweils kaum erwarten nach Draussen zu kommen. Doch zuerst mussten wir uns warm anziehen. Ein Unterhemd, wollene Strumpfhosen und ein wollener Pullover, welcher von Mamma oder Grossmamma gestrickt worden waren, mussten angezogen werden. Danach folgte die Stoffskihose mit dem Elastband um die Fusssohle und eine Skijacke mit Kapuze. Nun fehlten nur noch die wollenen Handschuhe, die Wollmütze mit dem Knäuel oben drauf und die Gummistiefel. Nun konnte uns nichts mehr halten.
Was hatten wir Spass beim Schneemann bauen. Manchmal war die Rolle für den Körper des Schneemannes so gross und schwer, dass wir mehrhändig rollen mussten um diese an den gewünschten Platz zu befördern. Eine Meisterleistung jedoch war, die Rolle für den Kopf Obendrauf zu setzen ohne dass er auseinanderbrach. Nun fehlten nur noch Steine für die Augen. Für den Mund ein Stück Holz und für die Nase ein Rüebli. Fertig war das Schneegesicht. Als Accessoire dienten ein alter Hut, eine Schärpe und ein Reisbesen.
Manchmal bauten wir auch eine Schneehütte. Am Abend stellten wir dann jeweils Kerzen in die Fensterluken. Sah richtig heimelig aus.
Wenn sich dann doch irgendwann die Kälte an gewissen Körperteilen bemerkbar machte, hiess es fertig mit Spass. Rote Backen, eine schniefende Nase und klamme Finger waren ein untrügliches Zeichen, um die warme Stube aufzusuchen. Drinnen wurden die halbgefrorenen Hände am Kachelofen aufgewärmt. Wenn das Gefühl langsam in die Finger zurückkehrte, konnte das ganz schön wehtun. Das „Klimsen“ konnte dann schon mal Tränen hervorbringen. Dies hinderte uns jedoch keineswegs daran, bei nächster Gelegenheit wieder im Schnee tummeln zu gehen. Schliesslich mussten noch Schneeschlachten ausgetragen werden.
Der viele Schnee hat mir heute wieder viele Besucher beschert. Im Vogelhäuschen ist ein reges kommen und gehen. Auch an den Meisenknödeln vor meinem Fenster wird kräftig gepickt.
Jetzt taucht sogar noch die Sonne auf und verwandelt Alles in eine Wintermärchenlandschaft. Einfach nur wunderschön.
11. Heute geben die Fasnächter noch mal richtig gas. Bereits um 4.00 Uhr morgens vernahm man die ersten Trompeten-, Trommel- und Paukenlaute. Ein Zeichen, dass die Katzenmusik zum Morgenstreich gestartet ist. Da ich an einer Strasse mitten im Dorf wohne, höre und sehe ich die Musiker und Fasnächter sehr gut. Sie marschieren jeweils mehrmals täglich an unserem Haus vorbei. Ich muss mich nicht mal nach draussen in die Kälte begeben, um den Trubel mitzuerleben. Von meinem Bürozimmer aus, kann ich alles wunderbar beobachten. Heute Nachmittag werde ich mich wahrscheinlich aber doch nach draussen wagen. In einer Nachbargemeinde findet ein Fasnachtsumzug statt, den ich gerne sehen möchte. Und da der Föhn hereingebrochen ist, sind die Temperaturen auch nicht mehr im Minus Bereich. Ansonsten muss ich halt mal die Zähne und die A…backen zusammenkneifen und die Kälte eine kurze Zeit ertragen. Andere müssen dies schliesslich auch..
Jetzt hani mi Fasnacht eu gha. Äs het sich glont dr Umzug gagä z'lüegä. Z'Wätter hed aber eu scheen mitspiut. Am Chatzämüsigmarsch hemmer das aber nid z'verdänkä. Ded isch nämlich mängisch äs Dentli dr näbä gangä. Sind aber eu scho äs paar Täg underwägs. Derfir hend Guggänä alles gä. Diä hend einä richtig mitgrissä. Ämu das was bi miär nu beweglich isch, hets i wallig bracht. Ganz scheen sind d'Wägä und Sujet dähär cho. Diä Ideä wo diä Lyt hent und diä Arbet wo da drhindert steckt. Fasnacht isch eifach ebbis originells. Hit sind de diä rotä Baggli, wo einigi Lyt am Strassärand ibercho hend, nid wäg dr Chäewdi gsi. Ich gläubä, tschuld isch z‘Kaffeeschnaps, wo ä dä Züescheuer verteiwt wordä isch. Isch aber eu H….güet gsi. Miär hend eu nu ä riesigi Oranschä und ä Zuckerbohnä chennä ergatterä. Was yys aber schonu wunder gnu hät isch, was ächt ysers Nichdäli feins im Cherbli gha hät. Danielä dü Schiudchrot, hesch dü ys dry Rollstüelfahrer nid gse. Wahrschiendli isch si haut eu scho zlang underwägs oder Giälä am anderä Strassärand hent sie me interessiert. Uf au Fäu isches scheen gsi und ich bi wieder einisch fir längeri Zyt dussä gsi.
14. Ich wollte euch für heute eine schöne Valentinskarte kreieren. Also habe ich zuerst die Blumenranken gemalt und den passenden Hintergrund gewählt. Das ganze mit einem Text versehen und alles abgespeichert und hochgeladen. Ich habe erst hinterher bemerkt, dass sich ein Buchstabe aus dem Staub gemacht hat. Nach längerem Suchen habe ich ihn quatschend inmitten der Blumen gefunden. Ich konnte ihn leider nicht dazu bewegen, wieder an seinen angestammten Platz zurückzukehren. Schlussendlich liess er sich dann doch erweichen soweit hervorzutreten, dass man ihn wenigstens sehen konnte. Uff, Karte gerettet.
25. Nachdem es über Nacht leicht geschneit hat, liegt nun wieder über allem eine feine Schneedecke. Der Schnee wird sich jedoch nicht mehr lange halten können. Die Sonne steht am Morgen stetig früher auf und Sonnenstrahlen werden täglich stärker. Auch heute hat sie schon früh ihre Strahlen durch meine Fenster geschickt um mein Zimmer mit wärmendem Licht zu durchfluten. Obwohl ich die Schönheit und die Ruhe des Winters schätze, freue ich mich doch so langsam auf den Frühling. Es ist doch eine lange Zeit, von Oktober bis Februar, in der ich mehr oder weniger ans Haus gebunden bin. Mein Mann unternimmt zwar wunderschöne Ausflüge mit mir und auch die Wocheneinkäufe bringen Abwechslung in meinen Alltag. Doch vermisse ich meine Blumen, meine Bäume und Pflanzen, meine kleinen und grossen Tiere. Ich vermisse die Regentropfen auf meinem Gesicht, den Wind in meinen Haaren und die Sonne auf meiner Haut. Ich vermisse die Farben, die Laute und die Düfte der Natur. Ich vermisse meine Freiheit, meine Rollstuhltouren. Doch mein Herz löst sich langsam vom Wintergefängnis und öffnet sich für den Frühling.
Meinen lieben Fensterfreunden haben wir die letzte Futterration vors Fenster gehängt. Danach werden sie noch so lange wie nötig übers Futterhäuschen im Freien versorgt. Vielleicht bin ich ja bald bei ihnen draussen.
18.00 Uhr: Am Mittag übergab mir Piet einen Brief von der IV-Stelle. Als ich diesen zu lesen begann, desto gefrusteter wurde ich. Mir wurde mitgeteilt, dass sie mir das Geld für die Assistentinnen nicht auszahlen könnten, weil ich bestimmte Unterlagen nicht eingereicht hätte. Dabei habe ich alles korrekt gemacht. Die Formulare welche sie vermissten muss man nämlich erst auf Verlangen einreichen. Da ich heute Nachmittag sowieso wegen des Wocheneinkaufes unterwegs sein würde, suchte mir Piet die benötigten Unterlagen zusammen. Mit meiner Assistentin machte ich mich dann am Nachmittag auf den Weg zur IV-Stelle. Ich wurde dort sehr nett behandelt und wir konnten das Problem gemeinsam lösen. Für sie ist das Assistenzmodel eben auch Neuland. So müssen wir eben voneinander lernen. Da die AHV-Stelle ihr Büro ebenfalls in demselben Haus hat nahm ich die Gelegenheit gleich war um weitere ungeklärte Sachen abzuklären. Nach kurzer Zeit war alles geklärt und ich konnte in bester Laune den Bürokomplex verlassen. Sogar meinen Behindertenausweis und der Begleitpersonenausweis für die ÖV, welche seit zwei Jahren abgelaufen waren, konnte ich erneuern lassen. Am Mittag dachte ich noch, was für ein Sch….tag. Mittlerweile kann ich sagen das mir der Brief nur gutes gebracht hat. Ich konnte dadurch gleich mehrere anstehende Sachen gleichzeitig abhandeln. Und auch der Wocheneinkauf ist inzwischen verstaut und wartet nun darauf gegessen zu werden.
27. Da auch heute wieder die Sonne schien, nahm ich mir vor am Nachmittag auf eine Rollitour zu gehen. Als ich am Mittag meinem Mann meinen Wunsch kundtat, riet er mir leider davon. Viel zu kalt für mich. Ich war schon ein bisschen enttäuscht, doch Recht hat er. Eine Erkältung liegt bei meiner Erkrankung einfach nicht drin. Die Sonne hätte ich aber schon nötig, besonders nachdem ich nun die Ergebnisse meiner Blutwerte habe. Ich habe nun tatsächlich einen Vitamin b und Vitamin d Mangel. Um diese Speicher wieder aufzufüllen darf ich nun für mindestens 3 Monate noch mehr Tabletten und Tröpfchen nehmen. Doch, wenn es hilft, nehme ich diese gerne zu mir. Ich war in letzter Zeit schon recht schlapp und antriebslos. Darum habe ich auch meine Tagebucheinträge vernachlässigt. Mal schauen, welche Energien diese Tröpfchen und Pülverchen freisetzen.
MÄRZ
1. Von mir aus kann der Schnee noch eine Zeitlang in den Bergen verbleiben. Doch im Tal sollte er langsam, aber sicher den Rückzug antreten. Ich habe nämlich für mich beschlossen, dass heute der Frühling beginnt. Also liebe Schneeflöckchen und kalte Biese, begebt euch in den Sommerschlaf. Wir erwarten euch erst wieder Ende Herbst.
3. Ich denke jetzt kommt‘s gut. Habe mir nämlich heute den ersten Sonnenbrand eingefangen. Ich sehe mal wieder aus wie eine Eule. Ich hätte mir doch nie träumen lassen, dass die Sonnenstrahlen schon solche Kraft entwickeln. Ganze vier Stunden konnte ich mich heute ohne zu frieren im Freien aufhalten. Und da beim Aufenthalt an der frischen Luft der Appetit angeregt wird, hat mein Mann kurzerhand ein Käsefondue zubereitet, welches wir uns dann im Freien schmecken liessen. Von mir aus kann es mit dem Wetter so weiter gehen. Ich weiss ja nicht, ob jemand nachvollziehen kann, welche Entbehrungen ich in den Wintermonaten auf mich nehmen muss. Meine Winterpsyche in Griff zu halten ist nicht immer einfach. Doch mit Hilfe meines Mannes und meines Sohnes habe ich auch diesen Winter hinter mich gebracht.
Leute aufgepasst, das fahrende Tomätchen ist wieder unterwegs.
4. Hoffentlich falle ich beim heutigen Wocheneinkauf nicht zwischen die Tomaten. Man würde mich doch glatt nicht mehr finden. Ich denke, ich muss nach mehreren Jahren der Makeup Abstinenz, mal wieder davon Gebrauch machen. Ob das Makeup noch gut ist, weiss ich jedoch erst Morgen. Vielleicht habe ich Morgen ausser der Tomatenfarbe noch Pusteln im Gesicht. Aber vielleicht stehe ich auch einfach zu meiner Röte. Ich kann ja immer noch sagen ich sei auf den Skiern gewesen. Mal schauen wer dann verdutzter da steht.
Ich freue mich, endlich wieder nach Draussen zu gehen/fahren. Nachdem letztes Jahr Anpassungen am Lift und an einer Türe vorgenommen wurden, kann ich ja nun wieder selbständig ins Freie. Damit ich nicht den ganzen Dreck vom Rasen (Herd von den Würmern) mit den Rädern in die Wohnung schleppe, wollen wir nun einen Weg durch den Rasen mit Platten auslegen. Soeben war ein Kundenmaurer da um das Ganze anzuschauen. Wäre super, wenn wir dies realisieren könnten. Wird zwar wieder einiges kosten, doch diese Arbeiten müssen wir vergeben. Mein Mann kann dies nicht neben seiner 100% Arbeitstätigkeit und der Arbeit mit mir auch noch erledigen.
So nun mache ich mich bereit für den Einkauf.
19.00 Uhr: Obwohl ich nicht in die Tomaten gefallen bin sind nun auch meine Ohren rot. Nicht etwa weil ich einen Satz heisse Ohren bekommen hätte. Nein vielmehr hätte ich heute welche verteilen können. Zuerst habe ich einer Automobilistin einen Zettel unter die Scheibenwischer gelegt, weil sie sich ohne Ausweis auf einem Behindertenparkplatz aufhielt. Sie kam dann gerade dazu. Als ich sah, dass ihre junge Begleiterin wegen eines Gipsfusses an den Krücken lief, entfernten wir den Zettel wieder. Wir wurden zuerst ganz schön Böse angeschaut. Ich erklärte ihr dann, was es mit den Zetteln auf sich hat. Da meinte sie, es wäre ein „Heisser“ was wir mit diesem Zettel machten. Da musste ich leider deutlicher werden und ihr erklären, dass man für die Benützung eines Behindertenparkplatzes normalerweise eine Behindertenparkkarte besitzen müsse. Worauf sie dann antwortete, dass hätte sie gar nicht gewusst. Ich liess es dann dabei bewenden und dachte nur, wer glaubt wird selig.
Dann als wir schön am Pöstelen sind, sehe ich wie meine Assistentin von einer Frau angesprochen wird. Leider kann ich nicht verstehen was gesprochen wird. Meine Assistentin erklärte mir was vorgefallen war. Anscheinend haben wir zu nahe an ihrem Auto geparkt. Wir ständen beinahe Stossstangen an Stossstange. Und wir sollten beim herausfahren ja nicht den Vorwärts- anstelle des Rückwärtsganges einlegen. Das war doch die grösste Frechheit. Hätte sie dies auch gesagt, wenn ich keine Behindertenparkkarte an der Autoscheibe gehabt hätte? Sicherheitshalber ist meine Begleiterin nachschauen gegangen. Eine ganze Hand hat noch zwischen die beiden Stossstangen gepasst, das reicht doch. Entweder kann man Parkieren oder nicht. Und da das andere Auto bereits ältere Schäden
an der Stossstange aufwies hat meine clevere Begleiterin zur eventuellen Beweislage gleich mit dem Handy Fotos geschossen. Wir sind ja nicht blöde.
Beim nächsten Einkaufcenter, bei welchem ich schon vor drei Wochen wegen der fehlenden Behindertenparkplätzen Vorstellung wurde, wollte ich Nachfragen ob sich nun etwas tue. Die Antwort des momentanen Filialleiters lautet, sie hätten entschieden, dass ein Behindertenpark ausreiche. Wir sollten doch bei Bedarf einfach zwei Parkplätze benutzen. Das kann‘s doch aber auch nicht sein. Da ich hier nichts mehr selber ausrichten kann, habe ich nun das Ganze an eine professionelle Instanz weitergeleitet.
Manche fragen sich sicher warum ich meine Kraft und meine Psyche mit solchen Dingen vergeude. Ich hingegen finde, wenn ich schon nichts gegen meine Krankheit tun kann, so kämpfe ich an der Front, an der ich Einfluss nehmen kann.
Und jetzt kommen wir zu meinen roten Ohren. Nach all dem Stress musste ich mir einfach was Gutes zukommen lassen. Kurzerhand entschloss ich mich, meine ehemalige Arbeitsstelle aufzusuchen um mir dort einen weiteren Satz Ohrringe stechen zu lassen. Meine Bedenken wegen der Blutverdünnung liess ich einfach hinter mir. Zwei von meinen ehemaligen Mitarbeiterinnen haben mich kompetent beraten und betreut. Es ist nicht mal Blut geflossen. Nun zieren vier kleine Zirkoniasteinchen meine inzwischen leicht geschwollenen roten Ohren.
6. Der Föhn demonstriert mal wieder seine Kraft. Seit zwei Tagen fegt er mit zum Teil 115 Km/h durch Berg und Tal. Er rüttelt an den Dachziegeln und schüttelt die jungen Planzentriebe ganz schön durch. Dem Schnee setzt er auch arg zu. Im Tal hat er mit den warmen Temperaturen von 14 Grad den Schnee zum Schmelzen gebracht. Auch an den Berghängen wird es immer grüner. Wird aber auch langsam Zeit, dass meine Rolli-Wege, welche im Schatten liegen, auch endlich Schneefrei werden.
Ich wäre eigentlich bereit für die Ausfahrten. Piet hat mir letztes Jahr extra einen Tisch kreiert, damit ich unabhängig zum PC hin und vom PC wegfahren kann, ohne dass mir dauernd jemand den Rolli-Tisch am Rollstuhl befestigen oder entfernen muss.
Solche Hilfsmittel kann man nicht kaufen. Da kann man sich Von schätzen, wenn man einen handwerklich begabten und ideenreichen Partner hat, so wie ich einen habe.
11. Am Samstag nahmen wir mal wieder an einem ALS-Selbsthilfegruppentreffen teil. In der Schweiz gibt es ca. 5 ALS-Selbsthilfegruppen mit unterschiedlichen Standorten. Die Teilnehmer der jeweiligen Gruppe treffen sich 4-5 Mal im Jahr zum Erfahrungsaustausch. Wir konnten bei den letzten Malen nicht mehr teilnehmen, da die Treffen unter der Woche stadtfanden. Nun sollte es aber eine Änderung geben. Am Treffen nahmen nebst der Moderatorin 9 Betroffene und 9 Angehörige teil. Die meisten kannten wir bereits, doch es gab leider auch wieder Neubetroffene welche wir natürlich herzlich in der Gruppe begrüssen. Wir „Älteren“ wissen genau was in denen vorgeht, welche mit der Diagnose ALS erst vor kurzem konfrontiert wurden. Trauer, Tränen, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit prägen die erste Zeit. Den Kopf voller Fragen nach dem wie weiter. Einige dieser Fragen können beim Besuch einer Selbsthilfegruppe besprochen werden. Wir geben einander Tipps und teilen Erfahrungen miteinander. Klar kommt auch immer wieder an solchen Treffen Traurigkeit auf, wenn man sieht wie die Krankheit bei dem einten oder anderen weiter fortgeschritten ist oder wieder Jemand in der Gruppe fehlt. Doch die Hilfe, die man von der Gruppe erfährt, überwiegt.
Da sich der Sonntag im schönstem Sonnenschein präsentierte, legte ich mich Draussen im Rolli an die Sonne. War das Wunderschön. Den Frühlingsblumen gefällt dieses Wetter natürlich auch. Immer mehr strecken ihre Köpfe aus der Erde. Auch unser Bärlauch gibt mächtig Gas. Die zarten, grünen Blätter haben etwa eine Länge von 5 cm. Ich freue mich schon auf den Bärlauch-Risotto.
17. Gestern sass auf dem Balkon und habe die Sonne in mein Gesicht scheinen lassen. Der Himmel war stahlblau. Keine Wolke hat sich gezeigt. Doch plötzlich kam der Föhn hinter den Bergen hervorgekrochen und hat den Schnee auf den Bergkämmen in Staubwolken verwandelt.
Es war interessant das beginnende Treiben zu beobachten. Lange hielt ich es jedoch nicht aus. Trotz der Sonne war es doch recht kalt. Und je mehr der Föhn anfing zuzulegen, desto windiger wurde es auf dem Balkon. Mittlerweile bringt er mal wieder Böen von 130 Km/h zustande. Unsere Dachziegel bekommen wegen dem Föhn mal wieder das Zittern. In dem Fall ist es dann besser, sich nicht auf dem Balkon aufzuhalten.
Ich habe dann am Nachmittag einen Bau- und Hobbymarkt aufgesucht. Mein Mann begab sich dort die Handwerksabteilung, während ich die Garten- und Hobbyabteilung durchstöberte. Ich suche immer noch einen tönernen Hasen, welchen ich zwischen die mit Eiern geschmückten Sträucher im Freien setzen möchte. Ich habe mir eine genaue Vorstellung gemacht, wie er aussehen muss. Leider habe ich den passenden noch nicht gefunden. Ich habe ja noch ein wenig Zeit um fündig zu werden. Es hätte jedoch wunderschöne, bunte Blumen gehabt. Doch mit dem kaufen warte ich noch. Will sie schliesslich nicht dem Kälteschock aussetzen. Dafür liebe ich die Blumen zu sehr.
22. Da der Frühling hier nicht recht in die Gänge kommen mag, sind mein Mann und ich Gestern kurzerhand gen Süden gefahren. Im Tessin beginnen sich die Knospen der Kamelien zu öffnen und die Magnolienbäume blühen bereits. Auch die Forsythien und die Japanischen Kirschbäume brauchen nur noch zwei- drei Sonnentage und sie werden uns mit ihren filigranen Blüten betören. Wir haben die warmen Temperaturen 15° – 18° C, welche uns auf der Fahrt um den Lago Maggiore begleiteten sehr genossen.
Heute waren die Temperaturen bei uns auch erträglich und ich konnte mich doch so zwei- drei Stunden im Freien aufhalten. Währenddessen widmete sich Piet seinen Motorrädern. Bald beginnt die Töff-Saison und da muss vorher noch einiges herum geschraubt werden. Dabei darf auch der Ölwechsel nicht fehlen.
Ich weiss es kann sich nur noch um wenige Tage handeln und dann ist der Frühling endgültig da. Schliesslich hat Martin Horat von den Muotathaler Wetterschmöcker prophezeit, dass an Ostern kein Schnee liegen werde. Das ist auch besser so. Ansonsten würde mein inzwischen gefundener, wunderschöner Deko-Hase im Schnee untergehen.
23. Da Heute die Temperaturen doch etwas wärmer waren als Gestern hielt mich nichts im Haus. Endlich konnte ich unseren Garten wieder etwas genauer unter die Lupe nehmen. Ich musste allerdings vorsichtig übers Grundstück fahren. Momentan hat es sehr viele wilde Primeln und Gänseblümchen im Rasen, die wollte ich mit meinem schweren Rolli nicht platt walzen. Die Osterglocken, Tulpen und Hyazinthen strecken sich immer weiter aus dem Boden. Auch braucht es nicht mehr so lange und die Japanische Kirsche und der wilde Johannisbeeren Strauch öffnen ihre rosa und roten Blüten. Ich habe schon wieder Pläne geschmiedet, wo ich neue Blumen hinpflanzen möchte. Nun kann ich solche Arbeiten wieder selber, respektive mit einer meiner Assistentin zusammen, angehen. Sonst musste ich immer meinen Mann darum bitten. Ihm gefallen zwar Blumen, doch mal ehrlich, wir Frauen haben doch eher ein Händchen fürs arrangieren und das dekorative. Ich freue mich richtig, bald mit meiner Assistentin im Garten werkeln zu können.
Nächste Woche hat er zwar wieder Schlechtwetter prognostiziert, doch lange wird es sich nicht halten können. Ich habe heute vorsorglich Sonne auf Vorrat getankt. Meine Backen sind nämlich schön rot geworden und geben nun die gespeicherte Wärme an den ganzen Körper ab. Die Sonne ist einfach wunderbar.
24. Darf ich euch die zwei niedlichen Kälber vorstelle. Quenda mit den roten Haaren kam Ende letzten Jahres und Rani mit den schwarzen Haaren kam Anfang dieses Jahres zur Welt. Was mich besonders freut; ich durfte dem ersten Kälbchen, welches in diesem Jahr geboren wird einen Namen geben. Da die Namen der Aufzuchtkälber dem Alphabet folgen, musste ich lediglich den Anfangsbuchstaben beachten. Dieses Jahr ist es eben der Buchstabe „R“. Ich habe mich übers Internett betreffs Namen und deren Bedeutung schlau gemacht. Schlussendlich habe ich mich für den Namen Rani entschieden. Was je nach Gegend so viel bedeutet wie; Königin, Prinzessin oder meine Freude. Inzwischen hat sich noch ein weiteres Kälbchen mit dem Namen Ronja zu den Beiden gesellt. Nun heisst es während den ersten Wochen trinken, trinken, so um die 5 – 6 Liter Milch im Tag. Danach gibt es erst festere Nahrung.
26. Sie sind wieder weiss die Bäume und Sträucher. Und die jungen Frühlingsblumen haben ihre Blütenköpfe wegen der Kälte wieder zugeklappt. Die Deko-Ostereier, welche wir im Freien aufgehängt haben, haben inzwischen weisse Käppchen bekommen. Und der Osterhase, welchen wir auf einer Wurzel platziert haben, friert sich fast seine Ohren ab. Die weisse Landschaft mag ja schön aussehen, doch irgendwann möchte ich doch wieder Farben sehen. Frühling wo bleibst du, ich vermisse dich. Ich will nicht mehr frieren, ich will Sonne und Wärme. Ich will auf meine Rollitouren.
Letzte Woche, als wir Ferien hatten, konnten wir wenigstens in den Süden ausweichen. Nun müsste ich aber alleine dorthin fahren. Ich könnte ja versuchen mit dem Rolli durchs Gotthardtunnel zu fahren. Doch wenn ich an den Stau und das Gehupe hinter mir denke, macht das kaum Spass. Eine Alternative wäre höchstens noch die Passstrasse. Sie ist zwar noch geschlossen und mit Schranken abgesperrt. Weil ich als Rollifahrer jedoch ständig mit Barrieren konfrontiert werde, würde ich auch diese umfahren können. Doch es lohnt sich nicht. Im Süden soll es wettermässig auch nicht viel besser sein. Also kann ich genauso gut hier bleiben und die Schneeflocken zählen.
APRIL
1. Endlich mal einen ganzen Tag voll Sonnenschein. Es ging zwar die kühle Biese, doch an einem geschützten Ort bekam man im Pullover doch recht warm. Ich war jedenfalls den ganzen Nachmittag im Garten und habe Pläne geschmiedet. Ich möchte erreichen, dass in unserem Garten vom Frühling bis Herbst steht’s etwas Blühendes anzutreffen ist. Seien es nun Blumen, Sträucher oder fruchttragende Pflanzen. Es ist doch einfach wunderbar, zuzusehen wie etwas aufwächst und gedeiht.
Ich hoffe jetzt nur, dass endlich Schluss ist mit dem Schnee und die Sommervögel bald eintreffen.
Unser Osterhase hat die Kälte anscheinend gut überstanden. Die Eierdiebe haben sich jedenfalls nicht an seine Eier gewagt.
3. Warten, warten und immer wieder warten. Ich muss mich inzwischen selbst überlisten, damit ich die Hoffnung auf wärmere und sonnigere Tage nicht verliere. Er ist lang, sehr lang dieser Winter. Die Natur möchte sich endlich entfalten, möchte wachsen und ihre farbenfrohen Blüten zeigen. Doch dafür benötigt sie wärmere Temperaturen und die gibt es nur durch Sonnenschein. Ich bräuchte sie auch dringend, sonst muss ich die Vi-De3 Tropfen wegen des Sonnenmangels, noch lange einnehmen. Diese Tropfen sind so grausig im Geschmack, dass ich immer wieder etwas anderes ausprobiere muss, um sie runter zu kriegen. Und diese Tropfen verabreicht man auch Kleinkindern. Dem sag ich Geschmacksnervenquälerei.
Einer meiner Überlistungsversuche wegen des Frühlings war der Heutige Coiffeur Besuch. Eine pfiffige Kurzhaarfrisur mit hellen Sonnenschein Strähnchen musste her. Und Anfangs Woche habe ich für unseren Garten, Blumen übers Internet bestellt. Vielleicht helfe ich dem Frühling damit auf die Sprünge. Hallo Sonne, wir sind hier, hier unter der Nebeldecke. Schick doch wenigstens ein paar Strahlen zu uns herunter, sonst gehen wir noch ein.
6.Es war 18.30 Uhr als ich mich an den PC gesetzt habe. Mein Mann hatte kurz davor den Frühling in mein Büro gebracht. Er hat den Rand meines PC-Bildschirmes mit farbenfrohen Blumen, bunten Schmetterlingen und wunderschönen Vögeln dekoriert. Ein Glückskäferli ist auch noch dabei. Mein Mann überrascht mich immer wieder mit solch schönen Dingen. Dies schätze ich sehr an ihm. Als ich nun am PC anfange zu „arbeiten“ bemerke ich wie Vögel in rasantem Tempo an meinem Fenster vorbeifliegen. Als ich genauer hinschaue kann ich es kaum glauben, was ich da sehe. Die Schwalben sind endlich bei uns eingetroffen. Das kann nur bedeuten, dass es endlich wärmer wird und wir bald den Frühling geniessen können. Judihui!
9. Leute, ich habe gute Nachrichten für euch. Ich bin am Wochenende den Frühling suchen gegangen. Ich habe ihn auch tatsächlich gefunden. Als wir am Sonntag auf der Südseite aus dem Gotthardtunnel fuhren, begrüsste uns die Sonne mit ihrem schönsten Lächeln. Zwischen dem Nebelgrau auf der Nordseite und der strahlenden Sonne auf der Südseite des Gotthards liegen gerade mal 20 Autominuten. Wir kamen uns vor wie in einer anderen Welt. All diese blühenden Sträucher und Bäume. Das satte Grün der Wiesen mit dem blühenden Löwenzahn. Es war richtig warm, sodass wir beschlossen, zur Abkühlung den Heimweg über den Lukmanierpass zu nehmen. Dort trafen wir dann wieder auf den Winter. Aber auch dort oben wird bald der Frühling einziehen.
20. Sie waren so schön, die vergangenen Frühlingstage. Ich habe sogar etwas Farbe im Gesicht und an den Armen bekommen. Einige mögen sagen es gehe schon in Richtung eines Sonnenbrandes Ich denke, wenn es so weiter geht kann ich die Vi-De 3 Tropfen, die ich wegen Sonnenmangel einnehmen muss, bald absetzen. Schliesslich haben mir in den letzten Tagen mehrere Personen gesagt, dass ich so frisch und gesund aussehe. Mir geht es tatsächlich sehr gut. Das habe ich vor allem dem wunderschönen Frühlingswetter zu verdanken. Ich kann wieder nach draussen und mich in der Natur auftanken. Ich komme mir vor wie eine Blume, die sich wieder entfalten kann.
Letzte Woche war es noch nicht so. Da hat mich doch tatsächlich noch schnell eine Magengrippe mit Krämpfen und Durchfall heimgesucht. Man kann sich ja vorstellen, was das für Personen wie mich bedeutet, die nicht mal schnell das Örtchen aufsuchen können. Da bleibt einem nichts anderes übrig, als Windeln zu montieren. Einen Vorteil hat das Ganze wenigstens, man sitzt weich und warm.
Ich habe mittlerweile schon zwei- drei Rollitouren unternommen. Eine führte mich zum See und zu den Biotopen. Eine über den Hochweg durch den Felsentunnel. Es hat mich natürlich besonders gefreut, dass die defekten Holzwasserkanäle inzwischen durch Metallkanäle ersetzt wurden. Nun kann ich diese Strecke wieder ohne Gefahr befahren. Dem Zivilschutz sei Dank. Ohne ihn könnten die vielen Wander- und Bike Strecken gar nicht unterhalten werden. Am Donnerstag habe ich mich auf dem Reuss Damm Richtung Süden aufgemacht. Das Wetter war ja so herrlich. Da neue Wege angelegt wurden, konnte ich bis Amsteg fahren. Auf der Fahrt begegneten mir diverse Schmetterlinge, welche schon emsig nach Nektar suchten. Manchmal bin ich ganz schön erschrocken, ab dem plötzlich auftretenden Rascheln im Unterholz. Gewiss streckte dann eine Eidechse ihren Kopf vorwitzig unter vertrocknetem Laub hervor. Es war eine lange Route und ich war froh, dass die Warnlampen meiner Batterieanzeige erst kurz vor meinem Zuhause anfingen zu blinken. Sonst hätte ich doch glatt meinen Mann mit dem Servicewagen aufbieten müssen. Ich hätte gerne Batterien, mit denen ich den ganzen Tag unterwegs sein könnte. Leider gibt es keine mit grösserer Reichweite.
Ich denke, es ist ganz gut, dass das schöne Wetter eine kleine Pause eingelegt hat. Der Regen tut der Natur sehr gut. Doch Schnee hätte es keinen mehr geben müssen.
MAI
1. Dank dem heutigen Föhn, der immer wieder die Regenwolkendecke aufriss um der Sonne Platz zu verschaffen, war es angenehm warm. Ich hab mich nach Wetterphase jeweils Drinnen und Draussen aufgehalten. Es war herrlich unserem Dorfbach zu lauschen, welcher direkt an unserer Grundstücksgrenze entlang fliesst. Wegen den Regenfällen und der Schneeschmelze führt er mehr Wasser als sonst. Manchmal konnte ich die polternden Steine hören, die das Wasser mit sich führte. Das Rauschen eines Baches, das Vogelgezwitscher im Nussbaum ob mir, die Blumen und Pflanzen welche am Erblühen sind, der Frühlingsduft und die wärmenden Sonnenstrahlen, was brauch ich anderes um glücklich zu sein.
5. Zum Glück konnte ich heute mal wieder richtig Sonne tanken. Das hatte ich nach dem gestrigen Tag auch dringend nötig. Am Samstag haben mein Mann und mein Sohn, draussen am Balkon gewerkelt. Da wollte ich natürlich auch dabei sein und meinen Senf dazu geben. Später stand ich meinem Sohn mit Rat zur Seite, als er seine neuen Beerensträucher einpflanzte. Ich dachte, ich hätte mich warm genug angezogen. Doch nach dem Nachtessen überkam mich eine derartige Kälte, dass mir nichts anderes übrig blieb als mich mit zwei heissen Bettflaschen (mehr haben wir nicht), mit dem heissen Hirsekissen und dem heissen Kirschsteinkissen ins Bett zu legen und die Bettdecke bis an die Nasenspitze hochzuziehen. Nach ca. 2 Stunden, nachdem mir Piet zwischenzeitlich immer wieder die Kissen aufwärmte, erlangte ich endlich wieder meine normale Betriebstemperatur. Diese Kälteempfindlichkeit ist eben auch eine Begleiterscheinung der Krankheit ALS. Letztes Wochenende waren Sonja, ebenfalls von ALS betroffen, ihr Mann Andi und Brasil, Sonjas Hilfshund bei uns zum Raclette-Essen. Auch sie kennen das Problem mit der Kälte. Nun weiss ich auch warum in unserem ALS-Notfallpass steht, man müsse uns warm halten.
Der Nachmittag mit Sonja und Andi war sehr schön. Es ist so wertvoll, mit andern Betroffenen Kontakt zu halten. Wir müssen uns schliesslich mit denselben Problemen herum schlagen und können einander mit Tipps und Ratschlägen aushelfen. Wir können so viel voneinander profitieren. Schade nur, dass wir so weit voneinander wohnen. Aber zum Glück gibt’s ja noch das Internet, auch wenn es nicht dasselbe ist.
Übrigens, ich bin nicht nur auf der Datenautobahn unterwegs. Ich habe inzwischen meinen eigenen Highway bekommen. Vor drei Wochen wurden bei uns rings ums Haus Platten verlegt. Jetzt kann ich mit dem Rollstuhl, ohne dass ich im Rasen einsinke und ohne das ich in der Steigung neben dem Dorfbach ins Rutschen gerate, ums Haus kurven. Ich bin sehr froh darüber. Dies gibt mir wieder ein bisschen mehr Selbständigkeit.
6. Das Wetter weiss noch nicht so recht was es will. Ich jedenfalls bin geduscht und frisiert und wäre also bereit nach Draussen an die Sonne zu gehen, eh, natürlich zu fahren. Da ich bereits gestern den Menüplan und der Einkaufzettel für diese Woche erstellt habe, hätte ich nun Zeit für ein bisschen Sonne. Am Nachmittag bin ich bereits wieder mit einer meiner Assistentinnen unterwegs zum Wocheneinkauf. Ja, meine Wochentage sind schon straff organisiert. Doch nur so kann mein / unser Alltag funktionieren. Manchmal möchte man schon gerne mehr Privatsphäre. Es gehen eben schon einige Personen bei uns ein und aus. Doch der Vorteil, die Spitex und Assistentinnen einsetzen zu können überwiegt gewaltig. Ohne sie würde es Zuhause gar nicht mehr funktionieren und ich müsste in ein Pflegeheim eintreten. Im Kanton Uri bedeutet dies, ich würde in einem Altersheim versauern. Darum sind wir auch allen sehr dankbar, die mir das Leben zu Hause ermöglichen. Dankeschön☺! Um die Woche noch voller zu machen, besucht mich meine Physiotherapeutin auch noch zweimal die Woche. Ich liebe es und es tut meinem Körper so gut, wenn er durchbewegt wird. Mit diversen Übungen versuchen wir meine Beweglichkeit so lange wie möglich zu erhalten. Bislang klappt es sehr gut. Ich habe kaum Spastiken oder sonstige Schmerzen. Durch die gelegentlich angewandte Lympftrainage habe ich kaum Wasseransammlungen in den Beinen und Armen. Also wie ihr lest, werde ich sehr gut Betreut.
Wo die Betreuung weniger gut funktioniert ist beim Hausarzt. Da ich seit meiner Lungenembolie Blutverdünnende Medikamente einnehmen muss, müsste der Blutwert monatlich kontrolliert werden. Leider bringt es die moderne Arztpraxis nicht fertig, wiederkehrende Termine vorausschauend zu terminieren. Jedes Mal muss ich aufs Neue nachfragen. Ich würde ja die Praxis wechseln, doch bei dem Hausarztmangel fasst eine Unmöglichkeit. Aber sonst geht es mir ja gut.
So, jetzt muss ich mit dem schreiben aufhören. Es gibt gleich Mittag und danach geht’s zum Wocheneinkauf.
8. Endlich! So liebe ich es. Als ich heute Morgen die Augen öffnete wurde ich sogleich von der Sonne geblendet. Sie hat mit ihren Strahlen direkt in mein Gesicht gezielt. Von den warmen Strahlen liebkost zu werden, tut der Seele und dem ganzen Körper gut. In der letzten Zeit ist es ja ein ständiges auf und ab mit dem Wetter. Mal schien die Sonne so stark, dass man in den Schatten flüchten musste. Kurze Zeit später zogen Wolken auf, es begann zu regnen und es wurde wieder so kalt, man hätte einen Winterpulli anziehen müssen. Die ständigen Wetterkapriolen gehen mir langsam auf den Wecker. Am liebsten würde ich jetzt an einen warmen Ort in die Ferien fahren.
Eine Ferienrundreise durch Frankreich (Route Napoleon) habe ich ja schon fixfertig geplant in der Schublade liegen. Die Tagesrouten und alle 5 Hotels habe ich inzwischen ebenfalls gebucht. Es war eine Herausforderung für mich, denn ich kann nämlich nicht Französisch. Zum Glück gibt es die Sprachübersetzungen. So konnte ich mich bei den jeweiligen Hotels nach Barrierefreien Zimmern erkundigen. Also, ich wäre startklar. Doch ich muss mich noch einige Zeit gedulden bis mein Mann Ferien hat.
Da heute Schönwetter ist, ich nach Draussen kann, wird die Zeit bis zu den Ferien auch schneller vergehen. Ich jedenfalls werde heute das wunderschöne Wetter geniessen.
11. Gigeriegii, seid ihr überhaupt aufgestanden. Bei diesem Wetter würde ich mich nicht wundern, wenn einige das verlängerte Auffahrtswochenende im Bett verbringen würden. Das wäre aber schade. Man kann auch im Regen Ausflüge unternehmen und dabei interessantes und skurriles entdecken. Ich habe ja schon einige Hühnerbehausungen gesehen. Doch so ein kurioses Hühnerhaus hatte ich doch noch nie vor der Linse. Sieht doch komfortabel aus. Vielleicht wird im Sommer sogar die Klimaanlage eingeschaltet und im Winter die Heizung. Das muss ja besonders gute Eier geben. Ich frag mich gerade, wie wohl die Sitzverteilung im Auto ist. Ich nehme an, es ist wahrscheinlich nicht anders als bei uns. Der Hahn wird wohl auf dem Fahrersitz thronen.
Was es sonst noch zu bewundern gibt, sind die momentan blühenden Rapsfelder. Es lohnt sich, deswegen mal über Land zu fahren. Die Rapsblüten haben so ein intensives Gelb. Es scheint, als würde die Sonne vom Boden herauf scheinen.
Übrigens, Raps ist der wichtigste Speiseöllieferant in der Schweiz. Die Anbaufläche in der Schweiz beträgt ungefähr 20 000 Hektaren, was der Fläche von rund 30 000 Fussballfeldern entspricht.
22. Nun ist sie auch schon wieder vorbei, unsere Route Napoleon Reise. Obwohl das Wetter besser hätte sein können, war es eine schöne Reise.
Am ersten Tag auf dem Weg nach Annecy konnten wir noch mit offenem Cabriodach fahren. An den andern sechs Tagen waren entweder die Temperaturen zu tief oder es hat geregnet. Wie in ganz Europa. Wer um diese Jahreszeit diese Route fährt trifft nicht auf staubige und verdorrte Felder. Vielmehr fährt man durch grüne Wälder und Ernte tragende Felder. Der Lavendel hat zwar noch nicht geblüht, dafür der Mohn. Auf Route Napoleon geht es Berg auf und ab. Bei 1200 m. ü. M und ohne Sonne haben wir dann freiwillig auf oben Ohne verzichtet. Es gab skurrile Felsformationen und tiefe Schluchten zu bestaunen. Die wilde Vegetation hat uns sehr gefallen. Unterwegs trafen wir immer wieder auf kleine abgelegene Dörfer und auf Gutshöfe und Destillerien, welche Olivenöle, Weine usw. herstellen. Es war eine abwechslungsreiche Reise die uns von Genf nach Annecy, dann nach Gap, über Castelan nach Gréoux-les-Bains, dann weiter über Grasse nach Antibes, dann nach Savona und über Alexandria wieder nach Hause führte.
Die Hotels und die Zimmer waren mehrheitlich Behindertengerecht ausgestattet. Manchmal musste lediglich ein Möbelstück verrückt werden oder der Gartenstuhl musste als Duschstuhl herhalten. Es sind Kleinigkeiten, die nicht zu Ende studiert wurden. Im Grossen und Ganzen bin ich mit der Planung der Reiseroute und den Unterkünften zufrieden. Es hat mehrheitlich alles geklappt. Ich hatte aber auch einen exzellenten Fahrer, Begleiter und Betreuer. Schatz, ich danke dir, dass du uns diese Reise ermöglicht hast.
29. Wunderscheenä Abighimu. Einzelni Wuwchä hend ä retlichä Schimmer ibercho und a einzelnä stellä gseht mä dr blaui Hiimu viirälüägä. Äs rägnet eu nimmä und Dussä isches eu viu heller wordä. Bi derä verchertä Wäut würds mich nit wunderä, wenn diä Nacht d’Sunnä statt dr Mond schienä würd.
Als ich vorhin meine Homepage öffnete, habe ich mich fast erschrocken. Mein letzter Tagebucheintrag liegt bereits eine Woche zurück. Da muss ich ja gleich was unternehmen und euch was aus meinem Leben berichten.
Da mein Mann letzte Woche noch Ferien hatte und das Wetter bei uns nicht gerade berauschend war, zog es uns mal wieder in den Süden. Von uns aus sind wir in 50 Minuten im Tessin. Jedoch auch nur, wenn vor dem Gotthardtunnel kein Stau herrscht. Unter der Woche oder im Sommer, wenn man über den Pass fahren kann, kommt man besser vorwärts. Der Gotthard ist die Wetterscheide zwischen Nord und Süd. Letzte Woche waren wir zweimal unten und es war beides Mal über 20 Grad. Dass es bei uns Zuhause definitiv zu nass und zu kalt für diese Jahreszeit ist, dass sogar die Schnecken mit uns in den Süden fahren wollen, ist Beweis genug.
Am Montag und Dienstag dieser Woche war dann das Wetter doch so schön, dass ich mit dem Rolli meine Runden drehen konnte. Einmal war ich am See. Es war herrlich, nur am See zu sitzen, die Wasservögel zu beobachten, dem Wasser und dem Wind zu lauschen und den Duft der Natur aufzunehmen. Ich fühle mich dabei so unendlich frei und glücklich. Ich empfinde mein Leben trotz Allem wunderschön.
JUNI
14. Da ich wusste, dass die Sonne am Freitag eine Pause einlegen würde, hatte ich mir für heute vorgenommen, mir Zeit für meine Homepage zu nehmen. Doch meine Müdigkeit hat mich gezwungen im Fernsehsessel Platz zu nehmen, um mich auszuruhen. Eigentlich hatte ich diese Woche bereits meinen Nichtstun Nachmittag eingezogen, indem ich volle zwei Stunden unter dem Nussbaum geschlafen habe. Anscheinend hat dies nicht gereicht. Doch jetzt bin ich ausgeruht und ich werde ein paar Zeilen zum Besten geben.
Wie ihr euch sicher vorstellen könnt, konnte mich nach den vielen Regentagen nichts mehr im Hause halten. Sobald sich die Sonne am Himmel gezeigt hat, bin ich in alle Richtungen ausgeschwärmt. Ich musste mich doch erkundigen, ob meine Lieblingstrecken durch das viele Nass keine Schäden zurückbehalten haben. Als ich meine Felsenstrecke (Hochweg) inspizieren wollte, waren Arbeiter gerade dabei, die Strecke wieder begeh- befahrbar zu machen. Sie füllten die Gräben, welche das viele Wasser hinterlassen hatte, mit Schotter auf. Dank meinem Offroader- Rollstuhl konnte ich die Strecke mit Vorsicht befahren. Bei der nächsten Ausfahrt nahm ich die Seestrecke unter die Lupe. Der See war recht hoch und am Strand lagen Unmengen von Treibholz. Die Stein- und Sandbänke, welche von den Wasservögeln gerne als Liegeplätze aufgesucht werden, waren mehrheitlich unter Wasser. Die Sumpfflächen, welche sich in der Nähe des Sees befinden, waren reichlich mit Wasser getränkt. Die Frösche fühlten sich darin richtig wohl. Ihre Quack-Konzerte waren ringsum zu hören und wollten nicht enden. Ein anderes Mal besuchte ich meinen Bruder, der mit seiner Familie und Helfern am Heuen des Bordes war. Ich liebe den Duft von frischem Heu. Ich könnte mich glatt reinlegen. Wie gerne hätte ich mitgeholfen, doch ich konnte sie lediglich mit Glace versorgen. Und Gestern verbrachte ich den ganzen Nachmittag bei meinen Eltern. Unter dem Nussbaum, genossen wir natürlich ein feines Feldlikaffee (Urnerkaffee). Als wir so dasitzen und uns unterhalten, poltert es plötzlich neben uns. Wir sehen, wie eine der fünf Katzen etwas im Maul hält. Meine Mutter meint, bei der Beute handle es sich um eine Maus und sagt sogleich „brave Katze“. Mein Vater und ich schauen sie an und sagen: Es ist ein Vogel. Worauf meine Mutter die Katze anschaut und sagt „böse Katze“. Die Katze verschwindet darauf blitzartig mit ihrer Beute Richtung Stall. 10 Minuten später geht mein Vater die Kühe füttern. Doch kurz darauf kommt er ausser Atem wieder zu uns an den Tisch und wir haben schon Angst es gehe ihm wieder nicht gut. Doch weit gefehlt. Er schaut uns verschmitzt an, legt seine rechte Hand auf den Tisch und öffnet sie vorsichtig. Zuerst fällt Grass aus seiner Hand und kurz darauf hüpft etwas auf den Tisch um sogleich davon zu flattern. Mein Vater sagt, er habe gesehen, wie die Katze mit ihrer Beute zwischen dem Grass spielt und hat ihr den Vogel kurzerhand abgejagt. Und das mit seinen 87 Lenzen. Meiner Mutter und mir hätte er an diesem Tag nichts Schöneres geben können. Glücklich und zufrieden bin ich dann später Nachhause gefahren.
Auf meinen Ausfahrten durfte ich immer wieder an wunderschönen Wildblumen vorbeifahren. Über so viel Schönes kann ich einfach nur staunen.
22. Manchmal, wenn ich mit vielen Sachen gleichzeitig konfrontiert werde, schwirrt es in meinem Kopf und ich kann dann schlecht abschalten. Ich schlafe schlecht, habe doofe Träume und bin dann am Tage dementsprechend müde. Meine Gedanken waren in letzter Zeit oft bei Menschen, die mir am Herzen liegen und denen es Gesundheitlich nicht besonders gut erging. Ich habe mir unter anderem Sorgen um meinen Vater gemacht. Zum Glück geht es ihm inzwischen wieder besser. Nun muss er einfach noch die Kraft finden, sich einzugestehen, dass in seinem Alter nicht mehr alles möglich ist. Auch mein lieber PC-Freund aus Berlin hatte keine gute Zeit. Sein Körper und sein Geist wollten eigentlich diese Welt verlassen, doch etwas veranlasste ihn dann doch noch zu bleiben. Vielleicht war es das schöne Wetter, auf das wir Rollifahrer so lange warten mussten. Grosse Gedanken mache ich mir auch um eine neubetroffene ALS-Kollegin. Ich studiere, wie ich sie und ihr Umfeld unterstützen könnte. Ich weiss, was sie jetzt durchmachen. Allen wünsche ich viel Mut, Lebenswillen und die Kraft, die für sie passenden Entscheidungen zu treffen. Vergesst nie, dass es neben Tränen auch noch ein Lachen gibt.
Ich wünschte, ich wäre mobiler und meine Stimme verständlicher, dann könnte ich diesen Menschen besser helfen. Aber auch ich muss akzeptieren, dass manches einfach nicht mehr möglich ist. Machen wir also das Beste aus der jeweiligen Situation. Je schneller wir unser Schicksal akzeptieren, desto schneller kehrt die Lebensfreude zurück.
Erfreuen wir uns an all dem Schönen, was die Erde hervor bringt.
24. Diese Nacht konnte ich wieder mal richtig durchschlafen. Allerdings wurde ich um kurz vor halb Sechs durch Hüftschmerzen geweckt. Zum Glück stand mein Mann kurz danach auf und konnte mich auf die andere Seite drehen um die Hüfte zu entlasten. Diese Schmerzen habe ich immer wieder mal. Sie dauern jedoch höchstens einen Tag an. Manchmal muss ich aber auch ein Medikament einsetzen. Mir hilft dann am besten das Schmerzmittel Celebrex.
Ich könnte diese Schmerzen umgehen, wenn es mir endlich gelingen würde, auf dem Rücken zu schlafen. Ich versuche es immer wieder mit mässigem Erfolg. So auch vom Samstag auf den Sonntag. Die Stunden vergingen, die Nacht wurde zum Tag und ausser zwei, drei Nickerchen zwischendurch war da nichts mit Schlaf. Ich habe ja gewiss Ausdauer, doch um 6 Uhr riss bei mir die Geduld und Piet musste Aufstehen und mich auf die Seite drehen. Aber ich sage euch, ich werde das auch noch schaffen.
Letzte Woche wurde ich von mehreren Ereignissen aus dem Schlaf gerissen. Am Mittwoch wurde ich um ca. 5 Uhr durch Glockengeläut geweckt. Ich wäre gerne ans Fenster gelaufen um dem Vieh und den Leuten beim Alpaufzug zuzuschauen. Von so was lasse ich mich natürlich gerne Wecken. Weniger lustig fand ich dann am andern Tag das rütteln an meinen Fensterläden. Der Föhn wollte wieder mal seine Kraft demonstrieren. Jetzt ist es jedoch fertig, mit dem aus dem Schlaf rütteln. Piet hat eine stärkere Befestigung an den Läden angebracht.
26. Was ist eigentlich mit dem Wetter los. Zuerst gab es den langen Regen, dann die grosse Hitze und nun diese Kälte. Morgen soll es sogar bis auf 1600 Meter hinunter schneien. Heute Morgen musste ich die Spitex anweisen, mir wärmere Kleidung anzuziehen. Nun liege ich mit Thermoleibchen und Winterpulli unter einer Decke, schaue Fernsehen und schreibe auf dem Tobii fürs Tagebuch. Dem sagt man Multitask. Das sollen Frauen ja besonders gut beherrschen.
Eigentlich würde ich jetzt lieber in der Welt herumkurven, doch frieren mag ich einfach nicht mehr. Diese Woche war ich nur zum Einkaufen draussen. Zum Glück war eine meiner Assistentinnen bei mir. Ich wollte zur Papeterie fahren um Druckerpatronen zu kaufen. Leider wurde ich durch eine hohe Eingangsstufe vor dem Geschäft ausgebremst. Früher suchte ich eine andere Papeterie auf, bei der ich ungehindert hineinrollen konnte. Doch vor kurzem haben die beiden Papeterien fusioniert und nun gibt es nur noch das Geschäft mit der Stufe. Als ich von der Zusammenlegung in der Zeitung las habe ich noch überlegt, die Geschäfte anzuschreiben. Ich hätte sie bitten wollen, den Eingang rollstuhltauglich zu machen. Da sich das Geschäft im Kantonshauptort mitten in der Einkaufsstrasse befindet, dachte ich die zuständigen Behörden würden sich schon darum kümmern. Falsch gedacht. Also muss ich weiterhin selber die Initiative ergreifen und mich manchmal unbeliebt machen. Mit meinen Assistentinnen habe ich nun Verbündete an der Seite, die mir helfen, Barrieren aus dem Weg zu räumen.
Als meine Assistentin am Montag die Papeteriechefin auf die Stufe anspricht, sagt diese voller Freude sie hole gleich eine Rampe. Diese wurde auch gleich montiert. Die Frage, wie sich Rollstuhlfahrer von aussen bemerkbar machen können, wenn sie die Rampe benötigen. Man könnte Aussen eine Klingel anbringen um Hilfe anzufordern. Für mich keine Option, dafür sind meine Finger zu schwach. Die Chefin erwähnt dann aber, dass nächstens Umgebaut werde und sie unser Anliegen einbringen werde.
Bereits letzte Woche musste ich gegen Barrieren ankämpfen. Zwei Autos versperrten mir den Eingang zum Dorfladen und ausserdem blockierten sie die ganze Trottoir Breite. Als ich die Automobilisten bat, nächstes Mal doch bitten einen Parkplatz zu benutzen, erwiderte die Einte; es hätte gerade keinen Passenden gehabt.
Die andere Automobilistin sah mich ganz schuldbewusst an. Sie war früher mit einem Zwillingswagen unterwegs und hat sich sicher auch so manches Mal über falsch abgestellte Autos geärgert.
Ich muss mit dem Rollstuhl nicht die Berge hochkrakseln können. Ich verstehe auch, dass nicht alle Gebäude rollstuhlgängig sind. Aber ich wünschte mir, dass uns Rollstuhlfahren nicht zusätzliche Hindernisse in den Weg versperren. Wie ihr seht, es gibt noch viel zu tun.
JULI
5. Gerüche, welche wir wahrnehmen, werden in unserem Gedächtnis gespeichert. Ich denke, die meisten "meiner" Düfte nahm ich schon in meiner Kindheit auf. Diese sind nun jederzeit abrufbar und bringen Erinnerungen hervor. Wenn ich z.B. Heu rieche denke ich oft an meine Heuer-Zeit zurück. Ich mochte diese Arbeit auf dem Feld. Manchmal jedoch, wenn die Beine vom vielen Laufen müde wurden, hätte man sich dann doch lieber auf eine Schwarbe gesetzt um auszuruhen. Doch die Landwirtschaftlichen Maschinen gaben den Takt vor. Das Fussvolk musste hinterher mit den Rechen. Und manchmal, wenn man den Job gefasst hatte das Heu vor das Gebläse zu befördern und die Arme dabei anfingen zu schmerzen, hätte man die Heugabel am liebsten in die hinterste Ecke des Stalls geworfen. Aber wahrscheinlich hätte man dafür auch gar keine Kraft mehr gehabt. Doch nach einem zünftigen Zabig, mit gemütlichem Zusammensitzen, liess die Müdigkeit allmählich nach und machte der inneren Zufriedenheit Platz.
Manchmal fehlt es mir schon, das Müdewerden durch Arbeit.
Doch da gibt es noch viele andere Düfte, die Erinnerungen hervorrufen. Momentan stehen die Sommerlinden in der Blüte. Der süsslich, milde Duft den sie aussenden zieht nicht nur die Bienen in ihren Bann, sondern auch mich. Früher hat uns der Vater Lindenbaumäste aus dem Wald geholt und wir mussten / durften die Blüten abzupfen. Diese wurden dann auf dem Vorplatz des Stalls zum Trocknen ausgebreitet, dann in Leinensäcke abgefüllt und in den Estrich gehängt. Aus diesen Blüten bereitete unsere Mutter während des Sommers dann den durststillenden, von uns gern getrunkenen, kalten Lindenblütentee her.
Von meinem Bürofenster aus sehe ich direkt auf eine Linde. Ihr Blütenduft reicht bis in mein Zimmer. Da die Linde auf öffentlichem Boden steht und nie jemand diese Blüten erntet, habe ich mit einer meiner Assistentin zusammen, der Linde Gestern einen Besuch abgestattet. Leider waren wir nicht die einzigen Besucher. Der Baum wurde regelrecht von Bienen umschwärmt. Trotzdem ist es uns gelungen einen Sack voll zu ernten. Nun liegen die Blüten zum Trocknen in der Pergola. Ich freue mich schon jetzt auf den feinen Tee.
15. Sorry, dass ich so wenig schreibe. Aber bei solch schönem Wetter bin ich nachmittags on Tour. Es sei denn, es ist Montagnachmittag. Der ist nämlich für den Wocheneinkauf, welchen ich mit einer meiner Assistentin tätige, reserviert. Und auch der Dienstagnachmittag geht für allgemeine Arbeiten drauf. Nach dem Motto, verschiebe nichts auf Morgen, was du Heute kannst besorgen. Apropos Morgen, die brauche ich, um mich für den Tag bereit zu machen. Dabei werde ich von der Spitex unterstützt. Dafür benötige ich inkl. Frühstück ca. 1 ½ Stunden. Danach erledige ich Arbeiten am PC und orientiere mich über das Weltgeschehen übers Netz. Manchmal fahre ich kurz zum Dorfladen um eine Kleinigkeit einzukaufen. Und mit den Physiotherapien zweimal die Woche, sind die Morgenstunden ausgefüllt.
Aber an den freien Nachmittagen hält mich dann nichts mehr. Letzte Woche war ich z.B. wieder mal mit dem Schiff unterwegs. Nach dem Motto, wenn nicht im Wasser, dann wenigstens auf dem Wasser. Es hat wieder alles Super geklappt. Der Mann am Billettschalter hat sein „Häuschen“ verlassen um mein Portemonnaie aus dem Rucksack zu holen. Danach hat er mir das Billett mit Klebestreifen auf meiner Armauflage befestigt.
Es ging nämlich noch ein zügiger Wind und ich war froh, dass eine Bekannte am Schiffsteg vorbei ging. Ich bat sie, mir meinen Hut abzuziehen und in den Rucksack zu verstauen. Auf dem Schiff wäre er mir garantiert davon geflogen. Zum Glück war es auf dem Schiff angenehm kühl. Als ich in Brunnen ausstieg und mich Richtung Süden auf den Heimweg machte, brannte die Sonne so richtig vom Himmel runter. Nach der Hälfte des Rückweges traf ich auf einen Bekannten, ebenfalls Rollstuhlfahrer. Zusammen haben wir dann den Rest des Weges unter die Räder genommen. Nebeneinanderfahrend, damit wir miteinander „schnürlä“ konnten, vergassen wir manchmal die Fussgänger und Velofahrer. Diese mussten sich dann eben lautstark bemerkbar machen. Diesmal waren wir mal das Hindernis. Der Tag war wunderschön und die Seeluft hat mir sehr gut getan. Es wird nicht die letzte Schifffahrt gewesen sein.
16. Wer weiss schon am Morgen ob er am Abend noch lebt. Ich habe gerade von dem Töfffahrerpaar gelesen, welches am Wochenende durch ein am Strassenrand liegendes Stahlseil getötet wurde. Der Tot kann so plötzlich auftauchen. Die wenigsten wissen, wann er kommt. Unser Leben ist das wertvollste was wir je besitzen werden. Jeder Tag, jede Stunde, jede Minute, jeder Atemzug ist kostbar. Manchmal vergessen wir diese Tatsache, oder schieben sie bewusst beiseite. Nimm dir mal Zeit und denk über dein Leben nach. Verläuft dein Leben so wie du es dir wünschst. Oder würdest du einige Dinge verändern, wenn du könntest. Hast du es schon einmal ernsthaft versucht, diese Dinge zu ändern. Nicht geklappt und schon aufgegeben? Manchmal muss man eben kleine Schritte gehen um eine Veränderung herbeizuführen. Aber man muss diese Schritte anfangen zu gehen. Es ist dein Leben und du hast nur dieses. Also hole das Beste aus ihm raus.
17. Meine Ausfahrten halten immer wieder interessantes für mich bereit. So traf ich letzthin wieder auf eine Schlange. Das ist nun schon die dritte spontane Schlangenbegegnung in meiner 9 Jährigen Rollstuhlfahrbahn. Als ich in der Nähe eines Waldes bei einem Hof vorbei fuhr, überquerte gerade eine Schlange die Einfahrt. Spontan fuhr ich durch die Hofeinfahrt auf die Schlange zu. Wollte doch wissen was für eine das ist. Doch bevor ich sie genauer betrachten konnte, ist sie ins Wiesland verschwunden. Zuhause habe ich dann gegoogelt und nun denke ich, es handelt sich hier um eine Ringelnatter. Die hätte mir sicher nichts getan. Nachhause nehmen hätte ich sie sowieso nicht dürfen. Die hätte mir all meine Eidechsen aufgefressen. Obwohl, sie hätten eine Straffe verdient. Ich habe zusammen mit Hildi (Assistentin) dieses Jahr mal wieder Tomaten, Zucchetti, Gurken und Peperoni in Töpfe gesetzt. Diese wuchsen auch gut an. Doch immer öfters fanden wir angefressene Blätter. Einige Pflanzen sind dann auch draufgegangen. Zuerst dachten wir an die Schnecken. Doch auch an den schneckenfreien Orten, wiesen die Blätter Frassspuren auf. Eines Tages erwischte ich dann einen der Übeltäter beim fressen. Eine Eidechse hat sich genüsslich über eine Gurkenpflanze hergemacht. Aber sie deswegen von einer Schlange vertreiben zu lassen will ich nicht. Wird das Gemüse halt in Zukunft wieder gekauft. Ist für uns eine Arbeit weniger.
Es gibt ja schliesslich auch noch schöne Blumen. Habe ich eben an dieser doppelten Freude.
25. Ich denke, jetzt kann niemand mehr sagen, der heurige (diesjährige) Sommer sei nicht schön genug. Noch mehr Sonne und Wärme liesse sich ja kaum noch ertragen. Da würde ein Sprung in den See schon gut tun. Bei mir muss eben ein Eimer mit kaltem Wasser reichen, um mich abzukühlen. Herrlich, wenn die Füsse die Abkühlung an den restlichen Körper weiter leiten. Untertags ist es mir fast nicht möglich am PC zu schreiben. Meine Unterarme kleben buchstäblich auf der Mausmatte und die Finger schwitzen die Maus voll. Da ist kein zügiges schreiben möglich. Dafür geniesse ich es am Abend bei offenem Fenster am PC zu sitzen und einen leichten Windhauch von Norden her zu spüren. Untertags bin ich immer wieder auf der Pirsch. Mal mache ich Ausflüge oder besuche Leute. Oder ich halte mich wie heute im Garten unter dem Sonnenschirm auf. Wenn mich meine Assistentin dann noch mit kalten Getränken versorgt, dann ist der Sommer für mich perfekt. Auch die Eidechsen lieben diese Tage. Zu Hauf klettern sie in unserem Garten herum. Zum Glück lassen sie nun endlich meine Gemüsepflanzen in Ruhe. Ich denke in einer Woche kann ich meine ersten Cherry-Tomaten ernten. Ich habe sie am liebsten wenn sie noch warm von der Sonne sind. Dann landen sie Schwups in meinem Mund. Mein Mann macht lieber einen Bogen um dieses Gemüse. Dafür liebt er die Früchte in unserem Garten, welche er zu Konfitüre verarbeitet. Letzte Woche hat gleich 5 Sorten herstellt. Da wäre die Kirschenkonfi, die Erdbeerkonfi die Aprikosenkonfi, sowie der Johannesbeerengelee und der Stachelbeerengelee. In ca. zwei Woche sind dann unsere Pflaumen reif. Auch diese werden zum Teil zur Konfi verarbeitet. Und wenn wir im Herbst frischen Most erhalten, wird Piet daraus einige Gläser Birnenhonig herstellen. Mein Mann liebt diese Arbeit und würde sie auch nicht aus den Händen geben.
AUGUST
1. Ich wünsche allen einen schönen Nationalfeiertag. Lasst uns feiern und unseren Vorfahren Danken, für den Willen und den Mut, den Sie für unsere Freiheit aufgebracht haben.
2. Ich habe mir einen Laptop zugelegt und seit heute kann ich nun auch im Freien den PC benutzen. Die W-LAN Verbindung nach Draussen funktioniert zwar noch nicht störungsfrei. Doch mein Mann wird auch für dies eine Lösung finden. Ich find es herrlich, an so einem schönen Abend im Garten zu sitzen, Musik zu hören und ein paar Zeilen in mein Tagebuch zu schreiben. Heute war wieder so ein superschöner Sommertag. Doch die 32 Grad haben mich ganz schön zum Schwitzen gebracht. Obwohl mich Piet immer wieder mit einer Sprühflasche abkühlte, brauchte ich heute gleich zwei Kleidergarnituren. Doch beklagen will ich mich nicht, ich weiss um den Winter, der auch dieses Jahr wieder Einzug halten wird. Und wenn man wie wir gerade Ferien hat, kann man ja auch mal in die Berge ausweichen. So, nun muss ich wohl hören zu schreiben. Ich werde gerade von diversen Ufos angegriffen. Die möchten anscheinend meine Aufmerksamkeit. Also Deckel zu.
8. Nun ist es mir aber verleidet. Jetzt habe ich jeden Tag den Blick durchforstet und nichts gefunden. Dass es vielleicht nicht aufs Titelblatt reicht, damit musste ich rechnen. Doch es hat nicht mal für eine kleine Spalte gereicht. Da frage ich mich schon, was hat sie, was ich nicht habe. Lag es vielleicht an der Farbe der Haare. Ihre waren wasserstoffblond und meine sind mit Silberstreifen verziert. Oder lag es am Kleide. Ihres war weiss mit schwarzen Punkten und meines marineblau. Mein Ausschnitt war genauso gross wie der ihrige. Ob es daran lag, dass ich an diesem heissen Tag keine Nylonstrümpfe trug. Ich weiss es nicht. Auf alle Fälle hat mir ein Luftzug mein Kleid bei einer Rollifahrt genauso in die Höhe gewirbelt wie bei der Marilyn Monroe. Ich weiss nun, fahre nie mit einem leichten Sommerkleid Rollstuhl. Ausser Schamröte im Gesicht, bringt es heute gar nichts mehr. Erfreue ich mich eben an der Rose, welche ich spontan geschenkt bekommen habe
17. Heute zeigte sich das Wetter, wie in den meisten vorangegangenen Tagen, wieder von der schönsten Seite. Es war wieder sehr warm, fast zu warm für mich. Doch jetzt, am späteren Nachmittag, verdecken einige Wolken die Sonne und die drückende Wärme lässt ein wenig nach. Nun kann ich auch wieder den Laptop nach draussen holen und im Garten etwas in mein Tagebuch schreiben. Obwohl wir Ferien hatten, habe ich nichts Grossartiges zu berichten. Da wir im Frühling eine Ferienreise unternommen hatten, beschlossen wir die Sommerferien Zuhause zu verbringen. Das Wetter hätte in diesen zwei Wochen nicht schöner sein können. Nun hat uns der Alltag wieder. Kein Ausschlafen und auch kein ausgedehntes Frühstück mehr. Die Spitex hat ihre Zeitvorgaben wie auch die Physiotherapeutin. Da kommt der Feiertag Maria Himmelfahrt gerade recht. So muss man nicht gleich mit einer vollen Woche starten.
Am Montag heisst es auch wieder für viele Kinder den Schulranzen packen und viele Jugendliche werden ins Berufsleben starten. Auch beim Jüngsten meiner Neffen und Nichten ist es so weit. Die Jahre schreiten unaufhaltbar voran. Während mein jüngster Bruder dieses Jahr 40 Jahre wurde, darf meine älteste Schwester Morgen ihren 60. Geburtstag feiern. Ob ich wohl auch so lange durchhalte? Bräuchte dazu noch 8 Jahre. Mit meiner Physiotherapeutin bin ich jedenfalls an meinem 100. zum Kaffee verabredet. Körperlich habe ich die 60. schon vor Jahren überschritten. Ich denke, viel mehr wird man auch mit 100 Jahren nicht abbauen können. Also kenne ich das Alt sein schon. Doch ich bestehe ja nicht nur aus Körpermasse. Die Seele und der Geist sind genauso wichtig. Und diese zwei Dinge sind bei mir noch voll von Ideen und Tatendrang. Das macht es für mich oft so schwer. Ich möchte noch so vieles verwirklichen, noch so viele Ideen und Wünsche umsetzen. Doch wie, wenn der Körper nicht mitmacht. Manchmal ist es nicht einfach, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Aber es nützt ja nichts, es bleibt mir ja nichts anderes übrig.
21. Soll ich mich nun freuen oder traurig sein. Heute vor 12 Jahren erhielt ich von meinem damaligen Neurologen in der Sankt Anna Klinik in Luzern die Diagnose ALS mitgeteilt. Dabei wurde auch erwähnt, dass die durchschnittlichen Überlebensjahre nach Diagnosestellung 3 – 5 Jahre betragen. Also müsste ich mich doch eigentlich freuen über so viele, zusätzlich geschenkte Jahre. Doch ich habe eben auch nicht vergessen, wie mein Leben ohne diese Krankheit war. Das macht mich manchmal eben auch traurig. Doch ich wäre nicht ich, wenn ich dagegen nichts zu unternehmen wüsste. Wenn ich an mir auch nicht viel verändern kann, so gibt es doch etwas. Also jux zum Coiffeure, um die Haare färben und schneiden zu lassen. Und schon sitze ich mit meiner dunkelfarbigen Kurzhaarfrisur wieder im Freien vor meinem Laptop.
28. He Leute, alles klar? Seid ihr im Strumpf? Ich nehme an, ihr konntet euch in den letzten Tagen genug abkühlen und vermisst nun wie ich auch, den wunderschönen Sommer. Heute war es mir eindeutig zu kalt. Also kuschelte ich mich mit zwei Wärmflaschen und einer Decke in den Fernsehsessel und lies mich vom Fernsehprogramm in den Schlaf begleiten. Einen Nachmittag pro Woche brauche ich einfach für mich alleine. Mir ist sowieso aufgefallen, dass ich in den letzten Monaten mehr Schlaf benötige. Vielleicht muss ich doch anfangen, täglich ein Mittagsschläfchen einzulegen. Ansonsten muss ich doch festhalten, dass es mir nach den 12 Jahren mit ALS, immer noch Recht gut geht. Meine Aussprache ist etwas undeutlicher geworden und die Verständigung dadurch etwas schwieriger. Besonders schwierig wird es bei emotionalen Gesprächen. Da muss ich schon mal auf das Kommunikationsgerät zurückgreifen. Doch das kommt zu Glück nicht so oft vor. Manchmal ist es sowieso besser zu schweigen. Auf alle Fälle gefällt mir das Leben nach wie vor und so einfach lasse ich mir meine Lebensfreude auch nicht nehmen.
SEPTEMBER
10. So viele mussten schon den Kampf mit der ALS aufnehmen und immer kommen wieder Neue dazu. Manche, warum auch immer, schaffen es länger in dieser Arena zu verweilen und andre müssen früh Forfait geben. Jeder kämpft so gut es geht und weiss trotzdem, dass dieser Kampf nicht zu gewinnen ist. Es wird nicht aufhören, bis uns die Forscher endlich zu Hilfe kommen.
Am letzten Samstag nahm ich, zusammen mit meinem Mann, wieder am 4 x jährlich stattfindenden ALS-Selbsthilfegruppentreffen teil. Wir nehmen an diesen Treffen schon über 10 Jahre teil. Während all der Jahre mussten wir schon von so vielen Abschied nehmen. Als ich dieses Mal unsere Gruppe betrachtete und feststellen musste, dass wieder einige fehlten, fragte ich mich einen Moment, was ich hier eigentlich mache. Ausser Abschiedsschmerz bringt das doch nichts mehr. Aber als ich meine alten Mitstreiter anschaute und sah, wie sie mit der Krankheit zu kämpfen haben, da wusste ich, ich gehöre hierher. Wir alle brauchen einander, wir alle hier sitzen im gleichen Boot. Und die Gruppenneulinge sind sicher um jeden Rat und um jeden Tipp dankbar den sie von uns erhalten. Eine Teilnehmerin meinte, obwohl die Personen in unserer Gruppe wegsterben wie die Fliegen, so kann der Besuch einer Selbsthilfegruppe doch Hilfe sein. Solange uns die Forscher nicht helfen, müssen wir uns eben gegenseitig helfen.
13. Ich kann es kaum glauben, dass der Sommer vorbei sein soll. So abrupt wie er gekommen ist, so abrupt hat er sich verabschiedet. Vor kurzem sass ich noch mit Shirt und Shorts im Garten und heute trage ich Rollkragenpulli und lange Hosen. Einige Blumen und Pflanzen haben das nasskalte Wetter schlecht vertragen und lassen die Köpfe hängen. Das Kleid der Linde bekommt auch immer mehr braungelbe Flecken. Und die Blätter des Nussbaumes legen täglich einen Teppich auf meinen Gartensitzplatz. Momentan sitze ich mit dem Laptop und in der Pergola und schaue meinem Mann beim Rasenmähen zu. Neben mir brennt ein Petroliumofen der hält mich auf Betriebstemperatur. So kann ich mich auch bei Kälte Draussen aufhalten. Ich weiss, ich bin ein Gfrörli geworden.
15. Ich durfte Gestern einen wunderschönen Tag erleben. Nicht nur das wieder mal die Sonne hervorschaute, nein auch die Menschen, mit denen ich den Tag verbringen durfte, haben diesen Tag zu etwas besonderem gemacht. Ich fühlte mich integriert und aufgehoben, als wären wir eine Familie. Aber sind wir das nicht irgendwie? Schliesslich haben wir einen grossen Teil unseres Heranwachsens zusammen verbracht. Wir haben mindestens sechs Jahre lang dieselbe Schule besucht. Haben unsere Klosterfrauen und die sonstige Lehrerschaft entweder gemocht oder zur Verzweiflung gebracht. Wir haben uns gegenseitig verpetzt und gehänselt. Wir haben uns gestritten und dann wieder versöhnt. Ihr könnt euch ja vorstellen, was da bei einem Klassentreffen alles zum Vorschein kommt. Mir hat der gestrige Tag sehr gut gefallen. Ich wurde aber auch sehr gut umsorgt. Zwei Schulgspändli haben sich spontan bereit erklärt, mich mit Essen und Trinken zu versorgen. Mir die Nase zu putzen oder mir mit einem Zahnstocher Essensreste aus den Zahnzwischenräumen zu fischen, war für Monika und Manuela ebenfalls kein Problem. Andy, ebenfalls Rollstuhlfahrer, hat jeweils gesorgt, dass ich problemlos mit dem Lift von einer Ebene in die gelangen konnte. Dank dieser Hilfsbereitschaft ist es mir möglich, an solchen Anlässen teilzunehmen. Es war wunderschön und ich möchte niemanden von den 22 Anwesenden missen. Ich freue mich schon auf das nächste Treffen, welches in 7 Jahren stattfinden wird.
OKTOBER
4. Oh Schreck! Der Oktober ist schon vier Tage alt und in meinem Tagebuch steht noch kaum was. Die Seiten hungern förmlich nach Nahrung. Doch was könnte ich ihnen geben? Es kommt mir so gar nichts in den Sinn. Ich kann ihnen ja nicht immer den gleichen Brei vorsetzen. Es ist gar nicht so einfach, immer wieder ein abwechslungsreiches Menü zusammen zu stiefeln. Das für die Würze Pfeffer und Salz nicht fehlen dürfen, ist wohl klar. Manchmal kann es vorkommen, dass ich Speisen zu heiss serviere. Doch, kaum Jemand kann von sich sagen, dass er sich noch nie den Mund verbrannt hat. Manchen passt das Menü auch nicht so gut. Oder sie bekunden Mühe, das Vorgesetzte zu Verdauen. Ausserdem muss alles perfekt arrangiert werden, damit es ein schönes Bild entsteht. Schliesslich isst das Auge mit. Mal schauen, wie das nächste Menü ausschaut und wann ich es beisammenhabe.
9. Ojemine, mir läuft die Zeit davon. Ich hätte noch so gerne einige Rollitouren unternommen. Durch bunte Wälder zu fahren und das Knistern von berstenden Blättern unter den Rädern zu hören, macht mir schon Spass. Doch wenn der Nebel wie in den letzten Tagen so herunterhängt und die Sicht zum Himmel versperrt, ist es weniger interessant. Ausserdem ist es kälter geworden und ich mag nicht frieren. Und Morgen und Übermorgen soll es bis 800 m. ü. M. herunterschneien. Da müsste ich mich, wenn ich nach Draussen möchte, dick einpacken lassen. Ich fühle mich dabei so eingezwängt und unbeweglich, als wäre ich das Michelin Männchen persönlich. Dann wäre ich doch lieber diese wohlgerundete Strohdame, die wir bei einem Ausflug im Schwarzwald angetroffen haben. Sie muss sicher nie frieren. Aber ob ich den Kopf voller Stroh haben möchte? Wohl kaum. Dass der Körper nicht mehr so funktioniert wie er sollte, reicht wohl völlig. Die Hoffnung auf ein paar schöne und warme Herbsttage gebe ich allerdings noch nicht auf. Es wäre mal wieder Zeit, dass uns der Föhn besuchen kommt. Also warte ich mal ab.
20. Der Föhn ist unserer Bitte nachgekommen und hat mit seinem kräftigen Atem die Nebelbänke aufgelöst. Die Sonne bekam dadurch den nötigen Durchblick, um auf uns herab zu scheinen und uns zu wärmen. Die Blätter an den Bäumen und Sträucher werden Zusehens bunter. Viele haben sich bereits von den Ästen losgesagt und liegen nun am Boden. Bei einigen hat der Föhn nachgeholfen. Er hat an den Bäumen so lange gerüttelt bis die Blätter abfielen und taumelnd zur Erde fielen. Einige hat er durch die Luft gewirbelt und weiss der Kuckuck wohin verschleppt. Da sich das Blattwerk langsam lichtet, kann ich auch die Vögel wieder besser beobachten. In den letzten Tagen sah ich wieder vermehrt Blaumeisen, Rotkehlchen und Buchfinken im Garten. Die Alpendohlen haben sich nach dem kurzzeitigen Wintereinbruch, wieder in die Berge zurückgezogen. Dafür sind die Tannenhäher fleissig am Nüsse sammeln. Manchmal werden sie dabei von den Raben gestört, welche unsere Baumnüsse für sich beanspruchen möchten. Wenn dann so eine Nuss aus einem der Schnabel fällt und auf das Blechdach unter dem Nussbaum knallt, chlepft es schon gewaltig. Doch viele sind nach dem Föhn nicht mehr oben. Und diejenigen, welche übriggeblieben sind, werden auch bald in den Verstecken jetwelcher Tiere landen. Heute bin ich eine Zeitlang im Garten gesessen, hab den herumwirbelnden Blättern zugeschaut und liess den Föhn mit meinen Haaren spielen. Herrlich, einfach nur herrlich. Trotzdem muss ich bei diesen Jahreszeitenwechseln immer auf der Hut sein, mich nicht zu erkälten. Bin ich in der Sonne ist es schön warm, kommt der Schatten dann friere ich sehr schnell. Die Kleiderwahl ist da gar nicht so einfach. Schliesslich kann ich mich nicht selbst an- oder abziehen. Diese Woche habe ich mir einen leichten Schnupfen eingefangen. Eine verstopfte Nase bedeutet für mich als ALS-Betroffene; weniger Luftzufuhr über die Nase, Nasensekret ist schleimiger und zähflüssiger und läuft in Richtung Atemwege und Speiseröhre, Verschluckungsgefahr droht. Das mit dem Verschlucken habe ich mittlerweile gut im Griff, doch Gestern war ich nicht vorsichtig genug. Ich habe Speichel in die Luftröhre bekommen und ich bekam keine Luft mehr. Also musste der Speichel wieder aus der Luftröhre. Das beste Mittel wäre kräftiges Abhusten. Doch woher nehmen, wenn nicht mehr genügend vorhanden ist. Ich weiss inzwischen, dass ich ruhig bleiben muss auch wenn ich nach Luft ringe. Ich versuche dann immer wieder leicht einzuatmen, bis sich die Luftröhre wieder öffnet. Danach bin ich jeweils recht groggy und stimmlos und ich brauche eine Verschnaufpause. Für Aussenstehenden muss dies furchteinflössend aussehen. Denn helfen kann man kaum. Ich selber habe es am liebsten, wenn man für den Notfall in meiner Nähe bleibt, aber mich den Kampf selber austragen lässt. Ich kann mit dem ab und an wiederkehrenden Verschlucken gut leben. Den ALS-Betroffenen, welche täglich dieses Martyrium durchleben müssen, gilt meine Hochachtung. Ich weiss nicht, ob ich diese Kraft aufbringen könnte.
Als sich heute am späten Nachmittag der Föhn verabschiedete und es kälter wurde, hat mein Mann den Grill eingeheizt. Und das was auf den Grill kam, passt hervorragend in diese Jahreszeit. Heissi Maroni, ganz heiss und erscht nu güät!!!!
25. Es ist Neunzehn Uhr und ich sitze noch draussen im Garten. Dank dem Föhn ist es immer noch angenehm warm. Am Nachmittag bin ich eine Zeitlang unter dem Nussbaum in der Sonne gelegen. In meinem Pulli und dem verordneten Unterhemd von Piet (haben heute unseren 33 zigsten Hochzeit, da muss ich ja mal gehorchen) kam ich ganz schön ins Schwitzen. Ich habe mich dann zur Abkühlung und zum Schutz vor herunterfallenden Nüssen in die Pergola verzogen. Mit meinem Laptop bin ich unabhängiger geworden. Nun kann ich draussen am PC-Sachen erledigen, herumsurfe oder Musik hören. Nur, am liebsten höre ich den Vögeln, dem Wind und den Nachbarkindern beim Spielen zu. Soeben ist Piet von seiner Abendtöfftour zurückgekehrt. Nun sollte ich nach sechsstündigem Aussenaufenthalt wohl auch mal wieder das Haus aufsuchen. Vielleicht schreibe ich nachher nochmal.
Ich muss euch jetzt noch etwas erzählen. Letzthin sass ich nichtsahnend an meinem PC. Plötzlich nahm ich im rechten Augenwinkel eine Bewegung war. Ich drehte mich um und was ich da sah, hätte bei vielen Frauen einen Schreikrampf ausgelöst. Eine grosse dicke Spinne
Früher hätte ich so eine Spinne selber ins Freie befördert, doch diesmal musste mein Mann ran. Er hat sie mit einem Tela gepackt und aus dem Fenster befördert. Wenigstens dachten wir, wir hätten sie erwischt. Doch kurze Zeit später späht sie ganz keck an der hinteren Ecke der Box hervor. Also nochmal dasselbe und diesmal scheint es zu klappen. Doch als ich mich später ins Bett legte thronte die Spinne oben an der Zimmerdecke. Also das ganze Prozedere nochmals. Langsam kamen uns Zweifel, ob es sich immer um dieselbe Spinne handelte. Und was geschieht in der Nacht als ich erwache? Irgend so ein Viech krabbelt zwischen meiner Nase und meiner Lippe durch. Durch Grimasse schneiden kann ich das Ding abwimmeln. Zum Glück habe ich keine Spinnenphobie. Sonst hätte ich noch von ihnen geträumt. Und nun schlaft gut.
31. Den Weg, welchen die Sonne am Himmel zurücklegt, wird von Tag zu Tag kürzer. Es wird immer früher dunkel. Die Nebelschwaben ziehen nun öfters durch Berg und Tal. Ein mystischer Zauber liegt über dem Land. Manche Bäume haben ihre Blätter komplett verloren und stehen nun nackt und verlassen in der Gegend. Manche sehen aus, als wären sie gestorben. Doch sobald sie von einem Licht erfasst werden, werfen sie bizarre Schatten in die Nacht. Sieht schon gespenstig aus. Also immer schön acht geben. Es ist nicht immer alles so, wie es scheint.
Happy Halloween
NOVEMBER 13
11. Nun hat der Winter Einzug gehalten. Der Schnee hat es allerdings noch nicht ganz ins Tal geschafft. Doch es wird wohl nicht mehr lange dauern und ich kann wieder den tanzenden Schneeflocken zuschauen. Momentan ist es mir Draussen zu kalt. Ich ziehe es vor, meine Umwelt von meinem warmen Kämmerlein aus zu beobachten. Bald wird es mehr zu sehen geben. Mein Mann wird nächstens das Futterhäuschen für meine geliebten Vögel aufstellen. Da kommt mir in den Sinn, ich habe heute beim Wocheneinkauf das Vogelfutter und die Maisen Knödel vergessen. Da muss ich wohl diese Woche noch mal raus. Die frische Luft würde mir auch nicht schaden. Wenn da nur das dicke Anziehen nicht wäre. Bei meinen zur Faust eingerollten Fingern Handschuhe anzuziehen, ist eine echte Herausforderung. Da kommen dann schon mal meine Nerven zum Vorschein und ich reagiere überempfindlich. Das Leben ist aber auch nicht einfach. Momentan stecke ich sowieso in einer Phase, in der mir anscheinend niemand etwas recht machen kann. Mich nervt Alles und ich bin mit mir und der ganzen Welt unzufrieden. Doch das wird nicht so bleiben. Ich muss einfach ein paar Anpassungen zur Bewältigung meines Alltages vornehmen.
17. Der Garten ist abgeräumt, die Gartenmöbel verstaut und die Terrakotta Figuren und Töpfe vor der nahenden Kälte in Sicherheit gebracht. Ich möchte schliesslich im nächsten Jahr nicht nur Tonscherben bewundern. Mein Garten sieht nun schon ein wenig trostlos und verlassen aus. Doch in ein paar Tagen, wenn der Schnee sich im Tale niederlässt, wird mein Garten wieder mit Leben erfüllt sein. Rechtzeitig hat mein Mann am Samstag die Futterhäuschen für die Vögel aufgestellt. Eins im Rasen und eins auf meinem Fenstersims. Eigentlich werden die Häuschen erst bei Schneeeinbruch gefüllt. Doch mir zu liebe wurde mein Vogelhäuschen bereits jetzt mit Futter bestückt. Bin gespannt wie lange es dauert, bis die ersten das Futter entdecken und mich besuchen kommen. Heute wird keines mehr vorbeischauen, es ist bereits am Einnachten. Von meinem Fenster aus kann ich beobachten wie in den Häusern rings um mich herum eins ums andere Licht angeht. Es sieht aus, als würden tausende von Laternen anfangen zu brennen und ich sitze mitten in diesem Lichtermeer. So heimelig und behaglich fühlt sich dies an. Einfach wunderschön und ein wunderbarer Balsam für die Seele.
23. Endlich konnte Frau Holle so viel Schnee produzieren, dass es auch im Tal für einen feinen Schaum gereicht hat. Sie muss heute so um die Acht aufgestanden sein und danach ihre Decken kräftig ausgeschüttelt haben. Momentan fallen immer noch Schneeflöckchen gemischt mit Regentröpfchen vom Himmel. Mir gefällt das natürlich. Ich sitze im Büro vor dem Compi und kann durchs Fenster dem Wintertreiben Draussen zuschauen. Auf meiner linken Seite flackert ein Kerzchen. Der Schein der Flamme erfüllt den Raum mit warmem Licht. Doch etwas fehlt doch noch zu meinem Glück. Ein heisser Punch würde die Stimmung noch perfekter machen. Mal schauen, ob mir mein Schatz einen zubereiten würde.
Mein neues Futterhäuschen auf meinem Fenstersims wurde gestern von Blaumeisen und Kohlmeisen eingeweiht. Ich hoffe, dass sich in den nächsten Tagen noch weitere Vogelarten dazu gesellen. Es ist interessant sie beim Körnerpicken zu beobachten. Für mich ein wunderschöner Zeitvertreib.
Diese Woche war allerhand los. Zuerst musste Piet am Montagmorgen wegen einer Nierenkolik notfallmässig ins Spital. Am Dienstag könnte er es, nachdem der Stein herausgekommen ist, bereits wieder verlassen. Trotzdem gab es für mich einiges zu organisieren. In so einem Fall ist es wichtig ein gut funktionierendes Netz an Personen, um sich zu haben. Es hat sehr gut geklappt. Es hat mir jedoch auch aufgezeigt, wo noch Schwachstellen resp. Lücken bestehen. Ich musste bereits letzte Woche Anpassungen bei den Einsatzzeiten der Assistentinnen und den Physioterminen vornehmen. Es gab mir einfach zu viele Überschneidungen. Ich hatte zwischen der Spitex und Physio-Terminen kaum Zeit mich mit den Assistentinnen zu unterhalten oder die anfallende Arbeit zu besprechen. Nun hoffe ich, dass es ab nächster Woche besser funktioniert.
Ebenfalls habe ich mit meinem Hausarztteam eine Lösung wegen ihrer unregelmässigen oder vergessenen Quicktermine gefunden. Es ist aber erst ins Rollen gekommen, nachdem ich ihnen ein geharnischtes Mail geschickt habe. Ich lasse mir als Patient nicht alles gefallen auch wenn es Zuwenig Hausärzte gibt. Ich hoffe, dass es nun in der Zukunft funktioniert.
Diese Woche hatte ich noch einige Besuche. Die Nachmittage gingen so im Fluge vorbei. Und gestern Abend ging ich mit ehemaligen Arbeitskollegen Essen. Für sie ist es selbstverständlich, mir abwechselnd das Essen einzugeben oder die Nase zu putzen. Für mich ist dies wunderbar und lässt mich am gesellschaftlichen Leben teilhaben.
Ich möchte Allen herzlich danken, die meinen Mann und mich in dieser Woche in irgendeiner Form unterstützt haben oder uns eine liebe Geste zukommen liessen.
27. So ein Tag so wunderschön wie heute, der dürfte nie vergehen. Verschneite Berghänge, stahlblauer Himmel, kaum ein Wölkchen am Himmel und bitter kalt. So schön sich das Ganze auch präsentiert, bei dieser Kälte lässt man nicht mal seinen Hund nach Draussen, geschweige denn einen Rollifahrer wie mich.
Langsam, aber sicher kommt Adventsstimmung auf. Nach und nach werden in der Nachbarschaft Aussendekorationen am Haus angebracht. Auch Piet ist seit Montag damit beschäftigt, unser Heim festlich zu dekorieren. Ich kann ihn dabei nur im Geiste unterstützen.
Etwas habe ich aber ebenfalls zur Adventsstimmung beitragen können. Nachdem ich am Montag Güetzliteig eingekauft habe, wurde unsere Küche Gestern zur Weihnachtsbäckerei. Meine Assistentin Hildi (gelernte Confiseurin) und ich haben sechs Sorten Güetzlis gebacken. Meine Arbeit bestand darin, alle zu probieren. Ihr könnt euch vorstellen, wie das duftete. Da wir die letzten vier Sorten nicht mehr geschafft haben, bin ich nächsten Dienstag wieder mit dem Probieren dran. Aber was soll’s, es gibt dümmere Arbeiten. Mmmhh, freu mich jetzt schon. Die ersten sechs von zehn Güetzli-Sorten.
DEZEMBER
1. Wie jedes Jahr hat uns meine Schwester Bernadette einen wunderschönen Adventskranz hergestellt. Es ist fast schade die erste Kerze anzuzünden. Doch so ein Kranz kommt erst mit dem Aufflackern der Flamen so richtig zur Geltung. Die Stube verwandelt sich in einen besinnlichen Raum. Es ist der 1. Advent.
Zum Advent gehört auch ein Adventskalender. Ich konnte es nicht abwarten und habe mir die erste Bescherung bereits einen Tag vorher geholt. Ich war am Samstag mit Piet an der 1. Swiss Handycapmesse in Luzern. Da sah ich unter den Güetzlibäckern plötzlich einen Musiker, von dem ich schon lange Fan bin. Als er mir die Hand schüttelte und mich im Bernerdialekt fragte, wieä geits, war ich aufgeregt wie ein Teenager. Seht was für eine Freude ich dabei hatte. Ich denke, ich brauche die anderen Türchen nicht mehr zu öffnen. Es war grossartig. Gölä wars!
5. Die Sonne schickt ihre Strahlen ins verschneite Land. Die Schneekristalle fangen das Licht ein. Und plötzlich funkelt es im ganzen Tal, als lägen tausende von Kristallen auf dem Land.
Heute wurde die Sonne mal nicht vom Nebel verdeckt. In den letzten Tagen schien die Sonne zwar auch, doch nur bis kurz nach Mittag. Dann kam wieder der Nebel der schlich durch alle Gassen. Irgendwie sah das Ganze mystisch aus.
Jetzt habe ich gerade den Samichlaus mit drei Schmutzlis an unserem Haus vorbei gehen sehen. Äs siässes Manderindli hät ich jetzt eu nu vonem agnu. Dann muss heute eben mal mein Mann den Chlaus spielen und mich mit Manderinen füttern. Die Früchte sind jetzt besonders fein und die grösse der Schnitze sind für mich ideal.
Diese Woche hat es wieder im ganzen Haus weihnachtlich geduftet. Am Montag haben wir einen Lebkuchen nach Mammas Rezept gebacken und am Dienstag die restlichen Weihnachtsgüetzlis. Sie sehen wunderschön aus und duften und schmecken wunderbar. Auch wenn ich diese Sachen nicht selber machen kann, bin ich doch immer dabei. So habe ich das Gefühl, etwas für meine Lieben zu tun.
Nun sind sie fertig unsere 11 Sorten Weihnachtsgüetzli.
18. Momentan wechseln sich die Nebel- und die Sonnentage ab. Mal sitzt der Nebel so tief und dicht, dass ich kaum was vor meinem Bürofenster erkennen kann. Und mal scheint die Sonne so wunderschön durch mein Zimmerfenster, dass ich meine der Frühling sei erwacht. Einerseits liebe ich die Sonne und mit ihr die Wärme und anderseits das Mystische mit dem Nebel. Doch noch lieber würde ich die Schneeflöckli tanzen sehn. Es sieht doch so schön aus, wenn über allem eine glitzernde, weisse Schneeschicht liegt. Ich kann dann zwar mit dem Rollstuhl fast gar nicht mehr auf die Strasse. Auf den Trottoirs bleibt der Schnee meistens am längsten Liegen. Natürlich könnte ich auf die Strasse ausweichen. Dann darf es aber auf keinen Fall rutschig sein. Bei einem Zusammenstoss mit einem Auto würde ich wahrscheinlich den Kürzeren ziehen. Ob ich mal über eine Hockeyspieler Montur nachdenken sollte. Die würde mir Schutz bieten und warm hätte ich dann sicher auch. Aber lassen wir erst mal den Schnee kommen. Vielleicht montiere ich dann erstmal Kufen am Rollstuhl.
Es ist nicht so, dass ich gar nicht mehr Draussen bin. Es muss einfach immer Jemand bei mir sein der mich warm einpackt und auch wieder auszieht. Diese Woche hat mich eine meiner Assistentinnen auf der Dorfrundreise begleitet. Und wenn an den Wochenenden das Wetter mitspielt, fahre ich in den Garten und lege mich in die Sonne. Piet packt mich dann jeweils in die Wärmedecke und versorgt mich mit einem Schümli-Pflümli (Kaffee mit Schnaps und einem Schlag Rahm oben drauf). Bei dessen Genuss zieht die Wärme durch den ganzen Körper. Da hat der Rollstuhl dann doch mal einen Vorteil. Ich muss nicht mehr stehen können und lallen tue ich ohnehin. Also, was soll‘s.
21. Nach den Sonn- und Nebeltagen hat der Föhn das Wetter etwas aufgemischt. Er blieb zwar nur einen Tag bei uns. Und wie meistens, wenn er uns wieder verlässt, fangen die Wolken an zu weinen. Aber auch der Regen hat nicht lange gehalten. Heute hat bereits wieder die Sonne das Zepter übernommen. Ich habe mich wieder für zwei Stunden im Garten in die Sonne gelegt. Obwohl ich wieder wie letzten Winter Vitamin B und Vi-de Tropfen einnehme, so können sie die Sonne doch nicht vollständig ersetzen. Die Tropfen sind scheusslich und ich schneide bei dessen Einnahme jedes Mal eine Grimasse. Die Spitexmitarbeiterin hatte diese Woche eine gute Idee, um mir die Einnahme zu versüssen. Sie meinte: "Stell dir vor, der Löffel sei voll mit Sonnenstrahlen". Gar nicht schlecht, was.
Es gibt neben der Sonne aber auch noch den Mond. Der hat mich in den vergangenen Nächten ganz schön in Besitz genommen und brachte mich um etliche Stunden Schlaf. Diese Nacht konnte ich endlich mal wieder durchschlafen. Doch ich habe geträumt.
Der Traum in Kurzfassung: Ich wollte mit dem Rollstuhl eine Holzbrücke befahren. Auf halber Strecke höre ich wie die Holzblanken anfangen zu bersten. Ein Rad meines Rollstuhles bricht durchs Holz. Es bleibt mir nichts anderes übrig als den Rollstuhl zu verlassen und mich am Geländer haltend die Brücke zu verlassen. Unten angekommen treffe ich auf zwei meiner Brüder. Ich bitte sie jemanden wegen der Brücke zu benachrichtigen. Doch das scheint sie nicht sonderlich zu interessieren. Irgendetwas anderes scheint sie in den Bann zu ziehen. Was es ist will ich gar nicht wissen. Die Beiden bieten mir jedoch an mich nach Hause zu fahren, was ich jedoch enttäuscht ablehne. Also schleppe ich mich nach Hause, ist ja nicht so weit. Kaum zu Hause angekommen, steht auch schon eine meiner Schwestern vor der Tür. Als ich anfangen will ihr das Erlebte zu schildern, fängt meine Schwester selber aufgeregt an zu erzählen. Verständnislos schaue ich ihr ins Gesicht und was ich sehe lässt mich erschrecken. Sie hat rot geweinte Augen und zittert am ganzen Körper. Sie nimmt meine Hände und sagt mir, sie sei überfallen worden. Man hätte ihr alles Geld und den ganzen Schmuck abgenommen. Ende des Traums. Und was will mir der Traum jetzt sagen. Vielleicht das; ich sollte mich selbst nicht so wichtig nehmen. Andere haben auch ihre Bürde zu tragen.
So, nun wünsche ich mir eine gute Nacht und aufs Träumen kann ich heute verzichten.
23. So schön, wenn der Tag erwacht. Am Horizont werden die Konturen der Berge sichtbar. Die Nachtschleier fangen an sich nach und nach aufzulösen und hinter den Bergen macht sich ein Licht bereit. Die Dunkelheit verliert langsam an Macht und die Helligkeit fängt an sich durchzusetzen. Und auf einmal ist sie da, die Sonne. Sie taucht alles was sie mit ihren Strahlen erreichen kann in ein goldenes, warmes Licht. Guten Morgen Tag, guten Morgen Leben.
30. Ich bin nach all den Jahren immer wieder tief betroffen, wenn ich höre, dass wieder jemand den Kampf gegen die Krankheit ALS aufgeben musste. Wenn ich diese Person auch noch persönlich kenne, dann macht mich das umso trauriger und nachdenklicher. Wie viele müssen diesen elenden Weg noch gehen, bis man uns endlich Helfen kann. Wir sind nämlich nicht wenige, welche der ALS zum Opfer fallen. Allein in meinem Kanton mit ca. 35`700 Einwohnern gab es allein dieses Jahr zwei Neubetroffene. Das wären mit mir zusammen dann schon drei von denen ich Kenntnis habe. Nur, wir leben zu wenig lang, um eine grosse Masse zu bilden. Man hört und sieht uns kaum und für die Forschung sind wir deswegen auch eher uninteressant. Man sieht auch, wie unterschiedlich schnell die ALS verläuft. Während ich schon seit Jahren mit dieser Krankheit lebe, musste eine der Neubetroffenen, bereits bevor das Jahr zu Ende war, den Kampf aufgeben. Es ist ja nicht so, dass sich die ALS nur den Einen krault. Die ALS fordert die ganze Familie, das gesamte Umfeld heraus. Und nicht jeder kann sich dieser Herausforderung stellen oder ist ihr gewachsen. Darum an Alle ein Dankeschön, welche sich der ALS stellen und uns durch diese Krankheit begleiten. Ich hoffe wie jedes Jahr, dass den Forschern im neuen Jahr ein Stern aufgeht und sie uns die erlösende Botschaft verkünden werden.