JANUAR 2014
1. Feuerwerk 2013/14 der Güggeliburg. Von unserem Balkon aus betrachtet.
Ich wünsche Allen ein gutes Neues Jahr. Sollen all eure guten Wünsche und Vorsätze in Erfüllung gehen.
3. Ich freut mich immer wieder, dass wir ALS'ler trotz dieser unheilbaren Krankheit unseren Humor nicht verlieren. Sonja hat mir zum Jahresanfang folgendes Video geschickt.
Aber sonst gesund - Wise Guys
Wir haben eine Krankheit und niemand kann uns helfen. Kämpfen wir halt allein und versuchen unserem eingeschränkten Leben trotz allem etwas Spass abzugewinnen.
Wollt ihr noch etwas zum Lachen? Na, dann schaut mich mal an, wie ich heute bei meinem Ausflug an den See ausgesehen habe. Es fehlte nur noch ein "Tuch" vor der Nase und dem Mund und die Verkleidung wäre perfekt gewesen.
Es ist zwar noch etwas verfrüht, aber.... gell du kennst mich nicht?
Normalerweise kommen wir auf dieser Strecke an einem Kloster vorbei. Doch meine Rolli-Batterien haben sich heute, wahrscheinlich wegen der Kälte, schneller entladen und wir mussten eine Abkürzung nehmen. Mein Mann meinte, es sei wohl besser gewesen das Kloster auszulassen. Bei meiner Verkleidung hätten man uns womöglich mit folgenden Worten angehalten: Schwester, kommen sie doch herein und wärmen sie sich bei einem Kaffee bei uns auf.
Ich glaube, ich muss mir wirklich nächstens ein farbenfroheres Outfit zulegen.
14. Vorerst mal ein judihuj. Es schneit, es schneit. Vor meinem Fenster tänzeln viele weisse Flöcklein vorbei. Nun läuft wieder was, ich bin erwacht.
20. Bin wohl kurz nach dem 14. gleich wieder in den Winterschlaf gefallen. Es ist aber auch kein Wunder, der Schnee war gar nur kurz zu Besuch. Dafür hat uns der Föhn dreimal kurz hintereinander heimgesucht. Er hat gerüttelt und geschüttelt, dass ein nach Draussen gehen während dieser Zeit für mich unmöglich war. Ich habe während dieser Zeit sehr viel geschlafen, auch während des Tages 2 – 3 Stunden. Mein Körper hat dies wohl gebraucht. Seit einiger Zeit werde ich von Schmerzen in der der rechten Pobacke und unter dem rechten Schulterblatt gepiesackt. Manchmal strahlt der Schmerz vom Schulterblatt bis zum Brustbein aus. Wahrscheinlich überanstrenge ich meine Muskeln / Nerven, wenn ich zu lange am PC sitze. Barbara, meine Physiotherapeutin und auch Leo, Radiästhesist / und Geopath versuchen diese Schmerzen zu ergründen und zu mildern. Es scheint, als bräuchten wir noch etwas Zeit, den Schmerzen den Gar auszumachen. Apropos Schmerzen; Ich hatte heute wieder meinen dreimonatigen Termin bei der Dentalhygienikerin. Ich habe bekanntlich keine Angst vor Zahnarztbesuchen. Es ist einfach nur unangenehm. Bei der geringsten Berührung mit den Zahnarztwerkzeugen an meiner Zunge, löst das bei mir einen Brechreiz aus. Wir haben schon einiges ausprobiert, wie z.B. eine leichte Zungenbetäubung. Doch dies birgt die Gefahr des Verschluckens. Daher machen wir es vorwiegend ohne. Irgendwie geht es immer. Heute hat die Dentalhygienikerin ein kleines Loch entdeckt. Hätte jetzt nicht sein müssen, doch dies kriegen wir auch noch hin.
So, jetzt muss ich für Heute Schluss machen, mein Schulterblatt meldet sich wieder.
23. Das Tageslicht vor meinem Fenster ist abwechselnd mal hell und mal dunkler. Mal sehe ich die Berge ganz klar und mal verschwinden sie wieder im Nebel. Manchmal bricht fasst die Sonne durch und gleich wird sie wieder von Wolken eingedeckt. Es ist sehr ruhig Draussen. Kein Ästchen bewegt sich und die Fahnen liegen stramm an den Fahnenstangen. Es kommt mir vor, als würde alles auf Etwas warten. Ich denke, es wird Zeit für den Schnee.
25. Die Berge und Wälder tragen heute weiss und der Himmel zeigt sich in einem wunderschönen Blauton. Keine Wolke versperrt der Sonne die Sicht und deshalb weiss sie auch, wohin sie ihre warmen Strahlen schicken muss. Nämlich zu mir in meinen Garten. Dort habe ich es mir in meinem Rollstuhl bequem gemacht. Ich habe es Heute doch schon zweieinhalb Stunden draussen ausgehalten. So gefällt es mir.
Heute war auch der erste Tag der Woche, in dem keine „fremden Personen“ im Haus waren. Nebst der Spitex, der Physiotherapeutin, meinen Assistentinnen waren da noch einige Techniker im Haus. Nachdem am Mittwoch der Lifttechniker beim Service machen ein Defekt an der Ummantelung des Zugkabels entdeckte, wurde entschieden, das Kabel am Freitag auszuwechseln. Da ich während dem Kabelwechsel den Lift nicht benutzen konnte, kam ich in den Genuss des Zimmerservices. Die Mahlzeiten wurden aber auch von einer besonders charmanten Person serviert. Grazie Pietro! Am Donnerstagnachmittag besuchte mich dann ein Mitarbeiter von activcommunication. Bei meinem Umfeld- / Kommunikationsgerät funktioniert seit längerem der Ton nicht mehr. Ich weiss nicht, ob dem Tobii mein Musikstyl nicht gefallen hat und deshalb keinen Ton mehr von sich gibt. Aber auch sonst haben sich mit den Jahren einige Macken eingeschlichen. Leider konnten die Probleme nicht behoben werden und ich werde wohl oder übel bei der IV einen anderen beantragen müssen. Wie angewiesen ich auf ein Umfeldgerät bin, zeigte sich dann am Abend als ich ins Bett ging. Alle infrarotgesteuerten Geräte liessen sich nicht mehr mit dem Umfeldgerät anwählen. Ich konnte weder mein Bett verstellen noch Fernsehprogramme anwählen usw. Ich fühlte mich so richtig ausgeliefert und mir wurde meine Behinderung so richtig bewusst. Das zeigt mal wieder, wie wichtig eine gute Hilfsmittelversorgung ist. Ohne entsprechende Hilfsmittel würde ich diese Krankheit nicht durchmachen wollen. Und ohne meinen Mann auch nicht. Denn er war es, der am andern Tag, zusammen mit einem Techniker der Fernwartung (telefonisch), meinen Tobii wieder zum Laufen brachte. Er musste dafür einfach mal so einen halben Arbeitstag opfern. Die Zeit, welche unsere Angehörigen an Pflege und Betreuung für uns hergeben ist enorm. Bei chronischen Krankheiten, wie z.B. bei der ALS ist es trotz dem Einsatz von AssistentInnen nicht möglich auf den Einsatz von Angehörige zu verzichten. Für den möglichen Toilettengang während der Nacht oder z.B. zum Trinken geben, rechnet es sich nicht, dafür eine Assistentin einzusetzen. Da müssen halt die Angehörigen aufstehen, auch wenn sie am Morgen wieder ausgeruht zur Arbeit gehen müssen. In solchen Fällen sollte für die Pflegenden Angehörigen die Möglichkeit bestehen ihr Arbeitspensum zu reduzieren und wir ihnen die geleisteten Stunden aus dem Assistenzbeitrag entlohnen könnten. Für mich wäre sowieso am besten, wenn ich meinen Mann als 100% Assistenz anstellen könnte. Er kennt mich am besten, er weiss ohne viel Worte wie es mir geht und was mir in unterschiedlichen Momenten, sei es physisch oder psychisch, am besten tut. Darum würde ich es begrüssen, wenn wir auch Angehörige ersten Grades, sprich Ehepartner, Eltern, Geschwister als AssistentInnen anstellen dürften. Das kostet die IV keinen einzigen Rappen mehr. Denn jeder Assistenzbezüger erhält einen Assistenzbetrag auf Grund seiner Hilfsbedürftigkeit zugesprochen. Der Betrag würde sich auch bei der Anstellung von Angehörigen nicht ändern. Es kann ja nicht sein, dass dies abgelehnt wird, nur weil einige Entscheidungsträger befürchten, die Angehörigen würden sich vielleicht nicht richtig um die Pflegebedürftigen kümmern. Da die IV ja sowieso im Alles-Überprüfen-Modus ist, wäre es doch ein Leichtes, Hausbesuche durchzuführen. Und auch der Hausarzt würde sehen, wenn etwas nicht optimal laufen würde. Die Anstellungen von Angehörigen würden ausserdem die Pflegedienste entlasten, welche ohnehin händeringend nach Pflegepersonal suchen.
Also, warum immer alles verkomplizieren, wenn es auch einfach gehen könnte. Wir Betroffenen wissen ganz genau was uns gut tut und wer uns guttut.
FEBRUAR
1. Ich habe den heutigen Nachmittag so richtig genossen. Warm eingepackt und mit einer elektrischen Heizdecke versehen, machte ich es mir draussen in der Pergola (genannt Gryzzli- Haus) gemütlich. Ich liebe es an der frischen Luft zu sein. Doch frieren mag ich nicht. Dank der Decke blieb mein Körper angenehm warm. Nur mein Gesicht bekam etwas von der Kälte ab. Doch dies mag ich wiederum sehr. Ich merke wie die frische, kalte Luft meiner von der Heizung verursachten spröden Haut guttut. Es kommt mir vor, als würden sich alle Poren öffnen um frische, saubere Luft hereinzulassen. Auch meiner Lunge tut die frische, nasse Luft sehr gut. Menschen wie ich, bei denen das Lungen-/Atemvolumen eingeschränkt ist, merken Veränderungen der Luft sehr schnell. Wenn die Luft so wie Heute ist, macht das Atmen doppelt Spass.
Ich war auch schon am Dienstag draussen. In Begleitung einer meiner drei Assistentinnen, habe ich einen stündigen Spaziergang unternommen. Sie hat mich zuerst warm eingepackt und später auch wieder ausgepackt. Es lag sogar noch ein Kaffee im Garten drin. Sobald jedoch der Schatten kam musste ich rein. Als meine Assistentin meine kalten Hände fühlte fackelte sie nicht lange und verdonnerte meine Hände zu einem Aufenthalt unter dem warmen Kirschsteinkissen. Wenn ich die Assistentinnen nicht hätte, käme ich im Winter gar nicht an die frische Luft. Oder wenn mein Mann heute nicht den ganzen Nachmittag für mich abrufbar gewesen wäre, hätte ich nicht fünf Stunden draussen sein können. Darum ist die Betreuung durch Assistenzpersonen und Angehörigen auch nicht mehr wegzudenken. Es ist ein Teil von dem, welches unsere Lebensqualität positiv beeinflusst.
14. Die Winter-Olympiade hat mich fest im Griff und hält mich vom Schreiben ab. Gerade hat wieder ein Schweizer-Sportler eine Goldmedaille geholt. Doch nun habe ich ein wenig Zeit mich um meine Homepage zu kümmern. Seit ich weniger am PC arbeite, habe ich auch weniger Schmerzen unter dem Schulterblatt. Manchmal waren sie so schmerzhaft, dass sie bis zum Brustbein reichten. Ich werde mir wohl überlegen müssen, was ich verändern könnte, um schmerzfrei schreiben zu können. Momentan habe ich auch jeden Morgen nach der Pilleneinnahme Magenschmerzen. Muss jetzt herausfinden ob es an einer der Pillen liegt oder am Kaffee, den ich zum Zmorge trinke. Werde wohl in nächster Zeit auf Tee umstellen müssen. Aber alles halb so schlimm. Andere müssen mit ernsteren Sachen zu Recht kommen. Ich kann immer noch nach Draussen, was ich in letzter Zeit auch wieder vermehrt mache. Wenn es auch nur für eine Stunde ist, die Sonne tut mir so gut. Manchmal vergesse ich vor lauter „auf den Schnee wartend“, dass bereits der Frühling im Anzug ist. Möchtet ihr einen Beweis? Ich war kurz draussen bei Piet. Er ist am Hag flicken, welcher vom Föhn in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Die Sonne hat schon viel Wärme in sich. Schade nur, dass sie in letzter Zeit im Föhn (Südwind mit heftigen Böen) einen ständigen Begleiter gefunden hat. Man soll Paare ja nicht entzweien. Doch bei diesen Zweien hätte ich nichts dagegen, wenn die Beiden in nächster Zeit getrennte Wege gehen würden. Blöd ist nur, dass sich der Föhn dann wahrscheinlich den Mond schnappen wird. Und dann wird’s mit ruhig schlafen auch nix. Also nehmen wir‘s wie`s kommt.
21. Ach Mamma, so unerwartet schnell hast du uns verlassen. Du warst uns eine so gute Mutter. Hast deine eigenen Wünsche stets zu Gunsten deiner Grossfamilie zurückgestellt. Mit deiner verständnisvollen und liebenswerten Art hast du uns Schutz und Wärme gegeben. Nun hast du das grosse Familienschiff verlassen. Doch viele wunderschöne Erinnerungen, die wir mit dir erleben durften, bleiben für immer bei uns. Mamma ich wünsche dir, dass du dir nun all deine zurückgestellten Wünsche erfüllen kannst.
Tschüss Mamma, ich werde dich immer liebhaben. Leo Rojas - Celeste
28. Ich kann es immer noch nicht recht begreifen, dass meine Mutter nicht mehr da ist. Wenn ich so ihr Bild betrachte, denke ich, dass kann doch einfach nicht wahr sein. Ich habe die Zeit in der Mamma von uns und wir von ihr Abschied nahmen, recht gut gemeistert. Meine Geschwister haben mich während dieser Zeit so gut wie möglich geschützt und haben nicht alles an mich herangetragen. Sie hatten Angst es würde mich zu sehr belasten. Doch jetzt, einige Tage nach der Beerdigung wird mir erst recht bewusst, was ich verloren habe. Ab und zu drängt ein beklemmendes Gefühl von tiefstem Inneren heraus an die Oberfläche und die Trauer nimmt überhand. Das wird noch einige Zeit so bleiben. Immer wieder werden Erinnerungen an Mamma wachgerüttelt. Da die meisten Erinnerungen an dich Mamma wunderschön sind, werden die Erinnerungen auch bald von einem Lächeln begleitet werden.
Hebs güät Mammä.
MÄRZ
1. Eigentlich hatte ich vor diesen Tagebucheintrag mit einem farbenfrohen Bild zu starten. Ich habe meiner Homepage extra dafür ein frühlinghaftes Outfit verpasst. Doch meistens kommt es anders als man meint. Dass etwas in der Luft liegt, habe ich gemerkt als Piet am Morgen mit einem Lächeln auf den Stockzähnen mein Zimmer betrat. Als er dann die Rollos hochzog sah ich, dass der Winter über Nacht bei uns Quartier bezogen hat. Ich weiss jetzt nicht ob ich mich nun freuen soll. Die ganzen Wintermonate habe ich Ausschau gehalten nach tänzelnden Schneeflocken, Rüebli tragenden Schneemännern und Bäume und Sträucher mit weissem Winterkleid. Ich liebe die weisse Pracht nach wie vor, doch hatte ich mich jetzt auf den Frühling mit Sonne, bunte Blumen, austreibenden Sträuchern, Vogelgezwitscher usw. eingestellt. Ich will endlich wieder Wärme, Licht und Farben.
Vielleicht bringe ich doch noch ein buntes, fröhliches Sujet vor die Linse. Heute feiert die Katzenmusikgesellschaft Attinghausen ihr 60-jähriges Bestehen. Der Jubiläumsumzug führt an unserem Haus vorbei. Mal schauen was da vor die Linse gerät.Der Fasnachtsumzug war zwar klein aber umso farbenfroher. Der Schnäpsli-Wagen, feini, feini.
8. Am letzten Wochenende habe ich in einer Zeitung folgenden Text gelesen:
Die Natur erwacht - Nächste Woche kommt der Frühling
Ab heute bis mindestens Mitte nächster Woche erwartet uns ein erstes Frühlingserwachen. Abgesehen von ein paar morgendlichen Nebelfeldern gibt‘s viel Sonnenschein und Temperaturen von bis zu 15 Grad.
Und wie diese Prognose stimmt, beweist wieder mal mein tomatig-angehauchtes Köpfchen. Einfach nur schön. Wolkenloser Himmel, Sonne vom Morgen bis zum Abend, Vogelgezwitscher und bunt spriessende Frühlingsblumen. I love it.
Das folgende Lied habe ich für meine trauernde Familie ausgewählt. Unsere Mamma hat den Frühling mit ihren bunten Blumen geliebt. Öffnen wir nun unsere Herzen und lassen die Blumen wieder blühen.
14. Was würde ich jetzt machen, wenn ich meine Arme und Beine der Norm entsprechend einsetzen könnte? Wahrscheinlich würde ich der Norm entsprechend einer geregelten Arbeit nachgehen. Doch noch lieber würde ich in die Gummistiefel steigen, die Gartenhandschuhe überstülpen und mich auf den Weg in meinen geliebten Garten machen.
Oh, ich muss nochmals retour, hab meine Kopfbedeckung vergessen. Ich will mir ja schliesslich wegen meiner lichten gewordenen Haare keinen Sonnenbrand auf der Kopfhaut einfangen. Das würde eine gewaltige Kratzorgie geben. Obwohl, meine Hände könnte ich ja jetzt benutzen. Also kratz ich doch gleich mal. Ich weiss ja nicht, wie lange ich das kann. So, jetzt aber raus. Opla, schnell noch etwas Sonnencreme aufs Näschen. Handschuhe aus, Tube auf, rausdrücken, aufs Gesicht schmieren, Tube zu und Handschuhe an. Schön, wenn man seine Finger so bewegen kann.
Hilfe, Hilfe, befreie uns endlich vom verdorrten Laub, rufen mir die verschiedenen Sorten von Farnen, Erdbeerstecklingen, Kletterpflanzen usw. zu. Also mach ich die Türe zum Geräteschuppen auf und hol die Gartenschere raus. Schnipp, schnapp und im nu ist alles Verdorrte ab und die Pflanzen ausgesäubert.
Die Zeit ist im Flug vergangen und es wird kühler. Schnell mal ins Haus gerannt, um eine Jacke zu holen. Das kann ich, schliesslich habe ich Beine die mich tragen. Oje, jetzt macht sich auch noch ein Nasentröpfchen bemerkbar. Also schnell mal ein Nastuch aus der Jackentasche gezupft und ausgetröpfelt hat‘s.
Oh, apropos Tröpfchen, ich glaub ich muss aufs Töpfchen. Also raus aus den Stiefeln, Handschuhen, Sonnenhut und Jacke. Die Stiege rauf und ab aufs Stille-Örtchen. Hosen runter und setz di nieder, mach di sauber und Hosen wieder raufi. Schön, wenn alles so normal funktioniert.
Jetzt mag ich aber nicht mehr nach Draussen gehen. Ich brüh mir einen feinen Kaffee und genehmige mir ein Stück Kuchen dazu. Schon schön, einfach nehmen zu können wann ich will und zu nehmen was ich will. Einfach gut, wenn der Kaffee die Kehle runter läuft, ohne der Luftröhre einen Besuch abzustatten. Und auch die Kuchenkrümel schenken dem Störenfried Husten heute keinerlei Beachtung. Gut, dass Alles normal funktioniert.
Nun ruhe ich mich ein wenig aus und mach ein Nickerchen. Vielleicht ist das ja nur ein Traum gewesen. Wie kann ich wissen, ob ich mich gerade in einem Traum befinde oder ob's die Gegenwart ist.
Träumst du etwa gerade?
The Cranberries - Dreams
Schei………..e, ich bin wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt. Leider war das reine Wunschdenken. Die verdorrten Pflanzenblätter ruhen sich immer noch im Garten aus und meine Gliedmassen machen auch nicht das was ich möchte. Doch die traurigste Tatsache ist, dass ich meine Mutter nur noch auf Fotos sehen werde. Sie ist tatsächlich nicht mehr anfassbar. Doch schön ist, dass sie mit ihren strahlenden Augen und ihrem lieben Lachen auf den Fotos, uns immer ihre Nähe spüren lässt.
15. Heute Gedenken wir beim Dreissigsten an unsere Mutter zurück. Dass sie nicht mehr unter uns weilt, schmerzt nach wie vor. Doch immer öfter wird ein Lachen über unsere Gesichter huschen, wenn uns bei irgendeiner Gegebenheit unsere Mutter in den Sinn kommt.
Weil meine Mutter zu meinem Leben gehört, werde ich sie mit ihrem Lebenslauf hier auf meiner Homepage verewigen.
20. Jetzt ist wieder meine Zeit angebrochen. Ich kann, ohne mich dick einmummen zu müssen nach Draussen fahren. Ich kann mich unter den Nussbaum legen und dem Vogelgezwitscher lauschen. Gerne würde ich meine gefiederten Freunde an ihrem Gesang erkennen. So weit bin ich aber noch nicht. Dafür kann ich schon einige Schmetterlinge gemäss ihrem Aussehen beim Namen nennen. Natürlich nicht Seppli oder Marili sondern Zitronenfalter - den sieht man übrigens als erster im Frühling. Nur das Männchen trägt die leuchtend gelbe Flügelfarbe, das Weibchen ist viel blasser. Er hat eine ungewöhnlich lange Flugzeit, er zählt zu den Faltern mit der längsten Lebenserwartung. Er kann überwintern, und zwar ungeschützt in Bodennähe! Die Kälteresistenz hängt mit seiner Körperflüssigkeit zusammen, einer Mischung aus Wasser, Eiweiß und Salzen. Man kann ihn bereits im Februar antreffen. Im März folgen, dann das Tagpfauenauge, kleiner u. grosser Fuchs, der C-Falter und einige die ich noch nicht mit Namen kenne. Auch die Hummeln sind schon artig am Werkeln. In der Regel treten sie erst im April in Aktion. Wahrscheinlich wurde bei ihnen, wegen den warmen Temperaturen, der Bestäubungstrieb bereits geweckt. Bei meinem Zierjohannisbeerstrauch haben sich die Gartenhummeln schon fleissig ins Zeug gelegt. Kennzeichen der Gartenhummel: Der Kragen, Schildchen und das 1. Hinterleibsegment sind goldgelb. Das Hinterende ist weiss. Durch die auffällige Grösse und die drei gelben Binden ist sie eine sehr charakteristische Hummel.
Fast täglich zieht ein Milan in der Luft seine Kreise und hält Ausschau nach Mäusen und anderem Kleingetier. Auch Möwen fühlen sich inzwischen bei uns heimisch. Sie machen einen ganz schönen Lärm, wenn sie lachend über uns hinweg fliegen. Meistens muss ich dann ebenfalls zu Lachen anfangen. Ja natürlich, jetzt hätte ich sie fast vergessen. Meine Eidechsen sind auch erwacht. Zuerst sah ich nur eine Einzige und die hatte nicht mal mehr den Schwanz dran. Zum Glück wächst er wieder nach. - Wie so mancher vor lauter Stress mal "den Kopf verliert", so können viele Echsen in gefährlichen Situationen ihren Schwanz verlieren. Werden Eidechsen von Angreifern bedroht, werfen sie ihn einfach ab. Der Schwanz bewegt sich durch aktive Nerven und Muskeln noch bis zu 20 Minuten weiter und lenkt den Feind von seiner eigentlichen Beute ab. In der Zwischenzeit kann die Echse fliehen und sich in Sicherheit bringen. - Ein paar Tage später sah ich schon mehrere Eidechsen den Kopf aus ihren Verstecken recken. Und jetzt turnt schon der Nachwuchs auf den Steinen.
Werde später weiter schreiben, muss jetzt weiter entdecken fahren.
22. Jetzt habe ich doch glatt den astronomischen Frühlingsanfang verpasst. Zum Glück war ich aber an diesem Tag draussen. Es war ja herrlich warm. Der Föhn hat die frühlingshaften Temperaturen nochmals etwas höhergeschraubt. Obwohl der Föhn gar heftig blies, habe ich mich auf den Weg zu meinem Vater gemacht. Ich wollte ihm unbedingt noch nachträglich zu seinem 88. Geburtstag gratulieren. Bei ihm angekommen, suchten wir uns ein windgeschütztes Plätzchen, wo wir plaudern konnten. Dann beim Nachhause fahren verspürte ich bereits ein komisches Gefühl im Hals. Mir schwante etwas. Mein Mann wird mir doch nicht etwa sein Erkältungsgrippeli angesteckt haben. Um 17.00 Uhr liege ich bereits mit Schnupfen-, Hals- und Kopfweh im Bett. Heute geht es mir aber schon wieder besser. Und jetzt, wo wieder der Winter vorbeischauen will, kann ich getrost im Haus bleiben und die Erkältung auskurieren. Ich hoffe nur, dass auch meine geliebten Frühlingsblüher den Kälteeinbruch einigermassen gut überstehen.
Unser alter Pflaumenbaum lässt es sich nicht nehmen, auch im hohen Alter mit wunderschönen Blüten aufzuwarten. Ihm gleichtun, wollen es auch die wesentlich jüngeren Forsythien Sträucher und die Zierkirsche.
29. Ich weiss, es ist schon wieder eine Woche vergangen seit meinem letzten Tagebucheintrag. Einer der Gründe ist die Erkältung, welche mich eine gute Woche begleitet hat. Doch mehr belastend sind für mich zwischenmenschlichen Beziehungen. Ich begreife nicht, wie einige Menschen miteinander umgehen. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich mitbekomme, wie miteinander gesprochen wird. Manchmal fallen so verletzende Worte, da fehlen mir glatt die Worte. Manche Menschen haben nie gelernt, wie man miteinander redet. Mit ihnen kann es sehr schwer werden, ein Thema sachlich zu erörtern. Nicht selten kommt es vor, dass eine solche Diskussion aus dem Ruder gerät. Es wird schnell alles persönlich genommen und nicht selten werden unangebrachte Worten benutzt. Von seinem Standpunkt abrücken – ne warum auch? Sich entschuldigen – ne warum auch? Ich bin im Recht, ich gebe mir doch keine Blösse. So wird es auch in Zukunft schwer werden, gemeinsam an einem Strick zu ziehen, auch wenn es um unsere Liebsten geht.
Reinhard Mey Das Narrenschiff
Vielleicht bin ich auch noch sehr empfindlich. Der Verlust von Mama schmerzt halt schon immer noch.
Es wurde ein Sämchen in die Erde gelegt und es fing an zu keimen. Ich habe mich so gefreut, als es sich aus der Erde zwängte. Endlich war sie da; die Pflanze für Frieden. Tretet sie nicht und gebt ihr Liebe, denn nur so kann sie überleben. Ich jedenfalls werde mein Bestes tun um sie zu schützen.
APRIL
4. Vor zwei Tagen lauschte ich einem Gespräch. Anscheinend merkten die Zwei nicht, dass ich sie höre. Nennen wir mal die Beiden die Linke und die Rechte.
Die Linke fragt die andere, ob sie auch kalt habe. Ja und wie, sagt die Rechte. Meine Glieder sind schon ganz steif. Die Linke erwidert: wenn wir doch nur irgendwo in die Wärme kriechen könnten. Daraufhin die Rechte: wenn uns die in der Chefetage schon nicht helfen können, dann müssen wir uns wohl selbst helfen. Schau mal, sagt die Rechte, hier sind doch zwei Höhlen. Versuche mal in die linke Höhle zu kriechen. Die Linke reckt und streckt sich und langsam kommt sie dem Ziel näher. Und endlich kann sie sich in die enge Höhle zwängen. Nun versucht es auch die Rechte. Sie hat allerdings noch mehr Mühe vorwärtszukommen. Sie ist auch etwas steifer als die Linke. Sie versucht sich ganz flach zu machen, um Stück für Stück in die Höhle zu kriechen. Endlich verschwindet auch sie in ihrer Höhle. Das war ganz schön anstrengend, aber endlich habe auch ich warm. Da meint die Linke, jetzt haben wir es doch noch ohne die Obrigkeit geschafft. Als ich das mitbekomme, muss ich lächeln. Wenn die wüssten, dass ohne mein Oberstübli gar nichts läuft. Hätte ich am Morgen nicht eine Jacke mit weiten Taschen angezogen, würden meine Hände jetzt noch draussen sein und frieren.
Stolz bin ich trotzdem auf sie. Sowas hatten sie schon lange nicht mehr zustande gebracht.
7. Mir ist nicht viel vom Leben geblieben. Kaum ein Körperteil ist von der ALS verschont geblieben. Ich kann nicht mehr gehen und die Arme kann ich nur noch wenige Zentimeter hochheben. Meine Füsse neigen zu Spitzfüssen, die Zehen krümmen sich nach unten, sodass ich mühe habe die Schuhe anzuziehen. Auch die Finger haben kaum noch Kraft und bilden eine Faust. Schon lange kann ich weder etwas zu Essen oder zu Trinken zum Munde führen. Nichts mit Gelüsten zwischendurch. Ja mein Herz, es schlägt noch schön im Takt. Doch in letzter Zeit ist es schwerer geworden. Die Lunge stellt mir mal mehr, mal weniger Atemluft zur Verfügung. Manchmal reicht es, um mehrere Sätze am Stück zu sprechen. Dann wiederrum muss ich Wörter herauspressen. Das ist sehr anstrengend und die Lautstärke eher im unteren Pegelbereich. Durch die Zungenatrophie ist auch meine Aussprache undeutlicher geworden. Also nichts mehr mit langen Diskussionen. Ich kann mit zu wenig Power aufwarten. Was noch tadellos funktioniert ist mein Hirn. Gespeichert mit Erlebtem und von Erfahrungen aus Schulen, Berufsleben, Familienfrau, Umgebungsgestalterin, Sportlerin usw. Ja, da kommt einiges zusammen. Doch leider kommt es immer wieder vor, dass ich auf meinen Körper reduziert werde. Man nimmt mich wie nicht ernst. Ich muss mir wohl etwas einfallen lassen, damit ich in meinem Umfeld wieder vermehrt wahrgenommen werde. Ich denke, ich kann trotz meinen Handicaps noch einiges leisten. Gebe nicht auf. Es wird mir schon noch was einfallen. Georg Danzer - große Dinge
9. Wisst ihr was das Gute an einem elektronischen Tagebuch ist. Es gibt da eine Taste, die nennt man Clear oder auf Deutsch Entf = Entfernen. Es gibt auch Tastenfunktionen mit denen kann ich Wörter und ganze Sätze markieren, um sie dann zu löschen. Diese Anwendungen habe ich Gestern benutzt, um beim vorhergehenden Tagebucheintrag einiges zu löschen und andere Sätze einzufügen. Ich habe mich dazu entschlossen, weil ich angefragt wurde ob es mir nicht gut gehe. Ja, in dem Moment als ich den Eintrag schrieb ging es mir psychisch wirklich nicht so gut. Ihr kennt sowas sicher auch. Manchmal wird man mit Problemen konfrontiert, da sieht man den Ausweg nicht. Doch meistens, wenn etwas Zeit vergangen ist, sieht die Welt schon nicht mehr so düster aus. Es „taget“ wieder und die Sonne lässt sich wieder hervor. Der Tag wird wieder wunderschön. Und das Brutzeln eines Cervelats über einem offenen Holzfeuer hebt die Stimmung sowieso an. So am Stecken gegrillt schmecken die Cervelats am besten. Man muss einfach den Abstand zwischen dem Cervelat der Flammenhöhe anpassen. Dazu braucht man allerdings keinen verstellbaren Rost. Das bewerkstelligt man am besten mit der Sitzkantelung eines Rollstuhls. Nur, der bekommt man nicht einfach so. Und schweineteuer ist er auch noch. Ich habe einen solchen. Irgendeinen Vorteil darf ich wohl auch mal haben. Lets Grill!
11. Ihr habt ja noch die Geschichte „wehe, wenn sie losgelassen werden“ von mir zu gut. Ich hoffe, ich bringe sie noch einigermassen zusammen.
Ich bin letzte Woche zum Bauernhof meines Bruders gefahren in der Hoffnung, ein Feldli-Kaffee (Ürner-Schwarzes) von meiner Schwägerin spendiert zu bekommen. Als ich um die Hausecke bog, sah ich meinen Bruder mit einem Kalb aus dem Stall kommen. War das störrisch. Wollte irgendwie gar nicht auf die saftige Weide. Doch plötzlich hob es sein Schwänzchen in die Höhe und fing an loszustürmen. Und prompt kommt es in Berührung mit dem Zuckapparat (elektr. Weidezaun). Anscheinend wusste mein Bruder, dass dies passieren wird und zieht das Kalb mit dem umgebundenen Strick zu sich. Dieses Spiel wiederholt sich ein paarmal, bis das Kalb begriffen hat, was die Drähte bedeuten. Und nun kommt meine Schwägerin mit dem zweiten Kalb aus dem Stall. Es ist ein wenig kleiner als das Vorhergehende. Benimmt sich jedoch noch bockiger und sturer. Meine Schwägerin hat alle Mühe das Kalb zu bändigen. Mein Vater kommt ebenfalls aus dem Stall, nimmt sich einen Stuhl und setzt sich neben milch in die erste Reihe. Als hätten wir es geahnt wurden uns einige mehr oder weniger lustige Szenen geboten. Plötzlich nämlich rennt „Luzias“ Kalb los in Richtung Zaun. Es verheddert sich im Zaun und reisst einen Teil des Zauns zu Boden. Luzia wird richtig gehend am Kalberstrick mitgezogen. Und kurz darauf liegt sie auch schon auf dem Rücken. Sie schlägt ihre Fersen in den Boden und hält mit aller Kraft denn Strick. Es kam mir vor als hätte man ihr eingetrichtert, nie den Strick loszulassen. Wäre ihr mein Bruder nicht zu Hilfe geeilt, hätte sie sich wahrscheinlich durchs ganze Land mitziehen lassen. Mein Vater und ich haben uns köstlich amüsieret. Nun musste zuerst wieder der Zaun gerichtet werden bevor mit dem dritten Kalb gearbeitet werden konnte. Inzwischen wusste ich, dass die Kälber beim ersten Weidegang immer so benehmen. Sie kennen bis dahin nur den Stall. Das jüngste war übrigens ca. 3 Wochen alt.
Als sich dann Alle beruhigt hatten, gab es dann doch noch ein Schwarzes. Eines muss ich aber noch erzählen. Letztes Jahr hat ein Kalb meinen Bruder zu Fall gebracht. Und nicht nur das, das Kalb hat ihn gleich noch mit dem Elektro-Zaun umwickelt. Bis meine Schwägerin den Zaun vom Strom nehmen konnte, musste mein Bruder einige „Elektro-Schocks“ über sich ergehen lassen. Es ist immer von Vorteil, zu wissen, wie etwas funktioniert.
Es war wieder mal ein lustiger Nachmittag. Später hat mich mein Vater mit seinem Elektromobil auf dem Nachhauseweg begleitet. Ihr glaubt nicht wie mich der 88-jährige Herr abgetrocknet hat. Er ist mir mit seinem Elektromobil um die Ohren gefahren. Das geht natürlich nicht. Jetzt wird es Zeit meinen Rollstuhl zu Tuning.
MAI
1. Nä-nei, ich ha nit vergässä, dass hit ä niewä Monet a fat. Ha nur bis jetz kei Zyt gha, ebbis tschriebä. Und eigendlich wärs eu bereits wieder Zyt fir mich is s'Bett z'gah. Ich gah nämlich fast täglich so um diä Achdi is Bett. Wiu d'Spitex sit afang Jahr bereits am haubi achdi am Morga bi miär verbie chunt und ich seltä äs Mittagsschläfli machä, bin ich de doch froh, wenn ich mich friä am Abig im Bett üsstreckä cha. Mit miem friä bettgah gib ich mim Ma eu Zyt ebbis fir sich zmachä.
Wills Hyt wieder ämau scheen gsi isch und d'Sunnä scheen warm gschienä het, han ich mich am Namitag im Gartä üfghautä. Ich liäbs dr Natür züä zlossä und sie z'beobachtä. Natür i mim Gartä git miär so viu Chraft und lat mich immer wieder diä inneri Rüä z'gfindä.
9. He, ich habe endlich wieder Zeit zum Schreiben. Viele fragen sich sicher, was macht den Die immer. Sie kann nicht laufen, kann kaum die Arme und Hände bewegen und die Stimme kann sie ebenfalls nur eingeschränkt einsetzen. Also, was macht Die den ganzen Tag. Ich will euch mal aufzählen, mit was meine Tage (nein nicht diese Tage, die kommen mich zum Glück nicht mehr besuchen) ausgefüllt sind. Nebst Spitex, Physiotherapie 1x wöchentlich, vier Online-Tageszeitungen lesen, morgendliches Online-Kreuzworträtsel lösen, Mail beantworten, Menüplan und Einkaufliste 1x wöchentlich erstellen und diverse andere administrative Arbeiten am PC erledigen. Dann ist es meistens auch schon Zeit fürs Mittagessen. Falls die Sonne schon am Morgen genug warm scheint, kürze ich auch mal das morgendliche Ritual ab. Und da die Türe nach draussen letztem Jahr mit einem automatischen Türöffner ausgerüstet wurde, den ich mit der Rollstuhlsteuerung bediene, kann ich nun auch spontan und selbstständig nach draussen begeben. Und dass ich dies in letzter Zeit öfters fabriziert habe, muss ich euch wohl nicht sagen. Ich brauche die Sonne für mein Leben. Sie stärkt meinen Körper und heilt immer wieder meine Seele. Das kann auch die Natur hervorragend. Wenn ich am Nachmitttag (da wären wir wieder bei meinen Tagesbeschäftigungen) mit dem Rolli durch die Natur fahre, fühle ich mich sehr gut. Die Natur mit ihrer Lebendigkeit, mit den Farben, Düften, Formen, Wetterkapriolen usw. ist für mich zum helfenden Freund geworden. Und Freundschaften soll man ja bekanntlich pflegen, wenn man sie behalten möchte. Darum bin ich auch so viel bei ihr.
Jetzt habe ich gerade meinen Vater auf dem Velo an unserem Haus vorbeifahren. Es hat mir direkt einen Stich ins Herz versetzt. Vor nicht allzu langer Zeit hat er die Natur mit Mamma erkundigt. Jetzt ist er allein unterwegs. Wie einsam muss er sich fühlen und wie weh muss es tun. Ich fühle es ja auch. Ich hätte ihn gern ins Haus gerufen, doch trotz der Menge an Hilfsmittel ist es mir auf die Schnelle nicht möglich. Doch auch ihm wird die Natur zu helfen wissen.
Eigentlich hätte ich ihn gestern Nachmittag auf meiner Rollirunde besuchen wollen, doch da ist so viel dazwischengekommen. Ich erzähle mal. Also, ich fahre auf dem Reussdamm Richtung See. Rechts und links an den Dammseiten blühen üppig die Wildblumen. Wilde Margriten, Hahnenfuss, Leimkraut, Moon, Storchenschnabel, um nur einige zu nennen. Ich kann mich kaum sattsehen und muss immer wieder „stehen“ bleiben. Leider kann ich den feinen Duft, welchen die Blumen normalerweise verströmen nicht wahrnehmen. Zu viele Bauern sind heute mit dem „Güllenfass“ unterwegs. Versuche ich halt heute mal eines der Sinnesorgane zu ignorieren. Auf der Weiterfahrt sehe ich plötzlich sechs Kälber, die unterhalb des Dammes durch hohes Grass stampfen und sich auf die Gemeinschaftsgärten zubewegen. Weit und breit kein Mensch in Sicht. Und nun geschieht es, die Kälber betreten den Garten. Ein Teil des Gartens wird buchstäblich umgegraben, die Setzlinge zertrampelt und an den Beerensträuchern geknabbert. Ich wusste, ich musste sie irgendwie von den Gärten weglocken. Also rief ich ihnen zu „he chämet“ und setzte mich mit dem Rolli in Bewegung. Und siehe da, sie kamen hinter mir nach. Kurz darauf kamen mir zwei Frauen zu Hilfe, welche die Kälber zur Strasse trieben. Ich habe dann noch schnell einem Kalb den Weg abgeschnitten, es wollte zu mir auf den Damm hochsteigen. Wohin die Kälber gehörten, wussten die Frauen auch nicht. Ich liess sie jedoch mit ihnen ziehen. Ich setze meine Fahrt fort. Zum Glück konnte mich Piet am Mittag überreden eine Jacke anzuziehen. Von Norden her kam doch noch kühle Luft. Und prompt, was passiert? Ein Nasentröpfli bildet sich an der Nasenspitze. Ich versuche zwei-, dreimal mit dem Handrücken die Nase zu erreichen, was natürlich nicht gelingt. Also weiterfahren und hoffen, dass ich jemandem begegne, den ich kenne oder jemandem dem ich das Nasenputzen zumuten kann. Nichts, der Reussdamm scheint heute kein Anziehungspunkt zu sein. Also versuche ich es mit einer etwas weniger appetitlicheren Methode. Ich schürze meine Lippen und versuche so den Nasentropf zu erreichen, um ihn von der Nase zu lösen. Leider zieht sich der Nasentropf dadurch nur in die Länge und nun habe ich von der Nase bis zum Mund ein Geschmiere. So kann ich doch unmöglich unter die Leute. Kurz überlegen und die nächste Dammabfahrt avisiert. Ich fahre hinunter und fahre zur naheliegenden Gärtnerei. Ich nehme allen meinen Mut zusammen und steure auf eine Gärtnerin zu. Nun räuspere ich mich kurz. Dadurch wird meine Aussprache etwas deutlicher, schliesslich muss ich ihr sagen können wo sich die Nastücher befinden und wie sie mir am besten helfen kann. In solchen Fällen weiss ich natürlich nie ob es die Person ekelt und sie es einfach macht, weil sie denkt, sie müsste es tun oder ist es für sie eine Selbstverständlichkeit, mir zu helfen. Doch das kann ich nicht ändern. Jedenfalls hat es geklappt und ich kann meine Fahrt fortsetzen. Am See unten angelangt sehe ich wie Kinder Sandburgen bauen und wiederum andere füttern die Seevögel. Weiter führt mich die Tour durch das Moorgebiet. Dort werde ich mit einem Froschquackkonsert überrascht. Auf der Weiterfahrt meldet sich wieder ein Nasentröpfli und ich beschliesse dem Norden den Rücken zu drehen und gegen Süden zu fahren. Und weil die Arbeitsstelle meines Mannes auf diesem Weg liegt, fahre ich bei ihm vorbei, um meine Nase ordentlich zu putzen. Bekomme auch gleich noch was zu trinken. So mache ich mich wieder auf den Weg. Diesmal fahre ich zu den Warenhäusern, sollte noch zwei, drei T-Shirts haben. Da mein Rolli ein paar Schlammspritzer von der Tour abbekommen hat, muss ich mich vorsichtig durch die Kleiderständer manövrieren. Und da ich mit der aufgesetzten Sonnenbrille nicht so gut sehe, muss ich eine Person finden, welche selbst Deutsch spricht, damit sie versteht, was ich von ihr möchte. Auch hier bin ich wieder fündig geworden. Die Brille wird mir, nicht wie gewünscht über einen Oberschenkel gestülpt, sondern in den Ausschnitt gesteckt. So geht’s auch und ich schmökere mich durch die Geschäfte. Bei meiner letzten Arbeitsstelle komme ich nicht ohne einige Gespräche mit ehemaligen Mitarbeitern herum. Es ist interessant von ihnen auf den neusten Stand gebracht zu werden. Doch irgendwann muss ich mich dann doch auf den Heimweg machen. Die Sonne scheint immer stärker vom Himmel und ich merke erst jetzt, dass ich keine Sonnenbrille anhabe. Wäre sie auf dem Oberschenkel platziert worden, hätte ich es frühzeitig gemerkt. Für mich ist es sehr wichtig, dass Sachen immer gleich platziert werden und Abläufe immer gleich gehandhabt werden. Also muss ich einen „Brillenanzieher“ finden. Ich könnte jetzt ein Stück retour fahren zur Arbeitsstelle meines Sohnes. Doch ich entschliesse mich das nächste Geschäft aufzusuchen, dort kennen mich einige. Also fahre ich direkt auf die Kasse zu und sage, dass ich heute nichts haben müsse und nur möchte, dass sie mir die Sonnenbrille anziehen würde. Gesagt, getan und Tschüss bis zum nächsten Mal. Ich hole mir noch schnell im Dorfladen einen Kuchen. Hier brauche ich keine Erklärungen mehr abzugeben. Sie wissen, dass sie das Geld selbst zur Tasche herausnehmen und das Gekaufte selber einpacken müssen. So, nun bin ich endlich wieder Zuhause angekommen.
Jetzt muss ich eine Pause einlegen. Um diesen Text zu schreiben, habe ich 4 Stunden gebraucht.
Fortsetzung wird folgen.
10. In den letzten 3 Wochen habe ich viel Zeit in die Planung unserer nächsten Ferien investiert. Zuerst galt es herauszufinden, wie wir unsere Ferien verbringen möchten. Sie zu Hause zu verbringen, wäre natürlich am einfachsten. Am Meer wäre es schön. Doch umständlich mich ins Wasser zu befördern. Also sind wir wieder bei den gewohnten Rundreisen gelandet. Mit dem Auto durch die Lande zu fahren und neue Orte kennenzulernen macht uns eh am meisten Spass. Also habe ich im Netz nach bereits bestehenden Reiserouten gesucht. Ich entschied mich für eine südliche und eine nördliche Variante und gab diese meinem Mann zur Ansicht. Gemeinsam wählten wir die nördliche Variante. Nun galt es für mich, die Rundreisestrecke auf unsere Bedürfnisse anzupassen. Unteranderem legte ich fest, wieviel Kilometer wir pro Tag fahren werden und wieviel Zeit wir dafür benötigen. So habe ich die ganze Route auf Tage aufgeteilt. Nun googlete ich nach behindertengerechten Übernachtungsmöglichen an den jeweiligen Orten. Manchmal fand ich auch keine Unterkunft und so musste ich den Übernachtungsort verlegen. Das hiess dann, alles neu zu berechnen. Ich korrespondiere jeweils direkt mit den Hotels selbst. So kann ich sicher gehen, dass bei unserer Ankunft, sicher ein behindertengerechtes Zimmer bereitsteht. Am letzten Freitag habe ich nun die letzte Hotelbestätigung bekommen. Nachdem ich dann alles mit dem Routenplaner festgehalten habe, konnte ich die Ferienplanung abschliessen und in aller Ruhe auf unsere Ferienwoche warten.
14. Äs schiffet und schiffet und obäüs hets agschnitt. Chaut ischs wordä und d’Eefä müäss mä wiedr üfäschrübä. Mini Rollchragäpullis, wo ich vor zwei Wuchä i ihrä wohlverdiänti Summerschlaf gschickt ha, hani wieder miässä unsanft usum Schlaf weckä. Ich hoffä jetzt eifach, dass sie diä verlorni Rüäphase de im Herbscht chänet nachäholä.
Jetzt wäre es dann an der Zeit, dass es aufhört zu regnen und die Sonne sich wieder öfter und länger zeigt. Ich bin schon bald eine Woche ans Haus gefesselt. Weil diese Woche gerade zwei meiner Assistentinnen in den Ferien sind, habe ich niemanden, der mich wettertauglich anziehen und auch wieder ausziehen könnte. Muss nächstes Jahr wohl bestimmter planen und keine Überschneidungen mehr gewähren. Zum Glück kommen die Zwei nächste Woche wieder und machen dann hoffentlich wieder klar Schiff. Der Haushalt und ich werden ihnen dankbar sein.
Also, was könnte ich heute machen. Die Ferien sind geplant, alle Mails beantwortet, alle Zeitungen gelesen, alle Spiele gespielt, also? Ja, ja, schon gut, ich weiss es ja. Ich müsste da noch einen Antrag an die IV (Versicherung für Invalidität) verfassen, zwecks Rückvergütung von Hilfsmittelbeschaffungskosten. Obwohl meine Krankheit sehr langsam voranschreitet, (was heisst hier eigentlich voranschreitet? Ich kann ja auch nicht schreiten, also soll sie das auch nicht können. Nennen wir es wegen ihrer Heimtücke eher voranschleicht), muss ich meine Hilfsmittel ab und an anpassen. So wurde vor ca. zwei Wochen die Bedieneinheit meines Closomat (Dusch-WC) an meine Behinderung angepasst. Nun kann ich mit dem Duschrollstuhl übers WC fahren und trotzdem die Duschfunktion aktivieren. Da ich dies, vor eingehender Prüfung von Seitens der IV ausführen liess, musste ich dies verständlicherweise vorerst selbst berappen. Nun müsste ich eigentlich den Antrag auf Rückvergütung stellen. Leider musste ich auch mein Kommunikations- und Umfeldgerät ersetzen. Das Alte entsprach nicht mehr meiner Behinderung. Nun übe ich täglich mit der Augensteuerung. Mal schauen, wie schnell ich mit ihr zurechtkomme. Für dieses Gerät muss ich allerdings keinen Antrag stellen. Das wurde vorgängig durch die Hilfsmittelversorgungsfirma selbst erledigt. Ein weiteres Hilfsmittel, welches ich nächstens benötige, ist eine Stütze für meinen linken Fuss. Das Fussgelenk wird zunehmend instabiler und die seitliche Fussseite krümmt sich nach unten. Wenn ich nichts unternehme, werde ich in absehbarer Zeit weder einen „anständigen“ Schuh anziehen können noch auf dem Fuss stehen können. Dabei ist das Stehen können für den Transfer äusserst hilfreich. Aber auch für die Blutzirkulation, für die Atmung und für die inneren Organe ist es förderlich.
Eigentlich wollte ich nun für zehn, zwanzig Minuten in den Garten fahren, um frische Luft zu schnappen. Aber daraus wird leider nix. Es kommen gerade wieder nasskalte Sturmböen auf uns zu. Auf meinem Fenster haben sich bereits wieder unzählige Regentropfen niedergelassen. Es sieht irgendwie seltsam aus. Mal naht eine dunkle Front von Norden und kurz darauf hellt es wieder auf. Hagel, Schnee und Regen? Ich frag mich, wo ist nur der Frühling geblieben.
16. Endlich zeigt sich die Sonne mal wieder am Himmel. Sie muss allerdings stark gegen die Wolken ankämpfen, die ihr immer wieder die Sicht auf die Erde versperren. Warm ist es trotzdem noch nicht. Obwohl der Föhn (Südwind) im Anmarsch ist, ist es immer noch kalt. Die Biese (trockener, kalter Wind aus Nordosten) bläst hartnäckig ins Tal.
20. Nicht weil ich studieren muss was ich schreiben will, benötige ich so viel Zeit um einen Text zu schreiben, vielmehr liegt es daran, dass ich mit einer Bildschirmtastatur schreibe und nicht auf das Zehnfingersystem zurückgreifen kann. Ich hätte noch einiges mehr zur Rollitour zu erzählen. So z.B. den Schwatz, den ich mit einem Betreuer der Behindertenwerkgruppe hielt, nachdem er mir zurief: „he, hier ist eine 50ziger Begrenzung. Die Gruppe war gerade dabei, das Seeufer von Schwemmholz zu befreien. Oder die Begegnung mit einem Schulspähnli wäre zu erwähnen. Auch das Aufeinandertreffen mit einer ehemaligen Arbeitskollegin, die ich seit mehr als 10 Jahren nicht mehr gesehen habe, ist eine Erwähnung wert. Oder das Gespräch mit einer anderen Mitarbeiterin, die mir mitteilt, dass ein guter Freund von ihr vor kurzem die Diagnose ALS bekommen hat. Ich hätte mit ihr natürlich noch lange über diese Krankheit diskutieren können. Wie ihr lesen könnt, sind meine Rollitouren nie langweilig.
Also weiter mit meinen Tagesaktivitäten. Ich durfte in den letzten Monaten die Bachelorarbeit und die Portfolios einer Studentin gegengelesen. War sehr interessant zu lesen, wie Schüler heute unterrichtet werden. Ausserdem durfte ich bei einer angehenden FAGE (Fachfrau Gesundheit) bei ihrer Vertiefungsarbeit über ALS mitwirken.
Nun hoffe ich ihr versteht, warum ich manchmal nicht zum Schreiben komme.
Doch jetzt ist auch für mich Feierabend.
JUNI
1. In unserem Rasen blühen seit nun mehr drei Wochen wunderschöne Margeriten. Ein Junikäfer hat anscheinend ebenfalls Gefallen an ihnen gefunden. Diese wunderbare Blumenpracht erreicht man nur, wenn man dem Rasen ein bisschen Freiraum gewährt, um sich entfalten zu können. In einem englisch getrimmten Rasen wird ihnen der Spass am Blühen genommen und sie ziehen sich zurück und verkümmern. So geht es auch uns Menschen, wenn man uns die Freiheit nimmt. Ich wünsche uns allen einen blumenreichen Juni.
6. Endlich wieder Sonne, endlich wieder Wärme. Ich habe mich schon die die ganze Woche auf diese Tage gefreut. Nun hoffe ich fest, dass ich meine Pullis und die all abendliche Bettflasche im Schrank lassen kann. Ich denke, meiner Bettflasche ist es auch recht, nicht ständig mit vollem Bauch schlafen gehen zu müssen.
Ich habe extra auf dieses warme Wochenende hingearbeitet. Die Frisörin hat mir einen Kuuuurzhaarschnitt verpasst und die Spitex überzog meine Zehen- und Fingernägel mit der Farbe des Meeres.
Nun bin ich bereit, mich den kommenden Hitzetagen zu präsentieren. Seid ihr es auch?
Ich fahre jetzt Sonne tanken. Mal schauen, ob meine blassen Beine bis zum Abend ein bisschen Farbe angenommen haben. Ja, ja, eincremen nicht vergessen und ein Huädel auf den Kopf. Bei meinen kurzen Haaren könnte ich mir doch glatt die Kopfhaut verbrennen. Also, nichts wie raus!
24. Waren das wunderschöne Frühlingswochen. Die Sonne hat mich magisch nach Draussen gezogen. Ich habe es so genossen mit meinem Mann über die wieder geöffneten Alpenpässe zu fahren. Einmal haben wir gleich fünf Pässe an einem Tag überquert. So was macht natürlich auch hungrig und durstig und es gibt wohl kaum einen schöneren Ort um zu Essen als frei in der Natur. Wenn die Natur noch so nebenbei ein Eisfach zum Getränke kühlen zur Verfügung stellt, nimmt man das natürlich dankbar an.
Bei diesen Ausfahrten fühle ich mich so frei und unbeschwert und ich kann meine Behinderungen total vergessen. Das sind eigentlich meine besten und schönsten Stunden. Ich erlebe und sehe eben auch sehr viel dabei. Wie z.B. diese Steinbockgruppe, welche ein Schneefeld überquert, um über den Kamm wieder ins Naturschutzgebiet auf italienischer Seite zu gelangen.
Ich war auch wieder mit dem Rollstuhl auf Tour. Ich liebe es an Wiesen vorbeizufahren, wenn Heuen angesagt ist. Dieser Duft von frischem Heu ist einzigartig. Für mich gibt es keinen besseren Duft. Ich atme jeweils ganz tief ein, in der Hoffnung etwas davon in meinen Lungen speichern zu können. Dieser Duft weckt so viele schöne Erinnerung wach. Etwa das Aufwachsen auf dem Bauernhof, das spielen mit meinen Geschwistern, das gemeinsame Arbeiten, wie z.B. das Heulen. Obwohl es manchmal auch streng war, hätte ich diese gemeinsame Zeit mit Mutter, Vater, Geschwister, Kalb und Kegel nie missen mögen. Es war wirklich schön auf unserem Hof.
Letztlich war ich auf einen Sprung bei Onkeln und Tanten. Auf dem Hof gab es zwei Kätzchen, die waren ca. sechs Wochen alt. Ich liess es mir natürlich nicht nehmen, eines auf den Schoos zu nehmen. Nachdem ich mir aber zwei, drei Kratzer eingefangen hatte, entliess ich es wieder in die Obhut seiner Mutter.
Einmal musste ich bei einem nachmittäglichen Rolliausflug meinen eigenen Servicemann gleich zweimal aufbieten. Ich fuhr auf einem schmalen Waldweg Richtung Schiffstation. Plötzlich blieb der Rolli stehen und liess sich nicht mehr zur Weiterfahrt bewegen. Auf dem Steuerungsdisplay die Meldung „Störung am rechten Hinterrad“. Daraufhin bat ich eine Fussgängerin, dem besagten Rad ein paar kräftige Tritte zu versetzen, damit es wieder in die Gänge kommt. Aber unbeeindruckt wie ein sturer Esel, liess sich der Rollstuhl nicht vorwärtsbewegen. Also musste ich meinen Mann aufbieten. Er kam mir dann z.T. mit dem Auto und den Rest zu Fuss zu Hilfe. Nach ein paar Handgriffen konnte ich meine Nachmittagsausfahrt fortsetzen. Da ich mittlerweile das Schiff verpasst hatte, musste ich mir nun eine andere Route ausdenken. Ich fuhr also auf dem Weg der Schweiz Richtung Bauen. Der Rollstuhl funktionierte wieder tadellos. Doch als ich etwa in der Hälfte meines Rückweges war, blieb der Stuhl wieder stehen. Wieder dasselbe Problem, wieder mitten auf einem schmalen Weg, wieder nicht zugänglich für ein Auto. Also das Ganze nochmal wie gehabt. Nur, diesmal zog ich es vor im Bus heimzufahren. Zuhause wurde dann der Stuhl mal richtig durchgecheckt, geschmiert, Kontakte gereinigt usw. Nun hoffe ich, dass mich mein Rolli bei der nächsten Fahrt nicht mehr so im Stich lässt. Zehn Jahre sind doch noch kein Alter.
Ein anderes Mal fuhr ich zum See. Mein Blick war dabei auf die Reuss gerichtet. Ich hielt Ausschau nach dem, was uns der Fluss genommen hat. Der Fluss floss friedlich in seinem Bett. Rechts und links des Ufers blühten wunderschöne Wildblumen. Schmetterlinge flogen von einer Blüte zur andern. Sogar ein Schwalbenschwanz labte sich am Nektar. Vögel flogen über den Fluss und pfiffen ihre Lieder. Ich habe leider nicht das gefunden was ich erhofft hatte. Aber auf dieser Strecke ist es wunderschön, um zu verweilen. Am See unten angelangt, musste ich mich dann aber umgehend auf den Heimweg machen. Es waren verdächtig dunkle Wolken am Himmelszelt aufgezogen. He, ihr glaubt es nicht, aber ich habe es so genossen durch den Regen zu fahren. Es ist wie selbständig zu duschen, einfach nur herrlich. Platschnass hin oder her. Zuhause habe ich mich dann von der wieder scheinenden Sonne trocknen lassen.
JULI
5. Ich habe mich aber vorhin so aufgeregt, dass mir die Lust zum Schreiben vergangen ist. Ich frage mich schon, wie es jemals Frieden auf unserem wunderschönen Planeten geben kann, wenn wir es nicht mal fertigbringen, im engeren Umfeld, einander mit Anstand und Würde zu begegnen.
Ich denke, ich habe in den letzten Jahren nicht nur Muskelkraft eingebüsst, auch mein Fell ist nicht mehr so dick. Darum darf ich mich auch nicht mehr mit Dingen herumschlagen, denen ich nicht mehr gewachsen bin. Sei es, weil ich nicht mehr gut verstanden werde, sei es, weil mir die Puste fehlt, frustrierend ist es allemal. Ich möchte so gerne mithelfen einige Dinge in geordnete Bahnen zu lenken und ich weiss ich hätte diese Fähigkeit. Dazu müsste ich jedoch wieder in den Originalzustand versetzt werden. Habe den Resetknopf leider noch nicht gefunden. Wie ihr lesen könnt, geht es mir schon wieder besser und auch der Humor kehrt zurück. Das vorhin erhaltene SMS aus Canada hat sicher dazu beigetragen. Als wenn meine Schwester geahnt hätte, dass es mir gut tut von ihr zu hören. Ich freue mich auf ihre Rückkehr.
Eigentlich darf ich auch nicht klagen. Ich werde von vielen lieben Menschen durchs Leben begleitet. Gerade heute Morgen wurde mir das wieder vor Augen geführt. Vor der Türe lag ein roter Briefumschlag mit blauer Anschrift. Darin ein orangefarbener Briefbogen mit in rotgeschriebenen Zeilen. Daneben stand ein mintfarbener Nagellack. Ich hatte diese Woche in einem Gespräch erwähnt, meine nächste Nagellackfarbe sei wahrschein so grün wie die Wandfarbe in meinem Zimmer. Da hat wohl diejenige meine Farbenfreudigkeit bemerkt. Und vor zwei Wochen stand, wie schon letztes Jahr, ein Kesselchen Kirschen vor der Tür. Erfreut bin ich auch über die Holzsterne, welche mir ein Besucher mitgebracht hat. Auch sie hat, mein Gefallen an den Sternen, bei einer Unterhaltung aufgeschnappt. Oder die Frau, welche mich eingeladen hat, ihren Garten mit Biotop und Hochbeet zu besuchen. Ich schätze auch die Besuche meiner über 80-jährigen ehemaligen Nachbarin, welche immer interessantes zu Berichten weis. Gut tun mir auch die Zusammenkünfte mit meinen ehemaligen Arbeitskollegen und die Stippvisiten meiner früheren Volleyballmatchgegnerin. Also ihr seht, ich werde gut umsorgt.
10. Ich hatte geglaubt, ich hätte die Kälte des Winters hinter mich gebracht. Aber wie so oft kommt es anders als man denkt. Frieren ist jetzt angesagt. So macht es auch keinen Spass mit dem Rolli auszufahren. Kurz unters Haus fahren, um frische Luft zu schnappen, muss reichen. Nichts mehr mit kurzen Hosen und luftigen Sommerblüschen. Kein Sonnenbad in der Pergola. Dabei hat mir mein Mann extra eine Getränkehaltersäule für das Trinken im Freien gebaut. Diese kann man dann so platzieren, dass ich immer gut zum Getränk komme. Für die Stabilität sorgen zwei alte Harley-Bremsscheiben. Ausserdem gibt es an der Säule eine Box für Trinkhalme und ein Täschchen für Nastücher. Laut Wetterbericht kommt mein neuer Getränkeständer voraussichtlich erst wieder Mitte nächster Woche zum Einsatz. Brrrrr………kalt……….!
AUGUST
3. Schön war er wieder, unser Nationalfeiertag. Die Reden gesprochen, die Fahnen geschwungen, die Lieder gesungen, die Böller verschossen, die Würste gegessen und die Freiheit beschworen. Für diese Freiheit haben sich unsere Vorfahren stark gemacht. Da kamen schonmal die Fäuste zum Einsatz und einige Burgen wurden niedergerissen. Doch Heute versuchen wir den Frieden mit Worten und Diplomatie zu waren.
Die Besucher, welche vor zwei Wochen bei uns waren, wollten auf ganz sicher gehen und haben die Burg von Attinghausen gleich nochmal erstürmt.
Ja, in letzter Zeit wurde ich reichlich mit Besuchen beschenkt. Ich liebe es, wenn sich viele Personen um den Tisch gesellen und ich mittendrin sein darf. Wie gerne würde ich selbst die Gastgeberin spielen und meine Besucher verwöhnen. Da ich dies jedoch nicht mehr kann, übernehmen dies jeweils meine Assistentinnen oder mein Mann diese Aufgabe. Was sie natürlich hervorragend machen. Wie mir scheint, hat es auch der jüngeren Generation aus der Ostschweiz gut bei uns gefallen.
8. Unser Nationalfeiertag ist zwar vorbei, trotzdem sind meine Gedanken immer noch bei der Schweizer-Geschichte. Als ich letzthin unsere 1. Augustfähnchen im Garten betrachte, musste ich mir beschämt eingestehen, dass ich nicht mal weiss, wie wir zum Kreuz in der Schweizerfahne gekommen sind. Wisst ihr alle, warum eure Länderfahnen so aussehen? Oder müsst ihr auch Googlen wie ich.
Hier ein Auszug von der Seite des EDA
Geschichte einer Flagge
Das berühmte weisse Kreuz auf rotem Grund wurde erst im 19. Jahrhundert zur Nationalflagge der Schweiz. Bis zu diesem Zeitpunkt diente es höchstens als Erkennungszeichen für die eidgenössischen Soldaten. Ihren Anfang nahm die Geschichte der Schweizerfahne im Jahre 1339 anlässlich der Schlacht bei Laupen (Link). Zur Unterscheidung von den übrigen Kämpfern hefteten die Schweizer Soldaten ein weisses Kreuz auf ihr Kettenhemd. Mit der Zeit wurde auch den Kantonsfahnen ein kleines weisses Kreuz hinzugefügt. Als es galt, ein gemeinsames militärisches Feldzeichen zu schaffen, insbesondere bei der Besetzung von gemeinsamen Vogteien, drängte sich das weisse Kreuz natürlich auf. Der rote Grund ist vermutlich in Anlehnung an das frühere Berner Banner entstanden, das ebenfalls Rot als Grundfarbe aufweist. Während der helvetischen Republik (1798-1803) verbot Napoleon Bonaparte den Schweizern das Tragen des weissen Kreuzes – ein Symbol des Ancien-Régime. Er versuchte, dem Land eine grün-rot-gelbe Trikolore aufzuzwingen. Es sollte die erste nationale Fahne der Schweiz sein. Mit dem Fall der Helvetik wurde sie jedoch bald wieder abgeschafft. 1815 wurde in einem militärischen Reglement das Tragen einer roten Armbinde mit weissem Kreuz für die eidgenössischen Soldaten vorgeschrieben. Einzelne Bataillone zogen von nun an unter dem Schweizer Wappen in den Kampf. Die Stunde des Zentralismus war jedoch noch nicht gekommen, und die meisten Soldaten leisteten nur ihrem kantonalen Banner den Treueeid.
Erst in einem Bürgerkrieg, dem so genannten Sonderbundskrieg, sollte sich auf Initiative von General Henri-Guillaume Dufour, die Schweizerfahne als gemeinsames militärisches Banner der Eidgenossen und sodann als Landesfahne durchsetzen. Die Sieger des Sonderbundskrieges als modernisierende und zentralistische Kraft benötigten ein nationales Symbol. So wurde in der Verfassung von 1848 das weisse Kreuz auf rotem Grund als offizielle Fahne der Schweiz bestimmt.
Eine quadratische Fahne
Eine Eigenheit hat die Schweizerfahne bis zum heutigen Tag aus ihrem militärischen Ursprung bewahrt: sie ist quadratisch. Neben derjenigen des Vatikans ist sie die einzige Fahne auf der Welt mit diesem Format.
Die Form der Schweizerfahne ist nicht gesetzlich vorgeschrieben; seit dem 1. Januar 2007 ist jedoch ihre Farbe genau festgelegt: Rot Pantone 485, eine Mischung aus Magenta und Gelb. Auch die Masse des Kreuzes sind vorgegeben: ein Dekret aus dem Jahre 1889 schreibt vor, dass die Arme des Kreuzes gleich lang und 1/6 länger als breit sein müssen.
Ich hoffe, ich muss nächsten August nicht noch mal Googlen.
10. So, jetzt ist mal Schluss mit dem Patriotismus. Mein Verdienst ist es ja nicht, dass ich in diesem wunderschönen und friedlichen Land leben darf. Ich kann höchstens versuchen mit meinen Mitmenschen in Frieden zusammenzuleben und mit der Natur und allen anderen Lebewesen respektvoll umzugehen.
Heute kann ich getrost in meinem geliebten Garten sitzen ohne Angst haben zu müssen, es regne mir auf den Kopf. Bei uns ist der Föhn zu Besuch und heizt die Luft ganz schön auf. Ich denke die Temperatur liegt so um die 30 Grad. Gegen eine kurze, abkühlende Regendusche hätte ich nichts einzuwenden, nur mein Laptop mag das nicht so. Jetzt muss ich einfach aufpassen, dass mir der Föhn nicht den Sonnenschirm mit sich nimmt. Ihn brauche ich, um mich vor der geliebten Sonne und den herunterfallenden Nussbaumästchen zu schützen. Es könnte auch passieren, dass eine grüne Nuss auf die Tastatur herunterfällt und von einem Buchstaben zum anderen rugelt (kugelt). Das sähe etwa so aus;
Ich bin nicht etwa allein im Garten. Neben mir im Rasen reibt sich gerade eine Grille die Flügel aneinander und lässt mich an seinem Zirp-Konzert teilhaben. Ja er, denn nur die Männchen zirpen. Mit ihrem Gesang locken sie die Weibchen an. Noch etwas Spezielles der Grillen-Front. Die Grillen hören so zu sagen mit den Beinen. Ihre Hörorgane sitzen an den Vorderbeinen unterhalb der Knie. In Mitteleuropa sind drei Arten besonders verbreitet: die Feldgrille, die Waldgrille und das Heimchen. Man bekommt sie eben nicht so oft zu Gesicht, sie sind sehr scheu.
Weniger scheu sind unsere Eidechsen im Garten. Sie laufen über unsere alten, mit Moos bewachsenen Steinmauern oder klettern an dem alten Bretterverschlag an der Pergola hoch. Manchmal beobachte ich, wie die Eidechsen ihren Kopf in die Höhe strecken, um nach essbarem Ausschau zu halten. Plötzlich machen sie einen Sprung und dann wird gespeist. Manchmal warten sie auch einfach, bis das Essen an ihnen vorbeispaziert und schnappen dann zu. Es sollten sich vor allem kleine Raupen, Insekten und Spinnen vor ihnen in Acht nehmen.
Viele Hummeln, Bienen und Wespen schwirren um die Blütenpflanzen im Garte. Noch immer sammeln sie emsig Blütenstaub. Manche kriechen ganz tief in die Blütenkelche hinein. Wenn sie dann wieder herauskommen, sind sie übersäht mit Blütenstaub. Man sollte meinen sie kämen direkt aus der Zeit des Rokokos.
„In einen wahren Puderrausch verfiel nämlich die feine Gesellschaft im Rokoko (1730 - 1790). Frauen, Männer und Kinder benutzten den Puder verschwenderisch, um sich damit Gesicht, Dekolleté, Arme, Hände und sogar die Perücke zu bestäuben. Sie nahmen Puder, um die Spuren des Älterwerdens, wie Falten und graue Haare, zu überdecken.“
Da dient doch der gelbe Blütenpuder einem sinnvolleren Zweck.
Ab und zu streifen die Katzen von unseren Nachbarn durch unseren Garten. Sie wären ja alle Lieb und nett, wenn sie nicht unseren Garten als öffentliches Katzenklo auserwählt hätten. Sobald ein Stück Erde brachliegt, wird kräftig gedüngt. Nicht so angenehm. Vor allem nicht, weil ich diese Malheurs nicht selbst wegmachen kann. Auch finde ich es nicht gerade lieb von ihnen, dass sie den Eidechsen aufzulauern. Aber eben, Natur bleibt Natur und man sollte ihr nicht zu sehr ins Handwerk pfuschen.
Vor einigen Tagen konnte ich eine Biene beobachten, die mehr hüpfend als laufend, die von der Sonne aufgeheizten Wegplatten überquerte. Manchmal hüpfte sie so hoch, dass es sie in der Luft trete und sie dann auf dem Rücken zu liegen kam. Aber sie war schnell wieder auf den Beinen. Das Ganze wiederholte sich noch ein paarmal, bis es der Biene wohl in den Sinn kam, sie könnte doch ihre Flügel benutzen, um von den heissen Platten wegzukommen. Dem würde man wohl sagen "hirnverbrannt".
Es gäbe noch so viel von meinen Besuchern im Garten zu berichten, doch mehr gibt’s ein anderes Mal.
13. War eben kurz weg. Wollte schauen, ob die Trauben im Elsass schon reif sind. Für die Ernte war es noch zu früh. Dafür war es traumhaft schön, durch die vielen kleinen Dörfer zu fahren, welche auf unserer Route lagen. Die eher kleinen Häuser sahen so entzückend aus. Und die Blumenpracht, einfach ein Traum.
15. Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie schön die Welt ist und wie viel Pracht in den kleinsten Dingen, in irgendeiner Pflanze, einem Stein, einer Baumrinde oder einem Birkenblatt sich offenbart. (Rainer Maria Rilke)
An Tagen wie diesen, an denen es fast nur regnet, braucht es dann doch eine Menge Fantasie, um der Natur etwas Schönes abzugewinnen. Wenigsten gefällt es den Schnecken. Ich will gar nicht wissen, was sie mir wieder alles angeknabbert haben. Hoffentlich lassen sie mir wenigstens ein-, zwei Blümchen stehen. Etwas Positives hat die Feuchte für uns Menschen schon auch. Unsere Haut wird weniger ausgetrocknet und es gibt weniger Runzeln. Trotzdem würde ich für mehr Sonne und Wärme eine Falte mehr in Kauf nehmen. Ich will endlich mal wieder den Sommer geniessen. Darum fahre ich nächste Woche in die Sonnenstube der Schweiz. Die ALS-Vereinigung.ch führt eine Ferienwoche mit ALS-Betroffen, mit und ohne Angehörigen, im Tessin durch. Ich werde diese Ferien mal ohne meinen Mann verbringen. Mal schauen, wie es mit der Fremdbetreuung klappt. Ich freue mich, diese Zeit mit ALS-Kollegen und ALS-Freunden zu verbringen. Es wird sicher einen regen Erfahrungsaustausch untereinander geben. Heute habe ich die Packliste erstellt, damit ich ja nichts vergesse. Ich kann nicht wie die Fussgänger einfach in den nächsten Supermarkt gehen, um das fehlende nachzukaufen. Hilfsmittel gibt es eben nicht an jeder Ecke zu kaufen. Also muss ich die Packliste jeweils äussert sorgfältig erstellen. Am Dienstag geht es los in die Wärme. Drückt uns die Daumen für schönes Wetter.
23. Eigentlich hatte ich vor, jeden Tag meiner Ferien im Tagebuch festzuhalten. Doch die Tage sind so vollgestopft mit interessanten Aktivitäten, dass ich kaum zum Schreiben komme. Eines will ich euch dennoch kurz berichten. Die Umgebung mit der Seepromenade und dem Lido-Park ist so wunderschön, ich könnte dort stundenlang verweilen. Was mir auch besonders Spass macht, sind die Gespräche mit den anderen ALS-Betroffenen. Der Erfahrungsaustausch ist für die Bewältigung der Krankheit sehr hilfreich. Sorry, muss weiter, später mehr. Vorerst eine unserer Aktivitäten.
Liebe Freunde, auch wir, die ALS-Vereinigung.ch, welche gerade mit ALS-Betroffenen, Angehörigen und Betreuern eine Woche Ferien im Tessin verbringt, sind zu Gunsten der ALS-Forschung auf den Ice Bucket Zug aufgesprungen-aufgefahren. Ihr müsst wissen, dass man von der Krankheit ALS schon über 100 Jahren Kenntnis hat. Trotzdem weiss man bis heute nicht, was der Auslöser dieser noch immer unheilbaren Krankheit ist und wie man sie bekämpfen kann. Es ist an der Zeit, ein Heilmittel gegen diese Krankheit zu finden. Dafür ist die Forschung zuständig und die kostet. Darum sammeln wir auf diesem Wege Geld.
25. Meine Ferien neigen sich dem Ende zu. Noch einmal schlafen und dann geht es wieder nach Hause in meine gewohnte Umgebung. Die Ferien in Locarno waren sehr abwechslungsreich und ich kehre mit vielen neuen Eindrücken im Gebäck in meinen Alltag zurück. Die Ferien waren, mit wenigen Ausnahmen, wunderschön. Einzig die Pflegebetreuung, muss für die nächsten Ferien, optimiert werden. Ich durfte viele neue Leute kennenlernen und mit ihnen interessante Gespräche führen. Morgen werden wir uns Alle voneinander verabschieden. Jeder weiss, es könnte das letzte Mal sein, dass wir einander sehen. Das Fortschreiten dieser Krankheit ist nicht aufzuhalten und die dazugehörigen Probleme unberechenbar.
Gerade heute Morgen hatte eine liebe Freundin von mir einen Zusammenbruch und ist ins Koma gefallen. Mittlerweile hat sich ihr Gesundheitszustand etwas stabilisiert und ich hoffe, diese gemeinsam verbrachte Ferienwoche gibt ihr Kraft, sich zu erholen. Dieses Ereignis hat mich schon sehr belastet. Um meine Psyche etwas zu schonen, bleibe ich heute Abend auf meinem wunderschönen Zimmer mit Balkon. Muss sowieso noch packen. Will ja bereit sein, wenn mich mein Mann morgen abholen kommt.
26. Bin wieder gesund und munter Zuhause angekommen. Ich weiss, ihr seid schon gespannt auf meinen Ferienbericht. Ihr müsst euch noch etwas gedulden, denn ich möchte meine / unsere Ferienwoche mit einigen Fotos untermalen. Weil ich selber keine Fotos knipsen kann, muss ich warten, bis ich Fotos von anderen Teilnehmern zugeschickt bekomme. Doch ein, zwei Sujets haben sich dann doch noch in meine Kamera geschlichen.
Wir hatten uns extra auf den Behindertenparkplatz gestellt, um Ruths Rollstuhl zu laden. Doch irgendetwas mussten wir falsch gemacht haben. Der Rollstuhl liess sich einfach nicht aufladen und so musste er mit Muskelkraft nach Hause geschoben werden.
27. Bin wieder gut in den Alltag gestartet. War gestern schon recht müde und meine Stimme war am Anschlag. Ich habe mich so sehr gefreut, als ich mein Zimmer mit Büro herbstlich dekoriert vorfand. An den Wänden hängen Strohfiguren, auf der Schlafzimmerkommode liegen Kürbisse und Maiskolben, am PC-Monitor hängen Herbstblätter und überall sind Pilze, Igelchen und Kürbisfigürchen platziert. So macht es natürlich Spass, wieder zuhause zu sein. Heute Morgen kam dann wieder eine von meinen Spitex-Frauen vorbei, um mich für den Tag bereit zu machen. Auch eine meiner Assistentinnen hat heute wieder ihre Arbeit bei mir aufgenommen. Es läuft also bereits wieder in gewohnten Bahnen.
Heute Nachmittag war ich mit meiner Assistentin im Garten. Nicht etwa zum „sünälä“, dafür war es zu kalt, wir mussten unseren Garten mal wieder in Ordnung bringen. Das Unkraut hat seine helle Freude an dem andauernden nasskalten Wetter. Und die Schnecken erst, sie sind überall. Wenn sie wenigstens gut munden würden, dann hätten wir ALS-ler mit Schluckstörung ein Nahrungsersatz, welcher sich selbst in den Magen befördern könnte. Aber nein, die Schnecken fressen lieber an unserem Gemüse und schleichen sich dann heimlich davon. Darum haben wir heute schon einen Teil des Gemüses geerntet und für die Wintermonate konserviert. Ich freue mich jetzt schon auf Lauchkuchen und Kohlauflauf.
Und jetzt brauche ich einen feinen Kaffee, um mich aufzuwärmen. Hier ist es eben nicht mehr so warm wie im Tessin.
28. Wie ihr sicher mitbekommen habt, haben sich einige von unseren Ferien-Betreuer ebenfalls dem Ice Bucket Challenge gestellt. Das dabei entstandene Video hat für Furore gesorgt und die Medien wurden auf uns aufmerksam. So wurden wir unter anderem für Interviews angefragt. Damit die Krankheit ALS bekannter wird, haben wir natürlich mitgewirkt.
Hier ein sehr guter Beitrag vom 25.08.14 im Tessiner-Fernsehen.
Hyt het sich d'Sunnä ändlich wieder einisch virägla. Ich ha Glägäheit natirchlich gnutzt und ha mich dr ganz Namitag im Gartä üfghautä. Ich ha mi Roustüäu i d'Ligiposition bracht und ha diä warmä Sunnästrahlä dur minä Kerper zirkuliärä la. Dr Dorfbach, wo näbä iserem Grundstick verbi fliässt, het mich dur sies sanfti plätschärä, ischlafä la. Der Namitag het miär umär güet da. Ä Namitag nur fir mich, fir mi innerä Fridä.
29. Ice Bucket Challenge
Was betroffene ALS-Patienten sagen
Hier ein weiterer Beitrag über ALS auf Tele Zürich unter News
Ich bin auch erschrocken, als ich mein trauriges Gesicht sah und meine unverständliche Stimme hörte. Ich muss eins dazu sagen. Immer dann, wenn mich etwas emotional stark belastet, wirkt sich das auf meine Stimme aus. Ich habe dann sehr Mühe, meine Worte verständlich zu formulieren. Nicht das ihr denkt, ich hätte einen sitzen, nur weil ich mich während den Aufnahmen in einer Weinkellerei befinde und ein Glas Prosecco vor mir auf dem Tisch steht. Aber gut war er schon. Meiner lieben Freundin geht es inzwischen auch wieder besser und mir ebenfalls.
31. Ich möchte allen von ganzem Herzen Danken, die bei der Ice Bucket Challenge mitgemacht haben. Ich hoffe, die Challenge geht weiter und es kommt genug Geld zusammen, damit nun endlich in grösserem Rahmen geforscht werden kann. Man hat uns ALS-Betroffenen, in dieser Hinsicht in all den vielen Jahren, nämlich kläglich im Stich gelassen. Wir möchten auch eine Chance auf Heilung bekommen. Eine Chance auf Leben. Also macht weiter.
OKTOBER
2. Dass ich mich im Herbst nicht ohne Sonnenschirm unter unseren Nussbaum setzen darf, weiss ich ja aus eigener Erfahrung. Dass neben den Nüssen auch wurmartige Geschöpfe herunterfallen könnten, wusste ich aber bis dato noch nicht. Da sitze ich heute, des schönen Wetter wegen, bereits am Vormittag im Garten. Den Laptop auf dem Gartentisch und die Maus auf einem Brettchen auf meinen Oberschenkeln. Ich bin gerade dabei ein Mail zu schreiben, da raschelt es im Nussbaum und etwas fällt geradewegs auf den Gartentisch neben meinen Laptop. Ich betrachte das kleine Etwas und plötzlich fängt es an sich zu bewegen. Es hat sich aufgerichtet, herumgedreht und sich langsam in meine Richtung bewegt. Ich mag Tiere, ich mag die meisten sogar sehr. Ich kann Spinnen, Schlangen und auch Würmer anfassen. Was ich jedoch gar nicht mag, sind die kleinen, weissen Maden, welche gerne Früchte anfallen. Eine von denen kriecht gerade auf dem Gartentisch herum. Igitt, igitt. Entweder ist sie aus einer geöffneten Nuss gefallen, oder ein Vogel hat sie aus dem Schnabel verloren. Ich bin heilfroh, hat sie immer wieder die Richtung gewechselt, sodass ich bis zum Mittagessen nie mit ihr in Berührung kam. Da ich am Nachmittag den Coiffeur aufsuchte, musste ich sie auch nicht mehr anschauen. Und danach war sie zum Glück verschwunden. Ich denke, meine Abscheu rührt daher, dass Früher zu Hause schon mal ein Käse aus dem Keller kam, der Leben beherbergte. Wie ich gelesen habe, sollen diese blassen Dinger viel Eiweiss in sich tragen. Trotzdem würde ich ein Wurmpuff (Vermicelles) vorziehen. Maroni oder auch Kastanien genannt, passen ja perfekt in diese Jahreszeit.
3. Da heute wieder ein wunderschöner Herbsttag war, begab ich mich am Nachmittag auf einen Ausflug. Begleitet wurde ich von meiner persönlichen Assistentin Hildi. Zuerst fuhren wir mit dem Bus nach Flüelen an die Schiffstation. Dann stiegen wir ins Schiff mit Namen Europa ein und fuhren mit ihm über den Vierwaldstättersee nach Bauen. Danach ging es zu Fuss und mit dem Rolli auf den wunderschönen Pfaden des "Weg der Schweiz" zurück. Dieses Teilstück von Bauen nach Flüelen, finde ich persönlich am interessantesten. An der linken Seite des Fussgänger- und Rolliweges plätschert der See. Auf der rechten Seite ragen steile z.T. bewaldete Felswände in die Höhe.
Teile des Weges führen durch Tunnels, welche aus dem Felsen gehauen wurden. Durch die zahlreichen Ausblicklucken dringt fahles Licht in die Tunnels. Die gekonnt platzierten Objekte darin, erscheinen dadurch in einer speziellen Aura. Manchmal ist das Licht – Schatten – Spiel schon fasst gespenstisch. Doch kaum aus den Tunnels draussen, ist man wieder von Wasser und Bäumen, Sträuchern und Pflanzen umgeben. Den Weg säumen diverse Sitzgelegenheiten und Feuerstellen. Da es an solchen Plätzen keine Glaces gibt, sind wir heute auf halber Strecke (ca. 1 Std) eingekehrt und haben einen Coup geschlemmt. Der weitere Weg führte uns über kunstvoll gestaltete Wege und Holzbrücken. Ein, zwei Streckenabschnitte sind für Rollstühle nicht geeignet und werden auf der Strasse mit Trottoir umfahren. Eigentlich schade, mit wenig Aufwand wären auch diese Barrieren aufzuheben. Trotzdem ist das eine tolle und erlebnisreiche Strecke für Rollifahrer und Fussgänger.
10. Hier bin ich wieder. Ich war einige Tage ausserhalb des Landes. Ich habe tatsächlich endlich Rom besucht. Mit ihren vielen Sehenswürdigkeiten aus anderen Epochen ist Rom wahrhaftig eine imposante Stadt. Wir haben in den vier Tagen einige dieser Monumente besuchen können. Angefangen haben wir mit dem Vatikanstadt. Über den Petersplatz gelangten wir in den Petersdom. Die Kirche mit ihren Fresken, Statuen, den Malereien und natürlich der berühmten Kuppel beeindruckend da schon. Es ist alles pompös ausstaffiert und auch die anderen erhaltenen Gebäude sehen nicht viel anders aus. Die Sixtinische Kapelle ist eine der Kapellen des Apostolischen Palastes. Sie ist der Ort, an dem das Konklave abgehalten wird, und beherbergt einige der berühmtesten Gemälde der Welt. Die mussten wir natürlich sehen. Hier hatte ich als Rollstuhlfahrer mit Begleitung meine Vorteile. Wir mussten weder Eintritt bezahlen, noch mussten wir stundenlang anstehen. Wir hatten mehrheitlich einen separaten Eingang. Und da die Sixtinische Kapelle gerangelt voll war und ich mich darum kaum fortbewegen konnte, bahnte mir / uns ein Aufseher einen Weg durch die Menge und verschaffte uns direkt vorne in der Kapelle Platz, damit wir das berühmte Gemälde betrachten konnten. Als Rollstuhlfahrer konnte ich zwar nicht alle Gebäude besichtigen, doch bei den barrierefreien wurde ich immer zuvorkommend behandelt. Auf unserer Besichtigungstour stand auch der Besuch der Engelsburg, des Pantheons, der Sixtinischen Kapelle, der Spanischen Treppe, des Piazza del Popolo, das Forum Romanum, das Pantheon, das Kolosseums, der Trevi Brunnen, welcher zur Zeit einer Renovation unterzogen wird, auf dem Plan. Ich kann gar nicht mehr alles aufzählen was ich gesehen habe. Es gibt so vieles in Rom zu bestaunen, dass es unmöglich scheint, alles aufzunehmen.
Da tut eine Pause in den vielen Cafés, Pizzerien, Snackbars, Restaurants oder Gelaterias gut. Aber aufgepasst, immer zuerst die Preise anschauen. Wenn kein Preis steht nachfragen, sonst machen sie Preise wie es ihnen gerade so passt. Wir sind so zweimal bei Glaces reingefallen. Einmal bezahlten wir in einer Gelateria für zwei Cornettos umgerechnet Fr. 32.--. Auch die Getränke haben einen stattlichen Preis. Rom ist ein teures Pflaster, was schon an Abzockerei grenzt. Nur allein das Behindertengerechte Taxi vom Flughafen zum Hotel (je 1 Std FZ) hin und zurück, hat uns 300 € gekostet. In Acht nehmen sollte man sich ausserdem von falschen Gladiatoren, welche sich für ein Foto anbiedern und dann aggressiv reagieren, wenn man ihnen nicht 20 € dafür gibt.
Trotz den holprigen Pflastersteinstrassen, die oft fehlenden Trottoir Auf-, und Abfahrten und der Masse an Touristen, welche durch die Strassen, Gassen, Plätze und Gebäude drängen, hat mir Rom sehr gut gefallen
Jetzt muss ich euch aber doch noch das Beste erzählen. Nämlich, warum wir diese Reise unternommen haben. Vor nicht ganz drei Jahren, bei meinem 50. Geburtstag haben mir mein Mann und mein Sohn versprochen, mit mir eine Flugreise zu unternehmen. Ich habe mich dann entschieden, dass meine allererste Flugreise in meinem Leben überhaupt, sollte nach Rom führen. Und das haben wir nun gemacht. Mein erster Flug und das gleich noch im Rollstuhl.
Danke Piet, danke Peter und danke Nives für eure hervorragende Unterstützung. War schön mit euch.
22 Uhr Ich wünschte mir, ihr könntet den Mond so sehen wie ich ihn gerade sehe. Ich kann ihn jeden Abend von meinem Bett aus beobachten, wie er langsam hinter den Bergen emporsteigt. Zuerst erscheint nur ein heller Schein. Mit der Zeit wird das Leuchten immer intensiver. Und dann erscheint er, so wunderschön leuchtend. Meistens fängt er dann auch gleich an, mit den Wolken zu spielen, so wie jetzt auch gerade. Manchmal versteckt er sich in den Wolken und lässt sie in unterschiedlichem Licht leuchten. Ein anderes Mal lässt er sich von den Wolken umschlingen. Dann entsteht am dunklen Nachthimmel ein imposantes Farbenspiel. Wenn der Mond wie heute fast voll ist, ist das Leuchtspektakel noch um einiges intensiver. Einfach eindrücklich unser wunderschöner, sanft leuchtender Mond.
16. Heute Nachmittag musste ich wieder mal feststellen, wie mühsam es ist, wenn mich mein Gegenüber nicht versteht. Ausserdem bin ich es leid, mich in Diskussionen verwickeln zu lassen, bei denen ich keine Chance habe, meine Argumente richtig darzulegen. Ich denke, ich werde in Zukunft den Kontakt zu solchen Personen meiden müssen. Auch wenn es mir im Herzen weh macht, so muss ich mich doch selbst schützen.
Auch die dicksten Stricke können reissen, wenn man sie zu sehr strapaziert.
19. Welch wunderschönes Herbstwochenendwetter wir doch geniessen durften. Da musste man sich doch einfach ins Freie begeben. Sie haben es jedenfalls mein Mann und ich gemacht. Wir brauchten ohnehin beide etwas Abstand vom Alltagsstress. Und wie kann man dies am besten? Natürlich, indem man sich in die Natur begibt. So machten wir uns gemeinsam mit dem Auto auf den Weg dorthin.
Hier unsere Route: Zuhause (469m) - Oberalppass (2044m) - Lenzerheide (1450m) - Davos (1560m) - Flüelapass (2383m) - Ofenpass (2149m) im Schweizer Nationalpark (172.3km2) - Vinschgauer Tal - Meran (325) - Reschenpass (1508m) - Landeck - Ischgl - Galtür - Silvretta Hochalpenstrasse (2032m) mit 34 Kehren - Bludenz - Rheintal - Kerenzerberg (743m) - Lachen - Satteleggpass (1190m) - Einsiedeln - Ratenpass (1077m) - Innerschweiz
Eigentlich wollten wir nur eine Tagesreise unternehmen. Doch das Wetter und die Natur mit ihren Herbstfarben haben uns so in den Bann gezogen, dass wir immer weiterfuhren. Wir haben uns dann spontan entschlossen ein Nachtlager zu suchen. In Meran und Umgebung war wegen dem Traubenfest alles ausgebucht. Auf dem Reschenpass wurden wir dann aber fündig. Zwar waren die beiden behindertenfreundlichen Zimmer dieses Hotels bereits belegt, doch der Chef meinte zu uns, er denke er hätte das doch etwas für uns. Wir staunten nicht schlecht als er uns das Zimmer zeigte. Zuerst waren da ein Raum mit Polstermöbeln, grosser Schrankwand, Schreibtisch, Flachbildschirm und ein gedeckter Balkon ca. 8m x 2 m mit direktem Blick auf den See und die umliegenden Berge. Dann war da noch ein Zimmer mit grossem Doppelbett, Schrank und noch einem Flachbildschirm. Im dritten Raum kam ein grosses Badezimmer mit grosser Dusche zum Vorschein. Die Dusche hatte allerdings eine Erhöhung. Doch was soll’s, waschen kann man mich auch am riesigen Lavabo. Für mich ist es bei solch spontanen Aktionen am wichtigsten, dass ich das WC mit dem Rollstuhl befahren kann und neben dem Bett genügend Platz vorhanden ist, um es seitwärts anfahren zu können. Was uns an dieser Suite sehr gefallen hat, sind die Naturbelassenen Holzböden und das verarbeitete Holz, welches für die Herstellung der Möbel verwendet wurde. Wisst ihr, wie es riecht, wenn die Luft sauber ist? Sie riecht nach nichts. So hat es in dieser Suite gerochen. Ihr fragt euch sicher, wie wir ohne Gepäck zurechtgekommen sind. Da wir an diesem Tag mit warmem Wetter rechneten, hat jeder vorsichtshalberein noch ein Shirt zum Wechseln in die Lunchtasche gepackt. Andere Sachen wie Zahnbürste, Kamm, Nasenstäbchen, Gesichtscreme und noch diverser Kleinkram führe ich immer in meiner Handtasche mit. Sogar eine Wochenration Pillen, welche wir Beide einnehmen müssen, habe ich immer dabei. Was denkt ihr denn, warum meine Tasche immer so ausgebeult ist. Lidschatten, Kajal, Wimperndusche, Lippenstift, Nagellack usw. mussten praktischeren Dingen weichen.
Übrigens hat uns der gepflegte, weisshaarige und zuvorkommende Hotelchef einen Spezialpreis für die Suite mit Halbpension gemacht.
Mein Mann und ich haben dieses Wochenende wieder sehr genossen und freuen uns bereits wieder aufs nächste Abenteuer.
21. Der Winter hält Einzug. Der erste Pass wurde heute Morgen bereits zugemacht. Der Sustenpass 2264 m.ü.M bekam heute die Wintersperre verpasst.
Man kann es eigentlich gar nicht glauben, dass heute Nacht der Winter einkehren soll. Heute Nachmittag riss die Wolkendecke immer wieder auf und die Sonne liess es sich nicht nehmen, ihre wärmenden Strahlen nochmals mit geballter Kraft auf die Erde zu schicken. Am späteren Nachmittag zogen dann doch etwas dunklere Wolken auf und manchmal fielen einige Regentropfen. Nachdem nun im Norden das Abendrot verblasst ist, überziehen immer dickere, dunklere Wolken den Himmel. Es geht kein Wind, es bewegt sich kein Blatt. Es kommt mir vor, als wär’s die Ruhe vor dem Sturm. In der Nacht soll laut Wetterzentrale, starker Wind mit Böen von bis zu 120 km/h aufkommen. Im Schlepptau sei starker Regen und der Schnee soll ihn bis auf 500 m.ü.M. hinunterbegleiten. Da wir auf 469 m.ü.M wohnen, haben wir heute Abend vorsorglich noch die empfindlichen Pflanzen und Dekorationen ins Winterquartier verfrachtet. Bin ja gespannt was mich Morgen erwartet. Bis jetzt sieht es jedenfalls nicht nach Schnee aus.
21.00 Uhr Jetzt ist es eingetroffen. Als hätte jemand einen Schalter umgedreht. Draussen tobt ein Sturm und heftiger Regen peitscht an die Fensterscheiben. Obwohl es eigentlich nicht logisch ist, wird die Dunkelheit zwischendurch durch heftige Blitze erhellt.
22. Kaum hat es in den Bergen Schnee, bekommen die Bergdohlen kalte Füsse und fliegen ins Tal. Soeben sind sie in unserem Dorf eingetroffen und nun drehen sie einige Runden, Ob sie wohl Ausschau halten, wo die leckersten Kompostgitter stehen. Also liebe Gartenfreunde, deckt den Kompost ab, denn es ist nicht das artgerechtes Vogelfutter.
Wie ihr bereits ahnen könnt, kann ich auf weisse Berge und Wälder blicken. Ich denke, der Schnee hat es bei uns so bis auf 800 m ü.M heruntergeschafft. Momentan herrscht ein Wettermix aus Regen, Wind und Sonne. Einzelne Blätter haben sich vom Sturm an meine Fensterscheiben wehen lassen. Nun schauen sie ganz zerzaust zu mir ins Zimmer. Auch die Linde vor meinem Fenster hat schon besser ausgesehen. Sie musste in der Nacht einige Blätter lassen. Vor allem die goldenen musste sie mit dem Wind ziehen lassen. Nun steht sie da mit ihrem ausgedünnten Blätterkleid und wartet ab, was da noch kommen mag.
23. Der Wetterumschwung hat uns nicht so stark getroffen wie befürchtet. In den Bergen liegt zwar schon einiges an Schnee, doch der wird sich kaum lange halten. Die Sonne hat immer noch genügend Kraft und wenn sie wie heute so auf die Schneefelder zielt, ist er im Nu wieder weg. Auch das grüne Blätterkleid der Linde hat sich seit gestern nicht gross verändert. Was sich geändert hat, sind die Vogelstimmen. Ich denke, nun sind auch die letzten Zugvögel in den Süden aufgebrochen. Könnte ich fliegen, wäre ich mit ihnen auf die Reise gegangen. Ich darf mich aber nicht beklagen, schliesslich durfte ich dieses Jahr schon einige Reisen unternehmen. Mir stinkt es manchmal einfach, dass ich im Winter wegen der Kälte nicht mehr so oft und nicht mehr spontan nach Draussen kann. Die Kälte schränkt mich in meiner Selbstständigkeit ein. Im Winter brauche ich immer jemand der mich warm anzieht und auch wieder auszieht. Aber auch an diesem Winter, werde ich die schönen Seiten enddecken. Es ist ja auch gemütlich, einen Kaffee zu trinken und durchs Fenster zuzuschauen, wie Draussen die Flocken vom Himmel tänzeln.
24. Wollte mal nachschauen, ob mein Kaffee noch da ist und siehe da, er ist noch da. Niemand hat es gewagt, mir meinen Kaffee wegzutrinken. Er ist inzwischen allerdings kalt geworden. Aber wie sagt man so schön, kalter Kaffee macht schön. Und das kann ich gebrauchen. Ich habe aber absolut keine Angst vor dem Älter werden. In meiner Situation freue ich mich sogar auf jedes Jahr, welches mich älter werden lässt. Das Problem ist, ich kann meine Energie, meinen Tatendrang nicht wie die Arbeitende Gesellschaft durch körperliche-, oder geistige Arbeit abbauen. Auch habe ich immer noch viele Ideen, die darauf warten verwirklicht zu werden. Ich denke auch, dass ich durch meine Offenheit Neuem gegenüber, geistig jung geblieben bin. Also stimmt mein Äusseres mit meinem Inneren nicht überein. Aber spielt denn das überhaupt eine Rolle? Hauptsache ich bin trotz Krankheit gesund.
Habe dazu noch eine Aussage von Robert Lembke gefunden.
Alt werden ist natürlich kein reines Vergnügen. Aber denken wir an die einzige Alternative.
25. Wenn ich schon übers Älter werden schreibe, interessiert es euch vielleicht, wie weit bei mir die Krankheit ALS seit der Diagnose im Jahr 2001 fortgeschritten ist. Also los geht’s.
Beine u. Füsse: Die Kraft in meinen Beinen reicht gerade mal, um mit Unterstützung 1 Minute stehen zu können. Daher ist es immer noch möglich, die Transfers in und aus dem Rollstuhl mittels einer Drehscheibe auszuführen. Das geht aber nur, wenn ich Schuhe trage, die meine unstabilen Sprunggelenke stützen. Mit Unterstützung meines Mannes kann ich sogar noch 2 – 3 Schritte vorwärtsgehen. In beiden Füssen ist der Spitzfuss sehr ausgeprägt und die Zehen neigen dazu sich einzurollen. Weiter verdreht sich mein linker Fuss vermehrt nach innen. Im Rollstuhl sitzend, kann ich meine Beine anwinkeln, geradeaus strecken und etwa 30 cm vom Boden abheben.
Rumpf: Meine Bauchmuskeln blieben noch so weit erhalten, dass es mir immer noch möglich ist aufrecht zu sitzen. In letzter Zeit machen sich vermehrt Schmerzen in der Hüfte bemerkbar. Wahrscheinlicher Auslöser, langes Sitzen im Rollstuhl und Seitenlage beim Schlafen. Meine Schultern haben die Tendenz, sich nach vorne zu neigen. Im Bett kann ich mich nicht selber drehen, dazu benötige ich Hilfe.
Arme u. Hände: Das sind meine schwächsten Gliedmassen. Im Rollstuhl sitzend, kann ich meine Arme etwa 10 cm von den Oberschenkeln lösen. Das heisst ich kann weder meinen Kopf berühren noch ein Haar aus meinem Gesicht wischen. Meine Hände sind sehr schwach. Von den 10 Fingern haben gerade mal 3 Finger genügend Kraft, um die PC-Maus zu steuern. Die andern rollen sich gerne unter die Handflächen. Da die Feinmotorik immer mehr lachlässt, muss ich laufend den Klickdruck an der Maus anpassen. Sonst schreibt es ständig Doppel-, und Dreifachbuchstaben. So wird es dann äusserst mühsam einen Text zu schreiben.
Kopf und Hals: Durch das Nachlassen der Gesichtsmuskulatur hat sich mein Ausdruck, meine Mimik verändert. Meine Augen und die Nase laufen und brennen sehr oft. Mühsam vor allem, wenn ich allein zuhause oder unterwegs bin. Wer will schon mit einer laufenden Nase in einem Geschäft einkehren. Weil meine Kau-, und Schluckmuskulatur ebenfalls geschwächt sind, wird mir das Essen sehr klein geschnitten und in kleinen Portionen verabreicht. Krümelige sowie klebrige und haftende Sachen meide ich, damit ich mich nicht verschlucke. Getränke nehme ich wegen des Verschluckens grösstenteils mit einem Trinkhalm zu mir. Durch die Kraftverminderung bzw. Steifigkeit der Zunge kann ich mich auch nicht mehr so gut artikulieren. Doch was sich nicht verändern wird, ist die Funktion zu denken.
Innere Organe: Da wäre mal das Zwerchfell, welches für das Funktionieren der Lunge zuständig ist. Klar hat auch dieser Muskel an Kraft verloren. Es reicht aber immer noch, dass ich ohne Sauerstoffmaske auskomme. Für das Reden wird die Luft manchmal doch etwas knapp. Die Darmfunktion funktioniert mal besser mal schlechter. Durch meine stark eingeschränkte Beweglichkeit neige ich zur Verstopfung. Abhilfe schafft da eine Lymphdrainage und die gelegentliche Einnahme eines Pülverchens. Die Blase macht mir keine Probleme. Die anderen Organe sind alle ok. Die werden von der ALS ja auch nicht direkt betroffen.
Das wäre es in etwa.
Meine diversen Hilfsmittel erleichtern mir meinen Alltag und tragen dazu bei, meine geliebte Selbstständigkeit ein wenig zu waren. Ach ja, da wäre ja noch das, was man nicht sehen oder ertasten kann. Nicht mal ein Röntgenbild kann es sichtbar machen.
Die Seele, die Psyche, dass ich: Bei mir geht es psychisch auf und ab wie bei jedem „Gesunden“ auch. Ich habe nicht mehr Tiefs als vor der ALS. Die Gründe haben sich allerdings geändert. Geändert haben sich auch meine Ansichten über den Sinn meines Daseins und meinem Glauben an Gott. Ich denke sehr viel nach und entdecke und erfahre immer wieder Neues. Es kommt mir vor, als wäre ich auf einer sehr interessanten Entdeckungsreise. Ich bin ja mal gespannt, wie diese Reise ausgehen wird.
Heute vor 34 Jahren war es auch ein regnerischer Samstag und es war arschkalt Als ich mit meinem kurzärmeligen Kleid und den silberfarbenen Sandaletten vor dem Traualtar stand, habe ich wie Espenlaub gezittert.
Und wie es der Zufall so will, fährt gerade ein Hochzeitstross an unserem Haus vorbei. Ein perfektes Zeichen für die weitere Zukunft.
26. Im Leben läuft nicht immer alles so wie man es gerne hätte. Ereignisse können den geplanten Lebensweg durchkreuzen und man muss sich neu orientieren. Manchmal verliert man seinen Weg einfach aus den Augen und man muss ihn wieder suchen. In so einer Situation stecke ich gerade. Ich stehe vor einer Wegscheide und weiss noch nicht, welchen Weg ich einschlagen soll. Dafür benötige ich eine wenig Zeit und nehme mir deshalb eine Auszeit von meiner Homepage. Ich schreibe nun schon seit 5 Jahren Tagebuch und ich denke, zwei, drei Monate Ferien müssen da mal drin liegen. Sollte sich während dieser Zeit etwas Wichtiges ereignen, werde ich euch natürlich informieren. Meine Homepage-Ferien starte ich am 1. November. Ich werde diese Zeit nutzen, um die Weichen neu zu stellen.
Ich weiss, meine Bilder sind sehr einfach gestrickt. Es macht mir aber einfach Freude, wenn mir die PC-Maus den Pinsel ersetzt und ich damit auf dem PC einige Bilder kreieren kann. Wenn ihr aber mal professionelle Bilder anschauen wollt, habe ich euch hier zwei Links.
Da wären mal die Bilder von Rosanna Spera. Trotz den Einschränkungen durch ALS gelingt es ihr immer noch, wunderschöne Bilder auf die Leinwände zu bringen.
28. Meine lieben Leser. Ich kann euch versichern, mir geht es ausgezeichnet. Klar hinterlässt die ALS auch bei mir körperliche und psychische Spuren. Das geht den andern ALS-Betroffenen nicht anders. Ich kann mich sogar glücklich schätzen, zu den 10% Betroffenen zählen zu dürfen, welche einen eher langsamen Krankheitsverlauf haben und die Lebenserwartung nach Diagnosestellung über 10 Jahre beträgt. Ich lebe mit ihr beinahe schon 14 Jahre. Also macht euch keine Sorgen und gönnt mir diese Auszeit.
31. Ich melde mich wieder, keine Frage.
1. Feuerwerk 2013/14 der Güggeliburg. Von unserem Balkon aus betrachtet.
Ich wünsche Allen ein gutes Neues Jahr. Sollen all eure guten Wünsche und Vorsätze in Erfüllung gehen.
3. Ich freut mich immer wieder, dass wir ALS'ler trotz dieser unheilbaren Krankheit unseren Humor nicht verlieren. Sonja hat mir zum Jahresanfang folgendes Video geschickt.
Aber sonst gesund - Wise Guys
Wir haben eine Krankheit und niemand kann uns helfen. Kämpfen wir halt allein und versuchen unserem eingeschränkten Leben trotz allem etwas Spass abzugewinnen.
Wollt ihr noch etwas zum Lachen? Na, dann schaut mich mal an, wie ich heute bei meinem Ausflug an den See ausgesehen habe. Es fehlte nur noch ein "Tuch" vor der Nase und dem Mund und die Verkleidung wäre perfekt gewesen.
Es ist zwar noch etwas verfrüht, aber.... gell du kennst mich nicht?
Normalerweise kommen wir auf dieser Strecke an einem Kloster vorbei. Doch meine Rolli-Batterien haben sich heute, wahrscheinlich wegen der Kälte, schneller entladen und wir mussten eine Abkürzung nehmen. Mein Mann meinte, es sei wohl besser gewesen das Kloster auszulassen. Bei meiner Verkleidung hätten man uns womöglich mit folgenden Worten angehalten: Schwester, kommen sie doch herein und wärmen sie sich bei einem Kaffee bei uns auf.
Ich glaube, ich muss mir wirklich nächstens ein farbenfroheres Outfit zulegen.
14. Vorerst mal ein judihuj. Es schneit, es schneit. Vor meinem Fenster tänzeln viele weisse Flöcklein vorbei. Nun läuft wieder was, ich bin erwacht.
20. Bin wohl kurz nach dem 14. gleich wieder in den Winterschlaf gefallen. Es ist aber auch kein Wunder, der Schnee war gar nur kurz zu Besuch. Dafür hat uns der Föhn dreimal kurz hintereinander heimgesucht. Er hat gerüttelt und geschüttelt, dass ein nach Draussen gehen während dieser Zeit für mich unmöglich war. Ich habe während dieser Zeit sehr viel geschlafen, auch während des Tages 2 – 3 Stunden. Mein Körper hat dies wohl gebraucht. Seit einiger Zeit werde ich von Schmerzen in der der rechten Pobacke und unter dem rechten Schulterblatt gepiesackt. Manchmal strahlt der Schmerz vom Schulterblatt bis zum Brustbein aus. Wahrscheinlich überanstrenge ich meine Muskeln / Nerven, wenn ich zu lange am PC sitze. Barbara, meine Physiotherapeutin und auch Leo, Radiästhesist / und Geopath versuchen diese Schmerzen zu ergründen und zu mildern. Es scheint, als bräuchten wir noch etwas Zeit, den Schmerzen den Gar auszumachen. Apropos Schmerzen; Ich hatte heute wieder meinen dreimonatigen Termin bei der Dentalhygienikerin. Ich habe bekanntlich keine Angst vor Zahnarztbesuchen. Es ist einfach nur unangenehm. Bei der geringsten Berührung mit den Zahnarztwerkzeugen an meiner Zunge, löst das bei mir einen Brechreiz aus. Wir haben schon einiges ausprobiert, wie z.B. eine leichte Zungenbetäubung. Doch dies birgt die Gefahr des Verschluckens. Daher machen wir es vorwiegend ohne. Irgendwie geht es immer. Heute hat die Dentalhygienikerin ein kleines Loch entdeckt. Hätte jetzt nicht sein müssen, doch dies kriegen wir auch noch hin.
So, jetzt muss ich für Heute Schluss machen, mein Schulterblatt meldet sich wieder.
23. Das Tageslicht vor meinem Fenster ist abwechselnd mal hell und mal dunkler. Mal sehe ich die Berge ganz klar und mal verschwinden sie wieder im Nebel. Manchmal bricht fasst die Sonne durch und gleich wird sie wieder von Wolken eingedeckt. Es ist sehr ruhig Draussen. Kein Ästchen bewegt sich und die Fahnen liegen stramm an den Fahnenstangen. Es kommt mir vor, als würde alles auf Etwas warten. Ich denke, es wird Zeit für den Schnee.
25. Die Berge und Wälder tragen heute weiss und der Himmel zeigt sich in einem wunderschönen Blauton. Keine Wolke versperrt der Sonne die Sicht und deshalb weiss sie auch, wohin sie ihre warmen Strahlen schicken muss. Nämlich zu mir in meinen Garten. Dort habe ich es mir in meinem Rollstuhl bequem gemacht. Ich habe es Heute doch schon zweieinhalb Stunden draussen ausgehalten. So gefällt es mir.
Heute war auch der erste Tag der Woche, in dem keine „fremden Personen“ im Haus waren. Nebst der Spitex, der Physiotherapeutin, meinen Assistentinnen waren da noch einige Techniker im Haus. Nachdem am Mittwoch der Lifttechniker beim Service machen ein Defekt an der Ummantelung des Zugkabels entdeckte, wurde entschieden, das Kabel am Freitag auszuwechseln. Da ich während dem Kabelwechsel den Lift nicht benutzen konnte, kam ich in den Genuss des Zimmerservices. Die Mahlzeiten wurden aber auch von einer besonders charmanten Person serviert. Grazie Pietro! Am Donnerstagnachmittag besuchte mich dann ein Mitarbeiter von activcommunication. Bei meinem Umfeld- / Kommunikationsgerät funktioniert seit längerem der Ton nicht mehr. Ich weiss nicht, ob dem Tobii mein Musikstyl nicht gefallen hat und deshalb keinen Ton mehr von sich gibt. Aber auch sonst haben sich mit den Jahren einige Macken eingeschlichen. Leider konnten die Probleme nicht behoben werden und ich werde wohl oder übel bei der IV einen anderen beantragen müssen. Wie angewiesen ich auf ein Umfeldgerät bin, zeigte sich dann am Abend als ich ins Bett ging. Alle infrarotgesteuerten Geräte liessen sich nicht mehr mit dem Umfeldgerät anwählen. Ich konnte weder mein Bett verstellen noch Fernsehprogramme anwählen usw. Ich fühlte mich so richtig ausgeliefert und mir wurde meine Behinderung so richtig bewusst. Das zeigt mal wieder, wie wichtig eine gute Hilfsmittelversorgung ist. Ohne entsprechende Hilfsmittel würde ich diese Krankheit nicht durchmachen wollen. Und ohne meinen Mann auch nicht. Denn er war es, der am andern Tag, zusammen mit einem Techniker der Fernwartung (telefonisch), meinen Tobii wieder zum Laufen brachte. Er musste dafür einfach mal so einen halben Arbeitstag opfern. Die Zeit, welche unsere Angehörigen an Pflege und Betreuung für uns hergeben ist enorm. Bei chronischen Krankheiten, wie z.B. bei der ALS ist es trotz dem Einsatz von AssistentInnen nicht möglich auf den Einsatz von Angehörige zu verzichten. Für den möglichen Toilettengang während der Nacht oder z.B. zum Trinken geben, rechnet es sich nicht, dafür eine Assistentin einzusetzen. Da müssen halt die Angehörigen aufstehen, auch wenn sie am Morgen wieder ausgeruht zur Arbeit gehen müssen. In solchen Fällen sollte für die Pflegenden Angehörigen die Möglichkeit bestehen ihr Arbeitspensum zu reduzieren und wir ihnen die geleisteten Stunden aus dem Assistenzbeitrag entlohnen könnten. Für mich wäre sowieso am besten, wenn ich meinen Mann als 100% Assistenz anstellen könnte. Er kennt mich am besten, er weiss ohne viel Worte wie es mir geht und was mir in unterschiedlichen Momenten, sei es physisch oder psychisch, am besten tut. Darum würde ich es begrüssen, wenn wir auch Angehörige ersten Grades, sprich Ehepartner, Eltern, Geschwister als AssistentInnen anstellen dürften. Das kostet die IV keinen einzigen Rappen mehr. Denn jeder Assistenzbezüger erhält einen Assistenzbetrag auf Grund seiner Hilfsbedürftigkeit zugesprochen. Der Betrag würde sich auch bei der Anstellung von Angehörigen nicht ändern. Es kann ja nicht sein, dass dies abgelehnt wird, nur weil einige Entscheidungsträger befürchten, die Angehörigen würden sich vielleicht nicht richtig um die Pflegebedürftigen kümmern. Da die IV ja sowieso im Alles-Überprüfen-Modus ist, wäre es doch ein Leichtes, Hausbesuche durchzuführen. Und auch der Hausarzt würde sehen, wenn etwas nicht optimal laufen würde. Die Anstellungen von Angehörigen würden ausserdem die Pflegedienste entlasten, welche ohnehin händeringend nach Pflegepersonal suchen.
Also, warum immer alles verkomplizieren, wenn es auch einfach gehen könnte. Wir Betroffenen wissen ganz genau was uns gut tut und wer uns guttut.
FEBRUAR
1. Ich habe den heutigen Nachmittag so richtig genossen. Warm eingepackt und mit einer elektrischen Heizdecke versehen, machte ich es mir draussen in der Pergola (genannt Gryzzli- Haus) gemütlich. Ich liebe es an der frischen Luft zu sein. Doch frieren mag ich nicht. Dank der Decke blieb mein Körper angenehm warm. Nur mein Gesicht bekam etwas von der Kälte ab. Doch dies mag ich wiederum sehr. Ich merke wie die frische, kalte Luft meiner von der Heizung verursachten spröden Haut guttut. Es kommt mir vor, als würden sich alle Poren öffnen um frische, saubere Luft hereinzulassen. Auch meiner Lunge tut die frische, nasse Luft sehr gut. Menschen wie ich, bei denen das Lungen-/Atemvolumen eingeschränkt ist, merken Veränderungen der Luft sehr schnell. Wenn die Luft so wie Heute ist, macht das Atmen doppelt Spass.
Ich war auch schon am Dienstag draussen. In Begleitung einer meiner drei Assistentinnen, habe ich einen stündigen Spaziergang unternommen. Sie hat mich zuerst warm eingepackt und später auch wieder ausgepackt. Es lag sogar noch ein Kaffee im Garten drin. Sobald jedoch der Schatten kam musste ich rein. Als meine Assistentin meine kalten Hände fühlte fackelte sie nicht lange und verdonnerte meine Hände zu einem Aufenthalt unter dem warmen Kirschsteinkissen. Wenn ich die Assistentinnen nicht hätte, käme ich im Winter gar nicht an die frische Luft. Oder wenn mein Mann heute nicht den ganzen Nachmittag für mich abrufbar gewesen wäre, hätte ich nicht fünf Stunden draussen sein können. Darum ist die Betreuung durch Assistenzpersonen und Angehörigen auch nicht mehr wegzudenken. Es ist ein Teil von dem, welches unsere Lebensqualität positiv beeinflusst.
14. Die Winter-Olympiade hat mich fest im Griff und hält mich vom Schreiben ab. Gerade hat wieder ein Schweizer-Sportler eine Goldmedaille geholt. Doch nun habe ich ein wenig Zeit mich um meine Homepage zu kümmern. Seit ich weniger am PC arbeite, habe ich auch weniger Schmerzen unter dem Schulterblatt. Manchmal waren sie so schmerzhaft, dass sie bis zum Brustbein reichten. Ich werde mir wohl überlegen müssen, was ich verändern könnte, um schmerzfrei schreiben zu können. Momentan habe ich auch jeden Morgen nach der Pilleneinnahme Magenschmerzen. Muss jetzt herausfinden ob es an einer der Pillen liegt oder am Kaffee, den ich zum Zmorge trinke. Werde wohl in nächster Zeit auf Tee umstellen müssen. Aber alles halb so schlimm. Andere müssen mit ernsteren Sachen zu Recht kommen. Ich kann immer noch nach Draussen, was ich in letzter Zeit auch wieder vermehrt mache. Wenn es auch nur für eine Stunde ist, die Sonne tut mir so gut. Manchmal vergesse ich vor lauter „auf den Schnee wartend“, dass bereits der Frühling im Anzug ist. Möchtet ihr einen Beweis? Ich war kurz draussen bei Piet. Er ist am Hag flicken, welcher vom Föhn in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Die Sonne hat schon viel Wärme in sich. Schade nur, dass sie in letzter Zeit im Föhn (Südwind mit heftigen Böen) einen ständigen Begleiter gefunden hat. Man soll Paare ja nicht entzweien. Doch bei diesen Zweien hätte ich nichts dagegen, wenn die Beiden in nächster Zeit getrennte Wege gehen würden. Blöd ist nur, dass sich der Föhn dann wahrscheinlich den Mond schnappen wird. Und dann wird’s mit ruhig schlafen auch nix. Also nehmen wir‘s wie`s kommt.
21. Ach Mamma, so unerwartet schnell hast du uns verlassen. Du warst uns eine so gute Mutter. Hast deine eigenen Wünsche stets zu Gunsten deiner Grossfamilie zurückgestellt. Mit deiner verständnisvollen und liebenswerten Art hast du uns Schutz und Wärme gegeben. Nun hast du das grosse Familienschiff verlassen. Doch viele wunderschöne Erinnerungen, die wir mit dir erleben durften, bleiben für immer bei uns. Mamma ich wünsche dir, dass du dir nun all deine zurückgestellten Wünsche erfüllen kannst.
Tschüss Mamma, ich werde dich immer liebhaben. Leo Rojas - Celeste
28. Ich kann es immer noch nicht recht begreifen, dass meine Mutter nicht mehr da ist. Wenn ich so ihr Bild betrachte, denke ich, dass kann doch einfach nicht wahr sein. Ich habe die Zeit in der Mamma von uns und wir von ihr Abschied nahmen, recht gut gemeistert. Meine Geschwister haben mich während dieser Zeit so gut wie möglich geschützt und haben nicht alles an mich herangetragen. Sie hatten Angst es würde mich zu sehr belasten. Doch jetzt, einige Tage nach der Beerdigung wird mir erst recht bewusst, was ich verloren habe. Ab und zu drängt ein beklemmendes Gefühl von tiefstem Inneren heraus an die Oberfläche und die Trauer nimmt überhand. Das wird noch einige Zeit so bleiben. Immer wieder werden Erinnerungen an Mamma wachgerüttelt. Da die meisten Erinnerungen an dich Mamma wunderschön sind, werden die Erinnerungen auch bald von einem Lächeln begleitet werden.
Hebs güät Mammä.
MÄRZ
1. Eigentlich hatte ich vor diesen Tagebucheintrag mit einem farbenfrohen Bild zu starten. Ich habe meiner Homepage extra dafür ein frühlinghaftes Outfit verpasst. Doch meistens kommt es anders als man meint. Dass etwas in der Luft liegt, habe ich gemerkt als Piet am Morgen mit einem Lächeln auf den Stockzähnen mein Zimmer betrat. Als er dann die Rollos hochzog sah ich, dass der Winter über Nacht bei uns Quartier bezogen hat. Ich weiss jetzt nicht ob ich mich nun freuen soll. Die ganzen Wintermonate habe ich Ausschau gehalten nach tänzelnden Schneeflocken, Rüebli tragenden Schneemännern und Bäume und Sträucher mit weissem Winterkleid. Ich liebe die weisse Pracht nach wie vor, doch hatte ich mich jetzt auf den Frühling mit Sonne, bunte Blumen, austreibenden Sträuchern, Vogelgezwitscher usw. eingestellt. Ich will endlich wieder Wärme, Licht und Farben.
Vielleicht bringe ich doch noch ein buntes, fröhliches Sujet vor die Linse. Heute feiert die Katzenmusikgesellschaft Attinghausen ihr 60-jähriges Bestehen. Der Jubiläumsumzug führt an unserem Haus vorbei. Mal schauen was da vor die Linse gerät.Der Fasnachtsumzug war zwar klein aber umso farbenfroher. Der Schnäpsli-Wagen, feini, feini.
8. Am letzten Wochenende habe ich in einer Zeitung folgenden Text gelesen:
Die Natur erwacht - Nächste Woche kommt der Frühling
Ab heute bis mindestens Mitte nächster Woche erwartet uns ein erstes Frühlingserwachen. Abgesehen von ein paar morgendlichen Nebelfeldern gibt‘s viel Sonnenschein und Temperaturen von bis zu 15 Grad.
Und wie diese Prognose stimmt, beweist wieder mal mein tomatig-angehauchtes Köpfchen. Einfach nur schön. Wolkenloser Himmel, Sonne vom Morgen bis zum Abend, Vogelgezwitscher und bunt spriessende Frühlingsblumen. I love it.
Das folgende Lied habe ich für meine trauernde Familie ausgewählt. Unsere Mamma hat den Frühling mit ihren bunten Blumen geliebt. Öffnen wir nun unsere Herzen und lassen die Blumen wieder blühen.
14. Was würde ich jetzt machen, wenn ich meine Arme und Beine der Norm entsprechend einsetzen könnte? Wahrscheinlich würde ich der Norm entsprechend einer geregelten Arbeit nachgehen. Doch noch lieber würde ich in die Gummistiefel steigen, die Gartenhandschuhe überstülpen und mich auf den Weg in meinen geliebten Garten machen.
Oh, ich muss nochmals retour, hab meine Kopfbedeckung vergessen. Ich will mir ja schliesslich wegen meiner lichten gewordenen Haare keinen Sonnenbrand auf der Kopfhaut einfangen. Das würde eine gewaltige Kratzorgie geben. Obwohl, meine Hände könnte ich ja jetzt benutzen. Also kratz ich doch gleich mal. Ich weiss ja nicht, wie lange ich das kann. So, jetzt aber raus. Opla, schnell noch etwas Sonnencreme aufs Näschen. Handschuhe aus, Tube auf, rausdrücken, aufs Gesicht schmieren, Tube zu und Handschuhe an. Schön, wenn man seine Finger so bewegen kann.
Hilfe, Hilfe, befreie uns endlich vom verdorrten Laub, rufen mir die verschiedenen Sorten von Farnen, Erdbeerstecklingen, Kletterpflanzen usw. zu. Also mach ich die Türe zum Geräteschuppen auf und hol die Gartenschere raus. Schnipp, schnapp und im nu ist alles Verdorrte ab und die Pflanzen ausgesäubert.
Die Zeit ist im Flug vergangen und es wird kühler. Schnell mal ins Haus gerannt, um eine Jacke zu holen. Das kann ich, schliesslich habe ich Beine die mich tragen. Oje, jetzt macht sich auch noch ein Nasentröpfchen bemerkbar. Also schnell mal ein Nastuch aus der Jackentasche gezupft und ausgetröpfelt hat‘s.
Oh, apropos Tröpfchen, ich glaub ich muss aufs Töpfchen. Also raus aus den Stiefeln, Handschuhen, Sonnenhut und Jacke. Die Stiege rauf und ab aufs Stille-Örtchen. Hosen runter und setz di nieder, mach di sauber und Hosen wieder raufi. Schön, wenn alles so normal funktioniert.
Jetzt mag ich aber nicht mehr nach Draussen gehen. Ich brüh mir einen feinen Kaffee und genehmige mir ein Stück Kuchen dazu. Schon schön, einfach nehmen zu können wann ich will und zu nehmen was ich will. Einfach gut, wenn der Kaffee die Kehle runter läuft, ohne der Luftröhre einen Besuch abzustatten. Und auch die Kuchenkrümel schenken dem Störenfried Husten heute keinerlei Beachtung. Gut, dass Alles normal funktioniert.
Nun ruhe ich mich ein wenig aus und mach ein Nickerchen. Vielleicht ist das ja nur ein Traum gewesen. Wie kann ich wissen, ob ich mich gerade in einem Traum befinde oder ob's die Gegenwart ist.
Träumst du etwa gerade?
The Cranberries - Dreams
Schei………..e, ich bin wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt. Leider war das reine Wunschdenken. Die verdorrten Pflanzenblätter ruhen sich immer noch im Garten aus und meine Gliedmassen machen auch nicht das was ich möchte. Doch die traurigste Tatsache ist, dass ich meine Mutter nur noch auf Fotos sehen werde. Sie ist tatsächlich nicht mehr anfassbar. Doch schön ist, dass sie mit ihren strahlenden Augen und ihrem lieben Lachen auf den Fotos, uns immer ihre Nähe spüren lässt.
15. Heute Gedenken wir beim Dreissigsten an unsere Mutter zurück. Dass sie nicht mehr unter uns weilt, schmerzt nach wie vor. Doch immer öfter wird ein Lachen über unsere Gesichter huschen, wenn uns bei irgendeiner Gegebenheit unsere Mutter in den Sinn kommt.
Weil meine Mutter zu meinem Leben gehört, werde ich sie mit ihrem Lebenslauf hier auf meiner Homepage verewigen.
20. Jetzt ist wieder meine Zeit angebrochen. Ich kann, ohne mich dick einmummen zu müssen nach Draussen fahren. Ich kann mich unter den Nussbaum legen und dem Vogelgezwitscher lauschen. Gerne würde ich meine gefiederten Freunde an ihrem Gesang erkennen. So weit bin ich aber noch nicht. Dafür kann ich schon einige Schmetterlinge gemäss ihrem Aussehen beim Namen nennen. Natürlich nicht Seppli oder Marili sondern Zitronenfalter - den sieht man übrigens als erster im Frühling. Nur das Männchen trägt die leuchtend gelbe Flügelfarbe, das Weibchen ist viel blasser. Er hat eine ungewöhnlich lange Flugzeit, er zählt zu den Faltern mit der längsten Lebenserwartung. Er kann überwintern, und zwar ungeschützt in Bodennähe! Die Kälteresistenz hängt mit seiner Körperflüssigkeit zusammen, einer Mischung aus Wasser, Eiweiß und Salzen. Man kann ihn bereits im Februar antreffen. Im März folgen, dann das Tagpfauenauge, kleiner u. grosser Fuchs, der C-Falter und einige die ich noch nicht mit Namen kenne. Auch die Hummeln sind schon artig am Werkeln. In der Regel treten sie erst im April in Aktion. Wahrscheinlich wurde bei ihnen, wegen den warmen Temperaturen, der Bestäubungstrieb bereits geweckt. Bei meinem Zierjohannisbeerstrauch haben sich die Gartenhummeln schon fleissig ins Zeug gelegt. Kennzeichen der Gartenhummel: Der Kragen, Schildchen und das 1. Hinterleibsegment sind goldgelb. Das Hinterende ist weiss. Durch die auffällige Grösse und die drei gelben Binden ist sie eine sehr charakteristische Hummel.
Fast täglich zieht ein Milan in der Luft seine Kreise und hält Ausschau nach Mäusen und anderem Kleingetier. Auch Möwen fühlen sich inzwischen bei uns heimisch. Sie machen einen ganz schönen Lärm, wenn sie lachend über uns hinweg fliegen. Meistens muss ich dann ebenfalls zu Lachen anfangen. Ja natürlich, jetzt hätte ich sie fast vergessen. Meine Eidechsen sind auch erwacht. Zuerst sah ich nur eine Einzige und die hatte nicht mal mehr den Schwanz dran. Zum Glück wächst er wieder nach. - Wie so mancher vor lauter Stress mal "den Kopf verliert", so können viele Echsen in gefährlichen Situationen ihren Schwanz verlieren. Werden Eidechsen von Angreifern bedroht, werfen sie ihn einfach ab. Der Schwanz bewegt sich durch aktive Nerven und Muskeln noch bis zu 20 Minuten weiter und lenkt den Feind von seiner eigentlichen Beute ab. In der Zwischenzeit kann die Echse fliehen und sich in Sicherheit bringen. - Ein paar Tage später sah ich schon mehrere Eidechsen den Kopf aus ihren Verstecken recken. Und jetzt turnt schon der Nachwuchs auf den Steinen.
Werde später weiter schreiben, muss jetzt weiter entdecken fahren.
22. Jetzt habe ich doch glatt den astronomischen Frühlingsanfang verpasst. Zum Glück war ich aber an diesem Tag draussen. Es war ja herrlich warm. Der Föhn hat die frühlingshaften Temperaturen nochmals etwas höhergeschraubt. Obwohl der Föhn gar heftig blies, habe ich mich auf den Weg zu meinem Vater gemacht. Ich wollte ihm unbedingt noch nachträglich zu seinem 88. Geburtstag gratulieren. Bei ihm angekommen, suchten wir uns ein windgeschütztes Plätzchen, wo wir plaudern konnten. Dann beim Nachhause fahren verspürte ich bereits ein komisches Gefühl im Hals. Mir schwante etwas. Mein Mann wird mir doch nicht etwa sein Erkältungsgrippeli angesteckt haben. Um 17.00 Uhr liege ich bereits mit Schnupfen-, Hals- und Kopfweh im Bett. Heute geht es mir aber schon wieder besser. Und jetzt, wo wieder der Winter vorbeischauen will, kann ich getrost im Haus bleiben und die Erkältung auskurieren. Ich hoffe nur, dass auch meine geliebten Frühlingsblüher den Kälteeinbruch einigermassen gut überstehen.
Unser alter Pflaumenbaum lässt es sich nicht nehmen, auch im hohen Alter mit wunderschönen Blüten aufzuwarten. Ihm gleichtun, wollen es auch die wesentlich jüngeren Forsythien Sträucher und die Zierkirsche.
29. Ich weiss, es ist schon wieder eine Woche vergangen seit meinem letzten Tagebucheintrag. Einer der Gründe ist die Erkältung, welche mich eine gute Woche begleitet hat. Doch mehr belastend sind für mich zwischenmenschlichen Beziehungen. Ich begreife nicht, wie einige Menschen miteinander umgehen. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich mitbekomme, wie miteinander gesprochen wird. Manchmal fallen so verletzende Worte, da fehlen mir glatt die Worte. Manche Menschen haben nie gelernt, wie man miteinander redet. Mit ihnen kann es sehr schwer werden, ein Thema sachlich zu erörtern. Nicht selten kommt es vor, dass eine solche Diskussion aus dem Ruder gerät. Es wird schnell alles persönlich genommen und nicht selten werden unangebrachte Worten benutzt. Von seinem Standpunkt abrücken – ne warum auch? Sich entschuldigen – ne warum auch? Ich bin im Recht, ich gebe mir doch keine Blösse. So wird es auch in Zukunft schwer werden, gemeinsam an einem Strick zu ziehen, auch wenn es um unsere Liebsten geht.
Reinhard Mey Das Narrenschiff
Vielleicht bin ich auch noch sehr empfindlich. Der Verlust von Mama schmerzt halt schon immer noch.
Es wurde ein Sämchen in die Erde gelegt und es fing an zu keimen. Ich habe mich so gefreut, als es sich aus der Erde zwängte. Endlich war sie da; die Pflanze für Frieden. Tretet sie nicht und gebt ihr Liebe, denn nur so kann sie überleben. Ich jedenfalls werde mein Bestes tun um sie zu schützen.
APRIL
4. Vor zwei Tagen lauschte ich einem Gespräch. Anscheinend merkten die Zwei nicht, dass ich sie höre. Nennen wir mal die Beiden die Linke und die Rechte.
Die Linke fragt die andere, ob sie auch kalt habe. Ja und wie, sagt die Rechte. Meine Glieder sind schon ganz steif. Die Linke erwidert: wenn wir doch nur irgendwo in die Wärme kriechen könnten. Daraufhin die Rechte: wenn uns die in der Chefetage schon nicht helfen können, dann müssen wir uns wohl selbst helfen. Schau mal, sagt die Rechte, hier sind doch zwei Höhlen. Versuche mal in die linke Höhle zu kriechen. Die Linke reckt und streckt sich und langsam kommt sie dem Ziel näher. Und endlich kann sie sich in die enge Höhle zwängen. Nun versucht es auch die Rechte. Sie hat allerdings noch mehr Mühe vorwärtszukommen. Sie ist auch etwas steifer als die Linke. Sie versucht sich ganz flach zu machen, um Stück für Stück in die Höhle zu kriechen. Endlich verschwindet auch sie in ihrer Höhle. Das war ganz schön anstrengend, aber endlich habe auch ich warm. Da meint die Linke, jetzt haben wir es doch noch ohne die Obrigkeit geschafft. Als ich das mitbekomme, muss ich lächeln. Wenn die wüssten, dass ohne mein Oberstübli gar nichts läuft. Hätte ich am Morgen nicht eine Jacke mit weiten Taschen angezogen, würden meine Hände jetzt noch draussen sein und frieren.
Stolz bin ich trotzdem auf sie. Sowas hatten sie schon lange nicht mehr zustande gebracht.
7. Mir ist nicht viel vom Leben geblieben. Kaum ein Körperteil ist von der ALS verschont geblieben. Ich kann nicht mehr gehen und die Arme kann ich nur noch wenige Zentimeter hochheben. Meine Füsse neigen zu Spitzfüssen, die Zehen krümmen sich nach unten, sodass ich mühe habe die Schuhe anzuziehen. Auch die Finger haben kaum noch Kraft und bilden eine Faust. Schon lange kann ich weder etwas zu Essen oder zu Trinken zum Munde führen. Nichts mit Gelüsten zwischendurch. Ja mein Herz, es schlägt noch schön im Takt. Doch in letzter Zeit ist es schwerer geworden. Die Lunge stellt mir mal mehr, mal weniger Atemluft zur Verfügung. Manchmal reicht es, um mehrere Sätze am Stück zu sprechen. Dann wiederrum muss ich Wörter herauspressen. Das ist sehr anstrengend und die Lautstärke eher im unteren Pegelbereich. Durch die Zungenatrophie ist auch meine Aussprache undeutlicher geworden. Also nichts mehr mit langen Diskussionen. Ich kann mit zu wenig Power aufwarten. Was noch tadellos funktioniert ist mein Hirn. Gespeichert mit Erlebtem und von Erfahrungen aus Schulen, Berufsleben, Familienfrau, Umgebungsgestalterin, Sportlerin usw. Ja, da kommt einiges zusammen. Doch leider kommt es immer wieder vor, dass ich auf meinen Körper reduziert werde. Man nimmt mich wie nicht ernst. Ich muss mir wohl etwas einfallen lassen, damit ich in meinem Umfeld wieder vermehrt wahrgenommen werde. Ich denke, ich kann trotz meinen Handicaps noch einiges leisten. Gebe nicht auf. Es wird mir schon noch was einfallen. Georg Danzer - große Dinge
9. Wisst ihr was das Gute an einem elektronischen Tagebuch ist. Es gibt da eine Taste, die nennt man Clear oder auf Deutsch Entf = Entfernen. Es gibt auch Tastenfunktionen mit denen kann ich Wörter und ganze Sätze markieren, um sie dann zu löschen. Diese Anwendungen habe ich Gestern benutzt, um beim vorhergehenden Tagebucheintrag einiges zu löschen und andere Sätze einzufügen. Ich habe mich dazu entschlossen, weil ich angefragt wurde ob es mir nicht gut gehe. Ja, in dem Moment als ich den Eintrag schrieb ging es mir psychisch wirklich nicht so gut. Ihr kennt sowas sicher auch. Manchmal wird man mit Problemen konfrontiert, da sieht man den Ausweg nicht. Doch meistens, wenn etwas Zeit vergangen ist, sieht die Welt schon nicht mehr so düster aus. Es „taget“ wieder und die Sonne lässt sich wieder hervor. Der Tag wird wieder wunderschön. Und das Brutzeln eines Cervelats über einem offenen Holzfeuer hebt die Stimmung sowieso an. So am Stecken gegrillt schmecken die Cervelats am besten. Man muss einfach den Abstand zwischen dem Cervelat der Flammenhöhe anpassen. Dazu braucht man allerdings keinen verstellbaren Rost. Das bewerkstelligt man am besten mit der Sitzkantelung eines Rollstuhls. Nur, der bekommt man nicht einfach so. Und schweineteuer ist er auch noch. Ich habe einen solchen. Irgendeinen Vorteil darf ich wohl auch mal haben. Lets Grill!
11. Ihr habt ja noch die Geschichte „wehe, wenn sie losgelassen werden“ von mir zu gut. Ich hoffe, ich bringe sie noch einigermassen zusammen.
Ich bin letzte Woche zum Bauernhof meines Bruders gefahren in der Hoffnung, ein Feldli-Kaffee (Ürner-Schwarzes) von meiner Schwägerin spendiert zu bekommen. Als ich um die Hausecke bog, sah ich meinen Bruder mit einem Kalb aus dem Stall kommen. War das störrisch. Wollte irgendwie gar nicht auf die saftige Weide. Doch plötzlich hob es sein Schwänzchen in die Höhe und fing an loszustürmen. Und prompt kommt es in Berührung mit dem Zuckapparat (elektr. Weidezaun). Anscheinend wusste mein Bruder, dass dies passieren wird und zieht das Kalb mit dem umgebundenen Strick zu sich. Dieses Spiel wiederholt sich ein paarmal, bis das Kalb begriffen hat, was die Drähte bedeuten. Und nun kommt meine Schwägerin mit dem zweiten Kalb aus dem Stall. Es ist ein wenig kleiner als das Vorhergehende. Benimmt sich jedoch noch bockiger und sturer. Meine Schwägerin hat alle Mühe das Kalb zu bändigen. Mein Vater kommt ebenfalls aus dem Stall, nimmt sich einen Stuhl und setzt sich neben milch in die erste Reihe. Als hätten wir es geahnt wurden uns einige mehr oder weniger lustige Szenen geboten. Plötzlich nämlich rennt „Luzias“ Kalb los in Richtung Zaun. Es verheddert sich im Zaun und reisst einen Teil des Zauns zu Boden. Luzia wird richtig gehend am Kalberstrick mitgezogen. Und kurz darauf liegt sie auch schon auf dem Rücken. Sie schlägt ihre Fersen in den Boden und hält mit aller Kraft denn Strick. Es kam mir vor als hätte man ihr eingetrichtert, nie den Strick loszulassen. Wäre ihr mein Bruder nicht zu Hilfe geeilt, hätte sie sich wahrscheinlich durchs ganze Land mitziehen lassen. Mein Vater und ich haben uns köstlich amüsieret. Nun musste zuerst wieder der Zaun gerichtet werden bevor mit dem dritten Kalb gearbeitet werden konnte. Inzwischen wusste ich, dass die Kälber beim ersten Weidegang immer so benehmen. Sie kennen bis dahin nur den Stall. Das jüngste war übrigens ca. 3 Wochen alt.
Als sich dann Alle beruhigt hatten, gab es dann doch noch ein Schwarzes. Eines muss ich aber noch erzählen. Letztes Jahr hat ein Kalb meinen Bruder zu Fall gebracht. Und nicht nur das, das Kalb hat ihn gleich noch mit dem Elektro-Zaun umwickelt. Bis meine Schwägerin den Zaun vom Strom nehmen konnte, musste mein Bruder einige „Elektro-Schocks“ über sich ergehen lassen. Es ist immer von Vorteil, zu wissen, wie etwas funktioniert.
Es war wieder mal ein lustiger Nachmittag. Später hat mich mein Vater mit seinem Elektromobil auf dem Nachhauseweg begleitet. Ihr glaubt nicht wie mich der 88-jährige Herr abgetrocknet hat. Er ist mir mit seinem Elektromobil um die Ohren gefahren. Das geht natürlich nicht. Jetzt wird es Zeit meinen Rollstuhl zu Tuning.
MAI
1. Nä-nei, ich ha nit vergässä, dass hit ä niewä Monet a fat. Ha nur bis jetz kei Zyt gha, ebbis tschriebä. Und eigendlich wärs eu bereits wieder Zyt fir mich is s'Bett z'gah. Ich gah nämlich fast täglich so um diä Achdi is Bett. Wiu d'Spitex sit afang Jahr bereits am haubi achdi am Morga bi miär verbie chunt und ich seltä äs Mittagsschläfli machä, bin ich de doch froh, wenn ich mich friä am Abig im Bett üsstreckä cha. Mit miem friä bettgah gib ich mim Ma eu Zyt ebbis fir sich zmachä.
Wills Hyt wieder ämau scheen gsi isch und d'Sunnä scheen warm gschienä het, han ich mich am Namitag im Gartä üfghautä. Ich liäbs dr Natür züä zlossä und sie z'beobachtä. Natür i mim Gartä git miär so viu Chraft und lat mich immer wieder diä inneri Rüä z'gfindä.
9. He, ich habe endlich wieder Zeit zum Schreiben. Viele fragen sich sicher, was macht den Die immer. Sie kann nicht laufen, kann kaum die Arme und Hände bewegen und die Stimme kann sie ebenfalls nur eingeschränkt einsetzen. Also, was macht Die den ganzen Tag. Ich will euch mal aufzählen, mit was meine Tage (nein nicht diese Tage, die kommen mich zum Glück nicht mehr besuchen) ausgefüllt sind. Nebst Spitex, Physiotherapie 1x wöchentlich, vier Online-Tageszeitungen lesen, morgendliches Online-Kreuzworträtsel lösen, Mail beantworten, Menüplan und Einkaufliste 1x wöchentlich erstellen und diverse andere administrative Arbeiten am PC erledigen. Dann ist es meistens auch schon Zeit fürs Mittagessen. Falls die Sonne schon am Morgen genug warm scheint, kürze ich auch mal das morgendliche Ritual ab. Und da die Türe nach draussen letztem Jahr mit einem automatischen Türöffner ausgerüstet wurde, den ich mit der Rollstuhlsteuerung bediene, kann ich nun auch spontan und selbstständig nach draussen begeben. Und dass ich dies in letzter Zeit öfters fabriziert habe, muss ich euch wohl nicht sagen. Ich brauche die Sonne für mein Leben. Sie stärkt meinen Körper und heilt immer wieder meine Seele. Das kann auch die Natur hervorragend. Wenn ich am Nachmitttag (da wären wir wieder bei meinen Tagesbeschäftigungen) mit dem Rolli durch die Natur fahre, fühle ich mich sehr gut. Die Natur mit ihrer Lebendigkeit, mit den Farben, Düften, Formen, Wetterkapriolen usw. ist für mich zum helfenden Freund geworden. Und Freundschaften soll man ja bekanntlich pflegen, wenn man sie behalten möchte. Darum bin ich auch so viel bei ihr.
Jetzt habe ich gerade meinen Vater auf dem Velo an unserem Haus vorbeifahren. Es hat mir direkt einen Stich ins Herz versetzt. Vor nicht allzu langer Zeit hat er die Natur mit Mamma erkundigt. Jetzt ist er allein unterwegs. Wie einsam muss er sich fühlen und wie weh muss es tun. Ich fühle es ja auch. Ich hätte ihn gern ins Haus gerufen, doch trotz der Menge an Hilfsmittel ist es mir auf die Schnelle nicht möglich. Doch auch ihm wird die Natur zu helfen wissen.
Eigentlich hätte ich ihn gestern Nachmittag auf meiner Rollirunde besuchen wollen, doch da ist so viel dazwischengekommen. Ich erzähle mal. Also, ich fahre auf dem Reussdamm Richtung See. Rechts und links an den Dammseiten blühen üppig die Wildblumen. Wilde Margriten, Hahnenfuss, Leimkraut, Moon, Storchenschnabel, um nur einige zu nennen. Ich kann mich kaum sattsehen und muss immer wieder „stehen“ bleiben. Leider kann ich den feinen Duft, welchen die Blumen normalerweise verströmen nicht wahrnehmen. Zu viele Bauern sind heute mit dem „Güllenfass“ unterwegs. Versuche ich halt heute mal eines der Sinnesorgane zu ignorieren. Auf der Weiterfahrt sehe ich plötzlich sechs Kälber, die unterhalb des Dammes durch hohes Grass stampfen und sich auf die Gemeinschaftsgärten zubewegen. Weit und breit kein Mensch in Sicht. Und nun geschieht es, die Kälber betreten den Garten. Ein Teil des Gartens wird buchstäblich umgegraben, die Setzlinge zertrampelt und an den Beerensträuchern geknabbert. Ich wusste, ich musste sie irgendwie von den Gärten weglocken. Also rief ich ihnen zu „he chämet“ und setzte mich mit dem Rolli in Bewegung. Und siehe da, sie kamen hinter mir nach. Kurz darauf kamen mir zwei Frauen zu Hilfe, welche die Kälber zur Strasse trieben. Ich habe dann noch schnell einem Kalb den Weg abgeschnitten, es wollte zu mir auf den Damm hochsteigen. Wohin die Kälber gehörten, wussten die Frauen auch nicht. Ich liess sie jedoch mit ihnen ziehen. Ich setze meine Fahrt fort. Zum Glück konnte mich Piet am Mittag überreden eine Jacke anzuziehen. Von Norden her kam doch noch kühle Luft. Und prompt, was passiert? Ein Nasentröpfli bildet sich an der Nasenspitze. Ich versuche zwei-, dreimal mit dem Handrücken die Nase zu erreichen, was natürlich nicht gelingt. Also weiterfahren und hoffen, dass ich jemandem begegne, den ich kenne oder jemandem dem ich das Nasenputzen zumuten kann. Nichts, der Reussdamm scheint heute kein Anziehungspunkt zu sein. Also versuche ich es mit einer etwas weniger appetitlicheren Methode. Ich schürze meine Lippen und versuche so den Nasentropf zu erreichen, um ihn von der Nase zu lösen. Leider zieht sich der Nasentropf dadurch nur in die Länge und nun habe ich von der Nase bis zum Mund ein Geschmiere. So kann ich doch unmöglich unter die Leute. Kurz überlegen und die nächste Dammabfahrt avisiert. Ich fahre hinunter und fahre zur naheliegenden Gärtnerei. Ich nehme allen meinen Mut zusammen und steure auf eine Gärtnerin zu. Nun räuspere ich mich kurz. Dadurch wird meine Aussprache etwas deutlicher, schliesslich muss ich ihr sagen können wo sich die Nastücher befinden und wie sie mir am besten helfen kann. In solchen Fällen weiss ich natürlich nie ob es die Person ekelt und sie es einfach macht, weil sie denkt, sie müsste es tun oder ist es für sie eine Selbstverständlichkeit, mir zu helfen. Doch das kann ich nicht ändern. Jedenfalls hat es geklappt und ich kann meine Fahrt fortsetzen. Am See unten angelangt sehe ich wie Kinder Sandburgen bauen und wiederum andere füttern die Seevögel. Weiter führt mich die Tour durch das Moorgebiet. Dort werde ich mit einem Froschquackkonsert überrascht. Auf der Weiterfahrt meldet sich wieder ein Nasentröpfli und ich beschliesse dem Norden den Rücken zu drehen und gegen Süden zu fahren. Und weil die Arbeitsstelle meines Mannes auf diesem Weg liegt, fahre ich bei ihm vorbei, um meine Nase ordentlich zu putzen. Bekomme auch gleich noch was zu trinken. So mache ich mich wieder auf den Weg. Diesmal fahre ich zu den Warenhäusern, sollte noch zwei, drei T-Shirts haben. Da mein Rolli ein paar Schlammspritzer von der Tour abbekommen hat, muss ich mich vorsichtig durch die Kleiderständer manövrieren. Und da ich mit der aufgesetzten Sonnenbrille nicht so gut sehe, muss ich eine Person finden, welche selbst Deutsch spricht, damit sie versteht, was ich von ihr möchte. Auch hier bin ich wieder fündig geworden. Die Brille wird mir, nicht wie gewünscht über einen Oberschenkel gestülpt, sondern in den Ausschnitt gesteckt. So geht’s auch und ich schmökere mich durch die Geschäfte. Bei meiner letzten Arbeitsstelle komme ich nicht ohne einige Gespräche mit ehemaligen Mitarbeitern herum. Es ist interessant von ihnen auf den neusten Stand gebracht zu werden. Doch irgendwann muss ich mich dann doch auf den Heimweg machen. Die Sonne scheint immer stärker vom Himmel und ich merke erst jetzt, dass ich keine Sonnenbrille anhabe. Wäre sie auf dem Oberschenkel platziert worden, hätte ich es frühzeitig gemerkt. Für mich ist es sehr wichtig, dass Sachen immer gleich platziert werden und Abläufe immer gleich gehandhabt werden. Also muss ich einen „Brillenanzieher“ finden. Ich könnte jetzt ein Stück retour fahren zur Arbeitsstelle meines Sohnes. Doch ich entschliesse mich das nächste Geschäft aufzusuchen, dort kennen mich einige. Also fahre ich direkt auf die Kasse zu und sage, dass ich heute nichts haben müsse und nur möchte, dass sie mir die Sonnenbrille anziehen würde. Gesagt, getan und Tschüss bis zum nächsten Mal. Ich hole mir noch schnell im Dorfladen einen Kuchen. Hier brauche ich keine Erklärungen mehr abzugeben. Sie wissen, dass sie das Geld selbst zur Tasche herausnehmen und das Gekaufte selber einpacken müssen. So, nun bin ich endlich wieder Zuhause angekommen.
Jetzt muss ich eine Pause einlegen. Um diesen Text zu schreiben, habe ich 4 Stunden gebraucht.
Fortsetzung wird folgen.
10. In den letzten 3 Wochen habe ich viel Zeit in die Planung unserer nächsten Ferien investiert. Zuerst galt es herauszufinden, wie wir unsere Ferien verbringen möchten. Sie zu Hause zu verbringen, wäre natürlich am einfachsten. Am Meer wäre es schön. Doch umständlich mich ins Wasser zu befördern. Also sind wir wieder bei den gewohnten Rundreisen gelandet. Mit dem Auto durch die Lande zu fahren und neue Orte kennenzulernen macht uns eh am meisten Spass. Also habe ich im Netz nach bereits bestehenden Reiserouten gesucht. Ich entschied mich für eine südliche und eine nördliche Variante und gab diese meinem Mann zur Ansicht. Gemeinsam wählten wir die nördliche Variante. Nun galt es für mich, die Rundreisestrecke auf unsere Bedürfnisse anzupassen. Unteranderem legte ich fest, wieviel Kilometer wir pro Tag fahren werden und wieviel Zeit wir dafür benötigen. So habe ich die ganze Route auf Tage aufgeteilt. Nun googlete ich nach behindertengerechten Übernachtungsmöglichen an den jeweiligen Orten. Manchmal fand ich auch keine Unterkunft und so musste ich den Übernachtungsort verlegen. Das hiess dann, alles neu zu berechnen. Ich korrespondiere jeweils direkt mit den Hotels selbst. So kann ich sicher gehen, dass bei unserer Ankunft, sicher ein behindertengerechtes Zimmer bereitsteht. Am letzten Freitag habe ich nun die letzte Hotelbestätigung bekommen. Nachdem ich dann alles mit dem Routenplaner festgehalten habe, konnte ich die Ferienplanung abschliessen und in aller Ruhe auf unsere Ferienwoche warten.
14. Äs schiffet und schiffet und obäüs hets agschnitt. Chaut ischs wordä und d’Eefä müäss mä wiedr üfäschrübä. Mini Rollchragäpullis, wo ich vor zwei Wuchä i ihrä wohlverdiänti Summerschlaf gschickt ha, hani wieder miässä unsanft usum Schlaf weckä. Ich hoffä jetzt eifach, dass sie diä verlorni Rüäphase de im Herbscht chänet nachäholä.
Jetzt wäre es dann an der Zeit, dass es aufhört zu regnen und die Sonne sich wieder öfter und länger zeigt. Ich bin schon bald eine Woche ans Haus gefesselt. Weil diese Woche gerade zwei meiner Assistentinnen in den Ferien sind, habe ich niemanden, der mich wettertauglich anziehen und auch wieder ausziehen könnte. Muss nächstes Jahr wohl bestimmter planen und keine Überschneidungen mehr gewähren. Zum Glück kommen die Zwei nächste Woche wieder und machen dann hoffentlich wieder klar Schiff. Der Haushalt und ich werden ihnen dankbar sein.
Also, was könnte ich heute machen. Die Ferien sind geplant, alle Mails beantwortet, alle Zeitungen gelesen, alle Spiele gespielt, also? Ja, ja, schon gut, ich weiss es ja. Ich müsste da noch einen Antrag an die IV (Versicherung für Invalidität) verfassen, zwecks Rückvergütung von Hilfsmittelbeschaffungskosten. Obwohl meine Krankheit sehr langsam voranschreitet, (was heisst hier eigentlich voranschreitet? Ich kann ja auch nicht schreiten, also soll sie das auch nicht können. Nennen wir es wegen ihrer Heimtücke eher voranschleicht), muss ich meine Hilfsmittel ab und an anpassen. So wurde vor ca. zwei Wochen die Bedieneinheit meines Closomat (Dusch-WC) an meine Behinderung angepasst. Nun kann ich mit dem Duschrollstuhl übers WC fahren und trotzdem die Duschfunktion aktivieren. Da ich dies, vor eingehender Prüfung von Seitens der IV ausführen liess, musste ich dies verständlicherweise vorerst selbst berappen. Nun müsste ich eigentlich den Antrag auf Rückvergütung stellen. Leider musste ich auch mein Kommunikations- und Umfeldgerät ersetzen. Das Alte entsprach nicht mehr meiner Behinderung. Nun übe ich täglich mit der Augensteuerung. Mal schauen, wie schnell ich mit ihr zurechtkomme. Für dieses Gerät muss ich allerdings keinen Antrag stellen. Das wurde vorgängig durch die Hilfsmittelversorgungsfirma selbst erledigt. Ein weiteres Hilfsmittel, welches ich nächstens benötige, ist eine Stütze für meinen linken Fuss. Das Fussgelenk wird zunehmend instabiler und die seitliche Fussseite krümmt sich nach unten. Wenn ich nichts unternehme, werde ich in absehbarer Zeit weder einen „anständigen“ Schuh anziehen können noch auf dem Fuss stehen können. Dabei ist das Stehen können für den Transfer äusserst hilfreich. Aber auch für die Blutzirkulation, für die Atmung und für die inneren Organe ist es förderlich.
Eigentlich wollte ich nun für zehn, zwanzig Minuten in den Garten fahren, um frische Luft zu schnappen. Aber daraus wird leider nix. Es kommen gerade wieder nasskalte Sturmböen auf uns zu. Auf meinem Fenster haben sich bereits wieder unzählige Regentropfen niedergelassen. Es sieht irgendwie seltsam aus. Mal naht eine dunkle Front von Norden und kurz darauf hellt es wieder auf. Hagel, Schnee und Regen? Ich frag mich, wo ist nur der Frühling geblieben.
16. Endlich zeigt sich die Sonne mal wieder am Himmel. Sie muss allerdings stark gegen die Wolken ankämpfen, die ihr immer wieder die Sicht auf die Erde versperren. Warm ist es trotzdem noch nicht. Obwohl der Föhn (Südwind) im Anmarsch ist, ist es immer noch kalt. Die Biese (trockener, kalter Wind aus Nordosten) bläst hartnäckig ins Tal.
20. Nicht weil ich studieren muss was ich schreiben will, benötige ich so viel Zeit um einen Text zu schreiben, vielmehr liegt es daran, dass ich mit einer Bildschirmtastatur schreibe und nicht auf das Zehnfingersystem zurückgreifen kann. Ich hätte noch einiges mehr zur Rollitour zu erzählen. So z.B. den Schwatz, den ich mit einem Betreuer der Behindertenwerkgruppe hielt, nachdem er mir zurief: „he, hier ist eine 50ziger Begrenzung. Die Gruppe war gerade dabei, das Seeufer von Schwemmholz zu befreien. Oder die Begegnung mit einem Schulspähnli wäre zu erwähnen. Auch das Aufeinandertreffen mit einer ehemaligen Arbeitskollegin, die ich seit mehr als 10 Jahren nicht mehr gesehen habe, ist eine Erwähnung wert. Oder das Gespräch mit einer anderen Mitarbeiterin, die mir mitteilt, dass ein guter Freund von ihr vor kurzem die Diagnose ALS bekommen hat. Ich hätte mit ihr natürlich noch lange über diese Krankheit diskutieren können. Wie ihr lesen könnt, sind meine Rollitouren nie langweilig.
Also weiter mit meinen Tagesaktivitäten. Ich durfte in den letzten Monaten die Bachelorarbeit und die Portfolios einer Studentin gegengelesen. War sehr interessant zu lesen, wie Schüler heute unterrichtet werden. Ausserdem durfte ich bei einer angehenden FAGE (Fachfrau Gesundheit) bei ihrer Vertiefungsarbeit über ALS mitwirken.
Nun hoffe ich ihr versteht, warum ich manchmal nicht zum Schreiben komme.
Doch jetzt ist auch für mich Feierabend.
JUNI
1. In unserem Rasen blühen seit nun mehr drei Wochen wunderschöne Margeriten. Ein Junikäfer hat anscheinend ebenfalls Gefallen an ihnen gefunden. Diese wunderbare Blumenpracht erreicht man nur, wenn man dem Rasen ein bisschen Freiraum gewährt, um sich entfalten zu können. In einem englisch getrimmten Rasen wird ihnen der Spass am Blühen genommen und sie ziehen sich zurück und verkümmern. So geht es auch uns Menschen, wenn man uns die Freiheit nimmt. Ich wünsche uns allen einen blumenreichen Juni.
6. Endlich wieder Sonne, endlich wieder Wärme. Ich habe mich schon die die ganze Woche auf diese Tage gefreut. Nun hoffe ich fest, dass ich meine Pullis und die all abendliche Bettflasche im Schrank lassen kann. Ich denke, meiner Bettflasche ist es auch recht, nicht ständig mit vollem Bauch schlafen gehen zu müssen.
Ich habe extra auf dieses warme Wochenende hingearbeitet. Die Frisörin hat mir einen Kuuuurzhaarschnitt verpasst und die Spitex überzog meine Zehen- und Fingernägel mit der Farbe des Meeres.
Nun bin ich bereit, mich den kommenden Hitzetagen zu präsentieren. Seid ihr es auch?
Ich fahre jetzt Sonne tanken. Mal schauen, ob meine blassen Beine bis zum Abend ein bisschen Farbe angenommen haben. Ja, ja, eincremen nicht vergessen und ein Huädel auf den Kopf. Bei meinen kurzen Haaren könnte ich mir doch glatt die Kopfhaut verbrennen. Also, nichts wie raus!
24. Waren das wunderschöne Frühlingswochen. Die Sonne hat mich magisch nach Draussen gezogen. Ich habe es so genossen mit meinem Mann über die wieder geöffneten Alpenpässe zu fahren. Einmal haben wir gleich fünf Pässe an einem Tag überquert. So was macht natürlich auch hungrig und durstig und es gibt wohl kaum einen schöneren Ort um zu Essen als frei in der Natur. Wenn die Natur noch so nebenbei ein Eisfach zum Getränke kühlen zur Verfügung stellt, nimmt man das natürlich dankbar an.
Bei diesen Ausfahrten fühle ich mich so frei und unbeschwert und ich kann meine Behinderungen total vergessen. Das sind eigentlich meine besten und schönsten Stunden. Ich erlebe und sehe eben auch sehr viel dabei. Wie z.B. diese Steinbockgruppe, welche ein Schneefeld überquert, um über den Kamm wieder ins Naturschutzgebiet auf italienischer Seite zu gelangen.
Ich war auch wieder mit dem Rollstuhl auf Tour. Ich liebe es an Wiesen vorbeizufahren, wenn Heuen angesagt ist. Dieser Duft von frischem Heu ist einzigartig. Für mich gibt es keinen besseren Duft. Ich atme jeweils ganz tief ein, in der Hoffnung etwas davon in meinen Lungen speichern zu können. Dieser Duft weckt so viele schöne Erinnerung wach. Etwa das Aufwachsen auf dem Bauernhof, das spielen mit meinen Geschwistern, das gemeinsame Arbeiten, wie z.B. das Heulen. Obwohl es manchmal auch streng war, hätte ich diese gemeinsame Zeit mit Mutter, Vater, Geschwister, Kalb und Kegel nie missen mögen. Es war wirklich schön auf unserem Hof.
Letztlich war ich auf einen Sprung bei Onkeln und Tanten. Auf dem Hof gab es zwei Kätzchen, die waren ca. sechs Wochen alt. Ich liess es mir natürlich nicht nehmen, eines auf den Schoos zu nehmen. Nachdem ich mir aber zwei, drei Kratzer eingefangen hatte, entliess ich es wieder in die Obhut seiner Mutter.
Einmal musste ich bei einem nachmittäglichen Rolliausflug meinen eigenen Servicemann gleich zweimal aufbieten. Ich fuhr auf einem schmalen Waldweg Richtung Schiffstation. Plötzlich blieb der Rolli stehen und liess sich nicht mehr zur Weiterfahrt bewegen. Auf dem Steuerungsdisplay die Meldung „Störung am rechten Hinterrad“. Daraufhin bat ich eine Fussgängerin, dem besagten Rad ein paar kräftige Tritte zu versetzen, damit es wieder in die Gänge kommt. Aber unbeeindruckt wie ein sturer Esel, liess sich der Rollstuhl nicht vorwärtsbewegen. Also musste ich meinen Mann aufbieten. Er kam mir dann z.T. mit dem Auto und den Rest zu Fuss zu Hilfe. Nach ein paar Handgriffen konnte ich meine Nachmittagsausfahrt fortsetzen. Da ich mittlerweile das Schiff verpasst hatte, musste ich mir nun eine andere Route ausdenken. Ich fuhr also auf dem Weg der Schweiz Richtung Bauen. Der Rollstuhl funktionierte wieder tadellos. Doch als ich etwa in der Hälfte meines Rückweges war, blieb der Stuhl wieder stehen. Wieder dasselbe Problem, wieder mitten auf einem schmalen Weg, wieder nicht zugänglich für ein Auto. Also das Ganze nochmal wie gehabt. Nur, diesmal zog ich es vor im Bus heimzufahren. Zuhause wurde dann der Stuhl mal richtig durchgecheckt, geschmiert, Kontakte gereinigt usw. Nun hoffe ich, dass mich mein Rolli bei der nächsten Fahrt nicht mehr so im Stich lässt. Zehn Jahre sind doch noch kein Alter.
Ein anderes Mal fuhr ich zum See. Mein Blick war dabei auf die Reuss gerichtet. Ich hielt Ausschau nach dem, was uns der Fluss genommen hat. Der Fluss floss friedlich in seinem Bett. Rechts und links des Ufers blühten wunderschöne Wildblumen. Schmetterlinge flogen von einer Blüte zur andern. Sogar ein Schwalbenschwanz labte sich am Nektar. Vögel flogen über den Fluss und pfiffen ihre Lieder. Ich habe leider nicht das gefunden was ich erhofft hatte. Aber auf dieser Strecke ist es wunderschön, um zu verweilen. Am See unten angelangt, musste ich mich dann aber umgehend auf den Heimweg machen. Es waren verdächtig dunkle Wolken am Himmelszelt aufgezogen. He, ihr glaubt es nicht, aber ich habe es so genossen durch den Regen zu fahren. Es ist wie selbständig zu duschen, einfach nur herrlich. Platschnass hin oder her. Zuhause habe ich mich dann von der wieder scheinenden Sonne trocknen lassen.
JULI
5. Ich habe mich aber vorhin so aufgeregt, dass mir die Lust zum Schreiben vergangen ist. Ich frage mich schon, wie es jemals Frieden auf unserem wunderschönen Planeten geben kann, wenn wir es nicht mal fertigbringen, im engeren Umfeld, einander mit Anstand und Würde zu begegnen.
Ich denke, ich habe in den letzten Jahren nicht nur Muskelkraft eingebüsst, auch mein Fell ist nicht mehr so dick. Darum darf ich mich auch nicht mehr mit Dingen herumschlagen, denen ich nicht mehr gewachsen bin. Sei es, weil ich nicht mehr gut verstanden werde, sei es, weil mir die Puste fehlt, frustrierend ist es allemal. Ich möchte so gerne mithelfen einige Dinge in geordnete Bahnen zu lenken und ich weiss ich hätte diese Fähigkeit. Dazu müsste ich jedoch wieder in den Originalzustand versetzt werden. Habe den Resetknopf leider noch nicht gefunden. Wie ihr lesen könnt, geht es mir schon wieder besser und auch der Humor kehrt zurück. Das vorhin erhaltene SMS aus Canada hat sicher dazu beigetragen. Als wenn meine Schwester geahnt hätte, dass es mir gut tut von ihr zu hören. Ich freue mich auf ihre Rückkehr.
Eigentlich darf ich auch nicht klagen. Ich werde von vielen lieben Menschen durchs Leben begleitet. Gerade heute Morgen wurde mir das wieder vor Augen geführt. Vor der Türe lag ein roter Briefumschlag mit blauer Anschrift. Darin ein orangefarbener Briefbogen mit in rotgeschriebenen Zeilen. Daneben stand ein mintfarbener Nagellack. Ich hatte diese Woche in einem Gespräch erwähnt, meine nächste Nagellackfarbe sei wahrschein so grün wie die Wandfarbe in meinem Zimmer. Da hat wohl diejenige meine Farbenfreudigkeit bemerkt. Und vor zwei Wochen stand, wie schon letztes Jahr, ein Kesselchen Kirschen vor der Tür. Erfreut bin ich auch über die Holzsterne, welche mir ein Besucher mitgebracht hat. Auch sie hat, mein Gefallen an den Sternen, bei einer Unterhaltung aufgeschnappt. Oder die Frau, welche mich eingeladen hat, ihren Garten mit Biotop und Hochbeet zu besuchen. Ich schätze auch die Besuche meiner über 80-jährigen ehemaligen Nachbarin, welche immer interessantes zu Berichten weis. Gut tun mir auch die Zusammenkünfte mit meinen ehemaligen Arbeitskollegen und die Stippvisiten meiner früheren Volleyballmatchgegnerin. Also ihr seht, ich werde gut umsorgt.
10. Ich hatte geglaubt, ich hätte die Kälte des Winters hinter mich gebracht. Aber wie so oft kommt es anders als man denkt. Frieren ist jetzt angesagt. So macht es auch keinen Spass mit dem Rolli auszufahren. Kurz unters Haus fahren, um frische Luft zu schnappen, muss reichen. Nichts mehr mit kurzen Hosen und luftigen Sommerblüschen. Kein Sonnenbad in der Pergola. Dabei hat mir mein Mann extra eine Getränkehaltersäule für das Trinken im Freien gebaut. Diese kann man dann so platzieren, dass ich immer gut zum Getränk komme. Für die Stabilität sorgen zwei alte Harley-Bremsscheiben. Ausserdem gibt es an der Säule eine Box für Trinkhalme und ein Täschchen für Nastücher. Laut Wetterbericht kommt mein neuer Getränkeständer voraussichtlich erst wieder Mitte nächster Woche zum Einsatz. Brrrrr………kalt……….!
AUGUST
3. Schön war er wieder, unser Nationalfeiertag. Die Reden gesprochen, die Fahnen geschwungen, die Lieder gesungen, die Böller verschossen, die Würste gegessen und die Freiheit beschworen. Für diese Freiheit haben sich unsere Vorfahren stark gemacht. Da kamen schonmal die Fäuste zum Einsatz und einige Burgen wurden niedergerissen. Doch Heute versuchen wir den Frieden mit Worten und Diplomatie zu waren.
Die Besucher, welche vor zwei Wochen bei uns waren, wollten auf ganz sicher gehen und haben die Burg von Attinghausen gleich nochmal erstürmt.
Ja, in letzter Zeit wurde ich reichlich mit Besuchen beschenkt. Ich liebe es, wenn sich viele Personen um den Tisch gesellen und ich mittendrin sein darf. Wie gerne würde ich selbst die Gastgeberin spielen und meine Besucher verwöhnen. Da ich dies jedoch nicht mehr kann, übernehmen dies jeweils meine Assistentinnen oder mein Mann diese Aufgabe. Was sie natürlich hervorragend machen. Wie mir scheint, hat es auch der jüngeren Generation aus der Ostschweiz gut bei uns gefallen.
8. Unser Nationalfeiertag ist zwar vorbei, trotzdem sind meine Gedanken immer noch bei der Schweizer-Geschichte. Als ich letzthin unsere 1. Augustfähnchen im Garten betrachte, musste ich mir beschämt eingestehen, dass ich nicht mal weiss, wie wir zum Kreuz in der Schweizerfahne gekommen sind. Wisst ihr alle, warum eure Länderfahnen so aussehen? Oder müsst ihr auch Googlen wie ich.
Hier ein Auszug von der Seite des EDA
Geschichte einer Flagge
Das berühmte weisse Kreuz auf rotem Grund wurde erst im 19. Jahrhundert zur Nationalflagge der Schweiz. Bis zu diesem Zeitpunkt diente es höchstens als Erkennungszeichen für die eidgenössischen Soldaten. Ihren Anfang nahm die Geschichte der Schweizerfahne im Jahre 1339 anlässlich der Schlacht bei Laupen (Link). Zur Unterscheidung von den übrigen Kämpfern hefteten die Schweizer Soldaten ein weisses Kreuz auf ihr Kettenhemd. Mit der Zeit wurde auch den Kantonsfahnen ein kleines weisses Kreuz hinzugefügt. Als es galt, ein gemeinsames militärisches Feldzeichen zu schaffen, insbesondere bei der Besetzung von gemeinsamen Vogteien, drängte sich das weisse Kreuz natürlich auf. Der rote Grund ist vermutlich in Anlehnung an das frühere Berner Banner entstanden, das ebenfalls Rot als Grundfarbe aufweist. Während der helvetischen Republik (1798-1803) verbot Napoleon Bonaparte den Schweizern das Tragen des weissen Kreuzes – ein Symbol des Ancien-Régime. Er versuchte, dem Land eine grün-rot-gelbe Trikolore aufzuzwingen. Es sollte die erste nationale Fahne der Schweiz sein. Mit dem Fall der Helvetik wurde sie jedoch bald wieder abgeschafft. 1815 wurde in einem militärischen Reglement das Tragen einer roten Armbinde mit weissem Kreuz für die eidgenössischen Soldaten vorgeschrieben. Einzelne Bataillone zogen von nun an unter dem Schweizer Wappen in den Kampf. Die Stunde des Zentralismus war jedoch noch nicht gekommen, und die meisten Soldaten leisteten nur ihrem kantonalen Banner den Treueeid.
Erst in einem Bürgerkrieg, dem so genannten Sonderbundskrieg, sollte sich auf Initiative von General Henri-Guillaume Dufour, die Schweizerfahne als gemeinsames militärisches Banner der Eidgenossen und sodann als Landesfahne durchsetzen. Die Sieger des Sonderbundskrieges als modernisierende und zentralistische Kraft benötigten ein nationales Symbol. So wurde in der Verfassung von 1848 das weisse Kreuz auf rotem Grund als offizielle Fahne der Schweiz bestimmt.
Eine quadratische Fahne
Eine Eigenheit hat die Schweizerfahne bis zum heutigen Tag aus ihrem militärischen Ursprung bewahrt: sie ist quadratisch. Neben derjenigen des Vatikans ist sie die einzige Fahne auf der Welt mit diesem Format.
Die Form der Schweizerfahne ist nicht gesetzlich vorgeschrieben; seit dem 1. Januar 2007 ist jedoch ihre Farbe genau festgelegt: Rot Pantone 485, eine Mischung aus Magenta und Gelb. Auch die Masse des Kreuzes sind vorgegeben: ein Dekret aus dem Jahre 1889 schreibt vor, dass die Arme des Kreuzes gleich lang und 1/6 länger als breit sein müssen.
Ich hoffe, ich muss nächsten August nicht noch mal Googlen.
10. So, jetzt ist mal Schluss mit dem Patriotismus. Mein Verdienst ist es ja nicht, dass ich in diesem wunderschönen und friedlichen Land leben darf. Ich kann höchstens versuchen mit meinen Mitmenschen in Frieden zusammenzuleben und mit der Natur und allen anderen Lebewesen respektvoll umzugehen.
Heute kann ich getrost in meinem geliebten Garten sitzen ohne Angst haben zu müssen, es regne mir auf den Kopf. Bei uns ist der Föhn zu Besuch und heizt die Luft ganz schön auf. Ich denke die Temperatur liegt so um die 30 Grad. Gegen eine kurze, abkühlende Regendusche hätte ich nichts einzuwenden, nur mein Laptop mag das nicht so. Jetzt muss ich einfach aufpassen, dass mir der Föhn nicht den Sonnenschirm mit sich nimmt. Ihn brauche ich, um mich vor der geliebten Sonne und den herunterfallenden Nussbaumästchen zu schützen. Es könnte auch passieren, dass eine grüne Nuss auf die Tastatur herunterfällt und von einem Buchstaben zum anderen rugelt (kugelt). Das sähe etwa so aus;
Ich bin nicht etwa allein im Garten. Neben mir im Rasen reibt sich gerade eine Grille die Flügel aneinander und lässt mich an seinem Zirp-Konzert teilhaben. Ja er, denn nur die Männchen zirpen. Mit ihrem Gesang locken sie die Weibchen an. Noch etwas Spezielles der Grillen-Front. Die Grillen hören so zu sagen mit den Beinen. Ihre Hörorgane sitzen an den Vorderbeinen unterhalb der Knie. In Mitteleuropa sind drei Arten besonders verbreitet: die Feldgrille, die Waldgrille und das Heimchen. Man bekommt sie eben nicht so oft zu Gesicht, sie sind sehr scheu.
Weniger scheu sind unsere Eidechsen im Garten. Sie laufen über unsere alten, mit Moos bewachsenen Steinmauern oder klettern an dem alten Bretterverschlag an der Pergola hoch. Manchmal beobachte ich, wie die Eidechsen ihren Kopf in die Höhe strecken, um nach essbarem Ausschau zu halten. Plötzlich machen sie einen Sprung und dann wird gespeist. Manchmal warten sie auch einfach, bis das Essen an ihnen vorbeispaziert und schnappen dann zu. Es sollten sich vor allem kleine Raupen, Insekten und Spinnen vor ihnen in Acht nehmen.
Viele Hummeln, Bienen und Wespen schwirren um die Blütenpflanzen im Garte. Noch immer sammeln sie emsig Blütenstaub. Manche kriechen ganz tief in die Blütenkelche hinein. Wenn sie dann wieder herauskommen, sind sie übersäht mit Blütenstaub. Man sollte meinen sie kämen direkt aus der Zeit des Rokokos.
„In einen wahren Puderrausch verfiel nämlich die feine Gesellschaft im Rokoko (1730 - 1790). Frauen, Männer und Kinder benutzten den Puder verschwenderisch, um sich damit Gesicht, Dekolleté, Arme, Hände und sogar die Perücke zu bestäuben. Sie nahmen Puder, um die Spuren des Älterwerdens, wie Falten und graue Haare, zu überdecken.“
Da dient doch der gelbe Blütenpuder einem sinnvolleren Zweck.
Ab und zu streifen die Katzen von unseren Nachbarn durch unseren Garten. Sie wären ja alle Lieb und nett, wenn sie nicht unseren Garten als öffentliches Katzenklo auserwählt hätten. Sobald ein Stück Erde brachliegt, wird kräftig gedüngt. Nicht so angenehm. Vor allem nicht, weil ich diese Malheurs nicht selbst wegmachen kann. Auch finde ich es nicht gerade lieb von ihnen, dass sie den Eidechsen aufzulauern. Aber eben, Natur bleibt Natur und man sollte ihr nicht zu sehr ins Handwerk pfuschen.
Vor einigen Tagen konnte ich eine Biene beobachten, die mehr hüpfend als laufend, die von der Sonne aufgeheizten Wegplatten überquerte. Manchmal hüpfte sie so hoch, dass es sie in der Luft trete und sie dann auf dem Rücken zu liegen kam. Aber sie war schnell wieder auf den Beinen. Das Ganze wiederholte sich noch ein paarmal, bis es der Biene wohl in den Sinn kam, sie könnte doch ihre Flügel benutzen, um von den heissen Platten wegzukommen. Dem würde man wohl sagen "hirnverbrannt".
Es gäbe noch so viel von meinen Besuchern im Garten zu berichten, doch mehr gibt’s ein anderes Mal.
13. War eben kurz weg. Wollte schauen, ob die Trauben im Elsass schon reif sind. Für die Ernte war es noch zu früh. Dafür war es traumhaft schön, durch die vielen kleinen Dörfer zu fahren, welche auf unserer Route lagen. Die eher kleinen Häuser sahen so entzückend aus. Und die Blumenpracht, einfach ein Traum.
15. Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie schön die Welt ist und wie viel Pracht in den kleinsten Dingen, in irgendeiner Pflanze, einem Stein, einer Baumrinde oder einem Birkenblatt sich offenbart. (Rainer Maria Rilke)
An Tagen wie diesen, an denen es fast nur regnet, braucht es dann doch eine Menge Fantasie, um der Natur etwas Schönes abzugewinnen. Wenigsten gefällt es den Schnecken. Ich will gar nicht wissen, was sie mir wieder alles angeknabbert haben. Hoffentlich lassen sie mir wenigstens ein-, zwei Blümchen stehen. Etwas Positives hat die Feuchte für uns Menschen schon auch. Unsere Haut wird weniger ausgetrocknet und es gibt weniger Runzeln. Trotzdem würde ich für mehr Sonne und Wärme eine Falte mehr in Kauf nehmen. Ich will endlich mal wieder den Sommer geniessen. Darum fahre ich nächste Woche in die Sonnenstube der Schweiz. Die ALS-Vereinigung.ch führt eine Ferienwoche mit ALS-Betroffen, mit und ohne Angehörigen, im Tessin durch. Ich werde diese Ferien mal ohne meinen Mann verbringen. Mal schauen, wie es mit der Fremdbetreuung klappt. Ich freue mich, diese Zeit mit ALS-Kollegen und ALS-Freunden zu verbringen. Es wird sicher einen regen Erfahrungsaustausch untereinander geben. Heute habe ich die Packliste erstellt, damit ich ja nichts vergesse. Ich kann nicht wie die Fussgänger einfach in den nächsten Supermarkt gehen, um das fehlende nachzukaufen. Hilfsmittel gibt es eben nicht an jeder Ecke zu kaufen. Also muss ich die Packliste jeweils äussert sorgfältig erstellen. Am Dienstag geht es los in die Wärme. Drückt uns die Daumen für schönes Wetter.
23. Eigentlich hatte ich vor, jeden Tag meiner Ferien im Tagebuch festzuhalten. Doch die Tage sind so vollgestopft mit interessanten Aktivitäten, dass ich kaum zum Schreiben komme. Eines will ich euch dennoch kurz berichten. Die Umgebung mit der Seepromenade und dem Lido-Park ist so wunderschön, ich könnte dort stundenlang verweilen. Was mir auch besonders Spass macht, sind die Gespräche mit den anderen ALS-Betroffenen. Der Erfahrungsaustausch ist für die Bewältigung der Krankheit sehr hilfreich. Sorry, muss weiter, später mehr. Vorerst eine unserer Aktivitäten.
Liebe Freunde, auch wir, die ALS-Vereinigung.ch, welche gerade mit ALS-Betroffenen, Angehörigen und Betreuern eine Woche Ferien im Tessin verbringt, sind zu Gunsten der ALS-Forschung auf den Ice Bucket Zug aufgesprungen-aufgefahren. Ihr müsst wissen, dass man von der Krankheit ALS schon über 100 Jahren Kenntnis hat. Trotzdem weiss man bis heute nicht, was der Auslöser dieser noch immer unheilbaren Krankheit ist und wie man sie bekämpfen kann. Es ist an der Zeit, ein Heilmittel gegen diese Krankheit zu finden. Dafür ist die Forschung zuständig und die kostet. Darum sammeln wir auf diesem Wege Geld.
25. Meine Ferien neigen sich dem Ende zu. Noch einmal schlafen und dann geht es wieder nach Hause in meine gewohnte Umgebung. Die Ferien in Locarno waren sehr abwechslungsreich und ich kehre mit vielen neuen Eindrücken im Gebäck in meinen Alltag zurück. Die Ferien waren, mit wenigen Ausnahmen, wunderschön. Einzig die Pflegebetreuung, muss für die nächsten Ferien, optimiert werden. Ich durfte viele neue Leute kennenlernen und mit ihnen interessante Gespräche führen. Morgen werden wir uns Alle voneinander verabschieden. Jeder weiss, es könnte das letzte Mal sein, dass wir einander sehen. Das Fortschreiten dieser Krankheit ist nicht aufzuhalten und die dazugehörigen Probleme unberechenbar.
Gerade heute Morgen hatte eine liebe Freundin von mir einen Zusammenbruch und ist ins Koma gefallen. Mittlerweile hat sich ihr Gesundheitszustand etwas stabilisiert und ich hoffe, diese gemeinsam verbrachte Ferienwoche gibt ihr Kraft, sich zu erholen. Dieses Ereignis hat mich schon sehr belastet. Um meine Psyche etwas zu schonen, bleibe ich heute Abend auf meinem wunderschönen Zimmer mit Balkon. Muss sowieso noch packen. Will ja bereit sein, wenn mich mein Mann morgen abholen kommt.
26. Bin wieder gesund und munter Zuhause angekommen. Ich weiss, ihr seid schon gespannt auf meinen Ferienbericht. Ihr müsst euch noch etwas gedulden, denn ich möchte meine / unsere Ferienwoche mit einigen Fotos untermalen. Weil ich selber keine Fotos knipsen kann, muss ich warten, bis ich Fotos von anderen Teilnehmern zugeschickt bekomme. Doch ein, zwei Sujets haben sich dann doch noch in meine Kamera geschlichen.
Wir hatten uns extra auf den Behindertenparkplatz gestellt, um Ruths Rollstuhl zu laden. Doch irgendetwas mussten wir falsch gemacht haben. Der Rollstuhl liess sich einfach nicht aufladen und so musste er mit Muskelkraft nach Hause geschoben werden.
27. Bin wieder gut in den Alltag gestartet. War gestern schon recht müde und meine Stimme war am Anschlag. Ich habe mich so sehr gefreut, als ich mein Zimmer mit Büro herbstlich dekoriert vorfand. An den Wänden hängen Strohfiguren, auf der Schlafzimmerkommode liegen Kürbisse und Maiskolben, am PC-Monitor hängen Herbstblätter und überall sind Pilze, Igelchen und Kürbisfigürchen platziert. So macht es natürlich Spass, wieder zuhause zu sein. Heute Morgen kam dann wieder eine von meinen Spitex-Frauen vorbei, um mich für den Tag bereit zu machen. Auch eine meiner Assistentinnen hat heute wieder ihre Arbeit bei mir aufgenommen. Es läuft also bereits wieder in gewohnten Bahnen.
Heute Nachmittag war ich mit meiner Assistentin im Garten. Nicht etwa zum „sünälä“, dafür war es zu kalt, wir mussten unseren Garten mal wieder in Ordnung bringen. Das Unkraut hat seine helle Freude an dem andauernden nasskalten Wetter. Und die Schnecken erst, sie sind überall. Wenn sie wenigstens gut munden würden, dann hätten wir ALS-ler mit Schluckstörung ein Nahrungsersatz, welcher sich selbst in den Magen befördern könnte. Aber nein, die Schnecken fressen lieber an unserem Gemüse und schleichen sich dann heimlich davon. Darum haben wir heute schon einen Teil des Gemüses geerntet und für die Wintermonate konserviert. Ich freue mich jetzt schon auf Lauchkuchen und Kohlauflauf.
Und jetzt brauche ich einen feinen Kaffee, um mich aufzuwärmen. Hier ist es eben nicht mehr so warm wie im Tessin.
28. Wie ihr sicher mitbekommen habt, haben sich einige von unseren Ferien-Betreuer ebenfalls dem Ice Bucket Challenge gestellt. Das dabei entstandene Video hat für Furore gesorgt und die Medien wurden auf uns aufmerksam. So wurden wir unter anderem für Interviews angefragt. Damit die Krankheit ALS bekannter wird, haben wir natürlich mitgewirkt.
Hier ein sehr guter Beitrag vom 25.08.14 im Tessiner-Fernsehen.
Hyt het sich d'Sunnä ändlich wieder einisch virägla. Ich ha Glägäheit natirchlich gnutzt und ha mich dr ganz Namitag im Gartä üfghautä. Ich ha mi Roustüäu i d'Ligiposition bracht und ha diä warmä Sunnästrahlä dur minä Kerper zirkuliärä la. Dr Dorfbach, wo näbä iserem Grundstick verbi fliässt, het mich dur sies sanfti plätschärä, ischlafä la. Der Namitag het miär umär güet da. Ä Namitag nur fir mich, fir mi innerä Fridä.
29. Ice Bucket Challenge
Was betroffene ALS-Patienten sagen
Hier ein weiterer Beitrag über ALS auf Tele Zürich unter News
Ich bin auch erschrocken, als ich mein trauriges Gesicht sah und meine unverständliche Stimme hörte. Ich muss eins dazu sagen. Immer dann, wenn mich etwas emotional stark belastet, wirkt sich das auf meine Stimme aus. Ich habe dann sehr Mühe, meine Worte verständlich zu formulieren. Nicht das ihr denkt, ich hätte einen sitzen, nur weil ich mich während den Aufnahmen in einer Weinkellerei befinde und ein Glas Prosecco vor mir auf dem Tisch steht. Aber gut war er schon. Meiner lieben Freundin geht es inzwischen auch wieder besser und mir ebenfalls.
31. Ich möchte allen von ganzem Herzen Danken, die bei der Ice Bucket Challenge mitgemacht haben. Ich hoffe, die Challenge geht weiter und es kommt genug Geld zusammen, damit nun endlich in grösserem Rahmen geforscht werden kann. Man hat uns ALS-Betroffenen, in dieser Hinsicht in all den vielen Jahren, nämlich kläglich im Stich gelassen. Wir möchten auch eine Chance auf Heilung bekommen. Eine Chance auf Leben. Also macht weiter.
OKTOBER
2. Dass ich mich im Herbst nicht ohne Sonnenschirm unter unseren Nussbaum setzen darf, weiss ich ja aus eigener Erfahrung. Dass neben den Nüssen auch wurmartige Geschöpfe herunterfallen könnten, wusste ich aber bis dato noch nicht. Da sitze ich heute, des schönen Wetter wegen, bereits am Vormittag im Garten. Den Laptop auf dem Gartentisch und die Maus auf einem Brettchen auf meinen Oberschenkeln. Ich bin gerade dabei ein Mail zu schreiben, da raschelt es im Nussbaum und etwas fällt geradewegs auf den Gartentisch neben meinen Laptop. Ich betrachte das kleine Etwas und plötzlich fängt es an sich zu bewegen. Es hat sich aufgerichtet, herumgedreht und sich langsam in meine Richtung bewegt. Ich mag Tiere, ich mag die meisten sogar sehr. Ich kann Spinnen, Schlangen und auch Würmer anfassen. Was ich jedoch gar nicht mag, sind die kleinen, weissen Maden, welche gerne Früchte anfallen. Eine von denen kriecht gerade auf dem Gartentisch herum. Igitt, igitt. Entweder ist sie aus einer geöffneten Nuss gefallen, oder ein Vogel hat sie aus dem Schnabel verloren. Ich bin heilfroh, hat sie immer wieder die Richtung gewechselt, sodass ich bis zum Mittagessen nie mit ihr in Berührung kam. Da ich am Nachmittag den Coiffeur aufsuchte, musste ich sie auch nicht mehr anschauen. Und danach war sie zum Glück verschwunden. Ich denke, meine Abscheu rührt daher, dass Früher zu Hause schon mal ein Käse aus dem Keller kam, der Leben beherbergte. Wie ich gelesen habe, sollen diese blassen Dinger viel Eiweiss in sich tragen. Trotzdem würde ich ein Wurmpuff (Vermicelles) vorziehen. Maroni oder auch Kastanien genannt, passen ja perfekt in diese Jahreszeit.
3. Da heute wieder ein wunderschöner Herbsttag war, begab ich mich am Nachmittag auf einen Ausflug. Begleitet wurde ich von meiner persönlichen Assistentin Hildi. Zuerst fuhren wir mit dem Bus nach Flüelen an die Schiffstation. Dann stiegen wir ins Schiff mit Namen Europa ein und fuhren mit ihm über den Vierwaldstättersee nach Bauen. Danach ging es zu Fuss und mit dem Rolli auf den wunderschönen Pfaden des "Weg der Schweiz" zurück. Dieses Teilstück von Bauen nach Flüelen, finde ich persönlich am interessantesten. An der linken Seite des Fussgänger- und Rolliweges plätschert der See. Auf der rechten Seite ragen steile z.T. bewaldete Felswände in die Höhe.
Teile des Weges führen durch Tunnels, welche aus dem Felsen gehauen wurden. Durch die zahlreichen Ausblicklucken dringt fahles Licht in die Tunnels. Die gekonnt platzierten Objekte darin, erscheinen dadurch in einer speziellen Aura. Manchmal ist das Licht – Schatten – Spiel schon fasst gespenstisch. Doch kaum aus den Tunnels draussen, ist man wieder von Wasser und Bäumen, Sträuchern und Pflanzen umgeben. Den Weg säumen diverse Sitzgelegenheiten und Feuerstellen. Da es an solchen Plätzen keine Glaces gibt, sind wir heute auf halber Strecke (ca. 1 Std) eingekehrt und haben einen Coup geschlemmt. Der weitere Weg führte uns über kunstvoll gestaltete Wege und Holzbrücken. Ein, zwei Streckenabschnitte sind für Rollstühle nicht geeignet und werden auf der Strasse mit Trottoir umfahren. Eigentlich schade, mit wenig Aufwand wären auch diese Barrieren aufzuheben. Trotzdem ist das eine tolle und erlebnisreiche Strecke für Rollifahrer und Fussgänger.
10. Hier bin ich wieder. Ich war einige Tage ausserhalb des Landes. Ich habe tatsächlich endlich Rom besucht. Mit ihren vielen Sehenswürdigkeiten aus anderen Epochen ist Rom wahrhaftig eine imposante Stadt. Wir haben in den vier Tagen einige dieser Monumente besuchen können. Angefangen haben wir mit dem Vatikanstadt. Über den Petersplatz gelangten wir in den Petersdom. Die Kirche mit ihren Fresken, Statuen, den Malereien und natürlich der berühmten Kuppel beeindruckend da schon. Es ist alles pompös ausstaffiert und auch die anderen erhaltenen Gebäude sehen nicht viel anders aus. Die Sixtinische Kapelle ist eine der Kapellen des Apostolischen Palastes. Sie ist der Ort, an dem das Konklave abgehalten wird, und beherbergt einige der berühmtesten Gemälde der Welt. Die mussten wir natürlich sehen. Hier hatte ich als Rollstuhlfahrer mit Begleitung meine Vorteile. Wir mussten weder Eintritt bezahlen, noch mussten wir stundenlang anstehen. Wir hatten mehrheitlich einen separaten Eingang. Und da die Sixtinische Kapelle gerangelt voll war und ich mich darum kaum fortbewegen konnte, bahnte mir / uns ein Aufseher einen Weg durch die Menge und verschaffte uns direkt vorne in der Kapelle Platz, damit wir das berühmte Gemälde betrachten konnten. Als Rollstuhlfahrer konnte ich zwar nicht alle Gebäude besichtigen, doch bei den barrierefreien wurde ich immer zuvorkommend behandelt. Auf unserer Besichtigungstour stand auch der Besuch der Engelsburg, des Pantheons, der Sixtinischen Kapelle, der Spanischen Treppe, des Piazza del Popolo, das Forum Romanum, das Pantheon, das Kolosseums, der Trevi Brunnen, welcher zur Zeit einer Renovation unterzogen wird, auf dem Plan. Ich kann gar nicht mehr alles aufzählen was ich gesehen habe. Es gibt so vieles in Rom zu bestaunen, dass es unmöglich scheint, alles aufzunehmen.
Da tut eine Pause in den vielen Cafés, Pizzerien, Snackbars, Restaurants oder Gelaterias gut. Aber aufgepasst, immer zuerst die Preise anschauen. Wenn kein Preis steht nachfragen, sonst machen sie Preise wie es ihnen gerade so passt. Wir sind so zweimal bei Glaces reingefallen. Einmal bezahlten wir in einer Gelateria für zwei Cornettos umgerechnet Fr. 32.--. Auch die Getränke haben einen stattlichen Preis. Rom ist ein teures Pflaster, was schon an Abzockerei grenzt. Nur allein das Behindertengerechte Taxi vom Flughafen zum Hotel (je 1 Std FZ) hin und zurück, hat uns 300 € gekostet. In Acht nehmen sollte man sich ausserdem von falschen Gladiatoren, welche sich für ein Foto anbiedern und dann aggressiv reagieren, wenn man ihnen nicht 20 € dafür gibt.
Trotz den holprigen Pflastersteinstrassen, die oft fehlenden Trottoir Auf-, und Abfahrten und der Masse an Touristen, welche durch die Strassen, Gassen, Plätze und Gebäude drängen, hat mir Rom sehr gut gefallen
Jetzt muss ich euch aber doch noch das Beste erzählen. Nämlich, warum wir diese Reise unternommen haben. Vor nicht ganz drei Jahren, bei meinem 50. Geburtstag haben mir mein Mann und mein Sohn versprochen, mit mir eine Flugreise zu unternehmen. Ich habe mich dann entschieden, dass meine allererste Flugreise in meinem Leben überhaupt, sollte nach Rom führen. Und das haben wir nun gemacht. Mein erster Flug und das gleich noch im Rollstuhl.
Danke Piet, danke Peter und danke Nives für eure hervorragende Unterstützung. War schön mit euch.
22 Uhr Ich wünschte mir, ihr könntet den Mond so sehen wie ich ihn gerade sehe. Ich kann ihn jeden Abend von meinem Bett aus beobachten, wie er langsam hinter den Bergen emporsteigt. Zuerst erscheint nur ein heller Schein. Mit der Zeit wird das Leuchten immer intensiver. Und dann erscheint er, so wunderschön leuchtend. Meistens fängt er dann auch gleich an, mit den Wolken zu spielen, so wie jetzt auch gerade. Manchmal versteckt er sich in den Wolken und lässt sie in unterschiedlichem Licht leuchten. Ein anderes Mal lässt er sich von den Wolken umschlingen. Dann entsteht am dunklen Nachthimmel ein imposantes Farbenspiel. Wenn der Mond wie heute fast voll ist, ist das Leuchtspektakel noch um einiges intensiver. Einfach eindrücklich unser wunderschöner, sanft leuchtender Mond.
16. Heute Nachmittag musste ich wieder mal feststellen, wie mühsam es ist, wenn mich mein Gegenüber nicht versteht. Ausserdem bin ich es leid, mich in Diskussionen verwickeln zu lassen, bei denen ich keine Chance habe, meine Argumente richtig darzulegen. Ich denke, ich werde in Zukunft den Kontakt zu solchen Personen meiden müssen. Auch wenn es mir im Herzen weh macht, so muss ich mich doch selbst schützen.
Auch die dicksten Stricke können reissen, wenn man sie zu sehr strapaziert.
19. Welch wunderschönes Herbstwochenendwetter wir doch geniessen durften. Da musste man sich doch einfach ins Freie begeben. Sie haben es jedenfalls mein Mann und ich gemacht. Wir brauchten ohnehin beide etwas Abstand vom Alltagsstress. Und wie kann man dies am besten? Natürlich, indem man sich in die Natur begibt. So machten wir uns gemeinsam mit dem Auto auf den Weg dorthin.
Hier unsere Route: Zuhause (469m) - Oberalppass (2044m) - Lenzerheide (1450m) - Davos (1560m) - Flüelapass (2383m) - Ofenpass (2149m) im Schweizer Nationalpark (172.3km2) - Vinschgauer Tal - Meran (325) - Reschenpass (1508m) - Landeck - Ischgl - Galtür - Silvretta Hochalpenstrasse (2032m) mit 34 Kehren - Bludenz - Rheintal - Kerenzerberg (743m) - Lachen - Satteleggpass (1190m) - Einsiedeln - Ratenpass (1077m) - Innerschweiz
Eigentlich wollten wir nur eine Tagesreise unternehmen. Doch das Wetter und die Natur mit ihren Herbstfarben haben uns so in den Bann gezogen, dass wir immer weiterfuhren. Wir haben uns dann spontan entschlossen ein Nachtlager zu suchen. In Meran und Umgebung war wegen dem Traubenfest alles ausgebucht. Auf dem Reschenpass wurden wir dann aber fündig. Zwar waren die beiden behindertenfreundlichen Zimmer dieses Hotels bereits belegt, doch der Chef meinte zu uns, er denke er hätte das doch etwas für uns. Wir staunten nicht schlecht als er uns das Zimmer zeigte. Zuerst waren da ein Raum mit Polstermöbeln, grosser Schrankwand, Schreibtisch, Flachbildschirm und ein gedeckter Balkon ca. 8m x 2 m mit direktem Blick auf den See und die umliegenden Berge. Dann war da noch ein Zimmer mit grossem Doppelbett, Schrank und noch einem Flachbildschirm. Im dritten Raum kam ein grosses Badezimmer mit grosser Dusche zum Vorschein. Die Dusche hatte allerdings eine Erhöhung. Doch was soll’s, waschen kann man mich auch am riesigen Lavabo. Für mich ist es bei solch spontanen Aktionen am wichtigsten, dass ich das WC mit dem Rollstuhl befahren kann und neben dem Bett genügend Platz vorhanden ist, um es seitwärts anfahren zu können. Was uns an dieser Suite sehr gefallen hat, sind die Naturbelassenen Holzböden und das verarbeitete Holz, welches für die Herstellung der Möbel verwendet wurde. Wisst ihr, wie es riecht, wenn die Luft sauber ist? Sie riecht nach nichts. So hat es in dieser Suite gerochen. Ihr fragt euch sicher, wie wir ohne Gepäck zurechtgekommen sind. Da wir an diesem Tag mit warmem Wetter rechneten, hat jeder vorsichtshalberein noch ein Shirt zum Wechseln in die Lunchtasche gepackt. Andere Sachen wie Zahnbürste, Kamm, Nasenstäbchen, Gesichtscreme und noch diverser Kleinkram führe ich immer in meiner Handtasche mit. Sogar eine Wochenration Pillen, welche wir Beide einnehmen müssen, habe ich immer dabei. Was denkt ihr denn, warum meine Tasche immer so ausgebeult ist. Lidschatten, Kajal, Wimperndusche, Lippenstift, Nagellack usw. mussten praktischeren Dingen weichen.
Übrigens hat uns der gepflegte, weisshaarige und zuvorkommende Hotelchef einen Spezialpreis für die Suite mit Halbpension gemacht.
Mein Mann und ich haben dieses Wochenende wieder sehr genossen und freuen uns bereits wieder aufs nächste Abenteuer.
21. Der Winter hält Einzug. Der erste Pass wurde heute Morgen bereits zugemacht. Der Sustenpass 2264 m.ü.M bekam heute die Wintersperre verpasst.
Man kann es eigentlich gar nicht glauben, dass heute Nacht der Winter einkehren soll. Heute Nachmittag riss die Wolkendecke immer wieder auf und die Sonne liess es sich nicht nehmen, ihre wärmenden Strahlen nochmals mit geballter Kraft auf die Erde zu schicken. Am späteren Nachmittag zogen dann doch etwas dunklere Wolken auf und manchmal fielen einige Regentropfen. Nachdem nun im Norden das Abendrot verblasst ist, überziehen immer dickere, dunklere Wolken den Himmel. Es geht kein Wind, es bewegt sich kein Blatt. Es kommt mir vor, als wär’s die Ruhe vor dem Sturm. In der Nacht soll laut Wetterzentrale, starker Wind mit Böen von bis zu 120 km/h aufkommen. Im Schlepptau sei starker Regen und der Schnee soll ihn bis auf 500 m.ü.M. hinunterbegleiten. Da wir auf 469 m.ü.M wohnen, haben wir heute Abend vorsorglich noch die empfindlichen Pflanzen und Dekorationen ins Winterquartier verfrachtet. Bin ja gespannt was mich Morgen erwartet. Bis jetzt sieht es jedenfalls nicht nach Schnee aus.
21.00 Uhr Jetzt ist es eingetroffen. Als hätte jemand einen Schalter umgedreht. Draussen tobt ein Sturm und heftiger Regen peitscht an die Fensterscheiben. Obwohl es eigentlich nicht logisch ist, wird die Dunkelheit zwischendurch durch heftige Blitze erhellt.
22. Kaum hat es in den Bergen Schnee, bekommen die Bergdohlen kalte Füsse und fliegen ins Tal. Soeben sind sie in unserem Dorf eingetroffen und nun drehen sie einige Runden, Ob sie wohl Ausschau halten, wo die leckersten Kompostgitter stehen. Also liebe Gartenfreunde, deckt den Kompost ab, denn es ist nicht das artgerechtes Vogelfutter.
Wie ihr bereits ahnen könnt, kann ich auf weisse Berge und Wälder blicken. Ich denke, der Schnee hat es bei uns so bis auf 800 m ü.M heruntergeschafft. Momentan herrscht ein Wettermix aus Regen, Wind und Sonne. Einzelne Blätter haben sich vom Sturm an meine Fensterscheiben wehen lassen. Nun schauen sie ganz zerzaust zu mir ins Zimmer. Auch die Linde vor meinem Fenster hat schon besser ausgesehen. Sie musste in der Nacht einige Blätter lassen. Vor allem die goldenen musste sie mit dem Wind ziehen lassen. Nun steht sie da mit ihrem ausgedünnten Blätterkleid und wartet ab, was da noch kommen mag.
23. Der Wetterumschwung hat uns nicht so stark getroffen wie befürchtet. In den Bergen liegt zwar schon einiges an Schnee, doch der wird sich kaum lange halten. Die Sonne hat immer noch genügend Kraft und wenn sie wie heute so auf die Schneefelder zielt, ist er im Nu wieder weg. Auch das grüne Blätterkleid der Linde hat sich seit gestern nicht gross verändert. Was sich geändert hat, sind die Vogelstimmen. Ich denke, nun sind auch die letzten Zugvögel in den Süden aufgebrochen. Könnte ich fliegen, wäre ich mit ihnen auf die Reise gegangen. Ich darf mich aber nicht beklagen, schliesslich durfte ich dieses Jahr schon einige Reisen unternehmen. Mir stinkt es manchmal einfach, dass ich im Winter wegen der Kälte nicht mehr so oft und nicht mehr spontan nach Draussen kann. Die Kälte schränkt mich in meiner Selbstständigkeit ein. Im Winter brauche ich immer jemand der mich warm anzieht und auch wieder auszieht. Aber auch an diesem Winter, werde ich die schönen Seiten enddecken. Es ist ja auch gemütlich, einen Kaffee zu trinken und durchs Fenster zuzuschauen, wie Draussen die Flocken vom Himmel tänzeln.
24. Wollte mal nachschauen, ob mein Kaffee noch da ist und siehe da, er ist noch da. Niemand hat es gewagt, mir meinen Kaffee wegzutrinken. Er ist inzwischen allerdings kalt geworden. Aber wie sagt man so schön, kalter Kaffee macht schön. Und das kann ich gebrauchen. Ich habe aber absolut keine Angst vor dem Älter werden. In meiner Situation freue ich mich sogar auf jedes Jahr, welches mich älter werden lässt. Das Problem ist, ich kann meine Energie, meinen Tatendrang nicht wie die Arbeitende Gesellschaft durch körperliche-, oder geistige Arbeit abbauen. Auch habe ich immer noch viele Ideen, die darauf warten verwirklicht zu werden. Ich denke auch, dass ich durch meine Offenheit Neuem gegenüber, geistig jung geblieben bin. Also stimmt mein Äusseres mit meinem Inneren nicht überein. Aber spielt denn das überhaupt eine Rolle? Hauptsache ich bin trotz Krankheit gesund.
Habe dazu noch eine Aussage von Robert Lembke gefunden.
Alt werden ist natürlich kein reines Vergnügen. Aber denken wir an die einzige Alternative.
25. Wenn ich schon übers Älter werden schreibe, interessiert es euch vielleicht, wie weit bei mir die Krankheit ALS seit der Diagnose im Jahr 2001 fortgeschritten ist. Also los geht’s.
Beine u. Füsse: Die Kraft in meinen Beinen reicht gerade mal, um mit Unterstützung 1 Minute stehen zu können. Daher ist es immer noch möglich, die Transfers in und aus dem Rollstuhl mittels einer Drehscheibe auszuführen. Das geht aber nur, wenn ich Schuhe trage, die meine unstabilen Sprunggelenke stützen. Mit Unterstützung meines Mannes kann ich sogar noch 2 – 3 Schritte vorwärtsgehen. In beiden Füssen ist der Spitzfuss sehr ausgeprägt und die Zehen neigen dazu sich einzurollen. Weiter verdreht sich mein linker Fuss vermehrt nach innen. Im Rollstuhl sitzend, kann ich meine Beine anwinkeln, geradeaus strecken und etwa 30 cm vom Boden abheben.
Rumpf: Meine Bauchmuskeln blieben noch so weit erhalten, dass es mir immer noch möglich ist aufrecht zu sitzen. In letzter Zeit machen sich vermehrt Schmerzen in der Hüfte bemerkbar. Wahrscheinlicher Auslöser, langes Sitzen im Rollstuhl und Seitenlage beim Schlafen. Meine Schultern haben die Tendenz, sich nach vorne zu neigen. Im Bett kann ich mich nicht selber drehen, dazu benötige ich Hilfe.
Arme u. Hände: Das sind meine schwächsten Gliedmassen. Im Rollstuhl sitzend, kann ich meine Arme etwa 10 cm von den Oberschenkeln lösen. Das heisst ich kann weder meinen Kopf berühren noch ein Haar aus meinem Gesicht wischen. Meine Hände sind sehr schwach. Von den 10 Fingern haben gerade mal 3 Finger genügend Kraft, um die PC-Maus zu steuern. Die andern rollen sich gerne unter die Handflächen. Da die Feinmotorik immer mehr lachlässt, muss ich laufend den Klickdruck an der Maus anpassen. Sonst schreibt es ständig Doppel-, und Dreifachbuchstaben. So wird es dann äusserst mühsam einen Text zu schreiben.
Kopf und Hals: Durch das Nachlassen der Gesichtsmuskulatur hat sich mein Ausdruck, meine Mimik verändert. Meine Augen und die Nase laufen und brennen sehr oft. Mühsam vor allem, wenn ich allein zuhause oder unterwegs bin. Wer will schon mit einer laufenden Nase in einem Geschäft einkehren. Weil meine Kau-, und Schluckmuskulatur ebenfalls geschwächt sind, wird mir das Essen sehr klein geschnitten und in kleinen Portionen verabreicht. Krümelige sowie klebrige und haftende Sachen meide ich, damit ich mich nicht verschlucke. Getränke nehme ich wegen des Verschluckens grösstenteils mit einem Trinkhalm zu mir. Durch die Kraftverminderung bzw. Steifigkeit der Zunge kann ich mich auch nicht mehr so gut artikulieren. Doch was sich nicht verändern wird, ist die Funktion zu denken.
Innere Organe: Da wäre mal das Zwerchfell, welches für das Funktionieren der Lunge zuständig ist. Klar hat auch dieser Muskel an Kraft verloren. Es reicht aber immer noch, dass ich ohne Sauerstoffmaske auskomme. Für das Reden wird die Luft manchmal doch etwas knapp. Die Darmfunktion funktioniert mal besser mal schlechter. Durch meine stark eingeschränkte Beweglichkeit neige ich zur Verstopfung. Abhilfe schafft da eine Lymphdrainage und die gelegentliche Einnahme eines Pülverchens. Die Blase macht mir keine Probleme. Die anderen Organe sind alle ok. Die werden von der ALS ja auch nicht direkt betroffen.
Das wäre es in etwa.
Meine diversen Hilfsmittel erleichtern mir meinen Alltag und tragen dazu bei, meine geliebte Selbstständigkeit ein wenig zu waren. Ach ja, da wäre ja noch das, was man nicht sehen oder ertasten kann. Nicht mal ein Röntgenbild kann es sichtbar machen.
Die Seele, die Psyche, dass ich: Bei mir geht es psychisch auf und ab wie bei jedem „Gesunden“ auch. Ich habe nicht mehr Tiefs als vor der ALS. Die Gründe haben sich allerdings geändert. Geändert haben sich auch meine Ansichten über den Sinn meines Daseins und meinem Glauben an Gott. Ich denke sehr viel nach und entdecke und erfahre immer wieder Neues. Es kommt mir vor, als wäre ich auf einer sehr interessanten Entdeckungsreise. Ich bin ja mal gespannt, wie diese Reise ausgehen wird.
Heute vor 34 Jahren war es auch ein regnerischer Samstag und es war arschkalt Als ich mit meinem kurzärmeligen Kleid und den silberfarbenen Sandaletten vor dem Traualtar stand, habe ich wie Espenlaub gezittert.
Und wie es der Zufall so will, fährt gerade ein Hochzeitstross an unserem Haus vorbei. Ein perfektes Zeichen für die weitere Zukunft.
26. Im Leben läuft nicht immer alles so wie man es gerne hätte. Ereignisse können den geplanten Lebensweg durchkreuzen und man muss sich neu orientieren. Manchmal verliert man seinen Weg einfach aus den Augen und man muss ihn wieder suchen. In so einer Situation stecke ich gerade. Ich stehe vor einer Wegscheide und weiss noch nicht, welchen Weg ich einschlagen soll. Dafür benötige ich eine wenig Zeit und nehme mir deshalb eine Auszeit von meiner Homepage. Ich schreibe nun schon seit 5 Jahren Tagebuch und ich denke, zwei, drei Monate Ferien müssen da mal drin liegen. Sollte sich während dieser Zeit etwas Wichtiges ereignen, werde ich euch natürlich informieren. Meine Homepage-Ferien starte ich am 1. November. Ich werde diese Zeit nutzen, um die Weichen neu zu stellen.
Ich weiss, meine Bilder sind sehr einfach gestrickt. Es macht mir aber einfach Freude, wenn mir die PC-Maus den Pinsel ersetzt und ich damit auf dem PC einige Bilder kreieren kann. Wenn ihr aber mal professionelle Bilder anschauen wollt, habe ich euch hier zwei Links.
Da wären mal die Bilder von Rosanna Spera. Trotz den Einschränkungen durch ALS gelingt es ihr immer noch, wunderschöne Bilder auf die Leinwände zu bringen.
28. Meine lieben Leser. Ich kann euch versichern, mir geht es ausgezeichnet. Klar hinterlässt die ALS auch bei mir körperliche und psychische Spuren. Das geht den andern ALS-Betroffenen nicht anders. Ich kann mich sogar glücklich schätzen, zu den 10% Betroffenen zählen zu dürfen, welche einen eher langsamen Krankheitsverlauf haben und die Lebenserwartung nach Diagnosestellung über 10 Jahre beträgt. Ich lebe mit ihr beinahe schon 14 Jahre. Also macht euch keine Sorgen und gönnt mir diese Auszeit.
31. Ich melde mich wieder, keine Frage.